Kapitel 62
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und warf das Küchentuch über meine Schulter. Endlich hatten meine Hände wieder etwas zu tun.
Mit jedem Tag, der verging, wurde es hektischer im Palast. Gäste kamen an, bezogen ihre Zimmer, Dekorationen wurden aufgehangen und Bilder und Statuen abgestaubt. Das Gebrumm der Bediensteten Menschen und Wölfe begann früh morgens und verstummte spät abends.
Es war endlich etwas Leben in diesem Palast.
„Ich hasse backen", murmelte Dana, die mit verschränkten Armen in der Ecke lehnte.
„Was?", fragte Lia, die sich noch ein Stück von dem Plätzchenteig in den Mund schob. Die Ausstecher lagen überall verteilt und die ganze Fläche war mit Mehl bestreut.
Dana zuckte mit den Schultern.
„Habe keine guten Erfahrungen damit gemacht", sagte sie und wich einem der Köche aus, der hektisch im Schrank neben ihr wühlte. Dampf zischte durch die Küche und hüllte uns in einen feuchten Nebel. „Ich probiere sie natürlich trotzdem gerne, um zu sehen, ob sie auch gut sind. Wie lange brauchen die?"
„Nicht so lange", antwortete ich und kehrte das Mehl zusammen.
Sie und Astor waren erst gestern hier eingetroffen.
„Nur damit ich das richtig verstehe", sagte Lia, „du hast also Talon erwischt, wie er Udyr umgebracht hat? Wir haben ihn vor ein paar Tagen im Kerker besucht..."
Dana nickte.
„Du wirst bald Luna dieses Palastes sein", sagte ich und die Wölfin zog die Augenbrauen zusammen.
„Ich weiß... eigentlich sollte es wirklich ein Tag zum Feiern sein, wenn Talon seinen Kopf verliert, aber mir ist nicht nach feiern zumute... Erst wenn wieder Frieden und Stabilität zurückkehren. In den Dörfern herrscht Chaos. Wir müssen sie wieder zusammenbringen unter einem Gesetz."
Die Stimmen der Köche überschlugen sich und eine Stichflamme stieg von einer Pfanne auf.
„Ich denke wir sollten an einen ruhigeren Ort gehen", sagte ich.
„Keine schlechte Idee", erwiderte Lia. „Ich habe gelesen, dass der weiße Palast einige Geheimgänge zu bieten hat."
Ich grinste bei ihrer Neugier.
„Oh ja, Astor kennt sich hier am besten aus. Aber ein oder zwei kenne ich auch. Kommt."
Ich zog die Schürze aus, legte sie auf die Seite und bat einen der Küchenhelfer auf unsere Kekse zu achten. Dana drückte die Tür auf und wir ließen die Hitze der Küche hinter uns, samt Stimmengewirr und Dampf. In den Korridoren war es nur leicht ruhiger. An einigen Ecken standen große Leitern, auf denen Girlanden aufgehangen wurden.
„Zelos meinte auch, dass heute nochmal ein großer Schwung der Gäste kommen wird", sagte ich und betrachtete die Gemälde an den Wänden, die gerade abgestaubt wurden und in neuem Glanz erstrahlten.
Lia klatschte die Hände zusammen.
„Das ist meine Chance, auch die anderen Alphas und Lunas kennenzulernen", sagte sie aufgeregt. „Und wenn ich die Geheimgänge kenne..."
„Wir werden ihnen keine Streiche spielen", sagte ich und erzielte nur einen Schmollmund.
„Hier lang", sagte Dana und führte uns breite Treppen in einen Keller hinunter. Die kühle Luft war eine angenehme Abwechslung zu der heißen Küche. „Das ist einer der größten Gänge. Von hier aus-"
Ihr Blick zuckte zu einer der offenen Türen. Ihre Wolfsohren hatten etwas gehört, was Lia und ich nur erahnen konnten. Gemeinsam lugten wir an der Ecke vorbei in den Raum.
