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94. Feindkontakt

»Frau Forelli!«, keuchte Tuna und ließ ihren Säbel sinken.

»Ah, Tuna«, drang es aus Zanders Arbeitszimmer. »Du bist ja immer noch hier.«

»Was soll das denn heißen?«, hauchte Tuna, sichtlich überrumpelt.

»Ich dachte, du wärst vielleicht während meiner Abwesenheit wieder in der Zuchtanstalt gelandet«, erwiderte die Frau auf der anderen Seite der Türschwelle. Iris dämmerte so langsam, dass es sich bei ihr um Morena Dorado, Rogner Forellis Frau, handeln musste.

Tuna überging die Spitze in den Worten ihrer Gesprächspartnerin. »Seit wann sind Sie wieder in Myr Ryba und was machen Sie in Zanders Büro?«

»Das geht dich überhaupt nichts an«, war die lapidare Antwort.

Kurz darauf drängte sich eine Frau, die Iris auf seltsame Weise bekannt vorkam, an Tuna und Hauki vorbei aus der Tür zum Arbeitszimmer. Iris konnte nicht sagen, weshalb, aber sie war sich sicher, Morena Dorado schon einmal begegnet zu sein. Rogner Forellis zweite Ehefrau war eine beeindruckende Erscheinung. Unverkennbar hochschwanger hatte sie sich in ein enges rotes Kleid gezwängt, das sehr gut mit ihrem dunklen Teint und ihren schwarzbraunen Haaren harmonierte, die ihr wie flüssige Seide über die Schultern fielen. Ihr Gesicht war streng und kantig, aber trotzdem angenehm anzusehen. Das starke Kinn und die energische Krümmung ihrer Oberlippe verliehen ihr jedoch etwas Herrisches, das durch ihren unnachgiebigen Blick noch verstärkt wurde. Ein intensiver Duft nach Lavendel und Pfingstrose umwehte sie.

»Ich wusste gar nicht, dass wir jetzt auch Zirkusaffen beschäftigen«, bemerkte Morena mit Blick auf Hauki, der vor ihr zurückwich, als hätte er es mit einer giftigen Schlange zu tun. Ihr Blick fiel auf Cyan. »Da ist er ja, der Goldjunge«, bemerkte sie spöttisch. »Lebhaft und unbeschwert wie eh und je.« Sie musterte Iris und ein unscheinbarer Schatten legte sich auf ihre Miene. »Du musst die Übersetzerin sein, die Rogner anstellen wollte.«

»Das bin ich«, antwortete Iris, ließ die Vase sinken und zog sich an der Gardine auf die Beine. »Iris Dan de Lion ist mein Name«, stellte sie sich etwas ungelenk vor. Obwohl sie den Umgang mit Frauen wie Morena Dorado gewohnt war, fühlte sie sich von ihrem selbstbewussten Auftreten und ihren kritischen blauen Augen eingeschüchtert – mehr noch als von Rogner Forelli bei ihrer ersten Begegnung. Verlegen strich sie ihr Kleid glatt und reichte Morena die Hand.

Morena wandte sich ab, als hätte sie ihr einen glitschigen Aal hingestreckt. »Omul ist gerade dabei, mein Gepäck in den Nordflügel zu bringen«, erklärte sie an Tuna gewandt. »Vielleicht solltest du ihm zur Hand gehen.«

»Ich bin nicht Ihre Gepäckträgerin«, gab Tuna zurück.

