Kapitel 52
Das war nicht Zelos.
Jemand war hier im Raum.
Adrenalin floss durch meinen Körper, während mein Herz die Gedanken zu verarbeiten begann.
Beta Talon.
Er könnte direkt hinter mir stehen und mir das Genick mit einem Biss brechen. Ich kniff die Augen zusammen. Der Traum hing mir noch in den Knochen.
Wusste der Eindringling schon, dass ich wach war?
Kerberos' tiefes Knurren hallte durch den Raum. Sollte ich aus dem Bett aufspringen und zur anderen Seite hechten? Was würde der Angreifer machen?
Wieso war er hier?
Mit jeder Frage pochte mein Herz kräftiger gegen die Rippen. Wenn er ein Werwolf war, hatte ich meine Tarnung schon aufgegeben. Ich atmete durch.
Die Laken raschelten, als ich mich in Zeitlupe zur anderen Seite drehte. Der kühle Mondschein schien auf die Silhouette, die grau hervorstach, wenige Meter von mir entfernt.
„Delta Ivan?", fragte ich.
Der Werwolf überragte mich und tiefe Schatten lagen um seine Züge. Etwas blitzte in seiner Hand auf.
Ein Messer.
Kerberos' Knurren dröhnte bis zu mir. Der Hund war in einer gehockten Position auf dem Teppich und seine drei Köpfe galten nur Delta Ivan. Seine Worte waren kaum zu verstehen unter dem Dröhnen meines Herzens.
„Es tut mir leid", murmelte er, doch blieb erfroren einige Meter von mir entfernt.
„Wieso?", fragte ich und meine Stimme erzitterte unter dem Anblick der Klinge. Er wollte mich umbringen. „Du musst das nicht tun."
„Er hat meine Familie", flüsterte Delta Ivan und der Mondschein grub Falten auf seine Stirn.
Meine Gedanken rasten.
Er sprach von Beta Talon.
War das der Plan gewesen?
Aus dem Augenwinkel sah ich Kerberos, der sich langsam weiter heranpirschte.
„Bleib", befahl Delta Ivan, ohne den Hund auch nur anzugucken, „sonst werde ich es schnell beenden..."
Kerberos' Grollen gefror zusammen mit seinen Bewegungen. Als verstünde er jedes einzelne Wort...
„Aber du willst das doch gar nicht", raunte ich. Mein ganzer Körper war auf dem Sprung und erwartete, dass seine Worte Wirklichkeit wurden. Das Herz überschlug sich in dem Versuch, meiner Brust zu entkommen. „Wir können dir helfen."
„Könnt ihr nicht!", donnerte er und der kalte Mondschein spiegelte sich in seinen Augen. „Er hält meine Gefährtin gefangen, und meinen Sohn... Es tut mir leid, ich werde es schnell machen."
Ich rückte weiter auf dem Bett zurück.
Zelos...
„Kerberos wird dich in Stücke reißen, sobald du mich angreifst", erwiderte ich.
„Ich weiß..."
Der Schmerz in seinen Worten brannte sich durch mich durch.
Seine Augenfarbe wandelte sich in ein leuchtendes Gelb, als Delta Ivan seinem Wolf die Kontrolle übergab. Das Messer blitzte auf mich zu. Ein Kreischen entkam meinen Lippen, während ich über die Laken zurückschoss.
Kerberos' Brüllen verschwamm.
Mein Knie donnerte als erstes auf den harten Boden. Ich krabbelte weiter, auf dem Weg um das Bett, weg von dem Dolch. Ich keuchte nach Luft. Meine Hände schürften über das raue Holz.
Plötzlich legte sich ein Schatten auf meinen Weg.
Der fauchende Atem von Delta Ivan kam näher.
