Kapitel 19
Ich saß zurück am Tisch des Festes, doch nicht so, wie ich es geplant hatte neben Theo. Zelos lehnte sich zu mir hinunter.
„Du hast den ganzen Abend nichts gegessen", raunte er mit Blick auf meinen Teller. Kerberos wartete geduldig neben ihm. Einer der Köpfe war auf das Fleisch auf meinem Teller fokussiert.
„Ich möchte nichts Essen."
Zelos seufzte.
„Er wird dir nichts tun. Das schwöre ich bei..."
Stille.
„Bei der Mondgöttin?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch. Er grinste.
„Lieber nicht, sonst verflucht sie mich nochmal", antwortete er und ich lächelte zurück.
„Das würde ich gerne sehen", sagte ich. „Dann würde Kerberos eine schöne Dekoration im Eingangsbereich abgeben."
Der dreiköpfige Hund kniff seine Augen zusammen, als hätte er meine Worte verstanden. Zelos streichelte das Monster, das im Sitzen bis zu seinen Achseln kam.
„Hör nicht auf sie. Sie ist nur neidisch, dass sie nur einen Schädel hat", sagte er und meine Kinnlade klappte hinunter. Kerberos schnaufte und schloss die Augen, als würde er seinem Herrchen zustimmen.
„Wie auch immer", murmelte ich und nahm die Gabel in die Hand. Ich schaufelte die süßen Erbsen in meinem Mund und kaute. Sie waren zwar kalt, aber platzten zwischen meinen Zähnen. Als nächstes war der Kartoffelpüree dran.
„Sie kann ja doch essen", sagte Zelos. Ich verkniff mir die Kommentare.
Die Wölfe begannen die Bänke zu verschieben. Die Tischbeine dröhnten über das Parkett, sodass eine leere Fläche in der Mitte entstand. Ich spülte das Essen mit einem großen Schluck Wasser hinunter.
„Was passiert hier?", fragte ich und drehte mich zu Zelos. Das goldene Licht betonte seine makellose Haut, als er sich zu mir wandte. Freude spiegelte sich in seinen Augen.
„Jetzt wird getanzt!"
Wie auf sein Stichwort schwang der Klang von Flöten durch die Luft. Die Melodie bewegte die Massen auf die Tanzfläche und die Pärchen wirbelten im Kreis. Die strahlenden Gesichter von Gefährten, die sich gegenseitig in den Augen ihres Gegenübers verloren...
Meine Wangen wurden rot und ich spürte die Hitze.
Unmerklich sah ich zu Zelos.
Er hatte sich in seinem Thron zurückgelehnt und beobachtete sein Volk mit zufriedener Miene. Ob er wohl auch tanzen wollte? Das Gelächter der Paare summte durch den Saal und ich ließ den Blick zurück auf meinen leeren Teller fallen.
Ich warf Zelos einen Blick von der Seite zu.
Mein herz verkrampfte.
Wieso... fragte er mich nicht?
Er mochte mich und ich mochte ihn.
Doch ich blieb still und er ignorierte mich.
Mein Magen sank ein Stückchen, als ich mich auch zurücklehnte. Sollte... ich ihn fragen? Vielleicht war es das, worauf er wartete. Ich verschränkte meine Arme. Da konnte er lange warten. Ich hob mein Kinn und verfolgte die Gestalten auf der Tanzfläche.
Ich konnte gar nicht tanzen, jedenfalls nicht so...
Desto länger ich wartete desto lauter wurde die Stimme in mir, die ihn fragen wollte. Der Schatten, über den ich springen musste, schwand mit jeder Minute. Was, wenn er nein sagte? Aus dem Augenwinkel sah ich, wie jemand die Stufen zur Bühne erklomm und direkt auf uns zusteuerte.
Die Wölfin mit den Haselnuss-Haaren.
Oh nein.
Mein Herz erschrak bei ihrem Anblick. Ich sprang aus meinem Stuhl auf, sodass sogar Kerberos mich mit weiten Augen anstarrte. Doch ich war auf den Lycan vor mir fixiert.
„Wollen wir tanzen?", fragte ich.
Eine einfache Frage und dennoch begannen meine Handflächen zu schwitzen. Zelos' Grinsen breitete sich über das ganze Gesicht aus, sodass seine weißen Zähne im Licht glänzten.
„Ich dachte schon du fragst nie", sagte er, erhob sich aus seinem Thron und streckte mir seinen Ellbogen entgegen. Ich schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln und hakte mich bei ihm ein.
„Ganz der Gentleman", antwortete ich und drehte meinen Kopf nach oben. Im Stehen reichte ich ihm gerade so bis zur Schulter. Zelos grinste auf mich hinab, als hätte er gerade den Hauptgewinn abgestaubt. Seine Wärme färbte auf mich ab.
Er drehte sich kurz zu Kerberos.
„Bleib", sagte er in strengem Ton, bevor wir die Wölfin passierten. Sie neigte ihren Kopf vor uns.
„Lycan Zelos", sagte sie und er nickte anerkennend.
Ich atmete durch.
Zelos half mir die Stufen hinunter und desto näher wir der Tanzfläche kamen, desto lauter wurden die Flötenklänge.
„Wieso hat sie dich Lycan gena-Ahh!"
Zelos wirbelte mich herum, sodass ich seine Bauchmuskeln durch mein Kleid spürte. Er hob meine rechte Hand und schlang seine Linke um meinen Rücken. Hitze züngelte weiter durch meine Wangen, als er mit einem Grinsen auf mich hinabstarrte.
„Dein Herz hört sich an wie ein Kolibri", sagte er. „Wie ein kleines Vögelchen."