Ein lautes Zischen wie von Säure schreckte uns zurück, zusammen mit weißem Rauch, der in die Luft aufstieg.
„Ich denke die Konzentration war etwas zu hoch", krächzte eine Stimme, die ihr Husten unterdrückte.
Als sich der Nebel legte, kamen zwei Gestalten in Sicht.
„Was zum Teufel macht ihr da?", fragte ich.
Zelos und Demetrius zuckten herum. Sie sahen aus wie zwei kleine Kinder, die man erwischt hatte. Der alte Mann sah neben dem Lycan aus wie ein Zwerg. In seiner Hand hielt er ein Reagenzglas mit Flüssigkeit, aus dem die letzten Schwaden emporstiegen.
Lia stemmte ihre Hände in die Hüfte.
„Demetrius, du hast mir versprochen, dass ich dein Lehrling werde", sagte sie und funkelte ihn an.
„Ja, und vor seinem neuen Meister sollte man Respekt haben", erwiderte der alte Wolf und steckte das Reagenzglas zurück in den Ständer. Mit der Hand verscheuchte er die Überreste des Nebels. „Außerdem habe ich hier zu tun. Ich glaube es schleicht sich jemand herum... Wir sind hier fertig, oder?"
Hoffentlich meinte Demetrius damit nicht uns.
„Ja", sagte Zelos, bevor seine Augen auf mich fielen. Etwas war anders in seinen Zügen, als hütete er ein Geheimnis. „Wir lassen ihn lieber in Ruhe, bevor noch der Palast in die Luft fliegt."
Er legte einen Arm um meine Schulter und ich genoss seine Nähe in vollen Zügen. Lia hingegen funkelte ihn an.
„Demterius ist mein Meister, verstanden? Er hat keine Zeit für zwei Lehrlinge."
„Ja, ich glaube du wirst seine ganze Aufmerksamkeit benötigen", erwiderte Zelos und ich lachte.
Lia grummelte etwas unter ihrem Atem, das an den Steinwänden verhallte. Plötzlich verharrte Dana und ihre Augen wurden glasig.
„Wir sollten gehen", murmelte sie abgelenkt. „Die Gäste kommen gleich an."
Zelos und ich blickten uns an.
„Dann los."
„Demetrius, kommst du mit?", fragte Lia, doch der alte Mann stand schon an dem offenen Feuer in seinem Kellerlabor. Er winkte ab und konzentrierte sich stattdessen auf die Arbeit vor ihm. Dana und Lia unterhielten sich vor uns auf dem Weg zurück nach oben.
Zelos drückte meine Hüfte und ein spannungsgeladenes Ziehen fuhr durch meinen Körper. Meine Aufmerksamkeit landete zurück auf ihm.
„Du riechst nach Plätzchen", murmelte er und sah aus, als würde ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Ich liebe Plätzchen."
Ich grinste.
Und ich liebe dich...
„Ich hätte nie gedacht, dass der Lycan eine Naschkatze ist."
Zelos hob einen Mundwinkel.
„Wohl eher Wolf... Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich auf heute Abend freue", raunte er. Mir wurde taumelig vor Freude.
Er drückte einen Kuss auf meine Schläfe.
Ich schloss die Augen. Die letzten Tage hatten wir uns kaum gesehen. Er war immer in Besprechungen mit Eros und Astor. Nur am Abend, wenn die Sterne am Himmel standen und der Mond uns sah, hatten wir Zeit füreinander.
Und diese Zeit mussten wir nutzen, bevor die Sonne aufging.
„Demetrius hat übrigens auch das Geschenk für Kerberos besorgt", sagte Zelos, als wir oben ankamen und unseren Weg zur Eingangshalle machten.
„Perfekt, da wird er sich freuen", erwiderte ich.
