Weird Magix (I) - Von Knochen, Zähnen und Doppelgangern
Welcome to something... completely weird. :D Das ist die erste Episode meines kleinen magischen Kabinetts. In dieser Folge wird es ziemlich körperlich - physisch und psychisch. Habt Spaß und lasst euch inspirieren.
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Laini Taylor - Daughter of Smoke and Bone. Zwischen den Welten (2011)
Karou ist Schülerin in Prag und ziemlich extrovertiert. Immer wieder mal schickt ihre „Familie" (Magierdämonen bzw. Chimären; sie ist in Brimstones Laden aufgewachsen - er handelt mit Zähnen und ist wie ein Vater für Karou) sie auf die Suche nach Zähnen von Menschen und Tieren, die sie dann teils säckeweise mit nach Hause bringt. Sie nutzt Portale um z.B. nach Marrakesh oder Paris zu reisen. Alle dies muss sie vor ihrer besten Freundin geheim halten.
Zähne spielen in dieser Geschichte eine wichtige Rolle. Wofür benötigen die Dämonen sie und warum in solchen Mengen? Manche stammen von Toten, manche hat Karou jungen Mädchen gewaltsam gezogen. Nein, Karou ist nicht zimperlich und immer bemüht, die Aufträge ihres Ziehvaters zu erfüllen. Sie beschafft Brimstone Zähne und wird mit Wünschen bezahlt. So ist der Deal.
Wünsche sind Magie. Es gibt noch andere Magieformen - sie alle bauen auf dem selben Prinzip auf - leide und Du wirst zaubern können.
Wünsche gibt es in verschiedenen Formen. In Brimstones Laden kann man Zähne gegen sie eintauschen. Die Herstellung ist grausam, aber leicht zu verstehen: je größer die Schmerzen bei der Herstellung des Gegenstandes waren, desto größer ist das Wunschpotenzial. Scuppys zum Beispiel sind schwache Wünsche. Um sie zu erzeugen ist wenig Schmerz nötig. Brimstone bewahrt ein kleine Sammlung für Karou in einer Teetasse auf. Hin und wieder schenkt er ihr welche.
Bruxis hingegen sind die mächtigsten Wünsche und erfordern größten Schmerz. Zahnhändler können dieses nur erlangen, wenn sie sich selbst alle Zähne ausreißen.
Allein die Vorstellung... unheimlich und grausam. Oder?
Magie wird durch Schmerz erzeugt.
(Achtung, Spoiler!)
Brimstone belebt die Körper toter Chimären wieder, in dem er ihre Seelen in neue Körper einpflanzt, für deren Herstellung die Zähne benötigt werden. Nur auf diese Weise kann er den Krieg gegen die Seraphim weiterführen.
Zu Beginn der Geschichte ist Karou selbst nicht klar, wie die Wunschmagie funktioniert. In verschiedenen Szenen werden Wünsche in der Reihenfolge ihrer Stärke eingeführt, Nach und nach erhalten wir eine Vorstellung davon, was diese Wünsche leisten können - fast alles.
Das Magiesystem in „Daughter" ist nicht komplex und nimmt in der Erzählung eher eine kleinere Rolle ein. Nichtsdestotrotz finde ich die Grundidee faszinierend und verstörend. Taylor gelingt es auf beeindruckende Weise, das System Stück für Stück aufzubauen - das sorgt an sich für Spannung. Unbedingt mal reinlesen.
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Michael Fletcher - Beyond Redemption (2015)
Diese Grimdark (very, veeeeery dark)-Geschichte ist in jeder Hinsicht besonders. Die Idee ist ungewöhnlich, die Sprache sehr... deutsch (das Buch gibt es soweit ich weiß nur auf Englisch) und das Magiesystem sehr speziell.
Grundgedanke dieser teils sehr drastischen und blutigen Geschichte ist, dass die Realität durch die Kraft der Gedanken geformt werden kann. Nicht nur in Gedanken, sondern WIRKLICH. Allerdings ist das nur jenen vorbehalten, die "wahnsinnig" sind. Kurz wirken lassen... unheimliche Vorstellung, nicht? Zitat gefällig: "The more people who believed something, the truer it became." Je stärker also ein Individuum oder eine Gruppe an etwas glaubt, desto größer ist die Chance, dass diese Ideen Realität werden.
In Fletchers Welt gibt es zwei Sorten von Menschen: (psychisch) gesunde und die "Geisteskranken" (genauso stets im Original - wie auch alle anderen Eigennamen, die an Symptomklassen/-arten angelehnt sind). Je nach Art der Störung verfügen diese über unterschiedliche Fähigkeiten. Hassebrands sind Pyromanen - nur dass sie keine Quelle brauchen, um Leute einzuäschern. Kleptiker ("Kleptics") sind fantastische Diebe. Wer sie einmal gesehen hat, kann sich nicht unbedingt später an sie erinnern - wenn sie klauen wollen, gelingt das immer. "Gefahrgeists" sind Soziopathen mit Anhängerschaft - je größer die Schar ihrer Gläubigen, desto stärker sind sie.
Konig Furimmer (der übrigens drei Doppelgangers von sich hat) hat Wahnvorstellungen. Er glaubt daran, dass die Menschen Gott erschaffen haben. Er macht Jagd auf Morgen, einen kleinen Jungen. Als künftige Gottheit will er ihn töten um sich seine Gefolgschaft und seine Macht zu sichern.
