1.5
„Mag sein, dass es so ist. Doch sie wird sich an mich gewöhnen. Sie ist mutig genug, sonst hätte ich sie nicht beansprucht", stellte er klar.
- Und das galt mir. Einzig und allein mir!
Ich und mutig?
Ich fühlte mein Zittern, als seine Hand über eine Schramme an der Stirn fuhr.
„Weiche nicht vor mir zurück, niemals!", befahl er mir hart, als ich prompt wegzucken wollte.
Mir entfuhr erneut ein leises Keuchen, als er etwas auf die Schramme presste. Es fühlte sich hart an und kalt. Wieder keuchte ich scharf auf, als es schmerzte, und umklammerte instinktiv seine Handgelenkte, um ihn wegzuschieben.
„Du tust ihr weh", murmelte Oliver stirnrunzelnd.
„Ich hole nur die Bakterienstränge unter ihrer Haut heraus, die der Fremde dort platziert hat", murmelte Laar zurück und hielt kurz inne.
„Hände. runter!", knurrte er mich an, als ich mit aller Macht an seinem Arm zog.
Sein Blick war so düster. Ich spürte, wie ich wieder zu weinen begann, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte.
„Sag ich doch, sie versteht dich nicht!", murmelte der blonde Archner erneut seufzend.
„Vielleicht solltest du sie einfach hierlassen. Die Fremden tun ihr ja nichts weiter ..."
„Aber die Bakterien machen sie krank und sie würde sterben, noch bevor drei Tage vorbei sind", fauchte Laar ihn böse an und dann sah er wieder auf mich herunter.
„Hände ... runter!", brüllte er erneut und seine Augen blitzten nun so bösartig wie die der Fremden. Ich begann noch mehr zu beben, klammerte mich noch fester an seine Arme. Da riss er sich plötzlich los und schlug mir hart auf die Finger. Ein Knochen knackte, der Finger musste aus dem Gelenk gesprungen sein. Tosen und Brausen in den Ohren, schillernde Schmerzwellen durchzuckten mich von Kopf bis Fuß ...
Der Schmerz ließ mich würgen. Mein Magen hob sich, obschon kaum etwas darinnen war.
Ich hörte die Krieger fluchen.
„Halte sie!"
„Ihre Hand ... Laar, sieh dir den Finger an ...!"
„Ich sagte, halte sie fest!"
Eine weitere Schmerzwelle jagte durch mein Hirn, als er an meinen Fingern riss und ich sacke nur noch wie ein nasser Lumpen vornüber.
Fiel zu Boden ... oder wurde dort abgelegt?!
Sekundenlang hörte ich nur Rauschen, vielleicht auch Minuten. Ich sah die Archner, wie sie über mir standen, Laar kniete über mir, ... verband mit finsterem Gesicht meine Hand und der Blonde redete derweil besorgt, ... ich hörte Satzfetzen ... „hat nicht geschrien, ... Mund aufgerissen, ... laut geatmet, ... das beweist, ... verdammt, Laar!"
Und noch während der Schmerz allmählich abklang, ließ auch das Rauschen nach, ... die vorwurfsvolle Stimme des Archners Oliver wurde wieder klar und verständlich.
„Sie kann nun mal nicht sprechen, sie kann's einfach nicht! Und sie versteht vermutlich ebenso wenig von alldem hier wie der Hund von Johann dem Schlächter. Sie ist bestimmt taubstumm.
Kein Wunder also, dass die Fremden sie nicht wollen. Kein Wunder, dass sie ausgegrenzt wurde, dass sie sie nur infiziert haben und dann gegangen sind.
„Sie kann sehen, sie kann lernen und da sie mir wohl wirklich nichts sagen kann, gebe ich ihr nun den Namen Naani."
„Naani?", fragte der blonde Archner ungläubig. „So wie deine letzte ...?!"
„Ja, sie heißt jetzt Naani. Sie ist mutig und tapfer wie sie. Sie ist besonders, ... wie Naani", meinte Laar kurzum.
