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33. Lebendige Dunkelheit

Iris betrachtete das dritte Knöppchen, das sie sich nach der Unterhaltung mit Orka Narwal bei ihrer Gilde abgeholt hatte und das nun am Ausschnitt ihres Kleides befestigt war. Da es von der Übersetzer-Gilde in Myr Ryba ausgegeben worden war, hatte es andere Verzierungen und Schnörkel als die zwei Knöppchen, die sie sich in der Hauptstadt verdient hatte. Es war nicht leicht zu erkennen, aber sie glaubte, dass die goldenen Details am Rand des Abzeichens eine Nixe darstellen sollten. Verzückt drehte sie das Knöppchen hin und her, sodass die zwei roten Glassteine, mit denen es gefüllt war, im Schein der Gaslaterne aufleuchteten.

Ein hohes Kläffen riss sie aus ihren Gedanken. Ihr Kopf schnellte hoch und ihr Bewusstsein schien sich auszubreiten. Plötzlich nahm sie wieder den Regen wahr, der auf den Kiesweg vor dem Säulengang und auf die Glasdächer der Gewächshäuser prasselte. Der angenehme Duft von feuchter Erde und salzigem Ozean stieg ihr in die Nase und sie spürte die kalte Nachtluft auf ihrem Gesicht. »Seestern?«, hauchte sie und spähte aus der Tür in die Dunkelheit hinaus.

Der kleine Hund stand nicht weit entfernt. Es wirkte, als hätte er soeben das Beinchen an einem der Orangenbäume des Gartens gehoben, doch nun war er in der Bewegung erstarrt und zitterte am ganzen Körper. Iris benötigte nicht die besonderen Fähigkeiten ihrer Großmutter, um zu erkennen, dass er sich fürchtete. Nur vor was? Sein Blick war auf irgendetwas über ihr, am Südflügel des Anwesens gerichtet. Wenn sie sich nicht irrte, lagen dort oben die Zimmer von Cyan und Enzia. 

Iris dachte kurz an Zanders Verbot, was das Verlassen des Anwesens anging, dann machte sie sich klar, dass der Garten, rein technisch betrachtet, noch zum Gebäude gehörte. 

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf glitt sie über die Türschwelle, durchquerte den Säulengang, der von blau blühenden Rosenranken eingerahmt wurde, und trat zu Seestern in den Regen hinaus. Mit einem unguten Gefühl in der Magengrube drehte sie sich um und hob den Blick zu den hell erleuchteten Fenstern. Fast erwartete sie, irgendein albtraumhaftes Wesen vorzufinden, das sich an die steinerne Fassade klammerte, doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nichts Außergewöhnliches erkennen. Dennoch sagte ihr Seesterns kehliges Knurren, dass sie sich irrte. Er wusste es. Sie wusste es. Etwas war nicht in Ordnung.

»Komm, Seestern«, sagte Iris. »Lass uns wieder reingehen.« 

Sie raffte ihr Kleid zusammen und sprang über den Kiesweg zurück in den Schutz des Säulengangs. Kaum war sie in den Schatten des Vorbaus eingetaucht, vernahm sie ein Geräusch, das sie innehalten ließ. Ein ledriges Rascheln, das ihr zugleich wohlbekannt und völlig fremdartig vorkam. Es war, als könnte sich ihr Körper an etwas erinnern, das ihr Geist längst verdrängt hatte. Ein Gefühl, als würden ihre Innereien erst bis in ihre Kehle wandern und dann ruckartig absacken, überkam sie. Die Knie wurden ihr weich und sie spürte das Pochen ihres Herzens bis hinauf in die Schläfen. »Seestern«, rief sie, aber ihre Worten verkamen auf dem Weg von ihren Stimmbändern in die feuchte Nacht zu einem heiseren Flüstern.

Der kleine Hund starrte jetzt in die Finsternis am Ende des Säulengangs. Dahinter mischte sich die sorgfältig angelegte Gartenanlage mit der wilden Natur des Küstenstreifens. Und irgendwo dort, perfekt verborgen von der Dunkelheit, lagen die Klippen. Wenn sie sich bemühte, konnte sie das Rauschen der Wellen durch das Prasseln des Regens hören. 

Seestern kläffte. Sein kurzes Fell sträubte sich. Er schien die Finsternis selbst anzukläffen. Das Rascheln wiederholte sich. Beinahe wie eine Antwort auf Seesterns Bellen.