»Du bist, was ich dir sage«, entgegnete Morena scharf und flippte eine Haarsträhne über ihre Schulter. »Jetzt, da mein Gatte vorübergehend unpässlich ist, werde ich dafür sorgen, dass in diesem Haus alles in geregelten Bahnen verläuft.«

Bei diesen Worten erinnerte sich Iris wieder daran, wo sie Morena schon einmal gesehen hatte. »Sie sind eine Sängerin, nicht wahr?«

Morena warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. »Und Sie sind wirklich schrecklich langsam im Kopf.« Sie wandte sich erneut an Tuna: »Du bist ja immer noch da. Und wieso trägst du eigentlich Hosen? Ich dachte, ich hätte mich in dieser Hinsicht klar ausgedrückt.«

Tuna umklammerte ihren Säbelgriff. »Ich werde kein Kleid anziehen. Nicht einmal, wenn Lacuna persönlich es verlangte.«

Morena verzog missbilligend die Lippen. »Bilde dir ja nichts ein, Tuna. Ich habe dich nur noch nicht entlassen, weil ich weiß, dass ich dich ohnehin nicht loswürde.« Sie gestikulierte vage in Iris' Richtung. »Nimm dir ein Beispiel an Fräulein Dan de Lion. Ihr Kleidergeschmack ist ein wenig altbacken, aber sie macht uns wenigstens keine Schande.«

Iris wusste nicht, ob sie gekränkt oder geschmeichelt sein sollte.

»Na los, Tuna. Geh schon!«, drängte Morena. Mit einem Fingerzeig auf Hauki ergänzte sie: »Und nimm diesen Affen mit. Er kann dir beim Tragen helfen.«

Bevor sie dem noch etwas hinzufügen konnte, erschien Anchois in der Tür. »Frau Forelli«, japste die Haushälterin und hielt sich die Seite. Ihr Blick schweifte über Morena hinweg zu Iris. »Fräulein Dan de Lion, den Göttern sei Dank. Es geht Ihnen gut.« Sie deutete über ihre Schulter zurück ins Treppenhaus. »Aber es ist etwas Furchtbares passiert. Etwas ganz Schreckliches.«

»Beruhigen Sie sich erst einmal«, sagte Iris beschwichtigend und ignorierte Morenas finstere Miene, die vermutlich der Tatsache geschuldet war, dass sie nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens stand. »Was ist denn so Schlimmes geschehen?«

»Da ist dieses Mädchen. Es ist tot«, keuchte Anchois. »Ich dachte erst, dass Sie es wären, aber-« Ein tiefer Seufzer entwand sich ihrer Brust und ließ ihre ganze Gestalt erzittern. »Es geht Ihnen gut, den Göttern sei Dank.«

»Ich?«, fragte Iris verwundert. »Wieso dachten Sie, dass ich es wäre?«

Anchois machte ein gequältes Gesicht. »Na, weil sie eine Florfruese ist. Deshalb.«

»Eine Florfruese?«, wiederholte Iris.

Im nächsten Moment wurde sie unsanft angerempelt. Sie stolperte gegen den Beistelltisch und musste sich mit den Händen abfangen, um nicht zu stürzen. Noch ehe sie verstand, was soeben geschehen war, war Cyan bereits auf dem Weg zur Tür Richtung Südflügel.

»Was ist denn hier bloß los?«, zischte Morena Dorado.

»Es tut mir leid, Frau Forelli«, sagte Iris, schob den Tisch beiseite und hastete zur Treppe, die zum Königssaal führte. Hauki war ihr dicht auf den Fersen, als sie die Stufen zur Eingangshalle hinuntersprang. Schon am Eingang des Königssaals wurde ihr bewusst, dass etwas nicht stimmte. Ein Pulk hatte sich gebildet. Alle redeten wild durcheinander. Laut flüsternde, von Angst und Erregung erfüllte Stimmen. Doch Iris hörte ihnen nicht zu. Von einer beinahe fiebrigen Besessenheit erfüllt, zwängte sie sich in die Menge, die sich jedoch als ausgesprochen zäh erwies.

