11. Samt und Seide ⋆
Protzige Prachtbauten und Paläste waren für Iris wirklich kein Neuland. Das Anwesen ihrer eigenen Familie besaß zwar einen eher rustikalen Charme, konnte aber was Ausstattung und Größe anging, locker mit den meisten Adelsvillen der eitlen Hauptstädter mithalten.
Darüber hinaus war Iris ein gern gesehener Gast auf den Tanzbällen und Empfängen der feinen Gesellschaft. Selbst bei starkem Gegenwind schwebte sie sicher und anmutig über das soziale Parkett. Der weibliche Stadtadel von Myr Paluda spottete zuweilen über ihre bäuerliche Herkunft, beneidete sie aber gleichzeitig um ihre Freiheit. Die Männer, die über ihre beruflichen Ambitionen hinwegsehen konnten, lagen ihr zu Füßen.
Das Einzige, was Iris bei ihrer Ankunft am wunderschönen Forelli-Anwesen zu Füßen lag, war der handgeknüpfte Teppich.
Erschöpft und verzweifelt flehte sie Zander an, sie nicht durch den Haupteingang ins Gebäude zu führen. Auf keinen Fall wollte sie in ihrem jetzigen Zustand mit den Herrschaften zusammenstoßen. Es war ihr schon peinlich genug, dass die Dienerschaft sie so zu Gesicht bekam.
Zander stellte sich ihrem Wunsch glücklicherweise nicht in den Weg, wofür sie ihm aufrichtig dankbar war.
Mit triefend nassen Kleidern folgte sie ihm über den schmalen Kiesweg, der zwischen Anwesen und See entlangführte, zum Dienstboteneingang an der Westseite des Hauses. Von oben betrachtet, musste das prächtige Anwesen einem großen Hufeisen gleichen. Es wurde von einem kastenförmigen Hauptgebäude und zwei schmalen Anbauten gebildet. Die beeindruckende Fassade bestand größtenteils aus massiven, hellgrauen Sandstein-Quadern. Dem Haupteingang vorgelagert war ein überdachter Vorbau mit schlanken Säulen, dessen dreieckiges Giebelfeld vom Wappen der Forelli-Familie geschmückt wurde. Dahinter erhob sich ein runder Turm mit einer türkisgrün patinierten Kuppel, deren Gewölberippen mit Blattgold verziert waren. Über der Kuppel thronte eine Laterne, auf deren Spitze eine vergoldete Möwe befestigt war, die sich nach dem Wind richtete. Entlang der teilweise mit Rosetten versehenen Rundbogenfenster waren wellenförmige Reliefs angebracht, die sich auf der Fassade fortsetzten. Das Gebäude ähnelte mehr einem königlichen Palast als einer Stadtvilla.
»Das ist auch kein Wunder«, sagte Zander, als sie ihn darauf ansprach. »Der Hauptteil des Gebäudes, sowie die daran anschließende Orangerie wurden tatsächlich für einen König errichtet. Als Sommerresidenz, soweit ich weiß.« Er kniff die Augen leicht zusammen, als müsste er sich an etwas erinnern, was er schon vor langer Zeit gehört hatte. »Das muss gewesen sein, bevor die Stadt ihre Unabhängigkeit erlangt hat.«
»Seitdem kommt der König nicht mehr in diese Gegend«, ergänzte Tuna, die hinter ihnen über den knirschenden Kiesweg spazierte. »Er weiß, dass er hier nicht länger erwünscht ist.«
Iris' Blick schweifte zum Rand der Steilklippen, wo das Land einfach abzubrechen schien. Blaugras, Felsnelken und Zungenfarne überwucherten den steinigen Untergrund. Ein kühler, salzig schmeckender Wind schlug ihr ins Gesicht und verstärkte das unangenehme Kältegefühl auf ihrer Haut.
