Orangefarbene Angst
Ich weiß weder, wieso ich an diesem unwirklichen Ort bin, noch wo er ist oder wie ich hierher kam. Es ist fast so, als wäre ich nie woanders gewesen. Die Zeit verschwimmt, wird unfassbar. Gefangen zwischen Rot und Gelb treibe ich hilflos im Raum. Ich habe weder Struktur noch Form. Und in mir ist alles taub.
Niemals zuvor habe ich mich so alleine gefühlt. Es fällt mir schwer, nicht zu weinen. Meine Familie wäre enttäuscht, wenn sie mich so sehen würde. Gedanken, die mich niederdrücken.
Sei stark, denn sie brauchen dich! Ich rufe mich zur Ordnung. Beinahe schaffe ich es, die Kontrolle zu behalten. Beinahe. Doch ich bin nicht genug.
Da ist dieser Verräter in mir. Jetzt kommt er aus seinem Versteck, um mich mit seinen Fragen zu quälen. Heute beschränkt er sich auf eine: Tun sie es wirklich?
Das Gerüst meiner Gedanken wackelt. Steine bröckeln, legen ein fragiles Gebilde frei. Jeder Atemzug ist ein Kraftakt. Ich verbanne meinen inneren Kritiker, schiebe ihn an den Ort meiner Selbstzweifel, bevor ich die Tür wieder fest verschließe. Das innere Beben stoppt. Endlich Frieden.
Noch kann ich ihn nicht genießen. Im Nebel lauert etwas, ich spüre es ganz deutlich. Augen, die mich beobachten. Mein Körper warnt mich. Nur wovor?
Stammen diese Stimmen überhaupt von Menschen?
«Der Wirbel dreht sich langsamer, Meister Haroko. Bedeutet das etwas?», fragt Alizea.
Die Klaue der Angst umfasst meine Kehle und drückt zu. Ich schlucke, spüre aber nur Trockenheit. Dieser Name! Orange blendet mich. Bedroht mich, wie eine feurige Wüstensonne. Haroko. Ein Gelehrter, den ich vor so vielen Jahren von meinem Hof verwiesen habe. Seine Forschung ging zu weit, viel zu weit. Der Tod selbst war sein Ziel.
Ich möchte etwas trinken, egal was.
Die geheimen Praktiken des Seins. Solche Ideen gehören vielleicht nach Soro, aber nicht in mein Heim. Nicht in meine Welt. Luft zu holen fällt mir schwer.
Ich darf mich nicht so gehen lassen.
Unwürdige Angst. Zittere ich? Der Nebel um mich herum zieht sich wieder zusammen. Gleicht einer Faust, die sich um mich schlingt, um zuzudrücken. Kein Wasser, keine Luft. Als ob ich ersticke, um zu ertrinken. Eine Wahl? Wohl kaum.
«Interessant», murmelt Haroko. Beinahe sehe ich ihn vor mir, wie er, über ein Notizbuch gebeugt, seine Erkenntnisse dokumentiert. Die toten Lebewesen, die ihn aus erstarrten Augen mustern. Sein Mund zu einem dünnen Strich verzogen. Das grelle Orange türmt sich vor mir auf. Ich weiche zurück. Fort, nur fort von hier.
Ist es Kraft oder Verzweiflung, die mich zurück hält? Ich kann keinen Muskel bewegen. Wieder fehlt mir die Kontrolle über meinen Körper. Ich verabscheue Hilflosigkeit. Am Schlimmsten ist jedoch diese Ahnung einer drohenden Gefahr. Etwas wartet auf mich. Etwas Listiges. Etwas Böses.
Und tatsächlich. Direkt vor mir verschiebt sich der Nebel. Ich erkenne einen langen Körper. Zielstrebig krümmt er sich von einer Seite zur anderen und kommt mir dabei immer näher. Je geringer der Abstand wird, desto mehr Details kann ich erkennen. Braune Flecken auf orangener Haut. Ein Kopf, der aufgerichtet und beinahe bewegungslos schwebt. Das Wesen stößt ein Geräusch aus. Ein Zischen, wie das Fauchen einer Katze. Doch es ist kein simpler Mäusejäger, sondern ein reiner Albtraum.
Eine Zornschlange. Wie kommt sie hierher? Sie fixiert mich. Mein Herz schmerzt, will zerspringen. Meine größte Angst schlängelt sich auf mich zu.
Warum hilft mir niemand?
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