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38. Der Sudtempel

Iris fühlte mit Zander. Sie wusste ja nur zu gut, wie es war, wegen beruflicher Ambitionen verschmäht zu werden. Am liebsten hätte sie Sardina Bradan stellvertretend für Kaspar Dan de Lignas einen Tritt in den Allerwertesten verpasst. Zander schien die ganze Sache jedoch gut wegzustecken - jedenfalls oberflächlich betrachtet. Und Iris kannte ihn nicht gut genug, um sich auszumalen, wie es in seinem Innern aussehen musste. 

»Wer ist denn eigentlich diese Ondine?«, fragte sie, während sie sich von Zander in eine der Barken helfen ließ, die am Ufer des Forelli-Sees festgemacht waren.

Tuna grinste. »Das weißt du nicht?« Sie fasste nach einem der Paddel, was das ganze Boot ins Schwanken brachte. 

Instinktiv klammerte sich Iris an Zanders Arme. Sie hatte wirklich keine Lust darauf, zum wiederholten Mal ein unfreiwilliges Bad zu nehmen. Zander schien es ähnlich zu gehen. Jedenfalls packte er schnell zu und hielt sie fest. Ringförmige Wellen breiteten sich um die Barke herum aus und versetzten die Seerosenblätter und Wasserlinsen in schaukelnde Bewegung. Zwei Enten schossen aus dem Ufergras und entfernten sich rasch in die andere Richtung.

»Nein, das weiß ich nicht«, antwortete Iris, während sie sich langsam auf die Sitzbank sinken ließ.

Nachdem Zander sich vergewissert zu habe schien, dass sie einen gut austarierten Sitzplatz gefunden hatte, löste er seinen Griff und die Vertäuung. Anschließend setzte er sich ihr gegenüber und nahm das andere Paddel. »Fräulein Ondine ist eine sehr geschäftstüchtige Dame, die ein Etablissement besitzt, in dem Männer gegen Bezahlung Kontakt zu willigen Frauen haben können, was diverse Dienstleistungen und Praktiken miteinschließt, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen.«

»Ein Freudenhaus?«, fasste Iris Zanders langatmige und komplizierte Beschreibung zusammen.

»Ganz genau«, sagte Tuna. Mühelos fanden sie und Zander einen stabilen Rhythmus und lenkten die Barke über den See, der das Forelli-Anwesen umgab. Das Gebäude glänzte im Schein der frühmorgendlichen Sonne wie poliert. Die Luft roch frisch und der Wind trug neben dem Geruch von Salzwasser und Fisch auch den Duft blühender Felsnelken mit sich.

Iris brauchte einen Moment, um die Neuigkeit über Fräulein Ondine zu verdauen. Natürlich wusste sie, was ein Freudenhaus war. Auch in Myr Paluda kannte man derartige Etablissements und irgendwie wusste auch jeder, dass es Männer gab, die sie aufsuchten. Dennoch war das ganze Thema ein großes Tabu. Niemand, der etwas auf sich hielt - erst recht keine ehrbare Frau - wollte in irgendeiner Weise mit einem Freudenhaus in Verbindung gebracht werden. Daher beschränkte sich Iris' Wissen über diesen Geschäftszweig auf vages Hörensagen, das ihr schon beim bloßen Gedanken daran die Schamröte ins Gesicht trieb. »Ich ... ich ... also ich weiß wirklich nicht, ob ich mitkommen sollte.«

»Du weißt, dass wir dich brauchen«, widersprach Tuna. »Angeblich kommt unser wertvoller Informant aus dem Norden und spricht nur einen unverständlichen Dialekt.«

»Aber ich kann doch nicht in ein ... Freudenhaus gehen«, protestierte Iris. »Das wäre ... unschicklich.« Plötzlich konnte sie auch Sardinas Empörung besser verstehen. »Ich meine, ich bin nicht wie ihr, ich bin ... ich habe einen Ruf zu verlieren«, stotterte Iris weiter.

Zander und Tuna tauschten Blicke. 

»Du arbeitest für die Forellis«, meinte Zander schließlich. »Ich denke, dein guter Name wird diesen kleinen Besuch bei Fräulein Ondine unbeschadet überstehen.«

Darauf wusste Iris nichts mehr zu sagen. Sie wollte nicht in irgendwelche Schweinereien verwickelt werden. Gleichzeitig war sie aber auch neugierig. Eine Empfindung, die sie niemals öffentlich zugegeben hätte. Schon gar nicht vor Zander.

