68. An Tineas Fäden
Im Anschluss an Faders Ankündigung waren Iris und Jasmin in eines der oberen Zimmer gebracht worden. Vage bekam Iris mit, dass es sich dabei um das Kaminzimmer handelte, das sie bei ihrem ersten Besuch bestaunt hatte. Jetzt hatte sie für das Ambiente jedoch nicht mehr viel übrig. Die Luft schmeckte bitter, der Gestank von Schweiß verklebte ihre Atemwege und sie hatte das bedrohliche Gefühl, an ihrer eigenen Lunge ersticken zu müssen.
»Ganz ruhig«, sagte Jasmin und umfasste ihre Taille, um sie zu stützen, als sie ins Schwanken geriet. »Ihnen wird nichts passieren, ich verspreche es Ihnen.«
»Ach ja?«, hauchte Iris. »Und wie kommen Sie darauf?«
Jasmin half ihr zum Kamin, wo sie sich am Sims festklammern konnte, dann ging sie zum Bett hinüber, einem wuchtigen Modell aus dunklem Wenge-Holz, das mit Überwürfen aus Tierfellen und einem laubgrünen Baldachin dekoriert war. Kleine Windlichter, die sich auf einem umlaufenden Gesims etwa einen halben Meter unter der Zimmerdecke aufreihten, spendeten gerade genug Licht, um sich auch bei erloschenem Kamin orientieren zu können. Jasmin bückte sich und fasste unter das Bett. Als sie sich wieder aufrichtete und die goldenen Haare zurückwarf, lag ein langes Klappmesser in ihrer Hand.
»Ich habe auch ein Messer«, fiel es Iris wieder ein. Sie präsentierte Jasmin den Brieföffner, den sie aus dem Zimmer des Zettelprüfers gestohlen hatte.
Jasmin lächelte. »Jetzt weiß ich wieder, wo ich Sie schon einmal gesehen habe. Sie arbeiten für die Forellis, für Zander und Tuna, nicht wahr?«
Iris nickte langsam. Tatsächlich fühlte sie sich durch die Waffe in ihrer Hand schon wieder etwas besser. »Und woher kennen Sie diesen Fader?«
»Er war früher einer unserer Kunden«, antwortete Jasmin, während sie das Messer wieder in dem Geheimfach unter dem Bett verschwinden ließ. »Bis Fräulein Ondine erfahren hat, was er beruflich macht und ihn rausgeworfen hat.«
»Was macht er denn?«, fragte Iris weiter, wobei sie beobachtete, wie sich das Licht der Kerzen auf der silbernen Klinge des Brieföffners spiegelte.
»Er ist ein Schlammfischer«, meinte Jasmin naserümpfend. »Ein ziemlich brutaler Kerl. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«
Erneut wallte Panik in Iris auf. Schweratmend steckte sie den Brieföffner zurück in die Halterung an ihrem Bein und lehnte sich gegen den Kamin. In ihrem Geiste verwandelte sich der dunkelgrüne Baldachin des Bettes in das schattige Laubdach eines Waldes, der Teppichboden in stacheliges Gras und der bittere Geruch in den Gestank ihrer eigenen Angst.
»Sie arbeiten also wirklich für die Forellis«, sagte Jasmin, beinahe im Plauderton. Vermutlich bemühte sie sich nur, Iris irgendwie zu beruhigen, damit sie nicht in Panik verfiel, wenn Fader in der Tür erschien. »Dann weiß ich auch, in wen Sie verliebt sind.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Jasmin schenkte ihr einen vielsagenden Blick. Unter normalen Umständen hätte Iris diese Unterhaltung gerne weitergeführt, doch in ihrer aktuellen Lage bereitete es ihr schon genug Probleme, einfach nur zu atmen und nicht in Ohnmacht zu fallen, wobei das vielleicht die einfachere und gnädigere Lösung gewesen wäre. Sehr zu ihrem Leidwesen blieb ihr Geist klar genug, um ihre Situation zu begreifen - und um sie erkennen zu lassen, dass es keineswegs die Füße waren, die Fader massiert haben wollte.
