2.1
Statt mich zu erleichtern, ging ich runter auf die Knie, kroch sachte durch das hohe Gras, sodass sich oben möglichst wenig Halme bewegen würden. Wie gut, dass das früher ein Spiel gewesen war, zwischen den Dörflern und mir. Sie hatten mich dabei nie entdeckt, wenn ich im Weizen herumkroch oder im Gras. Und so hielt ich es auch hier.
Vorsichtig und schnell, wendig und geschmeidig, still und heimlich ...
Schon wenige Minuten darauf hörte ich seinen Ruf: „Naani!"
Und dann bald weitere. „Naani, sei nicht dumm, Frau!"
„Vor Archnern läuft man nicht fort ... Ach ... Wenn sie uns nur hören könnte ... Aber so haben wir zumindest einen Vorteil, wenn wir sie gleich wieder aufspüren, Laar", tönte es hinter mir.
Mit Sicherheit nicht, dachte ich mir nur, und kroch westwärts davon, nicht zurück zum Wald, denn das wäre blöd von mir gewesen. Die besten Chancen zu überleben, wenn die Fremden herumgingen, war, in Feldern und Buschwerk zu sitzen und sich nicht zu rühren.
Doch die Archner-Krieger schwärmten nun aus. Einer kam mit irrer Geschwindigkeit dicht an mir vorbei und lief in einem Bogen zurück, konnte mich aber im hohen Gras nicht ausmachen.
„Verdammt, ... wo ist sie?", fragte jemand links von mir.
Ich verhielt und atmete nicht, kroch schließlich nur ganz sachte weiter. Geradeaus, ohne einen Halm zu bewegen, es sei denn, es sah aus wie eine natürliche Bewegung des Windes.
Hinter mir richteten sich die Halme gleich wieder auf. Kaum einer blieb geknickt und so verfehlte mich ein weiterer Archner nur knapp, als er einen engeren Kreis zog.
Die gingen tatsächlich systematisch vor ...
Glück gehabt, wieder verharrte ich kurz und hörte Pferde wiehern, Krieger rufen. Hörte das scharfe Zischen der Schwerter, mit denen sie das Gras nun einfach niederschlugen. Doch das Geräusch entfernte sich nun von mir.
Ich kroch weiter und weiter ... und dachte schon, ich würde es schaffen, das Gerstenfeld zu erreichen, dort wäre es dann noch einfacher gewesen zu verschwinden. Denn Gerste schnitten sie nicht nieder, um einen Menschen zu finden, der floh, Gerste war ein Nahrungsmittel und damit für alle Angriffe tabu.
Doch Laar stand auf einmal wieder über mir. Keine Ahnung, woher er kam und wie er mich gefunden hatte.
Er riss mich auf die Füße und stieß einen lauten Kriegsschrei aus. Sofort tat ich wieder so, als wäre ich taubstumm, sah mit in den Nacken gelegtem Kopf in den Himmel hinauf und keuchte laut.
Er griff mich indes hart im Nacken, verdammt, ... nein! Ich schlug nach ihm, versuchte, mich herauszuwinden, doch er gab nicht nach, riss mich mit sich zurück zum Lager, wo er mich zu Boden warf.
Ich rollte mich sofort ganz klein zusammen und schützte meinen Kopf mit den Armen, während er wild schimpfte und fluchte und vor mir hin und her lief.
„Eine gerade Linie ... Bei der großen Mutter, ... sie schleicht in einer geraden Linie fort, hört nicht auf ihre Umgebung ..."
„Weil sie taub ist, Laar. Weil sie es nicht kann. Weil sie dich nicht versteht!", versuchte der Blonde ihn, herzukommend, zu beruhigen.
„Vermutlich haben ihre Eltern sie deshalb außerhalb und vermutlich auch in einer Höhle versteckt gehalten. Ein taubstummes Kind hätten die Ältesten doch sonst sofort getötet. Wer will auch schon so eine Frau, ... außer natürlich du", murmelte er seufzend.
„Es hat sicher auch Vorteile. Sie wird nichts über mich hören können, nicht für andere spionieren oder ausgefragt werden, wie auch nicht gut fliehen können ...", meinte der Lord finster.
„Sie hätte es beinahe in die Gerste geschafft", widersprach der Blonde ihm knurrend und wies auf das Feld.
„Das spricht für ihren Intellekt", murmelte Laar lediglich kühl, dann kam er wieder zu mir und ich rollte mich sofort noch kleiner zusammen und hielt meinen Kopf fest.
Doch er hockte sich nur über mir nieder und starrte auf mich herunter.
Irgendwann blickte ich schließlich durch die Finger meiner Hände zurück, starrte ebenfalls, nun zittrig atmend. Schließlich schnappte er sich meine gesunde rechte Hand und bildete ein L mit meinem Daumen und meinem Zeigefinger.
„Laar!", sagte er dabei deutlich und deutete auf sich.
Ich riss meine Hand zurück, doch er schüttelte nur grimmig den Kopf, schnappte sie sich wieder und bildete erneut das L mit meinen Fingern.
„Laar!", wiederholte er und zog diesmal meine Hand an seine Brust.
„L... Laar!", wiederholte er noch einmal und zeigte mir nun an seiner eigenen Hand, wie man das L formte.
Okay, sollte er doch seinen Spaß haben, ich tat es ihm also zögernd nach, formte das L.
Er nickte sogleich grimmig und schien zufrieden.
„Siehst du? Sie lernt!
L für Laar. Jetzt kann sie mich zumindest mit der Hand rufen", knurrte er verdrossen, drehte sich dann wieder zu mir um und deutete auf den blonden Krieger, wobei er mit den Fingern und dem Daumen ein O formte und es mir zeigte. „Oliver!", sagte er dabei kurz und nickte mir zu.
Ich sah den blonden Krieger an, dann wieder ihn, stellte mich extra dumm und formte ein L.
„Laar!", nickte er und deutete auf sich.
Dann auf Oliver und bildete wieder das O mit der Hand.
Okay, ... keine Lust mehr. Ich ließ die Hand sinken und starrte wieder nur den Boden an.
„Besonders helle ist sie wohl nicht", kommentierte Oliver lediglich kurz.
„Sie ist nur nicht sehr gesprächig. Sie sieht in uns Feinde, ebenso wie in den Fremden.
Vermutlich hat sie sich ein Leben lang vor allem versteckt gehalten und kommt gerade deshalb nicht damit klar, dass jetzt so viele Menschen um sie sind. Darum duckt sie sich eher, als zu lernen. Doch das wird noch. Dafür sorge ich", grabschte Laar wieder nach meinem Arm und zerrte mich hinter sich her in ein Zelt hinein, das wahrhaft königliche Ausmaße hatte.
In der Mitte stand der Pfahl und daran hingen Seile herab. Prompt zog ich mit aller Kraft zurück, weil ich mich erinnerte, dass er mich wohl daran festbinden wollte.
„Bringen wir es hinter uns", seufzte er indes nur kurz und zerrte mich erneut vor sich, umfasste mein Gesicht mit einer Hand und strich wie beruhigend mit der anderen über mein zerzaustes Haar.
Ich versuchte, an ihm vorbeizusehen, doch seine grünen Augen bannten mich - schon wieder.
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