1.2
„Sie will nichts sagen!", kommentierte ein blonder Krieger schließlich genervt und der scheinbare Anführer, der mich am Ufer gefangen hatte, griff nur einfach wieder nach mir und warf mich bäuchlings auf sein Pferd, bevor er hinter mir aufsaß und das Kommando zum Abreiten gab. Ich hätte vor Demütigung und Scham beinahe geschrien, während die anderen Krieger nun ebenfalls auf ihren Pferden aufsaßen, laut darüber lachend und scherzend, ein so störrisches kleines Mädchen hier draußen gefunden zu haben.
Sie fragten sich natürlich, ob es da noch weitere Frauen gab, vielleicht sogar meine Mutter oder Schwestern, oder ob man hier generell die Frauen und Mädchen aus dem Ort rausgeschafft hatte, bevor noch die Archner eintreffen sollten.
Ich bezwang mich und auch meinen Zorn, derweil ich kopfüber nach unten hing und inzwischen auch auf den Beinen des Archners hin und her rutschte, bis mir schlecht war und ich würgen musste. Da erst seufzte der Archner genervt auf, zog mich hoch und setzte mich rittlings auf seinen Schoß. „Benimm dich, sonst hängst du gleich wieder mit dem Kopf nach unten, Mädchen, verstanden?", klapste er mir leicht gegen den Hinterkopf, was ich mit einem zornigen Blick zu ihm zurück quittierte, doch er beachtete mich gerade gar nicht weiter und behielt nur konzentriert die Umgebung im Blick.
Besser so ... für ihn.
Und auch für mich, denn nun konnte ich meinen Magen endlich wieder ein bisschen beruhigen. Doch ich selbst blieb nervös wie auch ängstlich. Denn was würde nun mit mir geschehen? Was würden sie tun, die Archner, mit einem weit vor dem Wall aufgefundenen Mädchen?
Sicher, ... sie würden nun erst mal herauszufinden versuchen, woher ich kam, wenn ich nicht zu ihnen sprach. Also brachten sie mich nun wohl zuerst nach Ligustertal, das nächstgelegene Walldorf, wo aber tatsächlich niemand etwas von mir wusste, außer Java, meine Mutter, die hier gerade ihren jährlichen Tribut an Jorge verrichtete, den Dorfvorsteher, um nicht auf seiner schwarzen Liste der demnächst zu selektierenden Frauen zu landen. Denn Ligustertal war leider ihr Heimat- und Geburtsort und die Regeln in den Tallanden waren streng, ganz besonders für uns Frauen. Denn wer einem Ort nichts mehr nutzte und zu alt wurde, konnte mitunter ganz schnell weg sein.
Zu blöd also, dass ich es noch vor Javas Rückkehr gewagt hatte, die Höhle zu verlassen. Später hatten wir uns schließlich wieder auf den Weg machen wollen, um, entgegen den Archner-Bewegungen, andere Wallorte zu besuchen, denn dort war das Leben für uns sehr viel einfacher und besser, da wir dort nicht ortsansässig waren und als Händler gefragter Waren, einen geehrten und auch geschützten Status besaßen.
Doch nun war das vorbei ... aus ... Ende ... und ich konnte meine Mutter nun auch nicht einfach so verraten, indem ich sie vielleicht auch nur anblickte oder etwas darüber sagte, wer ich war, sonst würde sie am Ende noch mit mir selektiert werden. Also tat ich nun lieber so, als sei ich stumm und geistlos, damit sich niemand für mich interessieren würde, sah nur immer geradeaus und schwieg. Ja ...
So würden sie mich dann vielleicht auch nur wieder, wie andere Mädchen vor mir, als Zielscheibe für die Fremden vor den Toren des Walles aussetzen, um ihren Rückzug zu decken ... oder auch irgendwo festbinden.
Java würde in dem Fall sicher rasch kommen und mich holen, wusste ich, also blieb ich nun, von diesen Gedanken beseelt, ruhig und wehrte mich auch nicht mehr weiter, als der Anführer dieser Archner-Krieger mich mitten auf dem Dorfplatz absetzte und dann ebenfalls vom Pferd stieg, um nun vor mich zu treten, wie auch vor Jorge, der mich nun zum ersten Mal sah und mich doch nicht kannte.
„Zu wem gehört dieses Mädchen? Sie wurde draußen vor dem Wall aufgegriffen. Beim Trinken unten am Bach!", sagte der Archner-Krieger, der mich, nun auf ebenem Grund stehend, um fast drei Köpfe überragte.