Auf der anderen Seite des Sees stiegen sie in eine Kutsche, die schon für sie bereitstand. Im Eiltempo ging es den Fellmonte hinunter in die Stadt. Iris, bei der die Kutschfahrt unangenehme Assoziationen auslöste, lehnte den Kopf gegen die Seitenwand des Gefährts und spähte an den Vorhängen vorbei aus dem Fenster. Ihr Kutscher nahm einen Umweg durch das nördliche Niederdamm, wodurch sie einen schönen Eindruck von den friedlichen Wohngebieten bekam, die sich in dieser Gegend aneinanderreihten. Fachwerkhaus schmiegte sich an Fachwerkhaus. Die strenge Abfolge wurde immer wieder von Kanälen, Brücken und kleinen Plätzen aufgelockert. Jeder Häuserblock schien seine eigene Kultur zu besitzen, die sich in der Architektur der Gebäude, aber auch in den Dekorationen äußerte. Mancherorts wurden die Haustüren von Blumenkränzen oder Fischernetzen geziert, in anderen Straßen prangten symbolische Anker oder metallische Möwen auf den Dächern. Auch die Form des Straßenpflasters war je nach Wohngebiet ganz unterschiedlich. Iris konnte hören, wie sich der Klang der Pferdehufe auf dem wechselnden Untergrund veränderte.

»Das sind Überbleibsel der Gusaren-Tradition«, erklärte Zander bereitwillig. »Damals hatte jedes Schiff seinen eigenen Kapitän, seine eigene Crew und seine eigenen Traditionen. Und an Land haben diese Männer genauso zusammengehalten wie auf dem Ozean. Deswegen haben sie auch ihre Häuser nebeneinander errichtet und ihre Bräuche von Generation zu Generation weitergegeben.«

Iris wollte gerade äußern, wie schön sie diese Vielfalt fand, da bemerkte sie einige Arbeiter, die eine Girlande von Hausdach zu Hausdach spannen wollten und dabei die Straße blockierten. Die Kutsche kam zum Stillstand und es folgte ein hitziger Austausch zwischen ihrem Kutscher und den genervten Arbeitern. 

»Was ist denn hier los?«, fragte Iris, die dem raschen Wortwechsel im Fisklore-Dialekt kaum folgen konnte.

»Bald ist Anseen de Solvende«, erläuterte Tuna. »Sommersonnenwende.«

»Oh ja, stimmt«, meinte Iris und wurde sogleich von einem wehmütigen Gefühl überkommen. Die Sommersonnenwende war das größte Fest, das man in Trandafir kannte und für Iris immer eine Gelegenheit gewesen, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Es sah ganz danach aus, als müsste sie dieses Jahr zum ersten Mal in der Fremde feiern.

»Es ist Tradition, dass die drei großen Händlerfamilien das Fest ausrichten«, fuhr Zander fort. »Und auch gemeinsam feiern.«

»Die Feierlichkeiten beginnen zu Mittag bei den Calamaris, den Abend richten die Forellis aus und in der Nacht geht es weiter zu den Karpis«, sagte Tuna, die Iris gegenübersaß und unruhig mit dem Fuß wippte. »Ich denke, dieses Jahr ist der Brauch besonders brisant.«

»Nichtsdestotrotz müssen wir die Traditionen ehren«, erwiderte Zander.

Tuna schnaubte. »Das wird in einer Katastrophe enden.«

Die Kutsche setzte sich ruckelnd wieder in Bewegung und holperte über das Pflaster durch Niederdamm bis zum Sudkyste-Viertel. Dort kamen sie aufgrund der engen Gassen und des Verkehrs nur noch langsam voran, sodass Zander bald entschied, dass sie aussteigen und den Rest des Weges laufen sollten. Zu Iris' Überraschung lag Fräulein Ondines Etablissement nicht weit vom Sudtempel entfernt, der ihrer Familiengöttin Eydna geweiht war. Schon der Name des Geschäfts, die Rosige Auster, verursachte bei Iris ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Auch das Erscheinungsbild des Gebäudes trug nicht dazu bei, dass sie sich wohler fühlte. Die ganze zweistöckige Fassade war mit Malereien versehen, die anmutige Wassergeister in Gestalt nackter Frauen oder Nixen beim neckischen Spiel mit Piraten, Schiffbrüchigen und anderen Männern zeigten. Auf den ersten Blick wirkten die verschiedenen Szenen fast unschuldig, doch wenn man genauer hinsah, bemerkte man die unverhüllte Darstellung der zahllosen Geschlechtsorgane und ihrer Interaktion. 

»Du hast doch schon mal einen nackten Mann gesehen, oder?«, fragte Tuna, während sie die letzten Meter zur Rosigen Auster zurücklegten. 

Die Straße, die stetig bergauf führte, wurde von Asch-Weiden gesäumt, die mit ihrem gräulichen Blätterkleid zumindest ein wenig Schatten spendeten. Trotzdem war es unangenehm warm. Aber vielleicht bildete Iris sich das auch nur ein.

»Ja, natürlich«, antwortete sie, auch wenn sie die Gelegenheiten an einer Hand abzählen konnte. »Ich meine, ich bin eine anständige Frau, aber ich ... nun, es hat sich ergeben, dass ich ... schon das ein oder andere Mal-« Als Iris klar wurde, dass Zander zu ihren Zuhörern zählte, brach sie abrupt ab. Noch immer galt es als unschicklich, dass Frauen vor der Ehe mit einem Mann verkehrten. Allerdings verstießen viele Frauen gegen diese Regel - jedenfalls diejenigen, die nicht schon mit fünfzehn Jahren verheiratet waren. Aus Neugierde und später auch aus Verlangen hatte Iris eigene Erfahrungen in Sachen Liebesakt gesammelt, wenngleich die meisten davon eher einem peinlichen Herumstochern im Dunkeln geähnelt hatten, als der großen Leidenschaft, wie sie in vielen Büchern und Theaterstücken angepriesen wurde.

