Tränen
Stella
Meine Mutter traute sich nicht in meine Augen zu blicken. „Schau mich an wenn ich mit dir rede. So viel Respekt verdiene ich.“ Viele würden es nicht verstehen, sie würden mir sagen ich wäre gemein zu meiner Mutter und ich müsste sie ja respektieren weil sie meine Mutter ist. „Habt ihr in letzter Zeit mal dran gedacht mich zu fragen wie es mir geht?“ Aus mir sprach die verletzte Tochter. Ich konnte mich nicht dran erinnern wann es mal in einem Gespräch um mich ging und nicht um die beiden. Immer noch schwieg meine Mutter und rührte sich nicht. Enttäuscht drehte ich mich um und wollte den Friedhof wieder verlassen. Es war einfach zu schwer, ich konnte es nicht. Bevor ich ging wendete ich mich wieder zu meiner Mutter.
„Weißt du…ich hasse es das unser Verhältnis so ist, aber ich möchte das ihr selbst erkennt was ihr falsch gemacht habt. Ich bin auch nicht unfehlbar, ich müsste auch über mein Schatten springen, aber trotzdem möchte ich eine aufrichtige Entschuldigung von euch. Ich bin Therapeutin und mir selbst geht es nicht gut. Das ist schon ein Witz an sich. Ich habe momentan einen Patient der gefühlt Alles verloren hat. Er wollte sein Leben beenden, aber wegen einer gewissen Person hatte er es doch nicht gemacht. Er erlebt die Hölle jeden Tag aufs Neue. Ich helfe ihm mit jedem Schritt, egal wie klein er auch ist. Ich habe schon einigen Menschen geholfen Mama…“ Tränen rannten über mein Gesicht. „Erkennst du was ich dir damit sagen möchte? Deine Tochter tut was Gutes für andere, ich helfe denen die ein beschisseneres Leben erdulden mussten als du es dir jemals vorstellen könntest.“ Ich legte meine Hand auf die Stelle meines Körpers wo das Herz war. „Und das mache ich nicht aus Anerkennung sondern weil ich den Menschen wirklich helfen möchte.“ Meine Gedanken schweiften zu Reiner und ich spürte wie warm es in mir wurde. „Ich frage mich wieso du und Papa das nicht akzeptieren könnt und wieso ihr nicht stolz auf mich seit. Ich habe das Gefühl als würde ich gegen eine Mauer reden.“
Schweren Herzens wandte ich mich abermals rum und erblickte Reiner paar Meter vor mir. Er verfolgte mich mit seinen Blick und kam näher ran. Sicherlich fragte er sich was ich hier machte. „Ich bin etwas verwundert.“ Das war ich auch. „Heute war die Beerdigung meiner Tante. Und was machst du hier?“ Im Grunde war es eine dumme Frage. Was machte man wohl auf einem Friedhof? Sicherlich keine Party veranstalten. Den interessierten Blick von meiner Mutter konnte ich genau in meinem Rücken spüren, aber ich blendete ihn einfach aus. „Berdholdts Grab ist hier. Berdholdt wurde in Dillingen geboren und hier wurde er begraben.“ Ich war stolz auf ihn, dass er es schaffte zu dem Grab seines besten Freunds zu gehen. „Darf ich mitkommen?“ Meine Frage irritierte ihn, denn er schaute immer wieder zu meiner Mutter. „Alles gut. Das Gespräch war beendet.“ Mit diesen Worten ging ich mit Reiner an meiner Mutter vorbei. „Es tut mir wirklich leid Stella.“ Die Worte meiner Mutter waren so leise, als ob es ihr wirklich gleichgültig wäre.
Wir erreichten Berdholdts Grab, es war sauber und sehr gepflegt. „Bitte sei mir nicht böse, aber war das eben deine Mutter?“ „Wieso sollte ich dir wegen dieser Frage böse sein? Und ja das war meine Mutter. Ich habe ihr gesagt wie verletzt ich bin und es nicht fair ist wie sie mich behandeln. Ich gab ihr die Chance zu reden, aber sie nahm sie nicht wahr. Ich will eine aufrichtige Entschuldigung, aber darauf kann ich lange warten.“ Ich war wirklich traurig und mein Herz zersplitterte wieder in tausend Teile und ohne was gesagt zu haben nahm mich Reiner in den Arm. „Ich hoffe darauf das deine Eltern es erkennen werden.“ Reiners Glauben hätte ich grad gebrauchen können und ich war ihm wieder unendlich dankbar. „Danke.“ Ich drückte mich für paar Sekunden gegen ihn bis ich wieder paar Schritte zurück ging um in seine Augen schauen zu können.
Nun legte Reiner die mitgebrachten Blumen auf das Grab. „Damals an der Beerdigung konnte ich nichts sagen.“ Reiners Gefühle konnte ich nur zu gut verstehen. Ich fühlte mich Reiner so nahe und es war so als würde ich ihn schon ewig kennen. Ich kniete mich vor den Grab und fing an zu weinen, es wurden immer mehr Tränen. Die Wirklichkeit war so stark und so hart wie Stein. Reiners Hand berührte sachte meinen Rücken. „Ich kann nicht sagen was es genau ist. Dieses schreckliche Verhältnis zu meinen Eltern, die Tatsache das meine Schwester quasi ermordet wurde oder einfach alles zusammen. Ich habe mich noch nie so einsam gefühlt. Dieses brennende Gefühl in meiner Seele, dieses schwarze Loch.“ Mein Körper fing an zu zittern, immer mehr Tränen rannen über meine Wangen, ich schnappte nach Luft weil ich das Gefühl hatte nicht mehr atmen zu können. Ich merkte wie mein Herz anfing zu rasen, Panik machte sich in mir breit. Reiner zog mich in seine Arme und ich merkte wie laut ich doch weinte. „I..i..ich wollte doch nur ein glückliches Leben..und ich bin so zerfressen.“ Meine Worte hörten sich mehr an wie ein Flehen, wie ein Schreien. Man konnte es gar nicht wirklich in Worte fassen. Die Arme von Reiner hielten mich immer noch und es tat mir so leid, dass seine eigene Therapeutin so ein kaputter Mensch war. „Es tut mir leid, dass du meinen Zusammenbuch so miterleben musst.“ „Es ist alles okay.“ Schluchzend blickte ich zu ihm auf und seine gelb, goldenen Augen sahen direkt in meine Seele. Ich wollte nichts anderes als in seinen Armen zu bleiben und so entschied ich mich dafür meine Lippen auf seine zulegen.
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