»Da sind ja meine zwei Florfruesen!«, verkündete der alte Schlammfischer, als er wenig später ins Zimmer stolziert kam. Noch auf der Türschwelle entledigte er sich seiner Weste und zog eine Pistole aus seinem Hosenbund. »Keine Dummheiten, ihr zwei Hübschen«, ergänzte er, während er sie abwechselnd mit der Waffe bedrohte. »Ich habe vielleicht nur einen Schuss und meine Hände sind schon ein wenig zittrig, aber ich puste euch trotzdem noch die schönen Köpfchen weg.«
Iris hatte keine Kraft mehr in ihren Gliedern, aber Jasmin wich mit halb erhobenen Händen vor ihm zurück.
»Was soll das eigentlich sein?«, fragte Fader und wedelte mit seiner Pistole durch die Luft. Iris verstand nicht sofort, dass er von ihr sprach. Erst als er zu ihr kam und die Knöppchen von ihrem Dekolleté riss, erkannte sie, was er gemeint hatte. Eines der Knöppchen verhakte sich im Stoff ihres Kleides und er musste mit Gewalt daran zerren, um es zu lösen. »Die brauchst du nicht länger«, knurrte er, warf die wertvollen Abzeichen achtlos auf den Boden und zertrat sie mit seinem Stiefel. Das knirschende Geräusch, mit dem ihre beruflichen Errungenschaften zersplitterten, versetzte Iris einen schmerzhaften Stich in die Magengrube.
Im Anschluss an seine abscheuliche Tat spazierte Fader zum Bett und ließ sich darauf nieder. Einer seiner Männer zog derweil die Tür zu und postierte sich vermutlich auch gleich davor.
»Und jetzt raus aus diesem albernen Fetzen«, befahl Fader.
Iris' Blick wanderte zu Jasmin, die ihr mit einem vorsichtigen Kopfnicken zu verstehen gab, dass sie das Spiel mitspielen sollte. Mit einem immer stärker werdenden Gefühl von Übelkeit in der Magengegend schälte sie sich aus ihrem Kleid. Der klamme Stoff wehrte sich dabei nach Kräften, sodass Fader schon bald Jasmin dazu aufforderte, ihr zur Hand zu gehen. Unter seinen aufdringlichen Blicken half ihr die junge Frau aus Kleid, Korsett und Krinoline, sodass sie nur noch in einem leichten Unterkleid vor ihm stand. Der dünne Stoff konnte die Waffe an ihrem Oberschenkel nicht mehr verbergen und verhüllte auch ansonsten recht wenig. Stolz und Scham rangen in Iris miteinander, während sie den Brieföffner von ihrem Körper löste und Fader vor die Füße schleuderte.
Der alte Mann lächelte nur und bedeutete ihr dann mit seiner Pistole, sich vor ihm im Kreis zu drehen. Als Iris ihm den Rücken zuwandte, wurde ihr bewusst, dass sie ihm damit einen guten Blick auf ihre Narben gewährte. Ihre Beschämung steigerte sich ins Unermessliche. Selten war sie sich so gedemütigt vorgekommen. Fader kommentierte ihre Wunden jedoch nicht, sondern verlangte auch von Jasmin eine langsame Pirouette. Während sie sich drehte und dabei noch verführerisch durch ihre Haare strich, bückte er sich nach dem Messer unter dem Bett. Ein wissendes Grinsen lag auf seinem Gesicht, als er die Waffe fand und ihnen präsentierte, wie einen Schatz, den er ihnen vor der Nase weggeschnappt hatte.
»Habt ihr gedacht, ich würde mich so leicht veralbern lassen?«, fragte er amüsiert. »Dafür bin ich wirklich schon zu alt.« Er hob den Brieföffner auf und ging zum Fenster, um die beiden Stichwaffen in die Nacht hinauszuwerfen. Dann kehrte er zum Bett zurück, machte es sich darauf bequem und klopfte anschließend mit der flachen Hand auf die Bettdecke. »Und jetzt her mit euch.« Als das nichts brachte, verlieh er der Aufforderung mit einem Wink seiner Pistole Nachdruck.
Jasmin reckte das Kinn in die Höhe und ging voraus. Iris folgte ihr auf wackeligen Knien. Doch noch ehe sie den Weg zum Bett zur Hälfte hinter sich gebracht hatte, verspürte sie ein Ziehen in ihrer Brust, das sie an das leise Zupfen der Himmelsmotte Tinea erinnerte. Sie blieb stehen.
