77. Ein kleines Pläuschchen
»Auf den Akvamarin-Inseln soll es einen Dschungel geben«, sagte Tuna unvermittelt, während sie ihre Pferde immer tiefer in den stinkenden Bretterwald des Modderhauvens lenkten.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Zander ohne seinen Blick zur Ruhe kommen zu lassen. Obwohl sie von bewaffneten Gendarmen begleitet wurden, konnten sie sich keinen noch so kleinen Moment der Unachtsamkeit erlauben. Als besserverdienende Angestellte der Forellis hatten sie bei den Bewohnern des Modderhauvens keinen guten Stand – schon gar nicht, da sie beide Gusaren waren. Für Renke Rotfeder und Konsorten hatte man als Nachfahre der Rybaler Piraten im Schmutz zu wühlen und die Oberschicht zu verachten. Wer das nicht tat, lief möglicherweise Gefahr, diverse Körperteile zu verlieren. Vielleicht sogar den Kopf. Was das anging, war das gesetzlose Völkchen des Modderhauvens sicher nicht zimperlich. In einem Anflug von Nostalgie fragte sich Zander, ob sie ihn unter Umständen sogar über eine richtige Planke gehen lassen würden. Wenn sie ein Schiff gehabt hätten. Oder eine Planke. Oder wenigstens ein größeres Gewässer. Doch der Modderhauven war an allen Seiten von Wald umgeben.
»Salmon hat mir neulich aus einem seiner Bücher vorgelesen«, antwortete Tuna. Im Gegensatz zu Zander tat sie sich mit der Lektüre komplizierter Texte noch immer schwer und ließ sich daher gern vorlesen. Am liebsten von Enzia, aber zur Not auch von Salmon, der immer zur Stelle war, wenn es um dicke Bücher ging. »Ein Reisebericht«, fuhr Tuna fort. »Von einem Abenteurer, der vor den Akvamarin-Inseln Schiffbruch erlitten hat. Er beschreibt diesen Dschungel sehr anschaulich.«
Tunas Blick wanderte über die Bretterverschläge zu beiden Seiten des Wegs, der kaum breit genug für zwei Pferde war. Meterhoch ragten die Bauten aus Holzbohlen und Ästen, die zum Schutz vor Wind und Wetter mit getrocknetem Modder und Laub verklebt waren, in den grauen Himmel. Zum Teil hatten sich ihre Bewohner auch mit Tüchern und Decken beholfen, um die Dächer und Zugänge ihrer winzigen Wohnungen abzudichten. Ähnlich wie im Sudkyste-Viertel spannten sich Seile und Balken von Gebäude zu Gebäude. Zwei Mädchen hockten auf einem der Bretter und ließen die Beine baumeln. Sie hatten lange, pechschwarze Zöpfe und musterten die Ankömmlinge aus verhärmten Gesichtern und feindseligen Augen.
»Dort muss es in etwa so aussehen wie hier«, beendete Tuna ihre Ausführung.
Weiter vorne hob Orka Narwal, der die berittene Gruppe anführte, die Hand. Auf dieses Signal hin brachten die Gendarmen ihre Reittiere zum Stehen. Zanders Pferd schnaubte und schlug mit dem Schweif, um die Mücken zu vertreiben, die sich trotz des Regens in Bodennähe tummelten. »Wir schwärmen jetzt aus!«, drang Narwals Stimme durch das unablässige Rauschen des Wassers. Während er seinen Männern genauere Befehle erteilte, rutschten Zander und Tuna aus ihren Sätteln.
»Wir sollten uns alleine umsehen«, sagte Zander, während er einen guten Anfang für ihre Suche auskundschaftete. »Narwal muss ja nicht erfahren, dass wir keineswegs wegen der toten Kinder oder unserer ermordeten Boten hier sind.«
Tuna nickte zustimmend, nahm ihren Hut ab und goss das Wasser aus, das sich in einer Falte der Hutkrone gesammelt hatte. »Wo fangen wir an?«
Zander deutete auf eine kleine Hütte, deren Dach mit getrocknetem Strandhafer gedeckt war. Auf der Türschwelle hockte ein Junge und kritzelte mithilfe eines dünnen Stocks Muster in den Matsch. Als sie näherkamen, sah er auf und schenkte ihnen ein weitgehend zahnloses Lächeln. Er war noch zu jung, um den Unterschied zwischen ihnen und den Gusaren des Modderhauvens zu erkennen.