Jenseits des Abgrunds, viele Meter unter ihnen, breitete sich die Stadt aus. Vom Gipfel des Fellmonte gesehen, wirkte sie im ersten Moment wie verschütteter Eintopf. Erst, wenn man sie länger betrachtete, erkannte man die Linien der Straßen und Kanäle, die ihr Form und Struktur gaben, gleich dem Mieder einer üppigen Dame, die nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Mauern und Dächern, Pflastersteinen und Ziegeln, Kaminen und Schloten bestand. Zwischen den vielen kleinen Häusern auf der Südseite des Riu Mare, der Myr Ryba in zwei Hälften teilte, ragten immer wieder palastähnliche Tempelbauten hervor. Der Sudtempel, in dem auch die Göttin Eydna verehrt wurde, lag auf der anderen Seite der Bucht, im Schatten von Asch-Weiden, Schwarzerlen und Meereskiefern. Weiter östlich war das helle Flackern des Ewigen Feuers zu erkennen, das je nach Stimmung in der Magier-Gilde eine andere Farbe annahm. Derzeit brannte es hellblau, was so ziemlich alles bedeuten konnte. Nicht weit davon entfernt ragten die Türme der Forelli-Fischfabrik in den Himmel und spuckten grauen Rauch. Auch über den anderen Fabriken waberte feiner Dunst, der vom Wind landeinwärts gepustet wurde. Der Anblick erinnerte Iris an die Seidenmanufaktur auf dem Grund ihres Vaters, die beim Kochen der Raupen und dem späteren Entschälen der Seide ebenfalls heißen Wasserdunst in den Himmel über der Stadt blies. Der Drache ist erwacht!, hieß es dann und oft kamen die Kinder aus der Nachbarschaft angelaufen, um dem Ungeheuer beim Qualmen zuzusehen und sich angenehm zu gruseln.
»Treten Sie nicht zu nah an den Abgrund«, warnte Zander. »Die Steilküste ist ziemlich gefährlich. Wenn Sie hier abrutschen, stürzen Sie über einhundert Meter tief auf ein Felsenriff und werden nie mehr gefunden.«
Ganz automatisch machte Iris einen halben Schritt rückwärts. »Ich werde darauf achten«, sagte sie, wandte sich wieder dem Gebäude zu und folgte Zander zum Hintereingang, der von einem Sichtschutz aus Efeuranken umgeben war.
»Ich bringe Sie zu Anchois«, erklärte Zander, während er Iris in den dahinterliegenden Korridor führte, in dem es durchdringend nach frischem Gebäck duftete. Gedämpfte Stimmen und das muntere Klirren von Geschirr waren zu vernehmen, was darauf hindeutete, dass sie sich ganz in der Nähe einer Küche aufhalten mussten. »Sie ist die gute Seele des Anwesens und wird sich um Sie kümmern.«
»Gut«, sagte Iris mit einem müden Nicken. Sie konnte es kaum noch erwarten, ihr völlig durchnässtes Kleid loszuwerden und in etwas Angenehmeres zu schlüpfen. Außerdem stellte sich so langsam eine tiefgreifende Erschöpfung ein, was in Anbetracht ihrer Erlebnisse wohl keine allzu große Überraschung war.
Der niedrige, holzverkleidete Korridor war typisch für eine Gesinde-Unterbringung. Natürlich durfte das Personal nicht so vornehm wohnen wie die Herrschaften, das hätte keinen guten Eindruck gemacht, aber die Bediensteten sollten es zumindest sauber, trocken und warm haben. Diese Voraussetzungen erfüllte das Forelli-Anwesen zweifellos.
Während draußen der Wind um die Steinmauern tobte, herrschte im Innern eine angenehme Temperatur. Durch eine offen stehende Tür konnte Iris einen Blick in eine der Unterkünfte werfen, die mit einem stabilen Bett, weißen Laken, einem schlichten Tisch und zwei dazu passenden Stühlen, sowie einem Beistelltisch mit eingelassener Porzellanschüssel zur oberflächlichen Körperpflege ausgestattet war. An der Wand über der Schüssel hing ein Spiegel, über dem Bett ein gerahmtes Bild der Bucht und auf dem Tisch stand eine einfache Porzellanvase mit einem Strauß dunkelblauer Enziane.
»Werde ich auch hier wohnen?«, fragte Iris.
Zander und Tuna verlangsamten ihre Schritte. »Nein. Wahrscheinlich nicht«, antwortete Zander. »Sollten Sie hier bleiben, werden Sie vermutlich im ersten Stock wohnen, dort, wo auch Tuna und ich untergebracht sind.«
Iris warf ihm einen fragenden Blick zu. Auf dem Land war es nicht üblich, dass einzelne Bedienstete eine Sonderstellung genossen.