»Da ist aber jemand schüchtern«, bemerkte Fader, wuchtete sich vom Bett und näherte sich Iris. Zu ihrem eigenen Erstaunen wich sie nicht vor ihm zurück. Das hartnäckige Zupfen der Himmelsmotte wurde stärker, breitete sich in Wellen durch ihren Körper aus, als wäre sie ein Instrument, auf dem die Götter ihr Lied erklingen lassen wollten.
Fader trat noch näher an sie heran. Dann legte er den Lauf der Pistole an ihre Schläfe. Mit der anderen Hand umfasste er ihr Kinn und drehte es so, dass er ihr in die Augen sehen konnte. Seine eigenen Augen waren von einem verblassenden, nebligen Blau wie ein altes Aquarellgemälde hinter einer Milchglasscheibe. Iris sah direkt in sie hinein und zugleich durch sie hindurch. Das Zupfen hatte inzwischen ihren ganzen Körper erfasst.
Faders Hand wanderte an ihrem Kinn entlang zu ihrer Kehle, über die Mullbinden an ihrem Hals weiter hinab zu der kleinen Narbe an ihrem Schlüsselbein und von dort zu ihrem flachen Dekolleté. Seine Finger umspielten die weiche Rundung ihrer Brust. Er schien das Vibrieren in ihrem Körper nicht spüren zu können. Vielleicht deutete er es auch als Nervosität, doch es war viel mehr als das. Ein Gefühl von Entgrenzung erfüllte Iris, als wäre sie ein Blatt im Wind oder eine Luftblase im Ozean. Die Waffe drückte gegen ihre Schläfe, aber sie spürte es kaum. Fader schien seinen Trumpf ebenfalls beinahe vergessen zu haben. Unverwandt starrte er Iris an, als gäbe es etwas in ihrem Blick, das ihn vollständig zu fesseln vermochte.
»Waffe runter.«
Die Worte klangen in Iris' Ohren wie eine Erlösung. Wie die ersten Schreie eines Babys direkt nach der Geburt oder der Glockenschlag zur Mittagsstunde an einem besonders heißen Schultag. Sie hatte gehofft, dass sie die Worte hören würde, aber nicht sicher gewusst, ob und wann. Fader musste es genau andersherum ergehen. Vermutlich hatte er befürchtet, dass diese Worte erklingen würden, doch wenn es so war, dann ließ er sich nichts anmerken. Iris hörte, wie er den Hahn seiner Pistole spannte. Das beinahe magische Vibrieren in ihrem Körper verwandelte sich wieder in ein ängstliches Zittern.
»Ich werde mich nicht wiederholen.«
Die Stimme gehörte zu Zander. Iris konnte ihn jedoch nicht sehen, weil er hinter ihr stand. Das wiederum bedeutete, dass sie Fader unfreiwillig mit ihrem eigenen Körper schützte. Dieser Umstand war Fader sicher auch schon bewusst geworden. Er lächelte jedenfalls selbstgefällig. »Zander.«
»Du erinnerst dich also noch an mich?«
»Oh ja, natürlich«, erwiderte Fader, dessen freie Hand noch immer besitzergreifend auf ihrer linken Brust lag. »Ich verfolge das Schicksal all meiner Kinder, selbst wenn sie sich von mir lossagen.«
»Ich bin alles andere als dein Kind.«
»Du wirst immer mein Kind bleiben, so wie ich immer der Mann sein werde, der dich gelehrt hat, wie man auf der Straße überlebt. Das kannst du leugnen wie du willst, aber das ändert gar nichts.«
Fader löste die Hand von Iris' Brust und packte sie am Arm, um sie mit sich zu zerren. Geschickt manövrierte er sich mit ihr zum Bett, sodass er die Mauer im Rücken hatte und den ganzen Raum gut überblicken konnte. Mit mehr Brutalität als nötig gewesen wäre, zog er Iris an sich und legte ihr erneut die Waffe an die Schläfe. Sie spürte seine nackte Brust an ihrem Rücken und seine Hand an ihrer Hüfte. Der dünne Stoff ihres Unterkleides war kaum als Hindernis zu bezeichnen, weder für Blicke, noch für Berührungen.
Ihre furchtsamen und schambehafteten Gedanken wurden jedoch davongespült, als sie Zander entdeckte, der in der Tür stand und seinerseits eine Feuerwaffe auf Fader gerichtet hatte. Er entsprach vielleicht nicht ganz dem Bild, das die meisten Frauen von einem heldenhaften Retter in der Not hatten, aber Iris war in dieser Hinsicht nicht pingelig. Außerdem freute sie sich viel zu sehr, ihn gesund und an einem Stück zu sehen.