Tuna betrat die zugige und feuchte Unterkunft. Währenddessen kniete sich Zander zu dem Kind und malte mit dem Finger eine Nixe in den Schlamm. Seine Zeichenkünste waren nicht gerade herausragend, aber dem Jungen schien es ohnehin vollkommen egal zu sein, was er malte. Allein die Tatsache, dass sich ein Erwachsener mit ihm beschäftigte, entlockte ihm ein fröhliches Glucksen. Während Zander die langen Haare der Nixe in den Matsch zeichnete, begutachtete er den Zustand des Kindes. Der Junge wirkte verwahrlost, aber nicht unglücklich. Zander fragte sich, ob er eine Familie besaß, die sich um ihn kümmerte. Eine Frage, die ihm schon bald beantwortet wurde.
»Hoy, Sandel, forsvinnerer!«, befahl Renke Rotfeder, der ihnen gefolgt sein musste.
Während das Kind die barsche Anweisung ohne zu murren befolgte, richtete sich Zander auf und wischte seine Hand am Mantel ab. »Ist er Ihr Sohn?«
»Neffe«, korrigierte Rotfeder und vertrat Zander breitbeinig den Fluchtweg. »Was wollen Sie hier?«, fragte er, wobei er sich mit einem raschen Schulterblick vergewisserte, dass die Gendarmen außer Hörweite waren. »Und erzählen Sie mir nicht, Sie wären wegen der toten Straßenkinder hier. Rogner Forelli interessiert sich doch einen Pesk für unsereins.«
Zander machte sich nicht die Mühe, ihm zu widersprechen und die zahlreichen Verdienste aufzuzählen, mit denen Herr Forelli die Straßenkinder von Myr Ryba unterstützte. Das hätte ihn nur wertvollen Atem gekostet. Stattdessen kam er gleich zum Punkt. »Ich bin hier, weil ich auf der Suche nach jemandem bin.«
»Sind wir das nicht alle?«, spottete Rotfeder und gab den Männern, die sich in den notdürftig zusammengezimmerten Verschlägen über ihren Köpfen verbargen, ein Zeichen. Geschickt glitten seine Anhänger zurück in die Schatten, aus denen sie gekommen waren. Die Art, wie sie sich leichtfüßig über Seile und Bretter bewegten, erinnerte Zander an Seeleute, die in einer Schiffstakelage herumturnten. Wenn der Modderhauven ein Piratenschiff war, dann war Renke Rotfeder zweifellos der Kapitän. »Sie glauben doch nicht, dass wir unsereins verraten würden«, fuhr er fort.
»Ganz egal, was sie getan haben?«, fragte Zander.
Rotfeder stemmte die Hände in Hüften. Die aufgekrempelten Ärmel betonten seinen ansehnlichen Bizeps und sein bissiges Lächeln verhieß Kampfbereitschaft. Er würde mit Sicherheit niemanden verraten. Schon gar nicht kampflos. »Jeder tote Rybaler ist ein guter Rybaler!«, erklärte er herausfordernd.
»Was würde Korsan wohl davon halten?«, konterte Zander, um Zeit zu gewinnen. Der Gedanke an ein Duell mit Renke Rotfeder behagte ihm ganz und gar nicht. Weniger aus Angst davor, verletzt zu werden, als aus taktischen Gründen. Im Modderhauven war Rotfeder der ungekrönte Herrscher. Ohne seine Fürsprache würde es verdammt schwer werden, etwas über die Haie von Ryba oder die Aciarischen Attentäter zu erfahren. Also musste es Zander irgendwie gelingen, seinen Respekt zu erringen.
»Jemand wie Sie sollte diesen Namen nicht einmal in den Mund nehmen«, zischte Rotfeder und fasste den Stiel seiner Axt fester. »Sie sind eine Schande für jeden anständigen Gusaren.«
»Ach ja?«, erwiderte Zander und löste den Waffengurt von seiner Hüfte. »Weil ein anständiger Gusar lieber in Baumhäusern wohnt und um Essen bettelt, anstatt es sich mit ehrlicher Arbeit zu verdienen?«
»Gusaren betteln nicht, sie nehmen es sich einfach!«, fauchte Rotfeder und hob drohend seine Axt.