»Die Herrschaften wollen uns in ihrer Nähe«, erklärte Tuna.
Zander nickte zustimmend. »Unsere Arbeit ist anders als die eines Küchenmädchens.« Ein Hauch Eingebildetheit lag in seinen Worten. Von einem jungen Adeligen hätte Iris nichts anderes erwartet, aber aus dem Mund eines Gusaren klang es irgendwie fehl am Platz.
Tuna lächelte. »Du wirst schon sehen, was wir damit meinen.«
An der schmalen Stiege angekommen, bot Zander Iris den Arm an, damit sie sich auf ihn stützen konnte, denn ihr Rock schleifte wie ein gut gefülltes Fischernetz über den dunklen Dielenboden und zerrte zentnerschwer an ihrer Hüfte, doch sie kamen erst richtig voran, als Tuna kurzerhand den nassen Stoff packte und hinter Iris die Treppe hinauftrug wie die Schleppe einer jungen Braut.
Im ersten Stock erwartete sie ein prächtiger Flur mit malvefarbenen Seidentapeten und einem glänzenden Marmorboden. Durch die Fenster auf der linken Seite konnte Iris auf den Wintergarten und die Orangerie hinabsehen. Im Zentrum eines Rondells aus niedrigen Zitrusgewächsen erhob sich ein fantasievolles Wasserspiel, das mit bronzenen Fischen, Nixen und Wassergeistern geschmückt war. An höchster Stelle thronte standesgemäß die Göttin Lacuna, dargestellt als gebieterische Königin der Wellen und Stürme.
»Ich verabschiede mich hier«, sagte Tuna und deutete auf eine Tür mit goldenen Zierbeschlägen in Gestalt spiralförmiger Muscheln. »Meine Herrschaft erwartet mich bereits.« Sie tippte sich an ihren breitkrempigen Hut und verschwand im dahinterliegenden Teil des Anwesens.
Einige Meter weiter befand sich eine zweite Tür, die mit ganz ähnlichen Schnörkeln verziert war. Als Iris und Zander daran vorbeikamen, schwang sie plötzlich auf und ein hochgewachsener Mann trat in den Flur hinaus. »Zander!«, rief er. »Da bist du ja endlich! Ich hoffe, es ist alles gut verlaufen.« Sein Blick fiel auf Iris. »Fräulein Dan de Lion! Was bin ich erleichtert, Sie wohlbehalten hier zu sehen.«
Iris wusste, wen sie vor sich hatte: Cyan Forelli, den Erben der Forelli-Dynastie. An diesem Morgen trug er einen blassgrünen, zweireihigen Gehrock über einer gestreiften Weste und dazu eine schwefelgelbe Kniehose. Revers, Taschen und Manschetten waren mit Perlmuttknöpfen besetzt. Die dunklen Haare hatte er unter einem runden Hut verborgen und seine warmen, karneolbraunen Augen betrachteten sie mit der gleichen zugewandten Freundlichkeit wie in der vergangenen Nacht. Trotzdem wäre Iris am liebsten vor Scham im Boden versunken.
»Entschuldigen Sie bitte meinen Auftritt, Herr Forelli«, brachte sie mühsam hervor. »Aber ich bin derzeit nicht salonfähig.« Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie sich ein Grinsen auf Zanders Gesicht ausbreitete. Sie hatte jedoch nicht die Kraft, sich über diese unverfrorene Zurschaustellung von Schadenfreude zu echauffieren.
Cyan ließ seinen Blick über ihr Kleid wandern. Plötzlich kam Iris der Gedanke, über die Klippen zu stürzen und nie mehr gefunden zu werden, ganz verlockend vor, doch zu ihrer Überraschung zeigte Cyan keinerlei Anzeichen von Ekel oder Missfallen. Ganz im Gegenteil. Nachdem er seine Inspektion beendet hatte, wandte er sich an Zander: »Das muss wirklich aufhören. Du und Tuna, ihr macht euch ja schon einen regelrechten Spaß daraus, unsere Gäste ins Wasser fallen zu lassen.«
»Es ist ja wohl nicht unsere Schuld, wenn Ihren Gästen die Funktionsweise eines Bootes fremd ist«, erwiderte Zander ohne seine Amüsiertheit zu verbergen.