Drei andere Figuren haben etwas dagegen. Bedeckt ist der halbwegs berechenbare Kopf einer Killerbande. Dazu gehört Wichtig, der größte Schwertkämpfer der Welt und die Kleptikerin Stehlen (ich sehe Dich grinsen :D - es gibt übrigens auch einen Sklaventreiber namens Erbrechen). Auf das göttliche Kind ist ein hohes Lösegeld ausgesetzt.
In dieser Welt gibt es keine Wahrheit. Fletcher hat den Plot bedacht konstruiert und hat psychische Krankheiten nicht als billige Plot-Devices instrumentalisiert. Das schwierige Thema schildert er differenziert (im Rahmen der Geschichte) gibt vielen Unterschiedlichen Erkrankungen Raum und Bildgewalt. Die Folgen von Erkrankungen exploriert er mutig und teilweise drastisch. Im Fokus der Geschichte stehen aber nicht die realitätsaufzehrenden Krankheiten, sondern eher die Frage, wie sich die Figuren selbst definieren (und als was).
Der Wahnsinn durchdringt jeden Satz in diesem Buch. Folter und Gewalt sind an der Tagesordnung. Es gibt „anständige" Menschen, die grausame Dinge tun und nichts ist so, wie es scheint - alles ist eine Wahnvorstellung von Verrückten.
Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven und schon gar nichts für junge Leser. Alle anderen erwartet ein wilder Ritt durch eine einmalige, einfallsreiche und verstörende Welt mit einem eingängigen und präzise konstruierten Magiesystem, was ihr so noch nie gelesen haben dürftet.
Auf der Autorseite gibt es ein Wiki mit allen Figuren und Begriffen. Selbst wenn ihr diese Art Geschichte nicht mögt - lest euch das unbedingt mal durch. So schnell werdet ihr das dort Vorgefundene nicht vergessen.
http://michaelrfletcher.com/manifest-delusions/
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California Bones - Greg van Eekout (2014)
Daniel Blackland lebt in einer alternativen Version von Californien. In dieser ist Magie real.
Der mächtigste Magier ist der sogenannte Hierarch, der mit eiserner Hand über Südkalifornien herrscht. Als Daniel sechs Jahre alt war, hat er mitansehen müssen, wie der Hierarch seinen Vater Sebastian auf bizarre Weise umgebracht hat mit dem Ziel, ihm seine magischen Fähigkeiten zu rauben. Ein Satz ist bei mir hängen gelieben, der die Essenz der Szene gut beschreibt: „Excuse me," the Hierarch said in a sandpaper voice. "I'll have him fresh."
Erzählt wird das alles im ersten Kapitel - es liest sich spannend, vor allem weil der Autor das erzählerische Potenzial des (eigentlich einfachen, zumindest vom Prinzip her) Magiesystems sehr gut und spannungsbringend nutzt. Nach diesem Erlebnis versteckt sich Daniel, immer in Angst, dass der Hierarch ihn findet.
Magie wird Osteomantie genannt. Sie beruht darauf, dass durch das verspeisen von Knochen von Menschen, Tieren und mythischen Kreaturen das eigene Magievermögen steigt: „Our bodies are cauldrons," he said, „and we become the magic we consume." Daniel aß sein erstes Knochenfragment im Alter von sechs Jahren. Der Verzehr des Krakenstachels verleiht Macht über Stürme und die Meerestiefen.
Die Ressource, die für Osteomantie benötigt wird, ist begrenzt und daher sehr begehrt. Jene die sie besitzen (wie der Hierarch) bewachen sie mit allen Mitteln. Manchmal ist es leichter, statt der Knochen alter Wesen die Knochen des Magiers selbst zu verschlingen, um mächtiger zu werden.
Versteinerte Überreste von ausgestorbenen Tieren sind auf dem Schwarzmarkt ein Vermögen wert - um sie in die Hände zu bekommen ist ein Osteomant zu fast allem bereit. Ein Stück Säbelzahn verleiht Schnelligkeit und Beweglichkeit; die Essenz eines Feuervogels lässt den Esser Feuer speien.
Übrigens, wir lesen hier hier eine Gaunergeschichte. Daniel wird von seinem kriminellen Onkel angestachelt, aus dem Lagerhaus des Hierarchen ein magisches Artefakt zu stehlen, das unvorstellbar mächtig ist und direkt mit seinem eigenen Schicksal zu tun hat. Dieses Himmelfahrtskommando unternimmt er nicht allein - Moth (Selbstheilung), Jo (Illusionist), Cassandra (kann gefühlt alles) und Emma begleiten ihn.
Wie schon für die Geschichten oben gilt. Das Magiesystem steht nicht im Zentrum der Handlung. Das war mir beim lesen aber herzlich egal, denn ich fand es faszinierend und erschütternd zugleich - vor allem weil die Grundannahmen und alles was daraus folgt (Machtverhältnisse kann ich mir einverleiben; spärliche Ressourcen; befürchteter Verlust von Einfluss) herrlich gut zusammen passen.
Ein wunderbares, spannendes und "schnell" geschriebenes Buch. Leider bisher nur auf Englisch.
So, Ende der ersten Episode. Ich hoffe, euch hat dieser Exkurs in ungewöhnliche und einfallsreiche Magiearten gefallen.
Seid verzaubert.
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