Der arme Riesenhund durfte nur abends raus und tagsüber nur in unserem Stockwerk bleiben. Jeder hier, bis auf uns, hatte Angst vor seinen drei Köpfen und den gelben Augen... und wer konnte es ihnen verübeln.
Ein Aufgebot an Wölfen und Menschen belagerte die Eingangshalle. Auf der Treppe standen bereits Eros und Astor und unterhielten sich. Bei dem Anblick ihrer Gefährtinnen verstummten sie, ganz im Gegensatz zu den anderen Zuschauern.
„Sie müssten gleich da sein", sagte Eros, während er Lia in seinen Armen empfing.
Beta Johnson hingegen war nirgends zu sehen. Er war wie vom Erdboden verschluckt, genauso wie Sonni und Solana, die abgeschirmt in einem der Stockwerke saßen...
Die Wächter öffneten die Tore in die Winterlandschaft der Hauptstadt hinaus. In der Ferne stieg Rauch aus den Schornsteinen hoch. Der Schnee funkelte auf Feldern und Dächern. Eine Schar aus kleinen Punkten kam durch die Straßen auf uns zu.
„Da sind sie", sagte Dana und lächelte.
Zelos legte einen Arm um meine Hüfte.
Begleitet von Kriegern kamen die ersten Besucher durch die Türen. Einen von ihnen erkannte ich sofort an den grau-schwarzen Haaren und warmen Augen.
„Ulf", sagte Dana.
Er war nicht allein. An seiner Hand lief ein kleines Mädchen, das Ulfs Gefährtin auf der anderen Seite wie aus dem Gesicht geschnitten war. Das Mädchen staunte mit großen Augen. Dana und Astor stiegen die Stufen hinunter und begrüßten sie.
Dahinter kamen Scharen an Krieger herein und verteilten sich im großen Saal. Das Stimmengewirr stieg hoch bis an die Decke.
„Verbeugt euch für Alpha Lenkin und seine Gefährtin, Luna Lyza!", rief eine Stimme vor den Eingangstoren und die Menge bildete eine Schneise.
Lyza sah besser aus, weniger Augenringe und mehr Farbe im Gesicht. Um ihre Schultern lag ein dicker Mantel und Lenkin hielt sie nah an sich gedrückt. Sie lächelte, als sie mich sah und verneigte sich leicht. Hinter ihrem Rücken lugte Linur hervor, der noch mehr über den Palast staunte als Ulfs Tochter.
Endlich war das Gesicht sauber und zeigte die blasse Haut des Jungen.
„Alpha Fenrir und Luna Lilli!"
Umgeben von Kriegern aus meiner Heimat traten sie ein.
„Komm", sagte Zelos, „wir sollten sie begrüßen gehen."
Luna Lilli trug in ihren Armen ein kleines Bündel, den Erbe von Bergschatten. Ein milder Ausdruck lag auf ihrer Stirn. Als sie und Fenrir uns sahen, steuerten sie direkt auf uns zu.
„Es ist uns eine Freude, Euch wiederzusehen", sagte Fenrir und neigte seinen Kopf.
Ich tat es ihm gleich.
„Wir sind aber nicht allein gekommen", antwortete Luna Lilli mit einem sanften Lächeln.
Die beiden traten zur Seite.
„Lizzy!"
Die Stimme ließ mein Herz erzittern.
„Tommy?"
Seine Augen leuchteten so groß, dass sie fast aus den Höhlen sprangen. Tränen verschleierten meine Sicht, als er auf mich zu rannte. Ich kam ihm entgegen und öffnete meine Arme.
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Ui, das große Wiedersehen hat begonnen! Mir sind das ja fast schon zu viele Charaktere, auf die ich achten muss... Naja, bald ist die ganze Reihe zu Ende und ich bin schon ein bisschen traurig, aber auch nervös, was ihr vom Ende haltet... einige werden mich hassen :D
Weiter geht es am Samstag!
Bis dahin: Wie kauft eine Katze ein?
Über einen Katerlog.
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