„Ich weiß nicht, wie man tanzt", sagte ich und legte meine Hand auf seinen Oberarm. Darunter konnte ich seine Muskeln spüren und ein leichtes Kribbeln. Er war wunderschön. Etwas beschämt sah ich zur Seite.
„Augen auf mich", raunte er und seine Stimme brummte in meinem Bauch und brachte alles durcheinander. „Entspann dich und lass mich führen."
Ich nickte.
Zelos lachte.
„Entspannen heißt auch das Gedicht", sagte er und seine Worte erfüllten ihren Zweck. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass meine Augenbrauen vor Konzentration nach unten gezogen waren. Auf einmal begann sich Zelos in meine Richtung zu bewegen.
Er lächelte.
„Die Spannung in den Armen musst du schon behalten. Die geben die Richtung an", sagte er.
„Tanzen ist wohl nicht so einfach", antwortete ich mit einem nervösen Lächeln. Er gab mir ein warmes Grinsen, bevor er erneut auf mich zuging. Diesmal wich ich zurück und plötzlich drehten wir uns zwischen den Paaren.
Ein lautes Lachen entkam meinen Lippen und mischte sich mit der Melodie der Musik und dem Schlag meines Herzens. Ich fühlte mich frei, so unbeschwert als könnte ich fliegen.
Eine Welle aus Glück erfasste mich und riss mich mit.
Meine Füße bewegten sich wie von selbst, doch ich wusste, dass es nur an Zelos lag. Wir ließen uns nicht aus den Augen. Der Funke zwischen uns glühte heller als das Licht. Ich bekam das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht.
Er schien eine tiefe Sehnsucht in mir zu stillen, nur mit seinem Lächeln. Mein Herz hüpfte vor Freude und meine Brust fühlte sich riesig an. Trommeln bebte durch den Boden und trieb uns mit den Flöten weiter an. Zelos wirbelte mich weiter herum und in seinen Armen fühlte ich mich sicher.
Wir schwebten über das Parkett wie eine Einheit.
Ich folgte Zelos' Bewegungen zur Harmonie der Musik, die durch den Raum schallte. Bei jeder Drehung flogen meine Locken mit.
„Du bist ein sehr guter Tänzer", sagte ich lächelnd. „Hast du etwa in deiner Zelle geübt?"
Er lachte und um seine Augen bildeten sich kleine Lachfältchen.
„Nein, ich war mit anderen Dingen beschäftigt", antwortete er und seine Hand auf meinem Rücken drückte mich noch näher an ihn, sodass nichts mehr zwischen uns war. Mein Brustkorb wollte platzten vor Glück. „Du bist wunderschön, wenn du nicht so grantig bist."
In jeder anderen Situation wäre ich bei seinen Worten grantig geworden, doch nicht hier und jetzt. Ich konnte nur lächeln. Alles um uns herum war verschwommen, als wären wir allein auf der Tanzfläche.
Ich fühlte mich hoch, frei...
Verbunden...
Wir waren verbunden.
Zwischen uns war eine Flamme, die nicht mehr erlöschen würde. Ich hatte versucht gegen sie anzukämpfen, doch es war zwecklos. Zelos drehte mich weiter, immer weiter.
Solange, bis die Trommeln langsamer wurden. Ein Stich der Enttäuschung breitete sich in mir aus. Wir verloren an Geschwindigkeit und Zelos brachte uns langsam zum Stehen. Ich keuchte nach Luft, Hitze brodelte unter meinem Kleid, doch ich hätte die ganze Nacht weitertanzen können.
Wir starrten uns an.
Seine Augen waren elektrisiert. Sie fielen kurz auf meine Lippen und ich spiegelte seine Bewegungen. Beinahe unbewusst lehnte ich mich gegen seine starke Brust und stellte mich auf die Zehenspitzen. Die Hand auf meinem Rücken strich auf und ab und verteilte überall Funken.
Wie würde sich ein Kuss mit ihm anfühlen?
Ein Klirren riss uns aus dem Moment und zurück in die Wirklichkeit. Mein Kopf fuhr herum zu Fenrir, der auf der Bühne des Saals stand. Er wartete darauf, dass der Lärm abebbte.
„Was ist los?", fragte ich und sah zu Zelos.
Auf seinem Gesicht leuchtete Bedauern.
Oh nein...
„Es tut mir leid, Elizabeth", sagte er, bevor Fenrir das Wort an sein ehemaliges Rudel richtete.
„Lycan Zelos hat entschieden. Der Angriff auf Silberkrone wird bald erfolgen und wir werden siegen!"
Ein Jubel ging durch die Menge aus ausgelassenen Wölfen. Eine große Hand nahm mein Kinn und drehte es zurück zu ihm. Fenrirs weitere Worte rückten in den Hintergrund, als ich in seine Augen starrte.
„Du wirst mich begleiten", sagte er. Seine Stimme war sanft, doch seine Worte hatten eine andere Bedeutung für mich.
„Nein, ich will hierbleiben", erwiderte ich und runzelte die Stirn. Ich konnte nicht weg. Bergschatten war mein zu Hause.
Zelos legte seinen Kopf schief. Jegliche Freude war von seinem Gesicht gewichen und er war so ernst, wie ich ihn nur beim Angriff erlebt hatte.
„Hiermit fordere ich meinen Gefallen ein."
Und damit versank ich in einem schwarzen Loch.
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Joa, ein bisschen Fluff, ein bisschen Drama und ein kleiner Cliffhanger :)
Wir sehen uns dann am Donnerstag wieder!
Bis dahin: Wie nennt man jemanden mit Wortfindungsschwierigkeiten?
Lord of the Dings.
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