»Lassen Sie mich das machen«, sagte Hauki, schob sich an ihr vorbei und drängte die Menschen beiseite, damit Iris Platz hatte. Auf diese Weise gelangte sie mit Leichtigkeit zum Wintergarten am anderen Ende des Saals. Die festliche Stimmung war inzwischen versiegt und hatte einer angespannten Stille Platz gemacht. Kein Gelächter. Keine Musik. Kein Gläserklirren. Es war so leise, dass Iris das Rauschen der Gaslampen vernehmen konnte – und das Klappern von Rogners Schuhen auf dem Tanzparkett. Obwohl die Musikanten längst zu spielen aufgehört hatten, wiegte sich der falsche Rogner noch immer im Takt einer imaginären Melodie. Zum Glück schenkte ihm niemand Beachtung, denn die schreckliche Szene, die sich im Wintergarten abspielte, zog alle Aufmerksamkeit auf sich.

Bereits aus der Entfernung konnte Iris sehen, dass sich ein Großteil der Gäste um die Primakandela geschart hatte. Die kunstvolle Wachskreation, die jedes Jahr als Symbol der Schöpfung und des Lebens zu Anseen des Solvende angefertigt wurde, stand im Zentrum des Wintergartens und erfüllte ihre Umgebung mit einem unsteten Lichtschein, der tiefe Schatten auf die Gesichter der Umstehenden zeichnete. Iris erkannte Vinya, Levrek, Haddock und Sardina, Delphine Kaviar, die Calamaris, Sarko Baboi, Doktor Seebader, Hasel, Enzia und Zibeline Forelli.

Zibeline ging soeben Doktor Seebader zur Hand, der die große Kerze untersuchte – oder vielmehr die Person, die das schmelzende Wachs freigegeben hatte. 

Als Iris klar wurde, was sich vor ihren Augen abspielte, stockte ihr der Atem in der Brust. Aus dem geschmolzenen Wachs ragte ein Schopf blonder Haare. Vor Entsetzen über diesen Anblick geriet sie ins Schwanken. Zum Glück war Hauki da, um sie festzuhalten.

»Ist sie es?«, ertönte Cyans Stimme von der Tür zu den Dienstbotenunterkünften. Die Menge wich vor ihm zurück. »Ist sie es?«, wiederholte er.

»Kennst du dieses Mädchen, mein Junge?«, fragte Zibeline, die – wie immer – ihr Nuntier Onlycka auf der Schulter trug.

Cyan wehrte Delphine ab, die ihn aufhalten wollte. »Ich muss sie sehen!«

Nur langsam kam Iris wieder zu sich. Sie raffte ihr Kleid zusammen und eilte Cyan entgegen. »Tun Sie das nicht.«

»Sie ist es, oder?«, fauchte Cyan. Sein Gesicht eine Maske aus Zorn und Schrecken. »Sie ist es, nicht wahr?«, wiederholte er und seine Stimme wurde zu einem heiseren Krächzen. »Jasmin?«

Iris überwand sich und warf einen zweiten Blick auf die junge Frau, die in das Kerzenwachs eingegossen worden war. So sehr sie sich auch dagegen sträubte, es war offensichtlich. Die zarten und zugleich wunderschönen Gesichtszüge, die sich unter der schmelzenden Wachsschicht abzeichneten, gehörten unverkennbar Jasmin, dem Freudenmädchen, das sie in der Rosigen Auster kennengelernt hatte. Gleichzeitig war ihre erstarrte Mimik eine perverse Parodie der beispiellosen Schönheit, die Jasmin zu Lebzeiten gewesen war.

»Nein!«, hauchte Cyan, schob Iris beiseite und sank neben der Kerze auf die Knie.