Bei der Großen Erdenmutter, ... war der dumm, oder was?
Ich drehte den Kopf hin und her. Er hielt ihn fest, mit einer Hand, und zwang mir erneut seinen Blick auf. Und deutete auf mich. „Naani!", sagte er laut und deutlich. „Du bist jetzt Naani. Und ich bin Laar!", deutete er auf sich selbst.
Ich sah ihn nur schmerzerfüllt an und spürte meine Lippe zittern.
Er ließ mein Kinn los und nickte bekräftigend. „Sie wird das schon noch lernen", murmelte er grimmig. „Und sie wird mir irgendwann eine gute Gefährtin sein."
„Zumindest wird sie kein anderer für sich beanspruchen wollen, auch wenn sie recht hübsch ist. Doch ist sie taubstumm ..."
„Taub ist sie nicht, nicht ganz zumindest, das glaube ich nicht. Ihre Augen sagen anderes. Sie sprechen und verraten ihren wachen Verstand."
„Den sie aber nicht benutzt. Nicht einmal, um ihr eigenes Leben zu retten, Laar. Sie hätte im Dorf bleiben können ... unter ihresgleichen."
„Ihresgleichen hätten sie getötet, wenn sie doch anders ist, oder wieder vor dem Wall ausgesetzt, was auf dasselbe herauskommt."
Er griff unter meine Knie und unter meine Arme, hob mich so leicht hoch, sodass ich schauderte, trug mich einen kurzen Trampelpfad entlang und ich wagte es nicht, viel mehr zu tun als zu schlucken, zu schlucken und nochmals zu schlucken.
Meine Hand tat immer noch weh. Vielleicht war da sogar etwas gebrochen und nicht nur ausgerenkt worden.
Da standen wir auch schon auf einer großen Lichtung. Die Pferde waren da, die anderen Archner, die sich misstrauisch umsahen oder Leichenteile von Fremden auf einen großen, brennenden Scheiterhaufen warfen, bevor sie wieder auf ihre Pferde stiegen. Laar sagte etwas knurrig Klingendes und hob mich erneut auf seinen Riesengaul. Ich zuckte zusammen, da saß er auch schon wieder hinter mir.
Diesmal versuchte ich nicht, wieder herunterzuspringen. Ich wollte schließlich nicht schon wieder bewusstlos sein und dann mitten im Chaos erwachen.
Wenn ich ihm indes weiter die Stumme vorspielte, würde der Blonde sicher noch weiter auf ihn einwirken, mich wieder gehen zu lassen. Und wer weiß, vielleicht würde es ja funktionieren ...
„Denk nur nicht, ich durchschaue dich nicht", murmelte er an meinem Ohr und ich duckte mich unwillkürlich weiter herunter. Er aber umfasste nur wieder meine Mitte und zerrte mich an sich, zwang mich in eine aufrechte Haltung und ritt an den anderen Archnern vorbei an die Spitze der Gruppe.
Dichtes Unterholz peitschte immer wieder über meinen Kopf. Der Archner machte sich nicht die Mühe, es abzuhalten, dafür hob ich jedes Mal die Hände, um zumindest mein Gesicht zu schützen.
Er ritt sehr schnell und die schaukelnden Bewegungen ließen meinen Magen erneut durcheinanderwirbeln. Der Himmel, den man nur sehr vereinzelt durch die dichten Blätterkronen hereinblitzen sah, war hell und die Sonne schien. Es wurde schnell heißer, das bedeutete, vorhin musste die Sonne aufgegangen sein. Nachts jagten die Fremden die Frauen im Wald, die selektiert worden waren. Tagsüber sollten sie angeblich schlafen.
Weshalb die Siedlungen auch nur nachts richtig von den Wächtern auf den Wällen beschützt wurden.
Irgendwann kamen wir dann aber ans Ende des Waldes, weite, offene Ackerflächen öffneten sich und dahinter, in der Ferne, erhoben sich die Berge, die man die Buckel nannte.