Anscheinend war er genau der Hitzkopf, für den Zander ihn gehalten hatte. Das bedeutete jedoch nicht, dass er es sich erlauben durfte, ihn zu unterschätzen. Mit einer flinken Bewegung zog er den Gürtel durch die letzte Schlaufe und warf ihn zusammen mit seinem Säbel in den Matsch.
»Denken Sie, ich habe Skrupel einen Unbewaffneten zu töten, wenn mir danach ist?«, knurrte Rotfeder und näherte sich Zander, als wollte er dieses Vorhaben sogleich in die Tat umsetzen.
»Einen unbewaffneten Gusaren?«, gab Zander zurück. Es fiel ihm zum Glück leicht, Renke Rotfeder einzuschätzen. »Nur zu«, sagte er achselzuckend. »Schlagen Sie mir ruhig den Kopf ab. Wir wissen ja doch beide, dass das nicht das ist, was Sie wirklich wollen.« Er ließ seinen Blick über die umliegenden Dächer wandern und schickte ein stummes Stoßgebet zur Göttin Lacuna, bevor er mit erhobener Stimme hinzufügte: »Letztendlich sind Sie bloß neidisch auf das, was einige Ihrer Brüder und Schwestern erreicht haben. Wir leben ein angenehmes Leben, während Sie und ihr unschuldiger Neffe hier im Modder-«
Rotfeder gab ihm keine Zeit, den Satz zu beenden. Seine Faust schnellte vor und traf Zander mitten ins Gesicht. Auch wenn er damit schon gerechnet hatte, ließ ihn die Wucht des Angriffs rückwärts taumeln. Er spürte, wie ihm warmes Blut aus der Nase schoss, und schlug reflexartig die Hände vor das Gesicht. Als er sie wieder löste und das blutige Ergebnis seiner Provokation betrachtete, wurde ihm leicht mulmig zumute. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und konnte nur noch hoffen, dass er mit seiner Einschätzung von Renkes Charakter recht behalten würde. Gerade rechtzeitig hob er den Blick, um zu sehen wie Rotfeder mit der Axt Schwung holte.
Noch etwas benommen taumelte Zander beiseite und entging dem Angriff wohl nur durch pures Glück. Die Axt zischte an ihm vorbei und bohrte sich mit der scharfen Seite in die Hauswand der kleinen, mit Strandhafer gedeckten Hütte - so fest, dass sie darin stecken blieb. Zander stellte sich vor, die Holzbretter wären sein Schädel gewesen. Prompt wünschte er sich, er hätte es nicht getan.
Als er sich wieder Rotfeder zuwandte, wurde er hart angegriffen. Rotfeder packte seine Hüfte und rammte ihm die Schulter gegen die Brust. Offenbar wollte er ihn mit vollem Körpereinsatz zu Boden ringen. Zander wurde gegen die Hauswand geworfen, was das ganze Gebäude ins Schwanken brachte. Nur weil es ihm gelang, sich seitlich wegzudrehen, verfehlte sein Rücken den hervorstehenden Stiel der Axt. Trotzdem durchfuhr ihn beim Anprall ein heftiger, dumpfer Schmerz, der sein ganzes Skelett in Vibration zu versetzen schien. Seine Zähne schlugen fest aufeinander und seine Schulter erinnerte ihn daran, dass Verletzungen durch die Schattenmesser-Technik niemals ganz verheilten. Es bleiben Narben unter der Haut, hatte ihm Doktor Seebader erklärt. Darunter hatte sich Zander nicht viel vorstellen können, doch jetzt verstand er es.