»Keine Sorge. Wir verurteilen dich nicht«, meinte Tuna. »Diese Fixierung auf Jungfräulichkeit bei Frauen ist sowieso Schwachsinn.« Sie deutete auf die Fassade der Rosigen Auster. »Sieh nur. Überall diese Verga Arokean. Was für eine alberne Fantasie.« Da er nichts sagte, stieß sie Zander mit dem Ellenbogen an.

»Du hast völlig recht«, stimmte er ihr wie aus der Pistole geschossen zu.

Trotz dieser Beteuerung fühlte sich Iris extrem unwohl. In Myr Paluda hatte sie sich im Kreis ihrer Freundinnen mit ihren kleinen Abenteuern gebrüstet, doch jetzt kam sie sich irgendwie schmutzig vor. Sie konnte sich die Veränderung nicht erklären. Was war schon so schlimm daran, mit einem Mann zu verkehren und es möglicherweise auch noch zu genießen? Die Götter hatten daran sicher nichts auszusetzen. In den uralten Riten zu Ehren der Göttin Eydna war der Verkehr zwischen Mann und Frau sogar fester Bestandteil.

»Würdet ihr mich für einen Moment entschuldigen?«, fragte Iris und bog, ohne auf eine Antwort zu warten, auf den Weg ein, der zum Sudtempel führte. Das Gebäude war eine ansehnliche Konstruktion aus verschiedenen Holzarten, die miteinander verwoben waren, um Mauern und Decken zu bilden. Schmale Säulen aus ineinander verschlungenen Wurzelsträngen trugen das Dach, welches sich wie das weit verzweigte Geäst eines Baumes viele Meter in den Himmel erhob. Zahlreiche Eingänge, die Astlöchern und engen Tunneln aus losem Zweigwerk glichen, führten ins Innere des Tempels.

Iris kletterte durch einen der Gänge bis sie den Tempelhof erreichte. Hier standen die aus Holz geschnitzten Tempelwächterinnen mit ihren Schwertern und Schilden. In der dahinterliegenden Zentralkammer reihten sich die moosüberwucherten Tempeldienerinnen auf, die Schalen und Krüge trugen, in denen sich jeden Morgen das glitzernde Tauwasser sammelte. Durch einige kleine Öffnungen im Gebälk, das an ein hölzernes Weidengeflecht erinnerte, drang schwaches Tageslicht herein. Dennoch lag ein Großteil der Zentralkammer im Dunkeln. Es roch nach Holz, Feuchtigkeit und Moder. Ein deutlicheres Zeichen für den Verfall des alten Glaubens hätte es wohl nicht geben können. In Iris' Heimat war der Eydna-Tempel viel besser erhalten und es war schwer, dort ungestörte Minuten zu verbringen. Dagegen schien der Tempel in Myr Paluda weitgehend verlassen zu sein.

Bedächtig wusch sich Iris die Hände in einer der Schüsseln und reinigte anschließend auch noch ihr Gesicht, so wie es in ihrem Glauben Tradition war. Dabei hielt sie sich trotz ihrer inneren Unruhe streng an die vorgeschriebene Abfolge. Anschließend stieg sie die Stufen im Zentrum der Zentralkammer hinauf bis sie zu einem kleinen Podest gelangte. Dort kniete sie sich vor das Abbild der Göttin Eydna, das in einen dicken Baumstamm geschnitzt worden war. Ihrer Funktion als Göttin des Waldes, der Fruchtbarkeit und des Todes angemessen, war sie eine beeindruckende Erscheinung: Ein voluminöser Körper mit großen Brüsten und ein rundliches Gesicht mit mütterlichen Zügen. Die Haare standen ihr wie Weidenzweige vom Kopf ab, in der einen Hand trug sie eine Axt, in der anderen eine Laterne. Um den Weg zu schlagen und ihn zu erleuchten, hinein ins Leben und auch ins Reich des Todes. 

Iris fasste sich erst an die Nasenwurzel, dann an den Solarplexus. Die Ruhe im Innern des Tempels und die damit einhergehende Besinnung taten ihr gut. Sie fühlte das Unwohlsein und das Heimweh aus sich weichen. Wer sie in dieser Welt auch war, was sie auch getan hatte, sie würde immer ein Kind des alten Volkes bleiben - und damit auch ein Kind der großen Göttin. Diese Gewissheit hatte ihr schon immer Kraft gegeben. Sogar in den dunklen Stunden nach ihrem Überfall, als die ganze Welt in Schwärze und Angst versunken war und sie geglaubt hatte, nie wieder das Tageslicht zu sehen.

Als sie wenig später ins Freie zurückkehrte, wurde sie schon von Zander und Tuna erwartet. »Und? Besser?«, fragte Zander.

Iris strich mit den Händen über ihr Kleid, streckte den Rücken durch und lächelte. »Ja. Viel besser.« Sie deutete auf die Rosige Auster. »Also ... worauf warten wir noch?«

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