Cyan schüttelte missbilligend den Kopf. »Kommen Sie, Fräulein Dan de Lion. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Sie für die vielen Unannehmlichkeiten, die Sie seit Ihrer Ankunft in Myr Ryba erdulden mussten, entschädigt werden.«
Er reichte Iris den Arm und geleitete sie den restlichen Korridor hinunter bis zu einem Salon, dessen Anblick ihr im ersten Moment den Atem raubte. Alles darin schien aus Seide zu bestehen - von den opalblauen Seidentapeten mit dem handgefertigten Kirschblüten-Muster, über den farblich dazu passenden Seidenteppich und die bestickten Chiffon-Vorhänge bis zu den edlen Polstermöbeln, die mit cremefarbenem Seidensatin bezogen waren.
»Das ist der Trandafir-Salon«, erklärte Cyan, während er Iris sanft, aber nachdrücklich in einen der weichen Sessel drückte. »Sie bleiben jetzt genau hier sitzen und ich kümmere mich um alles Weitere.«
»Was ist mit den Möbeln? Ich werde noch alles dreckig machen«, wandte Iris ein, während ihr Blick noch einmal staunend durch den Salon wanderte. Ein starkes Gefühl von Heimweh überkam sie, als sie ein großes Aquarellgemälde entdeckte, das die weitläufigen Maulbeerbaumfelder ihrer Heimat zeigte, für die Trandafir in ganz Materra berühmt war. Dass sie ausgerechnet in Myr Ryba auf etwas stieß, das sie so eindrücklich an ihr Zuhause erinnerte, hätte sie niemals erwartet, genauso wenig, wie dass der bloße Anblick einer Malerei sie zu Tränen rühren könnte.
Cyan schmunzelte. »Machen Sie sich darum keine Gedanken. Das sind nur Möbel. Ich bin bloß froh, dass Sie unbeschadet geblieben sind.« Sein Blick fiel auf ihre verletzte Hand und seine Miene verdüsterte sich.
»Sie waren es, der Salmon auf Frau Dan de Lion angesetzt hat, nicht wahr?«, fragte Zander, der ihnen in den Salon gefolgt war.
»Ja«, antwortete Cyan, während er an einem Seil zog, das vermutlich irgendwo in einem anderen Teil des Gebäudes ein Glöckchen erklingen ließ. »Nach letzter Nacht hatte ich das drängende Gefühl, dass es besser wäre, Fräulein Dan de Lion im Auge zu behalten.«
»So so, ein Gefühl«, sagte Zander und trat mit auf den Rücken verschränkten Händen an das einzige Fenster des Salons. »Hat Ihnen dieses Gefühl auch gesagt, wer hinter ihr her sein würde?«
»Nein«, erwiderte Cyan mit verkrampften Lippen. »Und bevor du fragst, Vater weiß nichts davon. Er wäre auch bestimmt nicht erfreut, zu erfahren, dass ich hinter seinem Rücken gehandelt habe.«
»Nun, es ist ja alles gut ausgegangen«, meinte Zander. »Es besteht also kein Grund, ihn darüber zu informieren.« Er wandte sich an Iris: »Es tut mir leid, dass Sie eine so unangenehme Anreise hatten, aber jetzt sind Sie in Sicherheit.«
Iris sackte ein Stück in sich zusammen. Ihre Glieder schienen schwer zu werden, als sehnten sie sich nach der angenehmen Wärme und Gemütlichkeit eines Bettes.
»Ich werde jetzt Herrn Forelli darüber informieren, dass Sie eingetroffen sind«, fuhr Zander fort. »Und auch, dass es noch etwas dauern wird, bis er Sie treffen kann. Dann haben Sie noch genug Zeit, um sich wieder herzurichten, wenn Sie das möchten.«
Wenn Sie das möchten, wiederholte Iris in Gedanken und rieb sich mit den Händen über die Augen, als könnte das die Müdigkeit aus ihrem Blick vertreiben. Vor dem Hausherren wollte sie keinesfalls so aussehen, als wäre sie den Aufgaben, die in Zukunft auf sie warten könnten, nicht gewachsen. Und das beinhaltete nun einmal auch ein makelloses Erscheinungsbild. Daran führte kein Weg vorbei. Manchmal beneidete sie die Herren, die sich viel weniger Mühe mit ihrem Aussehen geben konnten und trotzdem nicht schief angesehen wurden.