»Komm schon, Seestern«, drängte Iris. Kälte wanderte ihre Arme hinauf bis zu ihrem Nacken. Sie fühlte sich beobachtet. Es war nicht nur das ungewöhnliche Verhalten des Hundes, das sie nervös machte, sondern ihr eigener Instinkt, der sie vor einer Bedrohung warnen wollte. Kaum hatte sie sich das eingestanden, spürte sie es ganz deutlich. Es fühlte sich an wie das Zupfen der Himmelsmotte Tinea: Ein unsichtbarer Faden, der sich um ihr Herz spannte und immer weiter zuzog. Das ledrige Rascheln wiederholte sich. Iris hielt den Atem an und blinzelte in die Finsternis. Das Licht der einzelnen Gaslaterne, die neben der Tür festgemacht war, flackerte, als würde es von einem Windzug gestreift. Was auch immer in der Dunkelheit lauerte, musste dieses Zucken als Signal auffassen. 

Plötzlich schien alles um Iris herum lebendig zu werden. Die Schatten lösten sich von den Mauern und Säulen wie aufgeschreckte Nachtfalter. Im Nu war sie von einem schwarzen Herbststurm umgeben, der an ihren Haaren und Kleidern riss. Intensiver Schwefelgestank hüllte sie ein. Iris zog die Schultern hoch und schlug mit den Händen um sich, aber die lebendig gewordene Dunkelheit ließ sich nicht so leicht abschütteln. Und dann vernahm sie eine Stimme, kalt und knarrend wie eine morsche Bodendiele. Ihre Worte konnte sie nicht verstehen, doch sie spürte die uralte Drohung, die darin lag. Es war, als wäre ein Feind aus einem früheren Leben urplötzlich bei ihr aufgetaucht, irgendetwas, so voll mit Hass, dass es die Wirklichkeit verzerrte.

Trotz ihrer Panik stürzte Iris in den Regen, schnappte sich den erstarrten Hund und rannte mit ihm zur Tür, die ins Innere des Gebäudes führte. Kaum hatte sie den Lichtpegel der Gaslaterne erreicht, gaben die Schatten nach. Wie vertrocknetes Laub fielen sie von ihr ab und flatterten davon, um sich in einiger Entfernung zu einem größeren Schatten zu formieren. 

Iris wartete jedoch nicht, bis das Ungeheuer Gestalt angenommen hatte, sprang mit Seestern auf dem Arm über die Schwelle und warf die Tür hinter sich zu. Mit heftig pochendem Herzen lehnte sie sich dagegen. Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihr Atem ging so schnell, als wäre sie soeben den Fellmonte hinaufgerannt. Erst nach einigen Sekunden wurde ihr bewusst, dass sie nicht alleine war. Zwei Dienstmädchen, die die Vasen entlang des Flurs mit dunkelblauen Enzian-Sträußen bestückten, starrten sie an.

Iris besann sich auf ihre Erziehung und nahm Haltung an, doch ihre erzwungene Selbstbeherrschung bröckelte, als sie den Mund öffnete, um sich zu erklären: »Da ist etwas draußen, ein... ein...« Sie suchte nach den richtigen Worten. Als sie merkte, dass es für das, was sie sagen wollte, keine passenden Worte gab, brach sie ab. »Bleiben Sie im Haus«, befahl sie stattdessen, drückte Seestern an ihre Brust und eilte die Treppe hinauf, die ins obere Stockwerk führte. Dabei war sie so hastig, dass sie über ihren Rock stolperte und sich mit einer Hand auf der Treppe abfangen musste. Seestern nutzte die Gelegenheit, um ihr mit seiner rauen Zunge über das Kinn zu lecken. Sie ließ den Hund zu Boden sinken, rappelte sich wieder auf und setzte ihren Weg fort. Als sie mit der Faust gegen Cyans Zimmertür hämmerte, machte niemand auf. Entweder war er nicht im Anwesen oder er verbrachte seine Zeit in der geheimen Kammer und hörte sie nicht. In Ermangelung einer Alternative und weil sie nicht wusste, wo sie nach Anchois suchen sollte, klopfte sie an Enzias Tür.

Nur einen Moment später ertönte ein leises Summen und die Tür sprang wie von Geisterhand gelenkt auf. Iris verharrte auf der Stelle, doch ihre Skepsis wurde schnell von ungläubigem Staunen hinweggespült. Auf der anderen Seite der Tür erwartete sie kein gewöhnliches Zimmer, sondern eine Werkstatt. Rundherum standen lange Tische und an den Wänden waren Halterungen für Werkzeuge befestigt. Überall lagerten seltsame mechanische Apparaturen und Maschinen, die leise schnauften und dampften. Hinter einer Wandnische war der Durchgang zu einer Geheimkammer zu erahnen. Von Hasel wusste Iris, dass eine dieser Kammern einen Aufzug beherbergen musste, der es Enzia erlaubte, sich im Anwesen der Familie frei zu bewegen. 

