Kapitel 23b
*** auf das Kapitel habe ich mich etwas gefreut :D Danke an alle die fleissig kommentieren. Nur durch eure feedbacks kann ich verstehen wie alles auf einen Leser wirkt und was eventuell verbessert werden sollte. Lasst mir gerne Kommentare und Anmerkungen zurück. Gerne auch die schüchternen von euch :D ***
Am ersten Schiff mit Evrems Flagge, rot mit einem goldenen Löwen, angekommen, hilft mir einer der Wachmänner über die wackelige Brücke. Auch Willy reicht der Mann, die Hand. Der Kleine kommt aus dem Staunen nicht heraus. Ich weiß bereits von seiner Liebe zum Piratenspiele. Doch, dass er tatsächlich so sehr auf Schiffe steht, wird mir erst jetzt bewusst.
„Wartet hier. Ich bin gleich zurück", sagt Beynon während er mit dem Kapitän in der Kajüte verschwindet. Vier der acht Wachmänner bleiben bei uns auf dem Buk. Einer von ihnen behält mich streng im Blick, während die anderen, die Menge und die Seemänner im Auge behalten. Selbst wenn ich wollte, könnte ich ihnen wahrscheinlich nicht entwischen.
„Das ist ein Klipper. Es ist eins der schnellen Fracht-Segelschiffe. Siehst du das scharf geschnittene Bug. Daran erkennt man es. Das große Segel, was du hier siehst, nennt man Brigg segel. Das da drüben das Bramsegel. Siehst du die Flagge da oben. Das ist der blaue Peter. Ein Abschiedssignal, das bedeutet, dass dieses Schiff in weniger als 24 Stunden den Hafen verlässt", berichtet mir Willy stolz und erneut überrascht mich sein überdurchschnittliches Wissen über Schiffe und ihre Art. Sein leichtes Lispeln und süße Kinderstimme, machen das erzählte noch beeindruckender.
„Hallo, kleiner Bambuse", begrüßt ihn ein etwas zotteliger alter Seemann. Als Willy meinen verwirrten Blick sieht, legt sich ein Grinsen in sein Gesicht. „Ein ungelernter Seemann, der sich zu helfen weiß", erklärt er mir schnell und dreht sich wieder zu dem zotteligen Mann.
„Hey, Maat", ruft mein kleiner Bruder ihm stolz entgegen. Der Mann grinst breit und präsentiert eine Reihe fauliger Zähne und verschwindet wieder Unterdeck.
„Wenn ich groß bin, werde ich Kapitän", berichtet er mir stolz und geht zum Steuerrad, des großen Schiffes. Er legt seine Hände auf das Rad, das beinah doppelt so groß ist wie er. Er berichtet mir weitere fachmännische Details dieses Schiffs und mir klappt beinah der Mund auf. Natürlich versteh ich keines der Details, die er erklärt, doch ich sehe ihm die Liebe zu Schiffen an.
„Woher weißt du denn all diese Dinge?", will ich überrascht wissen, nachdem er mir eine Reihe weiterer fremde Wörter aufgelistet.
„Beynon hat mir viel beigebracht und auch in der Schule darf ich manchmal darüber lernen. Beynon hat gesagt, wenn ich fleißig bin, kann ich der beste Kapitän Evrem werden. Und vielleicht wie Leander eines Tages über den Ozean segeln." Erneut wird mir bewusst, was für einen wichtigen Teil Beynon in dem Leben von Willy spielt und es macht mich kurz traurig, dass ich Willy von ihm reisen muss.
Das dritte Schiff, das wir besteigen, erkenne ich sofort. Es ist das Schiff, das Kian und mich aus Merah hierher verschleppt hat. Ein Schauer legt sich über mich und ein ungutes Kribbeln macht sich in mir breit. Als ich dann den Kapitän erkenne, scheint mein Verstand wieder in tausend Richtungen zu drehen und die Angst lässt Übelkeit in mir aufsteigen. Schnell beuge ich mich über die Reling und schon im nächsten Moment arbeitet sich das Frühstück seinen Weg hinauf. Ich spüre eine Hand sanft auf meinem Rücken. Kurz befürchte ich es sei Beynon. Als ich mich umdrehe, erkennen ich meinen kleinen Bruder, der mich besorgt anblickt. Wie kann es sein, dass dieser kleine Junge so vernünftig ist und doch sich seiner Situation nicht bewusst?
„Seekrank?", fragt er besorgt und ich grinse ihm gequält zu.
„Wahrscheinlich", antworte ich kurz, da ich ihm unmöglich den wahren Grund erklären kann. Als wir endlich das Schiff verlassen, fällt die restliche Anspannung von mir ab. Doch seit dem lässt Willy meine Hand nicht mehr los. Er ist sich sicher, dass es meiner Übelkeit hilft und ich lasse ihm in dem Glauben. Ich genieße den Moment mit dem Kleinen.