Iris wischte sich mit den Fingerspitzen eine Träne von der Wange, die sie sich nicht so recht erklären konnte. Kaum spürte sie die Feuchtigkeit auf ihrer Haut, begannen ihre Gedanken zu rasen. Wie war die Träne dorthin gelangt? Das war nicht die entscheidende Frage. Entscheidend war, wie Jasmin in die Kerze geraten war. Und warum. Mit einem leisen Schrei der Erkenntnis schnellte Iris vor und klammerte sich an Cyan. »Nicht!«, keuchte sie. »Fassen Sie sie nicht an!«

Doch es war schon zu spät. Cyan musste Jasmin gar nicht berühren, um den Zauber auszulösen. Es reichte, dass er ihr nahe kam. So wie es auch bei Rogner Forelli gereicht hatte, dass Iris ihm nahe gekommen war. Ein heftiger Wind kam auf und fegte durch den Wintergarten. Gläser und Blumenkübel wurden umgeworfen. Girlanden abgerissen. Es klapperte und schepperte. Menschen kreischten und wandten sich zur Flucht. Kerzen und Gaslampen flackerten. Die Flamme der Primakandela färbte sich giftgrün. Dann breitete sich Novomagica-Dunst aus und für einen kurzen Augenblick wurde es ruhig. Es war, als wären sie im Auge eines Sturms gefangen.

»Iris?«, flüsterte Cyan, der von einer hellgrünen Korona umgeben zu sein schien.

Iris klammerte sich noch immer fest an ihn. »Ich weiß.«

»Es tut mir leid.«

Im nächsten Augenblick brach die Kreatur über sie herein.


»Es war eine Falle«, grollte Pike, packte Zander und zerrte ihn mit sich hinter den Altar.

Zander rieb sich die Augen. Noch immer tanzten schwarze Flecken durch sein Sichtfeld und löschten einen Teil seiner Wahrnehmung aus.

»Sie wussten, dass wir kommen würden.« Pike zückte ein zweites Messer und spähte über den Altar hinweg zur Tür, durch die sie gekommen waren und die sich vor wenigen Sekunden hinter ihnen geschlossen haben musste. »Aber gut, das macht es nur fair.«

»Ich glaube nicht, dass sie mit uns kämpfen wollen«, bemerkte Zander.

Pike hielt inne und lauschte. Sie wussten beide, dass Aciarier die Kunst der lautlosen Fortbewegung perfektioniert hatten, doch es war einfach viel zu still. Nur das Rauschen des Ozeans, der das Orlopdeck umspülte, war zu hören.

»Du hast Recht«, brummte Pike schließlich. »Sie waren hier, aber jetzt sind sie wieder weg.«

»Sie haben uns eingesperrt«, vermutete Zander, zog sich wieder auf die Beine und humpelte zur Tür, um seine Theorie zu überprüfen. Ohne auf den Schmerz in seiner Schulter zu achten, zerrte er am Türgriff und wandte sich dann mit einem Achselzucken an Pike. »So ist es.«

»Verflucht«, schimpfte Pike. »Das hätten wir vorhersehen müssen.«

»Hätten wir«, meinte Zander und sah sich nach einem weiteren Ausweg um. Dabei fiel ihm die schwarze Paste in den Fugen der Planken auf. Es sah aus, als wären Boden und Wände des Orlopdecks von innen mit Pech aufgefüllt worden. Das Ausgießen mit Pech war eine Technik des Kalfaterns, die verwendet wurde, um Nähte zwischen Schiffsplanken abzudichten. An Bord der Seeteufel sah es aus, als wäre dies erst vor Kurzem geschehen und auf eine Art und Weise, die vermuten ließ, jemand wolle nicht nur das Meerwasser aus dem Innern des Schiffs fernhalten, sondern auch noch irgendetwas im Innern des Schiffs am Austreten hindern. »Sag mal, Pike-«, begann Zander und verstummte, als ein dumpfes Rumpeln und Beben durch den Rumpf der Seeteufel wanderte. Das ganze Schiff schien ein paar Meter abzusacken. Ihre Umgebung geriet ins Schwanken. Der Altar kippte um und begrub das Kreidesiegel unter sich.

»Was ist hier los?«, fragte Pike. Er klang jedoch nicht ängstlich, eher verärgert.

Seine Frage wurde ihm schon im nächsten Augenblick beantwortet, als sich mehrere zuvor unsichtbare Holzklappen in der Außenwand öffneten und Meerwasser einströmen ließen.