»Sie werden den Modderhauven nicht lebend verlassen«, zischte Rotfeder. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, rammte er Zander die Faust in die Lebergegend. Zander krümmte sich. Sternchen tanzten vor seinen Augen. »Denn Sie sind kein echter Gusar! Nur ein widerlicher Schmarotzer! Ein Bückling! Haifutter!« Jede dieser Beschimpfungen unterstrich er mit einem Schlag in Zanders Bauchgegend. Zum Glück waren seine wutentbrannten Angriffe nicht besonders gut gezielt und Zander hatte einige Erfahrung darin, verprügelt zu werden. Er wusste genau, wie viel er aushalten konnte. »Sie haben gedacht, Sie könnten mich vor Meinesgleichen verspotten!«, fauchte Rotfeder und hielt für einen Moment inne. Seine dunkelblauen Augen richteten sich auf Zanders Gesicht. Eine steile Zornesfalte bildete sich zwischen seinen Brauen. So wie bei Tuna, wenn sie wütend war. »Sie halten sich vielleicht für was Besseres. Aber Sie sind nur Pesk! Jemanden wie Sie verspeist ein echter Gusar zum Frühstück!«
Zander schmeckte das Blut, das ihm noch immer aus der Nase rann und über die Oberlippe in seinen Mund tropfte. Der metallische Geschmack mischte sich mit dem der Magensäure, die Rotfeders Schläge in seine Kehle katapultiert hatten. Er war froh, am Morgen nicht gefrühstückt zu haben. »Jemanden wie mich vielleicht«, keuchte er. Mit Blick auf Tuna, die vom Kampflärm aus dem Haus gelockt worden war, ergänzte er: »Aber jemanden wie sie ganz sicher nicht.«
Ehe Rotfeder wusste, wie ihm geschah, war Tuna heran und zerrte ihn von Zander weg. Schwungvoll schleuderte sie ihn herum, sodass er das Gleichgewicht verlor und mit rudernden Armen rückwärts taumelte.
Zander nutzte die Gelegenheit, um stöhnend an der Bretterwand zusammenzusacken und seine Schulter zu betasten, die wie ein entzündeter Nerv pochte und pulsierte. Dann wischte er sich das Blut aus dem Gesicht, lehnte den Hinterkopf gegen das Holz und beobachtete mit einem schmalen Lächeln, wie Tuna dem überrumpelten Renke Rotfeder einen Fausthieb zum Kinn versetzte. Der selbst ernannte König des Modderhauvens stolperte und stürzte rücklings in den Matsch. Es wunderte Zander, dass die meisten Männer immer noch überrascht waren, wenn sie von Tuna verprügelt wurden. Immerhin eilte dem schwarzen Stichling ein gewisser Ruf voraus.
Über ihnen rotteten sich erneut Rotfeders Handlanger zusammen. Anscheinend wollten sie ihrem Anführer zu Hilfe kommen. Wie Äffchen schwangen sie sich über die Straßen und von Barracke zu Barracke. Zander vernahm das Klirren von Säbeln und das Spannen von Abzugshähnen.
»Nätt!«, rief Rotfeder streng. »Nätt!«
Der Lärm verstummte. Rotfeder rappelte sich wieder auf und streckte die Hand aus. Jemand warf ihm einen Säbel zu, den er geschickt auffing. Prüfend ließ er sein Handgelenk und damit auch die Waffe kreisen. Mit einem leisen Surren schnitt die Klinge durch die Luft.
Tuna machte einen halben Schritt zurück und zog ihre eigene Waffe. Das Klirren des Stahls hallte durch den Bretter-Dschungels wie durch eine Gebirgsschlucht. Die beiden Gegner bezogen voreinander Aufstellung und hoben die Waffen. Keiner von ihnen machte sich die Mühe, eine vorbildliche Fechthaltung einzunehmen oder einen traditionellen Fechtgruß anzudeuten, wie es sich vor offiziellen Duellen geziemte.
Die ersten Angriffe und Paraden wurden mit der Konzentration eines Alchemisten, der zwei hochexplosive Flüssigkeiten vermischte, geführt. Keiner der Kämpfer wollte sich eine Blöße geben. Gleichzeitig war es ein taktisches Umkreisen, mit dem Ziel, den Gegner mit allen Sinnen abzutasten. Im Gegensatz zu Tuna hatte Zander nie ein so feines Gefühl für Bewegungsabläufe und Körperhaltungen besessen. Sie schien regelrecht mit ihrer Waffe zu verschmelzen. Geschmeidig wich sie Rotfeders Angriffen aus und parierte nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, um ihre Schwerthand zu schonen. Denn auch wenn Tuna deutlich muskulöser als die meisten Frauen und noch dazu eine geübte Kämpferin war, musste sie sich Rotfeder in Sachen reiner Körperkraft geschlagen geben. Diesen Umstand machte sie jedoch mit Geschick, Kampfeswillen und Brutalität wieder wett.
Wie brutal sie sein konnte, zeigte sich gleich beim nächsten Angriff. Unbarmherzig wechselte sie zwischen Ochs- und Eberschlägen, setzte mit einem Zwerg nach und trieb Rotfeder dabei vor sich her. Es dauerte eine ganze Weile, bevor er einen passenden Kampfrhythmus fand und sich gegen ihre schnellen Attacken zur Wehr setzen konnte.
