Kapitel 17a
Das Klopfen ist am heutigen Morgen lauter als gewohnt. Es ist beinah ein Donnern direkt an meinem Ohr. Ich grummele laut, doch halten die Augen geschlossen. Erneut donnert es. Auch Kian wird von dem Klopfen geweckt und ist so erfreut wie ich. Wie ich, brummt er laut und zieht sich das Kissen über den Kopf.
„Milady?", höre ich Minervas Stimme.
„Ja?", rufe ich verschlafen und genervt. Erneut klopft die Dame und ich zwinge mich aus dem Bett. Etwas wackelig gehe ich auf die Türe zu und öffne sie langsam. Ich muss furchtbar aussehen, denn Minerva nimmt einen tiefen Atemzug bei meinem Anblick.
„Ich habe nicht viel geschlafen", entschuldige ich meine wahrscheinlich tiefen Augenringe und meinen halb komatösen Zustand. Kurz geht ihr Blick in die Richtung des Bettes und ich kann mir denken was sie vermutet. Ich bin zu erledigt, um sie zu verbessern.
Nicht einmal ganz zwei Stunden Schlaf habe ich heute Nacht bekommen. Meine Gedanken und meine Glieder sind Tonnen schwer. Mühevoll schleppe ich mich vor den Schminktisch. Als ich in den Spiegel blicke, erschrecke ich kurz selbst. Meine Augenringe sind noch dunkler als erwartet, meine Wangen wirken eingefallen und meine Augen leicht gerötet.
„Keine Sorge, Milady. Das bekommen wir hin", verkündet die Dame optimistisch. Einige Pinselstriche und Bürsten-Striemen später schaut mir tatsächlich ein weniger müdes Gesicht im Spiegel entgegen. Zwar sieht man mir die Müdigkeit noch deutlich an, aber sie ist nicht mehr so beängstigend wie Minuten zuvor. Ich streife mir das hübsche hellblaue Kleid über und schlüpfe in ein paar braune Sandalen.
Das Wetter hier im Land ist tagsüber tatsächlich sehr angenehm, so kann ich selbst im Palas dünn gekleidet herumstreifen. Nur am Abend wird es kalt. Ich werfe kurz einen Blick zu Kian, der immer noch unter dem Kissen versteckt liegt. In diesem Moment beneide ich ihn.
Müde trotte ich zum Essenssaal und trete ein. Schlapp lass ich mich auf den Stuhl fallen und stütze meinen Kopf in die Hände.
„Lange Nacht?", höre ich Maisies belustigte Stimme. Ich bringe nur ein Brummen heraus und halte meinen Kopf gesenkt. Als ich höre wie die Bediensteten beginnen den Tisch einzudecken, geht mein Kopf hoch. Maisie sitzt mir gegenüber, aber von ihren Brüdern ist keine Sicht. Fröhlich schnappt sie sich ein Brötchen und beginnt es großzügig mit Marmelade zu bestreichen. Normalerweise warteten wir bis alle am Tisch saßen. Maisie bemerken meinen verwirrten Blick.
„Beynon und Leander sind mit meinem Vater auf der Jagd. Sie werden heute nicht mit uns essen", erklärt sie und schiebt sich das Brötchen in den Mund. Meine schweren Gedanken brauchen einen Moment, um das gesagte zu bearbeiten. Doch dann klickt es. Heute esse ich nur mit Maisie. Beynon vertraut mir genug, um mich mit ihr alleine zu lassen. Etwas verärgert mich die Tatsache, dass ich mit Maisie alleine sein durfte, aber nicht mit meiner eigenen Mutter. Ich muss schwer schlucken, als mir erneut die neugierige Art des Mädchens einfällt und die Art wie sie Menschen liest. Maisie nimmt einen weiteren Bissen, des Brotes und widmet dann wieder ihre Aufmerksamkeit mir.
„Was hast du die ganze Nacht gemacht?", fragt sie amüsiert. Immer noch zu müde zum Sprechen zucke ich mit den Schultern und brummle. Ich nehme mir ein Brötchen und beginne es mühevoll zu bestreichen.
„Hat es etwa mit Beynon zu tun?", erschrocken geht mein Blick zu ihr und mit aufgerissenen Augen, schüttele ich kräftig den Kopf. Zu schnell. Mein Kopf wird wieder so schwer, dass ich ihn beinah nicht aufrecht halten kann.
„Mit Leander?", fragt sie amüsiert, aber auch etwas hellhörig.
„NEIN!", höre ich meine eigene laute Stimme. Doch die Lautstärke scheint nur mir ungewohnt laut vorzukommen, den Maisie zuckt nicht einmal.
„Schon gut. Ich wollte dich nur etwas aufziehen", entschuldigt sich das Mädchen lachend. Wieder geht meine Aufmerksamkeit zu dem Brötchen, das heute beinah zu schwer zum Anheben ist. Selbst das Kauen gelingt mir nur in Zeitlupe und scheint meine sowieso schon schlappen Muskeln zu ermüden. Nicht einmal dem Kaffee gelingt es leben in mich zu hauchen.
„Was machen wir heute schönes?", fragt das muntere Mädchen an mich gerichtet. Etwas verwirrt schaue ich ihr entgegen. Sie möchte etwas mit mir machen? Würde Beynon das erlauben? Zu müde um diese Gedanken weiterzuverfolgen, entscheide ich mich wieder für ein Schulterzucken.