Fasziniert betrat Iris das ungewöhnliche Zimmer und ließ ihren Blick über die Lichterkette an der Decke schweifen, die im Takt einer lautlosen Melodie zu flimmern schien. Dann fiel ihr Blick auf einen Wasserbottich aus Metall, aus dem zahlreiche Rohre und Schläuche ragten. Neben Enzias Himmelbett, auf dem sich Ersatzteile, Schrauben, Klemmen und Drähte türmten, erhob sich ein schrankähnliches Gebilde mit einer glänzenden Bronze-Hülle und einem seitlichen Scharnier, das Iris an eine Klappuhr erinnerte. Daneben stand etwas, das wie das Gestell einer Stehlampe ohne Lampenschirm aussah – nur dass daran unzählige filigrane Metallhände befestigt waren, die sich gelenkig bewegten, als würden sie den Bart eines unsichtbaren Mannes kraulen. 

Und inmitten all dieser Kuriositäten hockte Fräulein Enzia in ihrem beweglichen Stuhl, über eine Werkbank gebeugt. Das blassrosa Volantkleid schmeichelte ihrem hellen Teint, aber der Schnitt passte nicht zu ihrer Figur. Sie sah darin aus, als hätte sie in den vergangenen Wochen stark abgenommen. Auf ihrem Kopf saß eine Art Helm, an dem ein kurzes Metallrohr mit einer Linse angebracht war. »Fräulein Enzia?«, fragte Iris vorsichtig.

»Was gibt es denn?«, erwiderte die junge Frau, während sie sich aufrichtete und das Rohr mit der Linse hochklappte, sodass es wie ein kleines Horn auf ihrer Stirn saß.

Iris straffte die Schultern. »Ich habe etwas gesehen. Draußen.«

»Und was?«, fragte Enzia und stupste mit der Fingerspitze einen der Metallvögel an, die vor ihr auf dem Tisch saßen. Daraufhin riss er den Schnabel auf und schlug mit den Flügeln. »Doch nicht etwa ein Gespenst.« Sie wandte sich Iris zu und lächelte vergnügt. »Die weiße Frau oder den buckligen Turmwächter?«

»Ich... ich verstehe nicht...«, stammelte Iris.

Begleitet vom Schnaufen ihres Stuhls rollte Enzia durch das Zimmer. Eins der Rohre hinter der gepolsterten Rückenlehne stieß eine Dampfwolke in die Luft. »Früher dachten mein Bruder und ich, dass es hier spuken würde. Auch einige der Dienstmädchen und Laufburschen behaupten, sie hätten in den Fluren bei den Gesindezimmern und draußen bei der Klippe schon Geister gesehen.«

»Das war kein Geist«, sagte Iris. In dieser Hinsicht war sie sich absolut sicher. Außerdem erinnerte sie sich noch gut an den Gestank von Schwefel, der die seltsame Erscheinung begleitet hatte. »Ich denke, es hatte etwas mit Novomagica zu tun.«

Enzia schnappte sich eine dünne Strickjacke von einer Recamiere, die vor den verdunkelten Fenstern stand. Das Möbelstück war das einzige im ganzen Zimmer, das regelmäßig benutzt zu werden schien. »Warum kommst du dann zu mir?«

»Cyan hat nicht geöffnet«, antwortete Iris ehrlich.

»Vermutlich steckt er mal wieder mitten in seinen Studien«, seufzte Enzia, rollte zu einem der Tische und fasste eine kleine Box, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. »Sehen wir mal nach, was er gerade anstellt.« Sie legte sich die Box in den Schoß und warf sich die Strickjacke über, dann rollte sie an Iris vorbei zur Tür hinaus.

Iris verharrte einen Moment unschlüssig auf der Stelle. Obwohl von der Dunkelheit im Innern des Anwesens nichts mehr zu sehen war, spürte sie die Anwesenheit der fremdartigen und gleichzeitig so bekannten Präsenz noch immer derart intensiv, als säße sie ihr in den Knochen. 

Ein leises Winseln brachte sie dazu, den Blick zu senken. Seestern saß vor ihr und betrachtete sie aus seinen schiefen Glubschaugen, als erwartete er Anweisungen. Iris wollte ihm – und sich selbst – gerade Mut zusprechen, als sie einen Schrei vernahm. Ein schrilles Kreischen, dem nichts Menschliches anhaftete. Es schien direkt aus der Wand zu Cyans Zimmer zu kommen. 

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