Etwas durchschnitt die Luft. Ein heißer Schmerz zertrümmerte meine Schulter. Alle Nervenenden kreischten auf. Die Klinge war eiskalt. Mein Atem brach ab und verwandelte sich in ein qualvolles Stöhnen. Meine Wange landete auf dem Boden. Eisengeruch besetzte meine Nase, doch das warme Blut, das meine Wirbelsäule hinunterlief, konnte ich nicht stoppen.
Steckte die Klinge noch in der Schulter?
Ich blinzelte die Schatten weg.
Ich lag mitten im Raum, auf dem Bauch. Hektische Bewegungen regten sich. Beinpaare sprangen hin und her.
Kerberos hatte zwei seiner Gebisse in Delta Ivan vergraben. Sein Gesicht war von Schmerzen verzogen und sein Mund stand offen, doch Watte steckte in meinen Ohren und machte das Hören schwer. Der Riesenhund donnerte ihn auf den Boden.
Die Vibration ging durch meinen Körper.
Ich tastete nach dem Holzboden.
Plötzlich ging die Tür auf.
„Zelos..."
Meine Worte erklangen nur in meinen Ohren.
Seine rubinfarbenen Augen brannten durch den Raum, bevor sie auf mir landeten. Sie verdunkelten sich und wandten sich zu Delta Ivan, der auf dem Boden lag und sich nicht gegen den Angriff des Hundes wehrte.
„Du hättest mich nicht betrügen sollen", sagte Zelos. „Weißt du, wieso Kerberos der Todesbringer genannt wird? Jedes Lebewesen stirbt, wenn es von seinen drei Köpfen gebissen wird, egal ob Werwolf oder Urwolf..."
Es fehlte also nur noch der mittlere Kopf.
„Kerberos, fass."
Ich blinzelte.
Verschwommene Bilder schwirrten umher. Mein Atem war nur noch ein Krächzen nach Luft. Dann legte sich eine warme Hand auf meine Wange.
Zelos' Augen leuchteten auf mich hinab.
Ich stützte meine Hand auf den Boden und hievte mich auf alle Viere. Die Bewegung jagte einen brennenden Schmerz über mein Schulterblatt. Ich konnte die gebrochenen Knochenteile fühlen, die sich unter der Haut bewegten.
Meine Lippen begannen zu Zittern.
Hände schoben sich unter meine Achseln und halfen mir in eine aufrechte Position. Ich verkrallte meine Hände in Zelos' Hemd und lehnte meinen Kopf dagegen.
„Zieh es raus!"
Meine Stimme war nur noch das Kreischen einer Furie.
„Ich kann nicht, wir brauchen erst einen Arzt. Davin ist unterwegs", raunte er. „Bleib bei mir."
„Zieh es raus..."
Das Silber in meinem Körper hatte sich aufgewärmt und bei jedem Atemzug machte es sich bemerkbar. Ich versuchte die Schluchzer zu unterdrücken, die den Schmerz nur noch weiter förderten.
„Bitte...", krächzte ich gegen seine Brust, die hart war wie Stein.
„Hier, nimm das", raunte Zelos und ich spürte etwas kühles an meinen Lippen. Für eine Sekunde überdeckte der Geruch von Kräutern den Blutgestank. Ich öffnete meinen Mund und der flüssige Inhalt des Glases glitt die Kehle hinunter. Der bittere Geschmack verbiss sich in meinem Rachen und lenkte mich für eine Sekunde ab.
„Davin ist bestimmt gleich hier..."
Ich gab einen Laut von mir, den ich selbst nur als Zustimmung deuten konnte. Meine Gedanken drehten sich um das Messer, das noch in meinem Rücken steckte und sich bei jeder kleinen Bewegung verschob.
Meine Augen brannten vor Müdigkeit.
Das Blut rauschte in meinen Ohren.
Die Tür donnerte auf.
Ich spürte, wie Zelos seinen Kopf drehte, doch ich blieb vereist.
Keine Bewegung machen...
„Betty!"
Ich ignorierte Davin so weit das möglich war und Zelos unterstützte mich mit einem Knurren.