Das packende Duell hatte derweil jede Menge Zuschauer angezogen. Alle hielten den Atem an, als Rotfeder Tunas Angriff mit der Rückhand abwehrte und ihr dabei eine Schnittwunde am Oberschenkel zufügte. Sie zuckte jedoch nicht einmal und konterte seine Attacke mit einem Hieb zur Flanke. Ungeschickt wehrte er den Angriff mit dem Arm ab, wobei er sich eine tiefe Fleischwunde einfing. Rasend vor Zorn ließ er nun seinerseits aggressive Hiebe auf Tuna niederprasseln. Sie wich vor den Schlägen zurück. Als sie schon fast mit dem Rücken gegen eine der Barracken stieß, gelang es ihr, eine seiner Attacken mit der Außenkante ihres Säbels abzuwehren. Der Klang der aufeinanderprallenden Waffen erfüllte die aufgeheizte Luft mit einem geradezu menschlich klingenden Kreischen. Tunas Klinge glitt an Rotfeders Säbel entlang bis zum korbförmigen Handschutz. Dort verhakten sich die beiden Waffen. Bevor Tuna ihrem Gegner die Klinge entwinden konnte, überbrückte Rotfeder mit einem schnellen Schritt die Distanz zwischen ihnen. Tuna hielt ihn mit ihrer Waffe auf Abstand und wich gleichzeitig seinem Ellenbogenstoß aus. Sie duckte sich unter seinem Arm hinweg und versetzte ihm einen Schlag auf die rechte Niere. Obwohl Zander derzeit nur Zuschauer war, vermeinte er, ein Echo des entstehenden Schmerzes spüren zu können. Rotfeder ließ seine Waffe los, krümmte sich und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Seine Anhänger wurden unruhig und klapperten mit ihren Waffen.
Im gleichen Moment tauchte Orka Narwal in Begleitung zweier Gendarmen bei ihnen auf. Als er die Situation erkannte, zog er seinen Säbel. »Was ist hier los?«, verlangte er zu wissen.
Zander zog sich an der Bretterwand auf die Beine. »Nichts, Kommandant Narwal. Wir unterhalten uns nur.«
Narwals Blick wanderte zu Tuna, die ihre Waffe wieder in der Scheide an ihrem Gürtel verschwinden ließ. »Nur ein kleines Pläuschchen«, erklärte sie mit einem gezwungenen Lächeln.
Rotfeder hielt sich mit einer Hand an einem Stützpfosten fest und verdeckte mit der anderen Hand die Fleischwunde an seinem Arm. »Sie sagt die Wahrheit.«
Narwal war anzusehen, dass er genau wusste, wie Tunas Vorstellung von einem Pläuschchen aussah. Er warf Zander einen warnenden Blick zu, steckte die Waffe weg und kehrte zu seiner Durchsuchung zurück.
Nachdem die Gendarmen gegangen waren, verscheuchte Rotfeder mit einer wedelnden Handbewegung die Männer, die sich auf den Dächern und Balken über ihnen versammelt hatten, um das Duell zu verfolgen und ihrem Anführer beizustehen, falls es zum Äußersten kommen sollte. Seine Miene war ungewöhnlich ernst und vollkommen frei von Zorn. Stattdessen glomm so etwas wie neu erwachter Respekt in seinen Augen auf. Trotzdem nahm Tuna nicht die Hand vom Waffengriff. »Wen sucht ihr?«, wollte Rotfeder wissen.
»Die so genannten Haie von Ryba«, antwortete Zander, während er seine blutigen Hände am Mantel sauberwischte.
Rotfeder lächelte schief. »Die Haie gehören zu uns. Ich werde sie unter keinen Umständen verraten.« Er musterte Tuna, die ganz subtil den Griff um ihre Waffe verstärkte.
»Gut«, sagte Zander. »Sie beschützen Ihre Gusaren, aber was ist mit den Aciariern?« Erst als die Worte heraus waren, merkte er, wie verzweifelt er sich eine bestimmte Antwort auf diese Frage wünschte. Alles hing von Rotfeders nächsten Worten ab. Hatte er von den fremdländischen Attentätern gehört? Oder waren diese Männer nichts als ein Hirngespinst und jemand aus dem Forelli-Haushalt trug die Schuld an Rogners Schicksal? Zander hoffte und betete, dass er sich nicht geirrt hatte, doch seine Überzeugung hing an einem seidenen Faden.
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