»Also wenn du nicht willst, dass ich dem Mädchen eine Kugel in den Kopf jage, nimmst du jetzt besser die Waffe runter«, sagte Fader.
Jasmin, die sich zum Fenster geflüchtet hatte, warf Zander einen fragenden Blick zu. Die ganze Welt schien für einige Sekunden stillzustehen und auf seine Reaktion zu warten.
Zanders Kinnpartie versteifte sich. Seine blauen Augen brannten wie die heißesten Stellen eines Kaminfeuers. »Ich sagte doch, ich werde mich nicht wiederholen.«
Plötzlich stieß Fader hinter ihr einen Schrei aus. Die Pistole entglitt seiner Hand und landete klappernd auf dem Dielenboden. Als sie dort aufkam, wurde sie von hellgrünen Flammen eingehüllt.
Iris nutzte die Gelegenheit, riss sich von ihm los und warf sich zur Seite. Im gleichen Moment drückte Zander ab. Der Schuss hallte durch das Kaminzimmer wie ein Donnerschlag.
Während der Knall noch in der Luft hing, breitete sich der Gestank nach Schießpulver und Novomagica aus. Iris, die durch ihren beherzten Sprung halb auf dem Bett gelandet war, rollte auf den Rücken, um zu sehen, ob Fader den Schuss überlebt hatte.
Zander verstellte ihr jedoch die Sicht. »Iris?«, fragte er und wollte ihr aufhelfen, doch sie stieß seine Hände zurück.
»Ich will ihn sehen«, fauchte sie.
Zander ignorierte ihre Gegenwehr, zog sie auf die zitternden Beine und in seine schützende Umarmung, doch Iris war erst vollständig beruhigt, als sie an seiner Schulter vorbeispähen und Fader sehen konnte, der mit einem teilweise explodierten Schädel an der Wand neben dem Bett lehnte. Kirschrotes Blut, Knochensplitter und Gehirnmasse hatten sich im ganzen Raum verteilt. Ein besonders großer Blutfleck tünchte die verputzte Mauer, genau dort, wo sich sein Kopf vor dem Schuss befunden haben musste. Als ihr klar wurde, dass Fader diese Verletzung unmöglich überlebt haben konnte, sackte sie in Zanders Armen zusammen. Sie hatte keine Kraft mehr, um zu stehen, zu sprechen oder etwas zu empfinden. Sie konnte nicht einmal mehr weinen. Zander schlang einen Arm um ihre Taille, den anderen um ihren Rücken und hielt sie auf diese Weise aufrecht. Beruhigend redete er auf sie ein, aber es dauerte eine ganze Weile, bis Iris seine Worte durch das Rauschen in ihren Ohren wahrnehmen und so etwas wie Entspannung zulassen konnte.
»Hier«, sagte Cyan, wechselte seinen Magierstab von der linken in die rechte Hand und legte Iris seinen Herrenrock um die Schultern. Sie hatte keine Ahnung, wie lange er schon im Zimmer war. »Ich lasse euch dann mal alleine«, fügte er hinzu. Sein Blick wanderte zu Jasmin, die Iris und Zander sichtlich erleichtert musterte. Dann zwinkerte sie Iris zu und folgte Cyan zur Tür hinaus.
Nachdem die beiden gegangen waren, verstärkte Zander den Griff um Iris' Taille und zupfte mit der anderen Hand Cyans Rock zurecht, sodass der Stoff die Narben auf ihrem Rücken verbarg.
»Du hast sie gesehen, oder?«, flüsterte Iris. »Diese hässlichen Narben?«
»Nein«, antwortete Zander und umfasste sie wieder mit beiden Armen.
»Du lügst«, murmelte Iris enttäuscht.
Zander schüttelte den Kopf und blickte voller Zuneigung auf sie herab. Ein unsichtbares Lächeln lag in seinen Worten. »Du hast mich gefragt, ob ich deine hässlichen Narben gesehen habe.« Er neigte das Kinn und küsste sie liebevoll auf die Stirn. »Aber ich kann an dir absolut nichts Hässliches feststellen.«
Iris sah finster zu ihm auf, auch wenn sie sich der Schönheit dieser Worte nicht verschließen konnte. »Ich wette, das hast du aus irgendeinem Buch.«
»Du weißt doch, mit Büchern habe ich nicht viel am Hut«, erwiderte Zander. Die tiefen Grübchen in seinen Wangen schienen ein Lachen zu verbergen.
Bei diesem Anblick kehrte endlich das Gefühl in Iris' Körper zurück und sie brachte irgendwie ein Lächeln zustande. »Das müssen wir dringend ändern.«
»Was immer du willst«, antwortete Zander und beugte sich erneut vor. Diesmal streckte sie sich ihm so gut es ging entgegen. Ihre Lippen fanden sich zu einem Kuss, der so sanft war wie die Berührung einer Daunenfeder. Trotzdem sandte er ein Kribbeln und Brennen durch ihre Adern, als würde ihr ganzer Körper in Flammen aufgehen wollen. »Ich wusste, dass du in Gefahr bist«, hauchte Zander und küsste sie erneut, bestimmter und kräftiger als zuvor. Der Druck seiner Lippen wanderte wie reines Feuer über ihre empfindliche Haut. Sie spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht und seine Hände an ihrer Taille. »Ich weiß nicht, warum, aber ich habe es gewusst.«
»Vielleicht fühlst du auch die Himmelsmotte«, schlug Iris vor. Da sie mit Tineas Zupfen aufgewachsen war, wunderte sie sich nicht besonders über diese Gefühle.
»Und was bedeutet das?«, fragte Zander und hielt inne, die Lippen nur einen Hauch von ihren Lippen entfernt.
Iris sah zu ihm auf, in diese Augen, deren blaues Feuer noch nicht erloschen war. »Das ist das Erbe der Götter. Alte Magie.« Sie lehnte sich gegen ihn und lächelte. »Und es bedeutet, dass du Gefühle für mich hast. Denn die Himmelsmotte Tinea spannt ihre Fäden nur zwischen Liebenden oder Menschen des alten Volkes.«
»Nun, ich bin gewissermaßen vom alten Volk«, entgegnete Zander neunmalklug.
Iris rollte mit den Augen. »Aber du bist kein Kind der Waldgöttin.«
»Nein«, bestätigte Zander, ging ein Stück in die Knie und ließ seine Hände über ihren Körper abwärts wandern. Dann hob er sie ruckartig auf die Arme. Iris stieß einen leisen Schrei aus und klammerte sich haltsuchend an seinen Schultern fest. »Ich bin ein Gusar«, erklärte Zander knurrig. »Ein Kind der Meeresgöttin.« Mit Iris auf den Armen bewegte er sich zur Tür. »Und jetzt verschwinden wir von hier.«
Dagegen hatte Iris nichts einzuwenden. Im Atrium der Rosigen Auster erwartete sie ein interessanter Anblick. Tuna und Salmon hielten Faders Männer mit Säbel und Büchse in Schach, während die Waffen der Eindringlinge weit oben unter der Decke der Halle schwebten, umhüllt von einem blassgrünen Dunst. Cyan, der für dieses Spektakel verantwortlich sein musste, hockte auf einer der Liegen am Erdbeer-Brunnen und unterhielt Fräulein Ondines Mädchen und Jungen mit allerlei magischen Tricks.
»Verschwindet bloß«, sagte Tuna. »Wir warten hier noch auf die Gendarmerie. Narwal freut sich sicher, wenn er sieht, wen wir gefunden haben.«
Gelächter und Applaus brandeten auf, da Cyan eine goldene Halskette erst in Flammen aufgehen und dann verschwinden gelassen hatte, nur um sie gleich darauf wieder hervorzuzaubern.
Zander trug Iris zur Tür hinaus. »Nicht weit von hier steht eine Kutsche, die wir uns ausleihen können. Oder wir kommen für die Nacht bei Freunden unter. Was meinst du?«
»Ich würde gern auf einer Wolke davonfliegen«, seufzte Iris mit Blick in den leicht bewölkten Sternenhimmel.
»Daran arbeite ich noch«, erwiderte Zander.
Iris legte den Kopf gegen seine Brust. Es war ihr ganz egal, wohin sie gingen, solange Zander bei ihr war und sie sich endlich ausruhen konnte.
»Du wirst doch jetzt nicht einschlafen«, bemerkte Zander spöttisch.
Nein. Ich mache nur kurz die Augen zu, dachte Iris. Dann dachte sie für einige Stunden nichts mehr.
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