Als wir das sechste Schiff besteigen, wird mir erst bewusst, wie viele Schiffe tatsächlich in dem Hafen ankern. Damals bei meiner Ankunft waren kaum Handelsschiffe am Hafen. Hauptsächlich kleine Fischerboote. Weshalb ich davon ausgegangen bin, dass es nur ein oder zwei Handelsschiffe gibt. Jedoch wird mir bewusst, weshalb dieser Ausflug den ganzen Tag beansprucht.
Auf jedem Schiff erzählt mir Willy weiter Details und Merkmale über das bestimmte Schiff. „Siehst du die Markierungen. Das sind Ahmings, die helfen als Tiefgangs -Marker." Er muss tatsächlich schon oft mit Beynon hier gewesen sein. Denn er kennt jedes Schiff. Auf einigen begrüßen ihn Seemänner freudig, als haben sie sich schon oft gesehen.
Langsam tun meine Beine weh und auch meine Hoffnung einen Weg aus Evrem zu finden, wird mit jedem weiteren Schiff kleiner. Ich bin froh, als wir endlich für eine Mittagspause in einem kleinen Restaurant halten. Zu meiner Überraschung ist außer uns kein Gast in dem kleinen Backsteinhaus. Als sich die Wachmänner an der Türe positioniere, wird mir bewusst weshalb.
Wir lassen uns frischen Fisch und grill Kartoffeln schmecken. Zum ersten Mal fühle ich mich, an mein Leben vor dem Palast erinnert. Vor dem Palast von Evrem und vor dem Palast in Merah. Das Essen ist einfach. Schmeckt gut, aber nicht so extravagant wie das Palastessen und es lässt mich lächeln.
Nach dem Mittagessen geht es zu weiteren Schiffen und weiteren Gesprächen. Wachsam schaue ich mich auf dem Pier um. Beobachte die Menschen und die Schiffe. Doch selbst wenn es uns gelingen sollte bis hier zu entkommen, weiß ich nicht, ob sich drei Erwachsene und ein kleiner Junge, den beinah alle zu kennen scheinen, unentdeckt auf eins der Schiffe schleichen könnten. Wir steigen gerade von einem der Holzmonster, als ich ihn sehe.
Die langen dunkelblonde Haare, die große sportliche Statur, die leicht Karamelle Haut und die Körperhaltung. Die ganze Ausstrahlung. Er ist es. Bei dem Anblick stoppt mir der Atem, mein Herz beginnt zu rasen und das Grinsen in meinem Gesicht wird so groß, dass es schmerzt. Der junge Mann den ich in der Menge erspäht habe, ist mir bekannt. Ich dachte, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Dachte, er ist für immer weg. Doch jetzt steht er nur einige Meter von mir entfernt. Mit dem Rücken zu mir, doch trotzdem erkenne ich ihn. Als meine Lungen sich wieder mit Sauerstoff füllen, breitet sich eine Freude in mir aus, die ich dachte hier in Evrem nie zu spüren. Ich dachte er ist tot. Doch jetzt steht er vor mir. Jayden, mein letzter Gedanke, als ich auch schon auf ihn zu renne und seinen Namen rufe.
„Jayden!", brülle ich erneut laut und tatsächlich dreht er sich zu mir um.
Ich habe es mir nicht nur vorgestellt, er ist es tatsächlich.
Die himmelblauen Augen blicken mir verwirrt entgegen und ich halte abrupt in meiner Bewegung.
Es sind dieselben blauen Augen.
Doch der Schimmer fehlt in ihnen. Dasselbe ovale Gesicht, doch das Kinn etwas spitzer. Die Wangenknochen weniger markant und keine kleine Narbe auf der Wange. Das ist nicht Jayden, bricht mein Verstand, mein Herz.
„Avis!", höre ich einen älteren Mann rufen und der junge Mann dreht sich kurz zu ihm um und gibt ihm ein Handzeichen, bevor er sich wieder zu mir dreht. Avis. Den Namen kenne ich. Ich habe ihn schon einmal gehört. Angestrengt denke ich nach und dann trifft mich die Erinnerung wie ein Blitz. Jaydens Bruder. Das erklärt die Familienähnlichkeit und diese blauen Augen. Ich habe ihn bei meinen Besuchen in Amrox nie kennengelernt, da er immer schon auf dem Feld arbeitete und erst zurückkam, als wir auf dem Weg zurück zum Palast waren.
„Du bist Jaydens und Micahs Bruder?", sage ich ungläubig und der junge Mann schaut mich misstrauisch an. Nickt jedoch leicht. Die Verwunderung ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und auch der Hauch von Misstrauen, als er mich betrachtet. Ich schaue zu dem Mann, der ihn gerade gerufen hat und erkennt die Flagge von Merah an dem Mast des Schiffes wehen. Ein Handelsschiff aus Merah. Die Hoffnung, die drohte zu erlöschen, wallt ungebremst neu auf.
„Wann fahrt ihr zurück nach Merah?", will ich eilig wissen und drehe mich zum ersten Mal zu Beynon um. Ich sehe wie zwei Palastwachen sich einen Weg durch die Menschenmasse bahnen, nachdem sie mich entdecken. Avis schaut mir immer noch misstrauisch entgegen.