Oh, mein Herz schlug so unglaublich schnell. Und der Krieger mit seiner Metallrüstung und unter voller Bewaffnung war so unglaublich breit und groß. Kurz wagte ich es, zu ihm hochzublicken, als sich seine große Hand auf meine Schulter legte, doch er sah mich nicht an, sondern nur Jorge, der mich verblüfft musterte und schließlich ehrlicherweise die Schultern hob.
„Vielleicht eine selektierte Göre von Freinheim, Herr Archner Laar. Seid willkommen in Ligustertal. Wir freuen uns sehr, Eure Erntehilfe zu erhalten, Archner!", begrüßte der Dorfvorsteher ihn geschmeidig.
Also hieß der ungehobelte Archner-Krieger Laar? Was für ein seltsamer Name. Doch in den Buckellanden war ja Vieles seltsam und deren Namensgebung ziemlich oft merkwürdig, wenn nicht gar lächerlich. Nichts, was ein Talländer je seinem Kind angetan hätte, aber gut, ... wenn sie es denn so mochten. Ich würde mich darüber gewiss nicht lustig machen, sondern weiter hübsch still sein und bleiben.
Da traf mich auf einmal sein eiskalter Blick ...
Die Augen des Archners waren so grün wie junger Weizen im Frühling, seine Haare waren schwarz, vielleicht aber auch nur, weil sie immer noch etwas feucht waren.
Er hatte sich auch gerade gewaschen, so wie ich. Und ich hatte ihn noch nicht einmal gesehen oder die wartenden Archner bemerkt, ... so dämlich. Und was für ein Pech.
„Sag mir deinen Namen, Kind!", befahl er mir schließlich erneut, derweil die Walldörfler nun alle herantraten und mich neugierig oder auch abschätzig musterten. Alle starrten sie mich nun an.
Ich schwieg jedoch und sah ihn nur weiterhin direkt und absolut regungslos an.
Da schnaufte er plötzlich leise auf.
„Dann sag mir doch wenigstens, wer deine Eltern sind, Mädchen? Stammen sie aus diesem Ort? Haben sie dich vielleicht verborgen gehalten ...? - Wie alt bist du?", fragte er mich weiter.
Ich wagte es nicht, nur einmal zu blinzeln. Sah nur weiter groß, und hoffentlich verwirrt scheinend, hinauf zu ihm. Seine linke Gesichtsseite lenkte mich ab, sein linkes Auge, jenes, das ohne Narbe war, sah sogar recht gut aus, oder ...? Da wirkte er sogar noch richtig jung. Aber dennoch war er schon sehr hochgestellt. Ein Anführer der Archner, ... also ein Hauptmann oder so. Und die anderen Archner hörten sogar auf ihn ... oh, Mann.
„Bist du alt genug, um zu wählen, Mädchen? Du bist noch so klein ... Hast du dir vielleicht trotzdem schon einen hiesigen Wächter erwählt oder möchtest du gerne jemanden erwählen?", fragte er mich nun stirnrunzelnd weiter und sofort tauchten eine Reihe schmierig aussehender Archner und auch noch einige ältere Krieger aus dem Dorf auf, die keine Frau bekommen konnten, weil sie zu fies waren, und grausam und brutal.
Meine Mutter hatte mich gewarnt. Es sei derzeit schlimmer als der Tod durch die Fremden, wenn ein Mädchen sich hier einen Wächter erwählte.
Und auch diese Archner sollten kaum besser sein als Bestien. Es hieß, sie behielten die Mädchen höchstens mal für eine oder zwei Nächte, um sich mit ihnen zu vergnügen.
Und zogen sie dann weiter, ließen sie sie mitten im Wald oder auf freiem Feld für die Fremden zurück ... oh ja ... hoffentlich. Denn dann könnte ich einfach heimkehren, zu Java.
„Nun?", fragte mich der Archner wieder hart und ich blickte erneut stumm und ohne jede Regung zu ihm auf.
„Laar, das ist zwecklos. Was denkst du dir? Sie ist dumm oder taubstumm, die Kleine. Und zudem sicher auch noch immer ein Kind. Sie kann also noch gar nicht gewählt haben, sagt ja noch nicht einmal ein Wort, hat auch nicht geschrien, als du sie eingesammelt und hergebracht hast. Sie wehrt sich doch auch gar nicht richtig und sieht dich gerade nur so an, als wären in ihrem Kopf ein paar echt große Schrauben locker!", mischte sich einer der anderen Archner plötzlich spottend ein.
Die restlichen dieser Krieger lachten laut los.
Doch der, den sie Laar genannt hatten, sah mich nur noch um einiges eindringlicher, ja forschend an, und schließlich zu den auf dem Platz versammelten Menschen hin.
„Wer kennt dieses Mädchen? - Sagt die Wahrheit!", fragte er laut und forsch.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro