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56. Die Gejagten

In der Hoffnung, schon bald eine belebtere Gegend zu erreichen, rannte Iris noch schneller. Ihr Brustkorb fühlte sich jedoch derart zusammengeschnürt an, dass sie kaum richtig atmen konnte und bereits nach wenigen Schritten eine Pause einlegen musste.

Sie hatte sich geschworen, keine Angst mehr zu haben, doch die Vision des gestrigen Tages schien etwas in ihr ausgelöst zu haben. Schrecken der Vergangenheit, die sie längst ausgemerzt oder zumindest tief in ihrem Innern eingefroren geglaubt hatte, waren zu ihr zurückgekehrt. Das Eis in ihrem Innern konnte die schlimmen Erinnerungen, die sie darin eingeschlossen hatte, nicht mehr gefangen halten. Die große Schneeschmelze, vor der sie sich immer gefürchtet hatte, war hereingebrochen und wie das eisige Tauwasser eines Gletscherflusses strömte die Angst durch ihre Adern. Es war, als wäre seit den Ereignissen von vor neun Jahren kein einziger Tag vergangen. Seit der Rothaarige sie überfallen hatte. Sie konnte die ganze Szene bildlich vor sich sehen, konnte die Männer und das Blut riechen und ihre eigene Furcht schmecken, bitter wie Kautabak. 

Zitternd sank sie an einer Mauer in die Hocke und lehnte ihren Rücken gegen den groben Stein. Sie dachte an Tunas gestrige Ermahnung, doch der Gedanke, sich durch ihre Furcht noch angreifbarer zu machen, trug nicht zu einer Besserung bei. Eher im Gegenteil. Es ist nicht das erste Mal, dass du dich so fühlst. Du wirst dafür sorgen, dass es vorübergeht. Ganz egal, was es dich kostet. So oft Iris diese Worte auch wiederholte, die Panik in ihrem Innern blieb. Es war zu spät. Der Damm war gebrochen.

Iris' Blick wanderte über das Straßenpflaster bis zur anderen Straßenseite, wo ein von Efeuranken umschlungenes Tor in eine kleine Gartenanlage führte. Wieder vermeinte sie das Rascheln lederner Schwingen zu vernehmen. Gleichzeitig intensivierte sich der durchdringende Schwefelgestank. Das Gefühl drohender Gefahr wurde übermächtig. Die Himmelsmotte Tinea riss an ihren Fäden als wäre Iris eine widerspenstige Marionette. Panisch tastete sie mit den Fingern über das Pflaster bis ihre rechte Hand zwischen dem Unkraut am Straßenrand einen Kieselstein zu fassen bekam. Sie riss den Stein in die Höhe und beugte sich vor, um ihn auf ihren albtraumhaften Verfolger zu schleudern, der genau in diesem Moment durch den Torbogen trat. 

Doch es war nur Cyan.

»Bei den Göttern«, hauchte Iris und ließ die Hand mit dem Stein wieder sinken.

Der junge Mann kam langsam näher, wobei er eine rötliche Flamme, die auf seiner Handfläche tanzte, wie ein rohes Ei vor sich hertrug. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

»Was machen Sie dann hier?«, zischte Iris, um ihre Angst mit vorgetäuschtem Ärger zu überspielen.

»Auf dem Weg zur Schneiderei bin ich an der Krongasse vorbeigekommen«, berichtete Cyan, während er die freie Hand ausstreckte, um ihr auf die Beine zu helfen. »Dort haben sich einige Verfechter des neuen Glaubens zusammengerottet, um gegen den alten Glauben zu protestieren. Ziemlich radikale Gesellen. Eher Randalierer als Gläubige. Vermutlich werden sie im Lauf des Tages noch durch die ganze Stadt ziehen und jede Menge Unruhe stiften – sofern die Stadtwächter sie nicht aufhalten.« Er hielt die Flamme hoch und beobachtete, wie sie sich von hellrot zu rosa verfärbte. »Jedenfalls habe ich gedacht, dass es besser wäre, wenn Sie diesen Radikalisten nicht begegnen würden, Fräulein Dan de Lion. Immerhin sehen Sie so aus, als würden Sie es mit dem alten Glauben halten.«

»Im Gegensatz zu Ihnen«, erwiderte Iris und räusperte sich, um die Furcht aus ihrer Stimme zu vertreiben.

»Da haben Sie wohl recht«, erwiderte Cyan amüsiert.

Iris erkannte, dass der intensive Schwefelgestank von der Flamme in Cyans Handfläche ausging. »Ist das Novomagica?«

Cyan nickte. »Sehen Sie.« Er hielt die Flamme neben Iris' Kopf und sie nahm eine dunkelrote Farbe an. Als er sie wieder entfernte, verfärbte sie sich von rosa zu hellblau. »Dieses magische Feuer hat mir den Weg zu Ihnen gezeigt.« Cyan schloss die Hand und die Flamme erlosch. Feiner Rauch stieg zwischen seinen Fingern hervor und nahm für einige Sekunden die Form eines Myrkuren an, der mit schnellen Flügelschlägen in den Himmel hinaufstieg. »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Schreck eingejagt haben sollte.«

»Nicht der Rede wert«, log Iris, während sie die nebelhafte Kreatur mit den Augen verfolgte. »Diesen Zauber... haben Sie den von einem dieser Wesen gelernt?«

Ein flüchtiges Lächeln wanderte über Cyans Züge. »So ist es. Dieser Zauber gehört zu den Fähigkeiten, die Sheitani mich gelehrt hat. Und Sheitani ist es auch, der mich in diesem Moment mit der dafür notwendigen Magie versorgt.«

Der Myrkur verpuffte. »Sheitani?«, wiederholte Iris verwundert.

»Das ist sein Name«, erwiderte Cyan. In der Ferne schwoll der Lärm vieler Stimmen an, die wiederholt einen Spruch skandierten.

»Der Name der Kreatur, die Sie beschworen haben?«, hakte Iris nach.

Cyan sah sich nach dem Ursprung des Lärms um. »Ich habe schon viele Myrkuren beschworen, aber Sheitani ist etwas Besonderes.« Er senkte den Kopf und zog eine Grimasse, als hätte er sich den kleinen Zeh gestoßen. »Ich bedauere es sehr, dass er Sie neulich so erschreckt hat.«

»Dieser Sheitani war der Myrkur an meinem Bett?« Iris' anfängliche Verblüffung verwandelte sich in Verärgerung. »Was hatte er da zu suchen? Und wieso... ich meine, was-?«

Cyan zuckte mit den Schultern. »Es ist kompliziert.« Er bot Iris den Arm an, aber Iris hakte sich nicht bei ihm unter. Irgendwie hatte sie das Gefühl, diese Geste wäre Zander vorbehalten. »Sheitani war nur neugierig. Vielleicht wollte er Sie auch aus Myr Ryba vertreiben. Sehen Sie, für die Myrkuren sind Sie so etwas wie eine Todfeindin«, erklärte Cyan und ließ den Arm wieder sinken.

»Ich?«, fragte Iris mit schriller Stimme.

»Ja«, seufzte Cyan. »Aber das dürfen Sie nicht persönlich nehmen. Das ist so eine Sache, die auf die alte Legende des Gottes Myrkur zurückgeht.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie wissen schon... die Göttin Eydna hat ihn ins Reich der Toten verbannt. Und anscheinend nimmt Myrkur ihr das immer noch übel.«

Iris schüttelte den Kopf, doch die rasch näher kommenden Stimmen erstickten ihren Protest.

»Wir sollten jetzt wirklich gehen«, drängte Cyan. Kaum hatte er das gesagt, tauchten die Radikalisten am Ausgang der Gasse auf. Sie trugen Umhänge und Kapuzen in unterschiedlichen Grüntönen – der Farbe der Novomagica – und skandierten den Spruch Sotaria Armaterra nos bespare, was so viel bedeutete wie: Der Erlöser Materras bewahre uns. Damit konnten sie nur den Heiland des neuen Glaubens meinen. In Myr Paluda vernahm man immer wieder Geflüster, das König Fridur höchstpersönlich mit der Rolle dieses Erlösers in Verbindung brachte. Iris vermutete, dass Ihrer Majestät diese Gerüchte sehr zusagten. Jedenfalls unternahm er nichts, um sie zu unterbinden.

»Ziek ma!«, rief einer der Protestler, als er Iris und Cyan entdeckte. »Enne Florfruese!«

Cyan fluchte unterdrückt. »Sie haben uns.«

»Noch nicht«, widersprach Iris. 

»Nätt dichta kamm!«, warnte Cyan und schleuderte den Radikalisten einen Zauber entgegen, der eine kleine Explosion zur Folge hatte und die ganze Gasse in grünen Novomagica-Nebel hüllte.

»Los jetzt!«, verlangte Iris, fasste ihren Rock und rannte los. Cyan folgte ihr. 

Während sich ihre Verfolger hustend durch den Dunst kämpften, hasteten sie die Gasse hinunter, zurück zum Kikermarkt und von dort aus in östliche Richtung. Etwa auf Höhe des Calamari-Anwesens, das von einem meterhohen verschnörkelten Eisenzaun mit goldenen Emblemen umgeben war, endete ihre Flucht. Es waren jedoch nicht die Radikalisten, die ihnen den Weg abschnitten, sondern die von Zander beauftragten Söldner.


Zurück im flacheren Gewässer kletterten Zander und Hauki aus dem Boot und zogen es auf den Strand. Tuna und Salmon kamen ihnen entgegen.

»Geht es dir gut?«, rief Tuna, während sie ins Wasser watete.

»Bestens«, erwiderte Zander. Er hörte, wie Salmon seine Waffe nachlud und auf Pike anlegte. »Es ist alles gut. Die zwei haben mir geholfen.«

Pike schwang sich mit einer eleganten Bewegung über die Bootskante. Obwohl er noch vor wenigen Minuten zwei Schlammfischer in kleine Häppchen zerteilt hatte, saß sein Livree absolut makellos. Kein einziger Blutspritzer klebte an ihm.

»Was ist passiert?«, fragte Tuna.

Zander schüttelte den Kopf. »Wir reden später darüber.«

»Euer Freund hat Köder für die Nixen gespielt«, bemerkte Pike süffisant und fuhr mit den dürren Fingern über die Knöpfe an seinem Revers. »Eine gefährliche Taktik, aber sie hat funktioniert.«

»Das war so nicht geplant«, wandte Zander ein, auch wenn er nicht wusste, ob er dadurch souveräner oder weniger souverän wirkte. »Jedenfalls sind die Kinder in Sicherheit.« Er ließ seinen Blick über den Strand wandern. Noch immer hingen Novomagica- und Pulverdämpfe in der Luft. Durch die trüben Schwaden konnte er Stadtwächter und Gendarmen erkennen, die sich um ihren jeweiligen Anführer geschart hatten. »Haben wir einige Schlammfischer gefangen nehmen können?«

Tuna nickte und deutete auf eine Gruppe Gefangener, die fest verschnürt im Schlamm lagen. Unweit davon warteten die Straßenkinder, die das ganze Chaos offenbar unbeschadet oder nur mit leichteren Blessuren überstanden hatten. Der alte Gamal war bei ihnen, um sie zu beruhigen. Derweil waren zwei Stadtwächter damit beschäftigt, Delphine Kaviar zurückzuhalten, die anscheinend Wind von der Operation bekommen hatte und eine spannende Geschichte für die Leser des Rybaler Stadtanzeigers witterte.

»Na bitte«, meinte Pike. »Dann können wir ja jetzt alle zufrieden nach Hause zurückkehren.«

»Nein«, erwiderte Zander. »Da wäre noch eine Sache.«

»Fader ist nicht hier«, sagte Tuna, die seine Absichten sofort erkannt hatte.

»Fader?«, wiederholte Hauki und zuckte zusammen, als hätte ihm die Erwähnung des Namens einen schmerzhaften Stich versetzt.

Pike seufzte und blinzelte in das Licht der Sonne, die soeben hinter den morgendlichen Schleierwolken hervorlugte. »Der sollte doch längst bei den Fischen schwimmen.«

»Ich will nur ganz sichergehen«, erwiderte Zander und stapfte ans Ufer. Wind und Salzwasser hatten seine Kleidung trocken und steif werden lassen. Umso mehr freute es ihn, als er den Jungen entdeckte, der noch immer seinen Mantel auf den Armen trug.

Der schlammige Untergrund schmatzte und schlürfte, als Pike mit seinen piekfeine Lederstiefeln zu ihm aufschloss. »Jetzt sag nicht, du bist noch immer hinter Fader her.«

»Nein«, antwortete Zander. »Das habe ich schon vor Jahren aufgegeben. Aber wenn er noch leben sollte, will ich dabei sein, wenn er gehängt wird.«

Pike lachte wie eine Wüstenhyäne. »Wer würde das nicht gerne?« Er beschleunigte seine Schritte und vertrat Zander den Weg. »Aber ich glaube nicht, dass er oder diese-« Er deutete zu den Gefangenen. »-erbärmlichen Gestalten etwas mit den ermordeten Kindern und den gestohlenen Herzen zu tun haben.«

Zander blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Es gefiel ihm nicht, mit Pike zu reden, als wären sie Verbündete. Immerhin standen sie bereits seit über zehn Jahren auf verschiedenen Seiten und trachteten sich mit schöner Regelmäßigkeit gegenseitig nach dem Leben. »Das glaube ich auch nicht«, gab er zu.

Pike senkte seine Stimme. »Was glaubst du dann?«

»Das geht dich überhaupt nichts an, Pike«, knurrte Zander und wedelte mit der Hand in der Luft herum, um den stinkenden Dampf zu vertreiben.

»Wieso?«, gab Pike zurück. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich bin nicht so gut darin, andere Menschen zu durchschauen, wie du, aber auch ich habe Augen im Kopf. Irgendwas geht bei den Forellis vor. Die ganze Stadt zerreißt sich schon das Maul darüber, wenngleich niemand etwas Konkretes zu wissen scheint.«

»Was willst du andeuten?«

Pike schürzte die Lippen. »Hat das, was vor drei Wochen bei den Forellis passiert ist, irgendetwas mit den toten Kindern zu tun?«

»Wie kommst du denn darauf?«, entgegnete Zander, wobei er sich bemühte, seine Überraschung zu verbergen. Seiner Meinung nach gab es nichts, was auf eine Verwicklung der Forellis in den Fall der ermordeten Kinder hindeutete. »Viele der Kinder wurden schon früher ermordet.«

»Ja, aber nicht viel früher«, konterte Pike ohne Zander aus den Augen zu lassen oder zu blinzeln.

Zander erwiderte seinen Blick. Je länger das wechselseitige Anstarren dauerte, desto klarer wurde Zander, dass Pike tatsächlich die Forellis zu verdächtigen schien. Und da Pike kein Mann war, der wild spekulierte, sondern in der Regel kühl und sachlich vorging, fragte er sich, welche Beweise ihn auf diese Spur gesetzt hatten.

Ein Schrei unterbrach ihr Blickduell. Zander entdeckte einen der Gefangenen, der sich irgendwie befreit und einem der Stadtwächter die Hellebarde entwunden hatte. Er fasste den Stiel der Waffe mit beiden Händen und rammte dem Mann die scharfe Spitze in eine Lücke zwischen den Platten seines Brustpanzers. Dann zerrte er die Waffe wieder zurück und humpelte auf Gamal und die Kinder zu. Die Jungen stoben in alle Richtungen davon, doch der alte Mann war viel zu langsam auf den Beinen, um dem Bewaffneten entkommen zu können. 

Vielstimmige Rufe erhoben sich, als auch die Gendarmen und die anderen Stadtwächter auf die dramatische Situation aufmerksam wurden. Sie waren jedoch zu weit entfernt oder zu langsam beim Laden ihrer Schusswaffen, um den Gefangenen aufhalten zu können.

Zander rannte los, obwohl er wusste, dass er zu spät kommen würde. Er war gerade ein paar Schritte weit gekommen, da zischte ein Messer an ihm vorbei und traf den Gefangenen direkt zwischen die Schulterblätter. Der Mann kippte nach vorne, stützte sich mit der Waffe im Schlamm ab und fiel auf die Knie. Sein Griff um den Stiel der Hellebarde wurde schwächer und seine Hände rutschten ab. Dann fiel er mit dem Oberkörper in den Matsch. 

Pike ließ das zweite Wurfmesser, das er bereits gezückt hatte, wieder in den Innentaschen seiner Jacke verschwinden. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch nicht den Gendarmen und Wächtern, die von allen Seiten angelaufen kamen, dem alten Gamal, der seine Situation noch gar nicht recht begriffen zu haben schien, oder Delphine Kaviar, die das ganze Drama aus weit aufgerissenen Augen verfolgte, sondern ganz allein Zander. Die unterschwellige Botschaft war klar: Er würde ihm ebenfalls ein Messer in den Rücken rammen, wenn sich herausstellte, dass die Forellis etwas mit den ermordeten Kindern zu tun hatten. Bis dahin würden er und Hauki ihm und seinen Herrschaften im Nacken sitzen, so dicht, dass sie ihren kalten Atem spüren konnten.

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