Da wollte ich nicht hin.
Um nichts in der Welt.
Doch vorerst konnte ich nichts tun, denn der Griff des Archners war zu fest und er selbst viel zu stark, um sich weiter zu sträuben.
Doch zu meiner Überraschung ritten die Krieger gar nicht mehr lange weiter, hielten tatsächlich auf einer Ebene, wo hohes Gras stand, und bildeten dort, alles niedertrampelnd, einen großen Kreis.
„Zelte, Feuer! Verbindet eure Wunden und zieht die Bakterien heraus, bevor wir weiterreiten. Wir werden es den Fremden heute Nacht schwer machen, uns aufzureiben.
Hiros! Mein Zelt dorthin und ich möchte einen Pfahl darinnen, der fünf Fuß tief in die Erde hinabreicht."
„Muss seine neue Gefährtin wohl anbinden, damit die nicht wegläuft!", kicherte irgendjemand höhnisch.
„Er muss noch ihre restlichen Wunden versorgen, ihre Hand heilen, sie impfen wie auch säubern ... und das wird sie sicher nicht mögen!", konterte Oliver derbe und ritt mit gezogener Waffe vor den, der gelacht hatte.
„Im Übrigen wirst du deine Zunge hüten. Lord Laar hat eine Gefährtin gefunden. Es ist seine Sache, wie er sie an sich gewöhnt.
Denn, wenn ich dich erinnern darf, hat deine eigene Gefährtin auch so an die fünfzehn Fluchtversuche unternommen, bevor sie dir eine Tochter schenkte und sich endlich eingewöhnte."
„Deshalb lacht er ja", warf ein anderer Krieger gutmütig ein.
„Er und auch wir werden zählen, wie oft es diese kleine Range versuchen wird. Und da sie taub und stumm ist, wird keine Rede sie beschwichtigen können oder ihr die Ängste nehmen", sagte ein dritter Krieger ernsthaft.
Ich sah derweil nur starr auf den Pferdehals hinunter und versuchte, möglichst nicht zu den Sprechern hinzusehen, mich nicht zu bewegen, keine Regung zu zeigen. Das war mein einziger Schutz. Doch die Sache mit dem Pfahl im Zelt beunruhigte mich trotzdem. Was, wenn er mich wirklich daran festbinden würde?
Zum Wunden reinigen, - ja klar.
Und dann?
Ich bebte wie Espenlaub im Wind, als Laar mich packte. Keine Ahnung, wie er so schnell abgestiegen war, ohne dass ich es bemerkt hatte, doch nun hatte er mich gepackt und zog mich am Arm hinter sich her, ... einfach so, hin und her, obwohl meine Beine mich kaum trugen, obwohl ich mich am liebsten nur ins weiche Gras niedergesetzt hätte.
„Bewege dich, sonst kehrt das Blut nicht schnell genug in die Füße zurück und du hast Probleme, falls du bald schnell laufen musst", sagte er zu mir, aber ohne mich dabei anzusehen.
Er zwang mich ganze vier Mal um den Platz zu gehen, während die Krieger nun geschwind die Zelte errichteten und Feuer schürten. Erst dann gab er mich frei und deutete auf das Gras, das hoch wuchs und sich sachte im Wind bog.
„Geh, ... verrichte deine Notdurft!", befahl er mir knurrig und sah mich an.
Ich hätte mich beinahe umgedreht, doch nur beinahe.
Wenn ich ihm taub vorspielen wollte, musste ich auch Verständnislosigkeit spielen. Also sah ich mich nur um und dann wieder in den Himmel hinauf. Den ich nur selten so frei und klar und blau gesehen hatte. Wir waren ja fast immer im Wald oder in einer Siedlung gewesen.
Das Blau verzückte mich, verzauberte mich, faszinierte mich sofort, ebenso das helle, warme Licht der Sonne.
Ich vergaß ganz, dass ich umgeben war von Archnern, und drehte mich nur staunend um.