»Das ist doch wohl nicht ihr ernst!«, beschwerte sich Pike über das Rauschen und Zischen des Wassers hinweg. »Zwei Gusaren ertränken zu wollen! Das ist doch albern!«

Zander sah ihre neue Situation deutlich kritischer. Selbst Gusaren waren nicht unsterblich. Auch sie mussten ab und zu atmen. »Schnell, Pike!«, rief er ihm zu. »Vielleicht können wir die Öffnungen irgendwie abdichten!«

Pike gab ein missbilligendes Geräusch von sich und winkte ab. »Vergiss es! Dafür ist der Druck viel zu stark.«

»Wir müssen es trotzdem probieren!«, erwiderte Zander und versuchte, die Klappen mit einem Sprung an die Planken zu erreichen. Sie befanden sich jedoch gut einen Meter außerhalb seiner Reichweite. Seine Bemühungen brachten ihm daher lediglich eine unfreiwillige Dusche ein.

»Du verausgabst dich nur«, meinte Pike, während er die Messer wieder in seinem Gürtel verschwinden ließ.

»Ach ja?«, zischte Zander und watete durch das Wasser, das ihm bereits bis zu den Knöcheln reichte, in Pikes Richtung. »Und was sollen wir stattdessen tun?«

»Erst einmal sollten wir die Ruhe bewahren.«

Zander forderte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Weitersprechen auf. »Können wir den Teil nicht überspringen?«

Das Brodeln des Wassers wurde von einem bedrohlichen Knarren untermalt, mit dem sich der Schiffsrumpf tiefer absenkte.

Pike ließ seinen Blick über die Planken wandern. »Na ja«, sagte er schließlich. »Wir könnten darauf hoffen, dass der Druck hier drin irgendwann so groß wird, dass ein Loch entsteht, das groß genug für uns ist.«

»Oder wir schaffen uns das Loch selbst!«

»Und womit?«, erwiderte Pike. Das Wasser umspülte bereits ihre Knie. »Diese Planken, Spanten und Mallen sind robust! Mit einem Messer werden wir da nicht weiterkommen!«

»Was ist mit dem Boden? Oder der Decke?«, brüllte Zander. Er musste schreien, um das immer lauter werdende Tosen des Wassers zu übertönen. »Wir könnten eine der Dielen aufbrechen!«

»Ja, natürlich!«, schrie Pike zurück. »Das könnten wir versuchen!«

»Und warum tun wir es nicht?«

»Weil das nach verdammt viel Arbeit aussieht!«

Zander schüttelte ungläubig den Kopf. »Hast du jetzt endgültig den Verstand verloren?«

Pike lächelte vielsagend. Der Wasserpegel stieg derweil unglaublich schnell und unerbittlich. Zander sorgte sich jedoch nicht nur um sein eigenes Schicksal. Ihm war auch bewusst, dass Iris und Cyan in Gefahr schwebten, wenn Pike und er versagen sollten.

»Na schön!«, vernahm er Pikes Stimme über das Gluckern und Brausen des Wassers. »Ich denke, das sollte genügen!«

»Genügen?«, echote Zander.

»Sie sollen sich ruhig ein wenig in Sicherheit wiegen!«, antwortete Pike und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er sich bei ihm am Altar einfinden sollte.

Zander biss die Zähne zusammen und kämpfte sich zu ihm. »Was hast du vor?«

Pike fasste an seinen Gürtel und präsentierte ihm eine etwa faustgroße goldene Kugel.