Nachdem Zander gegangen war, schien Cyan nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte. Beinahe schüchtern fummelte er an seinen Manschetten herum und wirkte regelrecht erleichtert, als sich endlich die Tür zum Flur öffnete und eine Frau mittleren Alters hereinstürzte, als gelte es, einen Brand zu löschen. »Wo ist sie?«
Cyan machte einen Schritt rückwärts und deutete auf Iris. »Fräulein Dan de Lion, darf ich Ihnen Anchois vorstellen? Sie ist unsere Haushälterin und kümmert sich im Grunde um alles. Besonders jetzt, da unser Diener Omul mit der Dame des Hauses auf Reisen ist.«
Anchois war eine füllige Frau in einem schwarzen Seidenkleid, mit einem Gürtel um die Hüften, an dem mehrere Schlüsselbunde hingen, vermutlich für die Lagerräume und Speisekammern des Anwesens. Ihr dunkles Haar war am Hinterkopf zu einem Knoten gesteckt, nur ein paar einzelne Löckchen ringelten sich auf ihrer Stirn. Eine lange, gerade Nase und schmale Lippen, die von vielen kleinen Fältchen umgeben waren, verliehen ihrem Gesicht eine natürliche Autorität. Im starken Kontrast dazu, sprach aus ihren lavendelblauen Augen mütterlicher Sanftmut.
Iris wollte sich erheben, um Anchois zu begrüßen, aber die resolute Dame befahl ihr mit einer strengen Geste sitzenzubleiben. »Sie rühren sich nicht vom Fleck, Teuerste. Nicht, dass Sie mir noch eine Sincope machen.«
»Eine was?«, fragte Iris verwirrt.
»Das ist so eine Redewendung, die auf einem lokalen Kindermärchen basiert«, erklärte Cyan hilfsbereit. »Angeblich war Sincope eine hübsche Fischerstochter aus Ryba, die bei jeder Gelegenheit in Ohnmacht gefallen ist. Dadurch gerät sie in eine Reihe lustiger, aber auch unangenehmer Situationen. Irgendwann wird ein reicher Edelmann auf sie aufmerksam. Er fühlt sich zu ihr hingezogen, aber sie weist ihn zurück. Daraufhin beschließt er, ihre Ohnmachtsanfälle auszunutzen und lädt sie zu einer Bootsfahrt auf dem Riu Mare ein, in der Hoffnung, dass sie erneut ohnmächtig wird und er sich unbemerkt an ihr vergehen kann.«
»Na, ich muss doch sehr bitten!«, zischte Anchois.
Cyan machte eine Schulterbewegung als wollte er sagen: Was kann ich dafür, dass dieses Märchen so unanständig ist? »Jedenfalls geschieht auch genau das, was er gehofft hat. Sincope verliert das Bewusstsein, doch anstatt ihrem Edelmann in die Arme zu sinken, kippt sie über die Reling und fällt ins Wasser.«
»Und dann?«, fragte Iris hoffnungsvoll. Sie hatte Märchen schon immer sehr gemocht, vor allem, weil die meisten dieser Kindergeschichten ein gutes Ende besaßen.
»Die Havfruese und ihre Meernixen kommen und retten sie«, fuhr Anchois ungeduldig fort, während sie Iris von Kopf bis Fuß musterte. »Sie nehmen sie mit in ihr Reich, wo sie sich in den König der Nöck verliebt und niemals wieder in Ohnmacht fällt.« Nachdem Anchois geendet hatte, warf sie Cyan einen auffordernden Blick zu. »Und nun, junger Herr, ist es an der Zeit, dass Sie mich mit Fräulein Dan de Lion alleine lassen, damit ich dieses bedauernswerte Missgeschick korrigieren kann.«
Iris nahm an, dass sie von ihrem Kleid sprach, aber ganz sicher wusste sie es nicht.
Der junge Herr nickte erst Anchois zu, dann verneigte er sich leicht vor Iris und wandte sich anschließend zum Gehen. Iris sah seinem selbstbewussten, federnden Schritt nach, bis Anchois ihr die Sicht versperrte.
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