„Bitte?", frage ich flehend.
„In zwei Tagen", sagt er verwirrt, doch als auch er die Wachleute entdeckt, mischt er sich unter den Trubel und verschwindet. Genau in dem Moment, in dem ich ihn aus den Augen verliere, legt sich eine Hand feste auf meine Schulter und zerrt mich zurück zu Beynon. Dieser schaut mich entgeistert an, beinah enttäuscht. Bevor er mir wütend etwas entgegen brüllen kann, beschließe ihr mich schnell zu erklären.
„Es tut mir leid, ich dachte ich habe jemanden gesehen. Aber es war nur ein Gespenst meiner Vorstellung", entschuldige ich mein Verhalten und bete, dass Beynon sich nichts weiter dabei denkt. Es fällt mir schwer den Triumph zu unterdrücken. Meiner Angst vor Konsequenzen zu danken, lasse ich mir nichts anmerken. Die restliche Zeit liegt die Hand des Wachmanns auf meiner Schulter und auch Beynon betrachte mich immer wieder eindringlich. Doch ich verhalte mich weiterhin vorbildlicher, um nicht das Misstrauen erneut zu wecken.
Als die Sonne am Horizont untergeht, verlassen wir das letzte Schiff und trotten zurück zur Kutsche. Inzwischen ist der Pier wieder verlassener und nur noch einzelne Menschen wuseln umher. In der Kutsche schläft mein kleiner Bruder auf meinem Schoß ein und ich betrachte den kleinen liebevoll. Sein blondes Haar erinnert mich an das meines Vaters. Auch die blassen Sommersprossen auf seine Nase hat er von unserem Vater. Liebevoll streiche ich dem kleinen durchs Haar. Die Trauer packt mich, dass ich erst jetzt Teil seines Lebens sein darf.
Am Palast angekommen nimmt Beynon den Kleinen auf seinen Arm und trägt ihn behutsam in den Palast. Das Bild versetzt mir einen Stich, denn es fühlt sich so falsch an und gleichzeitig so liebevoll. Einer der Wachmänner bringt mich zurück zu Kian. Kurz befürchte ich, dass er vor der Türe stehen bleibt, doch wenig später höre ich wie er sich von der Türe bewegt. Aufgeregt springe ich auf Kian zu, der mir verwundert entgegenblickt.
„Du glaubst nicht, was ich heute entdeckt habe", verkünde ich beinah platzend vor Freude und darauf bedacht nicht zu laut zu rufen.
Nachdem ich Kian von meiner Begegnung mit Avis und meinem Plan auf ihrem Schiff nach Merah zu gelangen berichte, betrachte ich ihn aufmerksam. Seine erste Vorfreude weicht nun grübeln. Unmöglich seinen Gedanken zu lauschen, starre ich ihm erwartend entgegen.
„Und?", frage ich aufgeregt. Ich kann vor ganzer Aufregung nicht ruhig sitzen und wippe ungeduldig auf und ab. Während Kian auf dem Bett sitzt; die Arme auf den Beinen abgestützt und den Kopf in den Händen. Wieso sagt er nichts? Will mein Verstand ungeduldig wissen.
„Emmelin", beginnt Kian langsam und ich erkenne Zweifel in seiner Stimme. „Wir haben ein Problem." Das hat nichts Gutes zu bedeuten. Schlagartig fällt die Freude von mir ab und ich halte in meiner Bewegung inne. „Das Schiff des Händlers aus Merah fährt in zwei Tagen aus?"
„Das hat Avis gesagt", sage ich etwas verwirrt und unsicher worauf er anspielt.
„Unser Plan aus dem Palast zu kommen, baut darauf unentdeckt wären dem Wachwechsel und der Kutsche, der Essenslieferung durchs Tor zu schlüpfen." Ich verstehe immer noch nicht wo das Problem liegt. Unterbreche, möchte ich ihn jedoch nicht. Als Kian mir ansieht, dass ich seine Zweifel nicht verstehe, fährt er fort.
„Emmelin, die Kutsche kommt erst in drei Tagen wieder", sagt er traurig und auch mir legt sich die Erkenntnis breit. Ich lasse mich enttäuscht neben ihm aufs Bett fallen und starre ins Nichts. Wenn wir nicht aus dem Palast kommen, können wir auch nicht zum Hafen. Somit nicht aufs Schiff und nicht nach Merah.
„Das kann doch nicht wahr sein", sage ich enttäuscht und starre an die Decke. „Wir müssen einen anderen Weg finden, Kian. Für das größte Problem haben wir jetzt eine Lösung gefunden, dann schaffen wir jetzt auch noch das nächste", sage ich ermutigt und springe wieder auf. Wir haben mehrere Wege bereits besprochen und sie notiert. Einer der anderen Wege muss jetzt funktionieren. Ich wühle in den Blättern auf dem Tisch herum, um die Papiere unsere Aufzeichnungen zu finden. Als ich plötzlich eine seiner Zeichnung entdecke und schockiert innehalte.
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