„Also ich habe gedacht wir könnten...", fröhlich plappert das Mädchen vor sich hin. Meinem Schlaf geraubten Verstand gelingt es nicht, ihrer fröhlichen Stimme zu folgen.
„Emmelin, hörst du mich. Hallo?" Sie wedelt wild mit ihrer Hand vor meinen Augen. Als ich meinen Blick zu ihr wende, fragt sie, „Was hältst du davon?"
„Emm", ist alles, was ich herausbringe, denn ich habe keine Ahnung wovon sie spricht.
„Egal. Du hast sowieso keine Wahl. Heute ist Mädelstag", verkündet sie fröhlich. Glücklich springt sie von ihrem Stuhl und zieht mich auf die Beine.
„Als Erstes ziehst du dich um. Kein Grund im Kleid herumzulaufen", sagt sie amüsiert und erst jetzt bemerke ich, dass sie eine lockere Stoffhose und ein T-Shirt trägt. Die Kleider wirken ungewohnt an ihr, bis jetzt habe ich sie immer nur in Rüschenkleider und spitzen Röcken gesehen. Sie bemerkt meinen verwirrten Blick.
„Wenn die Männer aus dem Haus sind, verabschieden sich auch die Regeln", verkündet sie fröhlich und zieht mich zu meinem Zimmer. Sie will gerade die Türe öffne, als mir etwas einfällt. Wie auf einen Schlag fällt die Müdigkeit von mir ab. Das Adrenalin weckt jede Zelle in meinem Körper und mein Verstand ist messerscharf.
„Warte!", rufe ich panisch, um sie davon abzuhalten die Türe zu öffnen. Etwas ungeschickt schiebe ich mich zwischen sie und die Türe. Erschrocken, aber hauptsächlich verwirrt, blickt sie mir entgegen. Ich erkenne dasselbe blau in ihren Augen, wie das von Beynon und muss kurz tief einatmen.
„Was ist los?", fragt sie völlig irritiert.
„Emm..." Ich versuche eine plausible Ausrede zu finden, aber mein Verstand scheint zu schnell zu funktionieren und meine Gedanken werfen sich übereinander.
„Du kannst da nicht rein, weil...", sage ich immer noch nach einer Ausrede fischend „Mein Zimmer ist nicht aufgeräumt. Du solltest lieber hier warten oder unten. Ich komme dann gleich. Okay?", beende ich den Satz leicht panisch. Ihre rechte Augenbraue geht in die Höhe, so wie ihr linker Mundwinkel. Ich sehe ihr an, dass sie mir kein Wort glaubt. Ihr Gedankenprozess ist beinahe hörbar. Wenn sie die gut aufgesetzte Maske erkennen konnte, so ist es ihr ein leichtes, zu bemerken, dass ich gerade lüge.
„Das macht nichts. Ich halte nicht viel von Ordnung", sagt sie nachdenklich. Ich sehe ihr an, wie sehr sie versucht aus mir schlau zu werden. Mit aller Kraft versuche ich mir nichts ablesen zu lassen.
„Nein, Maisie. Es ist wirklich nicht schön. Das ist mir peinlich. Bitte", bettele ich beinah und wecke noch mehr Neugier. Das Blitzen in ihren Augen ist unübersehbar.
„Also gut", sagt sie mit einem Unterton, den ich nicht deuten kann. Meine Anspannung löst sich. Erleichtert drehe ich mich um und öffne die Türe. Bevor ich es bemerke, drängt sich das kleine Mädchen an mir vorbei und steht in der Mitte des Zimmers.
„Maisie!", brülle ich entsetzt.
„Das ist doch beinah blitzblank sauber", trällert diese glücklich und sieht sich im Raum um. Mein Herz bleibt stehen. Kian liegt immer noch im Bett, doch nicht mehr von dem Kissen versteckt und starrt das Mädchen mit großen Augen an. Sie hat ihn noch nicht bemerkt. Ich stelle mich schnell in ihr Sichtfeld und schiebe sie langsam in Richtung Türe.
„Maisie, bitte warte draußen auf mich", sage ich angestrengt, während ich sie aus dem Zimmer schiebe. Sie leistet keinen Widerstand, doch plötzlich versteift sie sich und ich folge ihrem Blick. Mit aufgerissenen Augen starrt sie Kian an, der immer noch verwirrt zu uns blickt.
„Da ist ein ... da liegt ... was macht ...", stammelt sie verwirrt mit einem entsetzten Unterton. Endlich gelingt es mir sie aus der Türe zu schieben und somit ihr den Blick auf das Bett zu verwehren.
„War das nicht ... das ist doch ... was macht?", stammelt sie immer noch verwirrt und das Gedankenchaos ist sichtbar.
„Maisie, es ist nicht wie du denkst", versuche ich die Situation zu retten.
Doch was denkt sie? Dass ich einen Jungen im Bett habe, mit dem ich geschlafen habe? Zwar falsch, aber nicht wirklich schlimm.
Dass ich einen Jungen im Bett habe, wenn ganz offensichtlich ihre Brüder mich mögen? Vielleicht enttäuschend für sie, aber auch kein Weltuntergang.
Dass der Prinz von Merah in meinem Zimmer ist? Schon um einiges problematischer. Ich hoffe, dass Beynon mich nicht in der Luft zerreißt, sollte ich gerade dafür gesorgt haben, dass die Blase seiner kleinen Schwester platzt.
Immer noch stammelt sie vor sich hin.
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