»Was ist das?«

»Ich habe keine Ahnung!«, erwiderte Pike. »Hauki und ich haben es deinem Schätzchen abgenommen, als sie nach Myr Ryba gekommen ist.«

Zander konnte sich nicht erinnern, je ein solches Instrument gesehen zu haben. Es ähnelte eher einem Spielzeug oder einem Schmuckstück als einer Waffe. »Und was soll das sein?«

»Ich weiß nicht, wie es genannt wird!«, antwortete Pike, während der Wasserstand auf dem Orlopdeck Hüfthöhe erreichte. »Aber es ist definitiv alchemistischen Ursprungs. Wir können uns also auf einen großen Knall gefasst machen!«

Es hätte ein gutes Dutzend Einwände gegen Pikes Plan gegeben, aber Zander ignorierte sie alle und rang sich zu einem zustimmenden Nicken durch. »Gut!«, sagte er. »Ich hoffe, du weißt, was du tust!«

Pikes blaue Augen blitzten auf. »Und ich dachte, du würdest mich kennen!« Er warf die Kugel hoch und fing sie mit der Hand wieder auf. »Ich weiß immer, was ich tue.«

Gemeinsam richteten sie den Altar wieder auf, sodass sie dahinter zumindest ein wenig Schutz vor den Auswirkungen der erwarteten Explosion finden konnten. Dabei bemerkte Zander zum zweiten Mal die Laterne, die das blendend grelle Licht beherbergte. Von einem völlig durchnässten Tuch umwickelt, trieb sie an der Wasseroberfläche. Er konnte sich nicht erklären, was er gespürt hatte, nachdem er das Tuch weggezogen hatte und vom Licht geblendet worden war. Dieses Gefühl tief in seiner Brust, als wollte ihm ein unsichtbares Monster das Herz herausreißen. War das Magie? Alte Magie? War es das, was Iris spürte, wenn sie von der Himmelsmotte Tinea sprach? Was er gespürt hatte, als Pike sein Messer in Iris' Bein gerammt hatte? Ohne darüber nachzudenken, fasste er nach der Laterne und wickelte sie fester in den dunklen Stoff.

»Bereit?«, rief Pike und holte zum Wurf aus.

»Bereit!«, antwortete Zander, duckte sich hinter den Altar und tauchte dabei bis zur Nase ins Wasser. So konnte er beobachten, wie die goldene Kugel durch die Luft flog und an der Wand zerschellte. Die Ummantelung zerbarst und gab den Blick auf eine seltsame, glänzende Masse frei, die an den Holzplanken haften blieb. Die erwartete Explosion blieb aus.

Zander konnte sich eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen. »Großartig!«

Pike stemmte die Hände in die Taille. »Zugegeben, das habe ich mir anders vorgestellt.«

Er hatte den Satz jedoch kaum vollendet, da geschah etwas Unerwartetes. Die glänzende Masse begann, pulsierend zu leuchten. Ein ohrenbetäubendes Ächzen und Stöhnen wanderte durch das Schiff. Holz knarrte und es war, als würde sich im Innern der Schiffskonstruktion ein gewaltiger Druck aufstauen. Die Novomagica-Lampen gaben dem Drängen zuerst nach. Sie lösten sich aus ihrer Halterung und flogen auf die pulsierende Masse zu, um daneben an der Wand zu zerschellen. Ihnen folgten Pikes Messer, die er gerade noch rechtzeitig aus seinem Gürtel befreien konnte. Laut schimpfend musste er kurz darauf auch seinen Gürtel aufgeben.

Zander spürte ein Ziehen an seiner rechten Hand, das mit seinem Ring zu tun haben musste. Ehe er jedoch darauf reagieren konnte, lösten sich die ersten Bolzen und Nieten, die Spanten und Außenhaut des Schiffs miteinander verbanden. Danach ging alles ganz schnell. Das ganze Schiff schien von einer Sekunde auf die andere instabil zu werden. Der Boden gab nach. Es entstanden Strömungen und Strudel. Dann brachen die Wände auf und der Ozean drängte ungestüm ins Innere des Orlopdecks. Zander wurde von einer Welle erfasst und herumgewirbelt. Er wehrte sich nicht, sondern tauchte unter und überließ sich ganz dem Chaos, das den Untergang der Seeteufel einleitete. 

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