„Was macht sie da?", fragte Oliver schließlich, als ich mit den Händen über das wogende Gras strich und die hellgrünen Spitzen mich an den Handflächen kitzelten.
Laar, der mich nicht aus den Augen ließ, zuckte mit den Schultern.
„Naani hat wohl noch nie den Himmel gesehen und offenes Land damit sicher auch nicht. - Geh, Oliver. Bereite den Sud vor und pack den Knochenrebutor aus. Ich passe derweil auf, dass sie nicht entwischt."
„Sie hat dich aber gerade schon wieder nicht verstanden!", murmelte der blonde Hüne warnend.
„Meinst du?", fragte Laar nur zurück. Ich drehte mich wieder um und schloss dabei die Augen, drehte und drehte mich, bis ich das Gleichgewicht verlor und nach hinten umfiel.
Doch ich landete in seinen Armen, nicht auf dem Boden.
„Sei vorsichtig!", riet Laar mir sofort, als ich meine Augen wieder aufschlug und an seinen Fingern zu zerren begann, die mich wieder um die Mitte herum hielten.
„Schhh ...", wisperte er mir hauchleise ins Ohr und das klang auf einmal sogar warnend ... und er legte eine Hand über meinen Mund ... und zerrte mich ins hohe Gras ...
Irgendwie verschwamm die Umgebung, als ich herumgewirbelt wurde und plötzlich hart auf dem Rücken landete. Sofort begann ich mit beiden Fäusten auf ihn einzuschlagen, atmete wieder keuchend, doch er fing lediglich mit einer Hand meine Hände ein und lauschte scheinbar auf die Umgebung.
Dabei glitt er über mich, setzte sich auf meinen Brustkorb, jedoch ohne sein ganzes Gewicht auf mich einzuwirken, sondern nur ungefähr ein Drittel, ... was ausreichte, ... voll und ganz sogar, um mich zu bändigen. Der Kerl war wirklich höllisch schwer.
„Hörst du das?", fragte er mich schließlich, als er sich vorbeugte.
Doch ich hatte keine Lust, auf seine Einbildung zu hören, still zu halten und am Ende vergewaltigt zu werden, nur weil ich dumm war, also wand ich mich heftig weiter unter ihm, kratzte mit den Fingernägeln an seinen Fingern herum, was ihm nur wenig auszumachen schien, und stemmte mich mit den Beinen in den Boden, um ihn abzuwerfen, ... vergebens ...
Schließlich betrachtete er mich nur wieder grollend und stirnrunzelnd, stand abrupt auf und zerrte mich wieder auf die Beine, zog mich in einem rasanten Tempo hinter sich her, wieder raus aus dem Gras.
„Geh da rein, mach was ...", herrschte er mich nun deutlich säuerlicher an und demonstrierte mir mit einer kurzen Körperbewegung, was er von mir wollte, drehte mich danach an den Schultern wieder um und gab mir einen festen Stoß in den Rücken. Ich stolperte erneut zwischen das Gras und hörte ihn noch hinter mir seufzen.
„Was ist?", fragte ihn der blonde Archner leise.
„Ich glaube, du hattest recht, denn, wenn sie etwas hört, dann nur sehr wenig und nur, wenn man direkt und laut zu ihr spricht, ins Ohr, ... aber nicht in der Ferne, nichts, was leise ist, nichts, wozu sie lauschen müsste."
„Wills du sie dann nicht doch besser hierlassen?", hörte ich den Blonden wieder fragen und mein Herz klopfte heftig, weil Laar so lange für seine Antwort brauchte.
„Nein, ... das werde ich nicht. Sie ist perfekt für meinen Plan, wird aufgrund ihrer Einschränkungen sicher weit weniger Angst empfinden und nur das zählt gerade", meinte ich ihn schließlich murren zu hören.
Oh-ha, ... tolle Message an mich. Er würde also dem Brauch der Archner folgen, mich benutzen und dann erst wegwerfen?
– Das konnte er glatt vergessen!
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