„Wo ist der Heiler?", fragte er und ich konnte die Spannung in seinem ganzen Körper spüren. Sein Herz schlug schneller und kräftiger als meines.
„Es gibt keinen hier in Flussklaue. Beta Talon hat den Rudelheiler töten lassen", sagte Davin.
Ich schloss die Augen.
Ich sollte mir Sorgen machen, doch irgendwie beruhigte mich sein Herz langsam.
„Was sollen wir tun?", fragte Davin.
Zelos' Pranke legte sich auf meinen Hinterkopf, als wollte er sicher gehen, dass ich noch da war und atmete.
„Wir werde..."
Seine Worte verschwammen wie ein Traum, der sich auflöste.
Meine Augen ließen sich nicht mehr öffnen.
Jegliche Spannung fiel aus meinem Körper...
--
Vögel zwitscherten.
Ich runzelte die Stirn.
Mein Bauch lag auf etwas Weichem, genauso wie meine Wange. Ich war eingekuschelt in einer angenehmen Wärme. Dafür hämmerte ein Kopfschmerz immer wieder gegen meinen Schädel als wollte er ihn in Zwei spalten.
Ich stöhnte gegen das Kissen.
Die Vögel trällerten ungestört ihr Lied in der Ferne.
Abgesehen davon war es ruhig.
Quälend langsam schob ich die Lider auf. Wintersonnenstrahlen fielen auf mein Gesicht, die zwar nicht wärmten, aber ihr Licht spendeten. Hinter dem Fenster schlummerten schneebehangene Bäume.
War mein Traum in Erfüllung gegangen?
War ich endlich mal so lange bewusstlos, dass der Krieg vorbei war?
Ich drehte meinen Kopf und ein dumpfer Schmerz zog durch meine Schulter. Delta Ivans Augen blitzten durch meinen Kopf und verstärkten nur das Pochen.
Es war wirklich passiert.
Er hatte mir ein Messer in den Rücken gerammt.
Ich atmete durch und versuchte mich auf das Jetzt zu konzentrieren.
Das Zimmer sah anders aus, kleiner.
Wo war ich hier?
Mit aller Kraft drückte ich mich von der Matratze hoch.
Das Nachthemd, was ich trug, reichte mir bis zu den Knien. Um meine verletzte Schulter war ein weißer Verband gebunden, der sie ihn Position hielt. Ich schlurfte hinüber zur Tür und schob sie auf.
Ein weißes Kristallmeer erwartete mich zusammen mit einer frischen Brise. Die Vögel in den kahlen Schneebäumen schmetterten ihre morgendliche Musik noch lauter.
Wald.
Ruhe und Frieden.
Fußspuren führten von dem kleinen Häuschen weg.
Plötzlich kam eine Gestalt um die Ecke.
Eine Gestalt mit roten Augen.
Zelos erstarrte und ließ das Feuerholz aus seinen Händen zurück in den Schnee fallen.
„Du bist wach."
Noch bevor ich etwas erwidern konnte, war ich in seine Arme geschlossen, die mir ihre Wärme schenkten. Zelos war sehr auf meine Schulter bedacht.
„Wo sind wir?", fragte ich und sog seinen bekannten Geruch ein, nach Kiefer und Regen.
Er lehnte sich zurück.
Kein typisches Grinsen, nur Ernsthaftigkeit.
„Willkommen im westlichen Wald."
--
Und, habt ihr das erwartet?
Ich war selbst ein bisschen überrascht! Und was wird uns wohl am Sonntag erwarten, oder eher wer?
Ich freue mich übrigens über jeden einzelnen Kommentar, danke dafür! Und natürlich über die Sterne auch! Ich hoffe die Geschichte macht euch noch Spaß und die schlechten Witze auch :D
Bis dahin: Welche Schuhe tragen BILD-Redakteure?
Skandalen
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro