70. Aus der Asche ihrer Trümer
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Felice die Panik in den Augen ihres Vaters so richtig genossen. Besonders, als er begriff, was vor sich ging und dass sie es war, die den Raum zum Einsturz brachte. Nur einen Wimpernschlag lang hatte diese Freude angehalten, bis Felice buchstäblich wieder auf den harten Boden der Realität aufschlug.
Schützend riss sie sich die Arme über den Kopf, um sich vor den herabfallenden Trümmern zu schützen. An den Rändern des Lochs, durch das sie alle durchgefallen waren, hingen große Bruchstücke weiterer Trümmer, die jederzeit herabstürzen und sie alle erschlagen konnten. Alles war so schnell gegangen, dass Felice nicht einmal mehr Zeit gehabt hatte zu schreien, als der Boden unter ihren Füßen nachgegeben hatte und sie mehrere Meter tief in den Ballsaalgroßen Wohnsalon gefallen waren.
Derselbe Wohnsalon in dem Felice Pein vor vielen Jahren begonnen hatte und sie für ihre Bestimmung gezeichnet wurde.
Der Kamin war immer noch der gleiche, nur das jetzt kein tanzendes Feuer, seine Schatten an die dunkel verkleideten Wände warf. Auch das Porträt Gellerts blickte immer noch unbeweglich von der Wand auf sie herab, nur dass auf seinem feinen Antlitz eine dünne Schicht des aufgewirbelten Staubs lag. Es waren die Augen ihres Großvaters, ihres Vaters und Bruders, die damals auf sie hinab geblickt hatten und sie für ihre Schwäche verhöhnten. Und diese Augen blickten auch jetzt auf sie herab.
Benommen blieb Felice liegen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Kopf und im nächsten Moment spürte sie auch einen explosionsartigen Schmerz in ihrer Schulter, der sich schlagartig in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Felice schrie und das flackernde Licht des Zaubers der auf ihr lag, erhellte ihr Gesicht in der Dunkelheit und ließ dieses aussehen wie eine verzerrte Maske des Grauens. Und der Schmerz hörte nicht auf. Sekunden fühlten sich wie Minuten, wie Stunden an, während jede Zelle ihres Körpers um Gnade schrie. Es war ein Schmerz, wie er sich kaum vorzustellen war. Aufgewirbelter Staub trübte Felice Sicht, verklebte ihre Augen und ließ ihre Kehle sich wie Schleifpapier anfühlen. Nur einzelne Schemen waren zu erkennen, so auch der dunkle, hochgewachsene Schatten, der einige Meter entfernt über ihr aufragte und seinen Zauberstab auf sie gerichtet hielt. Das rote Licht eines unverzeihlichen Fluchs erfüllte den Raum.
>>Schwach!<<, wurde sie von einer Stimme verhöhnt, die sie Jahre lang durch ihre Albträume geführt hatte. Felice krümmte sich derweilen vor Schmerz am Boden, zusammengekauert in Embryo Stellung und unfähig sich zu bewegen. Sie hielt zwar immer noch ihren Zauberstab in den Händen, aber diesen jetzt zu benutzen erschien ihr genauso unmöglich wie, wenn er meterweit von ihr entfernt gelegen hätte. Schwarze Flecken tanzten an den Rändern ihres Gesichtsfeldes und Felice war klar, lange würde sie nicht mehr bei Bewusstsein bleiben können.
>>Schwach!<<, schrie die Stimme erneut.
>>Glaubst du wirklich du könntest mich, mich besiegen?! MICH?! Du bist schwach! Deines Blutes und deines Erbes nicht würdig!<<
Der Schatten trat näher, wobei er leicht hinkte. Das rote Licht verlosch und Felice lag schwach, reglos und kaum noch bei Sinnen immer noch am Boden. Die Trümer unter seinen Füßen knirschten, als er sich ihr Schritt für Schritt näherte. Langsam hob Felice ihren Blick und sah zu ihrem Vater empor. All der Wahnsinn, den dieser Mann in sich trug, spiegelte sich jetzt in seinem Gesicht wieder. Seine Augen, kalt wie Eis, blitzten unnatürlich hell zu ihr hinab und ließen Felice innerlich ganz kalt werden, so als würde flüssiges Quecksilber durch ihre Adern fließen. Gleichzeitig spürte sie die Hitze die von der Wunde von ihrer Stirn ausging und aus der warmes, klebriges Blut quoll. Bei jedem Versuch sich aufzurichten oder nur den Kopf zu heben, wurde ihr augenblicklich schwarz.
Bei dem Versuch wenigstens ihren Arm mit ihrem Zauberstab zu heben, erntete sie von Corvus nur ein lautes Lachen, was sein Gesicht Maskenhaft verzerrte und seine Mundhöhle wie ein schwarzes Loch der tiefsten Dunkelheit erscheinen ließ. Mit dem allergrößten Vergnügen stellte er seinen Fuß auf Felice Handgelenk, sodass sie sich nicht einmal mehr mit ihrem Zauberstab wehren konnte. Langsam legte Corvus immer mehr Gewicht auf diesen Fuß. Zu mehr als einem schmerzvollen Wimmern, war Felice kaum mehr in der Lage und sie presste die Augen zusammen, damit ihr Vater die aufkommenden Schmerzes Tränen nicht sah, diesen Triumph wollte sie ihn nicht gönnen. Hämisch lachend sah er auf die Bewegungsunfähige Felice hinab. Seine Augen glänzten in einer beinahe kindlichen Vorfreude, auf alles was nun folgen würde.
>>Erinnerst du dich? Hier hat es angefangen.<<, säuselte er beinahe verträumt und lächelte. Er lächelte einem Wahnsinnigen gleich, als könne nichts ihn aus der Fassung bringen. Fester trat er auf Felice Handgelenk und sie glaubte ihre Knochen protestierend knirschen zu hören, kurz bevor sie brechen würden.
Langsam, ganz langsam, um Felice Qual noch in die Länge zu ziehen, verlagerte Corvus nun sein vollkommenes Gewicht auf Felice Handgelenk und diese Schrie erneut, als sie ein knirschen und knacken hörte, als würde Holz brechen.
Nichts um sie herum bekamen, weder Felice noch ihr Vater mit. So auch nicht, wie ein Kampf im Wohnsalon ausgebrochen war.
James, Sirius, Remus und Peter hatten allen Anscheins nach die Gewalt ihrer Zauberstäbe zurückbekommen und versuchten nun die wieder zu Bewusstsein gekommenen Todesser abzuwehren. Von Lily und Astor fehlte jede Spur.
All dies bekam keiner der beiden Grindelwalds mit. Es war, als wäre eine Glaskuppel um sie errichtet. Jedes Geräusch drang nur dumpf an ihre Ohren und keiner der umher schießenden Flüche kam auch nur in die Nähe der beiden. Alles was für Felice im Moment zählte war der Schmerz in ihrem gebrochenen Handgelenk, der sich so lächerlich klein anfühlte im Vergleich zu dem, was sie vorher hatte ertragen müssen.
>>Du bist schwach, so schwach. Ich hätte dich gleich nach deiner Geburt entsorgen sollen. Lächerlich klein und damals nicht einmal am Leben. Oh, meine liebe kleine Felice mit ihrem brennenden Herzen...<<, säuselte Corvus mit ekelhaft süßer Stimme, als würde er mit einem Kleinkind sprechen.
Er trat etwas von Felice weg und schritt um sie herum, wie als würde er ein Stück Fleisch begutachten und überlegen, wie er es am besten zerlegen sollte. Das makabere daran war, dass er das wahrscheinblich wirklich gerade tat. Vollkommen gleich ob sie seine Tochter war. Ein Mittel zum Zweck.
>>Schwach.<< Corvus spuckte aus und sein Speichel verfehlte nur um Zentimeterihr zertrümmertes Handgelenk.
>>Eine Schande für deinen Namen. Aber hier, wo es einst begann, wird es auch enden, meine süße kleine Felice Astoria. Steh auf!<<, bellte er ihr den Befehl entgegen und beugte sich leicht zu ihr nach vorne. Felice zitterte am ganzen Körper, hielt sich ihre schmerzende Hand und atmete flach, als könne sie so den Schmerz klein halten.
>>Ich sagte, STEH AUF!<<, schrie er erneut und trat nach ihr. Felice wimmerte auf und kauerte sich klein zusammen.
Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie es nichts geschafft sich aus dem Dreck und dem Staub zu erheben. Immer noch nahm sie den leichten Geruch nach verbranntem Stoff und Asche wahr, der in ihrer Kleidung, seit dem letzten verbrennen vor die Tore Elder Halls, haftete. Schmerzerfüllt hielt Felice die Augen geschlossen.
Er hatte recht. Sie war schwach.
Wie hatte sie nur glauben können, es alleine mit Corvus aufnehmen zu können und gleichzeitig die Menschen, die ihr am liebsten waren, in eine solche Gefahr zu bringen? Sie hatte nichts erreicht.
>>Töte mich.<<, hauchte Felice tonlos und eine Träne bahnte sich einen helle Spur über ihre mit Staub verschmierten Wangen.
>>Was sagst du da?<< er versuchte es zu verbergen, aber dennoch klang Corvus überrascht.
>>Töte mich, aber lass sie gehen.<<, hauchte Felice erneut und eine weitere Träne bahnte sich über ihre Wangen. >>Das hier ist eine Sache allein zwischen dir und mir.<<
Nun brach Corvus tatsächlich in lautes, schallendes Lachen aus, warf dabei seinen Kopf in den Nacken, als habe Felice ihm gerade den Witz seines Lebens erzählt. Sogar Lachtränen flossen über seine Wangen und Felice lag nur noch gepeinigter am Boden. Wenn er so lachte, dann hatte nicht einmal ihr Leben irgendeinen wert, dass Corvus einen Sinn darin gesehen hätte es zu beenden... Felice presste ihre Kiefer aufeinander und startete einen erneuten Versuch aufzustehen.
>>Oh Felice, du dummes, dummes Kind. Welchen Nutzen hätte dein Tod? Würde ich erreichen was ich wollte? Würde ich mein Geburtsrecht erhalten? Würde es mich meinem Ziel näher führen, den Mann zu vernichten, der für all dies hier verantwortlich ist?<<
>>Der einzige, der hierfür verantwortlich ist, bist du!<<, gefolgt zu der Stimme war ein dumpfer Schlag zu hören und Corvus schrie vor Schmerz auf und fasste sich in den Nacken. Er wirbelte herum und dort stand Lily mit dem nächsten Trümmerstück schon in der Hand, bereit auch dieses zu werfen. Sie hatte sich aus ihrem Versteck hervorgewagt und riskierte Corvus eigentlich unbewaffnet anzugreifen. Belustigt schnaubend und so, als würde er keinen Schmerz mehr spüren, nahm Corvus seine Hand vom Nacken über den das Blut strömte und sein langes weißblondes Haar rot verfärbte.
>>Welch nette Überraschung, das Schlammblut. Und das ganz unbewaffnet, aber du warst schon von Anfang an so unausstehlich.<< Beinahe liebevoll betrachtete Corvus seinen Zauberstab und schürzte die Lippen, als würde er überlegen. Dann zeichnete sich ein überlegenes Lächeln auf seine Lippen und der Fluch war gesprochen. Doch bevor er Lily erreichte, die mit vor Schrecken geweiteten Augen dastand und erst jetzt realisierte was sie getan hatte, bildete sich um die junge Rothaarige ein leuchtende Kuppel, an der der Fluch einfach verpuffte.
>>Ich sagte, dass das eine Sache zwischen uns ist! Lass sie in Ruhe.<< Felice Stimme war ruhig und doch sprach aus ihr der unbändige Zorn. Wissend drehte sich Corvus wieder zu seiner Tochter um, diese hatte es geschafft sich zu erheben und stand halb zusammengekrümmt und dennoch mit Stolz gerecktem Kinn vor ihm und richtete ihren Zauberstab auf seine Brust.
>>Felice?<<, Lily klang verängstigt und sah hektisch zwischen Vater und Tochter hin und her. Felice ließ Corvus nicht eine Sekunde aus den Augen, wollte aber ansetzen Lily zu sagen, sie solle verschwinden, doch. Noch bevor aber ein Ton Felice Lippen verlassen hatte, genügte ein kurzer Schwenk von Corvus Zauberstab und Lily, zu der er mit dem Rücken stand, flog mit einer gewaltigen Wucht nach hinten und knallte gegen eine Wand, wo sie Regungslos am Boden liegen blieb.
Irgendwo in weiter Ferne hörte Felice jemanden schreien, bis sie bemerkte, dass dieser Schrei von ihr kam. Ihr Zorn schoss durch ihre Venen, brachte ihr Blut zum kochen, wollte sich manifestieren und doch hielt sie etwas noch zurück, als sei es noch zu früh. Dennoch schoss Felice ihren ersten Fluch in Richtung ihres Vaters. >>Du bist ein Monster!<<, schrie sie und feuerte immer mehr Flüche in kürzeren Abständen auf ihren Vater, der diese jedoch mit einer Leichtigkeit abwehrte. Natürlich, wie könnte auch ein vollausgebildeter Zauberer mit Jahrelanger Erfahrung in den dunklen Künsten, sich auch besiegen lassen von einer jungen Hexe, die gerade nur durch ihren Zorn geleitet wurde.
Zorn und dem Durst nach Rache.
Rache für alles, was dieser Mann ihrer Familie angetan hatte. Rache für den Mord an ihrer leiblichen Mutter, Rache für ihren Bruder, ihre Freunde und sogar für ihr eigenes Leben, dass seit sie ihren ersten Atemzug getan hatte, von jenem Mann bestimmt worden war, der sich ihr Vater nannte. Und warum? Um sie klein zu halten, um zu verhindern, dass sie erfuhr welches Erbe sie wirklich in ihrem Blut trug.
Immer mehr Flüche schossen durch die Luft, füllten diese mit Elektrizität. Den rasenden Schmerz in ihrer Zauberstabhand spürte Felice kaum mehr, dank des Adrenalins, das durch ihre Venen pumpte.
>>Ich wollte dich nur zu dem machen, was du hättest sein können.<<, antwortete ihr Vater ihr Seelenruhig und zuckte nicht einmal mit der Wimper, als Felice zum nächsten Fluch ansetzte. Allerdings ging jetzt auch durch ihn eine Veränderung und Corvus wehrte Felice Flüche nicht länger nur noch ab, sondern feuerte zurück.
>>Hier hat es begonnen und hier wird es enden. Du wirst niemanden mehr verletzten, den ich liebe. Nicht Astor, nicht Lily. Keinen mehr! Nie wieder! Deine Zeit ist um, Corvus Grindelwald!<<
Felice Stimme war dunkel und gefährlich. Das flammende Wesen in ihrem inneren war erwacht, wetzte seine Klauen und sein feuriger Atem erfüllte Felice in ihrem ganzen Sein, bemächtigte sich ihrem Bewusstsein.
Pavlos, Dumbledore und Charon hatten sie gewarnt. Sooft gewarnt und doch gewann der Zorn.
Ihr Zorn.
Auf Felice Drohung hatte Corvus wieder nur ein müdes Lächeln übrig und feuerte ein Fluch nach dem anderen Felice entgegen. Trotz ihrer Tollkühnen Worte, war es Felice kaum möglich den Flüchen auszuweichen die ihr entgegen geschleudert wurden. Dies befeuerte jedoch auch ihren Zorn und mit einem lauten Schrei stürzte sie sich auf Corvus zu. Dieser führte jedoch wieder einen kleinen Schwenk mit dem Zauberstab aus und Felice wurde genauso zurückgeschleudert wie eben zuvor Lily. Meterweit flog sie durch die Luft und schlug hart auf dem Boden auf.
Sämtliche Luft schien dabei aus ihren Lungen gepresst zu werden und sie blieb erneut kurz reglos liegen. Der Schmerz war übermäßig. Jedem Atemzug den sie tat, folgte unendlicher Schmerz und ein rasselndes Geräusch, was wahrscheinlich von einer Verletzung der Lunge herrührte oder einer gebrochenen Rippe. Oder beides.
>>So schwach... Wann siehst du es ein? Du kannst mich nicht besiegen. Vielleicht gehe ich sogar deinem Todeswunsch nach, aber welchen Zweck hätte dieser wenn du nicht noch einige Leute mitnimmst. Wie wäre es wir fangen mit deinem Bruder an? Wir müssen ihn hier nur finden. Astor?<<, säuselte er den Namen ihres Bruders.
>>Komm her, deine Schwester wartet hier auf dich. Astor?<<
>>Nein.<<, hauchte Felice. Wieder lag sie am Boden, wieder kaum in der Lage sich zu rühren. Hielt sich die schmerzende Seite und versuchte genügend Luft zu bekommen, was nicht so leicht war, denn auch ihr Brustkorb fühlte sich an als sei er tatsächlich zerschmettert worden. Wie musste es nur Lily gehen?! Lebte sie noch?! Lebte sie?!
Mühselig drehte Felice ihren Kopf in die Richtung wo sie ihre beste Freundin vermutete. Immer noch lag diese vollkommen reglos da und der Kampf tobte noch immer. Anscheinend waren mehr Todesser dazu gekommen, aber auch Zauberer die auf ihrer Seite standen.
Dumbledores Orden! Zauberer und Hexen beinahe jeden Alters kämpften an der Seite der Rumtreiber und versuchten die Todesser in Schach zu halten. Remus Gesicht war Schmerz verzerrt und gleichzeitig unerbittlich. Felice konnte sehen, dass er anscheinend getroffen worden war, denn sein linker Arm hing merkwürdig schlaf herab. James und Sirius nahmen es beide jeweils sogar mit zweien auf. Und Peter huschte windig wie eine Ratte, zwischen den ganzen kämpfenden hindurch und überraschte einige der Todesser von hinten.
Corvus aber, war blind für alles was um sie herum geschah. Ein weißes helles Licht schoss knapp an seinem Ohr vorbei und wieder zuckte er nicht einmal mit der Wimper.
>>Nun gut, dein Bruder versäumt wohl die Festivitäten, aber wir wollen uns ja nicht vom Feiern abhalten lassen.<< Nur wenige Schritte trennten sie von ihrem Vater und ein überlegenes Lächeln zierte essen Lippen. Er war sich seines Sieges vollkommen bewusst und sicher. Was daraufhin geschah, nahm Felice alles nur noch wie in Zeitlupe war. Mit weit ausholenden Bewegungen schwang ihr Vater seinen Zauberstab über seinem Kopf, erschuf dabei gleißend helle, purpurne Flammen, die mit jeder Sekunde größer und größer wurden. Er erzeugte einen Sturm aus purpurnen Flammen, dessen geballte Energie allein für Felice bestimmt war. Heißer Wind fuhr durch den Raum, brauste eines Sturmes gleich um sie alle und sorgte dafür, dass selbst die Kämpfe für einen Moment unterbrochen wurden, weil kaum einer sich auf den Beinen halten konnte. Der flackernde Schein erhellte den Saal, warf tanzende Schatten an die Wände und düsteres Licht auf die Gesichter eines jeden einzelnen von ihnen. Im Auge des Sturm stand Corvus Gott gleich und erhob sich selbst über jeden von ihnen.
>>Dein Name wird vergessen werden, aber nicht meiner! MEINER NICHT! Sie alle werden von meinen großen Taten wissen, meinen Namen mit Furcht aussprechen, wenn du schon längst vom Angesicht dieser Erde getilgt sein wirst!<<
Felice hatte sich in eine halbaufrechte Position gebracht und starrte ihren Vater mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatte keine Zeit mehr zu schreien, keine Zeit zu fliehen oder sich zu wehren, denn ihr Zauberstab war bei dem Aufprall aus ihrer Hand geflogen und lag irgendwo unter dem ganzen Schutt begraben.
Felice glaubte irgendwo in den tiefen ihres Bewusstseins ein Ticken einer schweren Standtuhr zu hören. Das Ticken das herunter zählte bis zum letzten Schlag, bevor sie für immer verstummen würde.
Mit einem lauten animalischen Aufschrei ballten Corvus die Flammen zu einer gewaltigen Kugel purer, dunkler Energie. Danach geschah wieder alles in Zeitlupe. Die violetten Flammen schossen auf sie zu und Felice schloss in der Erwartung des Aufpralls die Augen.
Ihr Ende in des Feuers Hitze.
Die Prophezeiung hatte es vorausgesagt und Felice hatte immer gewusst, dass wenn sie ein letztes Mal das Familienanwesen betreten würde, sie nicht mehr lebend nach Hogwarts zurückkehren könnte. Aber dennoch hatte sie versagt. Ihre Freunde, ihr Bruder, sie alle waren in tödlicher Gefahr, weil sie sich auf den Pfad des Zorns hatte führen lassen.
>>NEIN!<<
Ein gellender Schrei zerriss Felice beinahe das Trommelfell und sie öffnete ihre Augen in genau dem Augenblick, als die Flammen auf einen Körper trafen und dieser sie absorbierte wie ein Schwamm das Wasser. Jetzt war es an Felice sich die Seele aus dem Leib zu schreien.
Nicht ihr Körper war es gewesen der von den Purpur Flammen, diesem schrecklichen Fluch getroffen worden war, sondern der ihres Bruders.
Astor, der sich während des gesamten Kampfes hinter dem Vorsprung des Kamines versteckt gehalten hatte, lag nun reglos am Boden. Schlaff wie eine Marionette, der man die Fäden durchtrennt hatte, lag er da.
Ein kurzes Flackern der Überraschung erschien auf Corvus Gesicht, dann jedoch fing er sich wieder und wollte sich nun endlich seiner Tochter widmen, als er selbst von einem Zauber getroffen wurde und im nächsten Moment der Kampf vom neuen begann. Die Trümer am Boden knirschten, als Felice mit letzter Kraft über den Boden zu Astor kroch. Ihre verletzte Hand konnte sie nicht zur Hilfe nehmen um sich über den Boden zu ziehen, zu stark war der Schmerz im zertrümmerten Handgelenk.
>>ASTOR!<<, rief sie dabei immer wieder, heiser vom schreien. Bei ihm angekommen brachte sie sich selbst wieder in die Halbaufrechte und bettete sanft seinen Kopf auf ihrem Schoß.
>>Astor, nicht. Bitte, wach auf!<< Felice flossen hemmungslos die Tränen über die Wangen. Aber Astor rührte sich nicht. Seine klaren, blauen Augen blickten ausdruckslos zur Decke empor und Felice strich zärtlich eine blonde Strähne aus seiner Stirn, wobei ihre Hände so stark zitterten, dass sie sein Haar nur noch mehr zerzauste.
Felice ganzer Körper zitterte so stark, dass sie glaubte der Boden würde beben, während wieder der glühende Atem des Wesens ihren Körper füllte und die Luft, wie an einem heißen Sommertag zu flimmern begann.
Doch halt!
Der Boden erzitterte wirklich und das Flimmern der Luft war ebenfalls keine Einbildung! Hitze breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, von der Fußsohle bis in die Haarspitzen. Das dunkle blau Felice' Augen vermischte sich mit einem glühenden Gold, so lange bis es vollkommen aus ihren Augen gewichen war. Unheildrohend glühte das Gold, ähnlich wie zuvor in den Kellergängen.
>>CORVUS GRINDELWALD!<<
Sie sprach den Namen wie einen Fluch aus und Felice Stimme dabei war dunkel, drohend und so laut das viele sich die Ohren zu hielten und der tiefe Ton durch ihre Knochen vibrierte.
Felice hielt den leblosen Astor immer noch in ihren Armen, als sie von innen heraus zu glühen begann. Dabei sah sie aus, wie ein sterbender Stern, der sein letztes Licht aufbrachte, bevor er für immer Teil der Dunkelheit werden würde. Felice hob ihren Kopf gen Himmel und eine Druckwelle ging von ihr aus, die alle Anwesenden von den Füßen riss und das Glas aus den Fenstern sprengte. Wie glitzernder Regen, fielen die tausenden Splitter im Garten ins dunkle Gras. Ein lauter Schrei, der unmöglich menschlich sein konnte, war zu hören. Felice Augen glühten wie Feuer und ihr Haar wehte im starken Wind der aufkam. Erneut ein lauter Schrei, gefolgt von einer Musik die so traurig und gleichzeitig so hoffnungsvoll war, dass es einen innerlich zerriss, sie zu hören.
Das Glühen, das von Felice ausging war mittlerweile so hell, dass sie aussah als sei sie selbst zum Licht geworden.
Es knallte.
Einmal, zweimal und immer mehr.
Die Todesser ergriffen die Flucht. Einer nach dem anderen apparierte aus Angst vor Felice, die nun wirklich zu einem sterbenden Stern geworden war.
In einer neuen Druckwelle trennte sich das Licht von Felice und das flammende Wesen, das so lange Zeit auf seine Freiheit gewartet hatte, brach aus ihrem Körper heraus. Ein Lauter Schrei des Wesens war zu hören und dessen weite Schwingen erschufen einen ganz neuen Sturm.
Ein Phönix ganz aus Feuer gemacht erhob sich aus der Asche ihrer selbst und tauchte das Angesicht ihres Vaters in blanke Angst.
>>Niemals wieder wirst du irgendjemanden Schaden zu fügen.<< Felice Mund bewegte sich beim sprechen und doch schien es, als wäre es der Phönix der gesprochen hätte und jetzt über ihr in der Luft schwebte. Seine feurigen Schwingen lagen schützend um ihrem Körper.
Felice hatte es geschafft sich aufzurichten, stand nun erhobenen Hauptes und mit glühendem Blick in der Mitte des Saal. Sie spürte keinen Schmerz, keinen Zorn und keine Angst mehr. Sanft umspielte der Wind ihr goldenes Haar. Wie eine Erscheinung sah sie aus und keiner konnte mehr mit Sicherheit sagen, ob das wirklich noch Felice war. Wie ein Wesen ganz aus Licht erschien die junge Grindelwald. Nein, kein Licht.
Feuer!
Ein Phönix!
Ein Mensch gewordener Phönix, der sich aus seiner eigenen Asche erhoben hatte.
Jene, geboren ohne Leben, mit einem flammenden Herzen,
jedoch schlägt für andere und nicht für sich.
Eine Krähe düster wachet ihres Schicksals.
>>Felice.<< Ihr Name war schneller ausgesprochen gewesen, als Remus es hätte verhindern können oder wollen. Der Klang seiner Stimme holte sie jedoch ein Stück weit zurück in die Realität. Langsam wandte sie den Kopf in die Richtung aus der sie seine Stimme vernommen hatte. Doch Felice sah Remus gar nicht wirklich an, sondern starrte durch ihn hindurch, als könne sie ihn eigentlich gar nicht sehen. >>Raus<<, sagte sie.
>>Alle raus.<<
Seltsam hohl und leer klang ihre Stimme, was aber ihre Entschlossenheit nicht minderte.
Corvus war mittlerweile auf seine Knie gesunken und hatte die Arme ausgebreitet, als wolle er um Vergebung betteln. Doch für ihn gab es keine Vergebung oder Gnade. Seinen Zauberstab hielt er noch in Händen, aus Angst sich gar nicht wehren zu können. Denn ein Grindelwald bettelte nicht um Vergebung. Erst recht nicht er!
>>Felice, was—<<
>>Ich sagte, raus.<<, wiederholte sie und klang dabei immer abwesender. Ihr Körper war da, aber sie selbst war meilenweit entfernt.
>>Warte! Nimm Astor. Er soll nicht hier bleiben.<<
>>Felice, was hast du vor?<< Doch sie schüttelte nur langsam den Kopf.
>>Ich geh nicht ohne dich!<<, bestimmte Remus mit fester Stimme.
>>Doch, wirst du, denn Felice ist nicht mehr da. Geht. Nehmt Astor mit euch, bringt ihn in Sicherheit. Alle raus hier, bis auf dich!<<, richtete sie sich nun wieder an ihren Vater.
Unendlicher Schmerz spiegelte sich in Remus Gesicht wieder, als er erkannte, dass das Mädchen das er liebte, so sehr liebte nicht mehr da war. Das war nicht länger Felice die er da vor sich stehen hatte. Purer und absoluter Schmerz schoss durch seine Adern als er vor ihr in die Hocke ging um Astor, der noch zu ihren Füßen lag, in seine Arme zu heben.
James hatte Lily genauso in seine Arme gehoben, auch sie war ohne Bewusstsein. Sirius wurde von Peter gestützt und sie alle sahen Felice schmerzerfüllt an.
Keiner der Ordensleute unternahm irgendetwas, um Felice aus ihrer Starre zu holen. Langsam setzten sie sich jedoch in Bewegung, stiegen über die Trümer und verließen den Schauplatz des Kampfes. Einige stiegen über die zerstörte Außenfassade in den Garten, andere verließen das Gebäude durch den Haupteingang.
Remus stand unbeweglich vor Felice, blickte in ihre feurigen Augen und hielt dabei den leblosen Körper Astors an sich gepresst. Tränen rannen über sein vernarbtes Gesicht, welches von purer Verzweiflung gezeichnet war. Er konnte und wollte das Mädchen, dass ihm gezeigt hatte, was es hieß zu lieben, sowohl sich als auch einen anderen Menschen, nicht aufgeben.
>>Felice, bitte. Bitte komm mit uns. Wir bringen deinen Vater nach Askaban! Er wird nie wieder irgendwem etwas antun! Aber komm mit uns!<<, flehte er.
Aber Felice stand reglos da und sah geradeaus, als habe sie ihn nicht gehört, als habe sie ihn nicht einmal gesehen.
>>Remus... Sie ist fort.<<, hauchte Sirius mit erstickter Stimme und auch seine Augen schimmerten verräterisch. >>Sie ist fort.<<
James war irgendwann der erste der sich aus der Starre löste und mit Lily in seinen Armen selbst langsam das Haus verließ. Danach folgten Peter und Sirius. Sie alle waren zu tiefst getroffen und verzweifelt von dem was geschehen war.
Felice war fort!
Als das Feuer aus ihr herausgebrochen war, hatte es sie verbrannt. Ihre Seele, ihr Sein! Alles! So lange hatte sie es unterdrückt, bis die reinste und grausamste Form des Schmerzes, die Liebe zu ihrem Zwillingsbruder, es hervor geholt hatte und sie mit sich nahm. Keiner hätte auch nur ahnen können, dass so etwas geschah! Nur noch ihr Körper war da. Während ihre Geist und ihre Seele gegangen waren.
Für immer.
Sie hatte es dem Stern gleich gemacht und war nun für immer ein Teil der Dunkelheit.
Nur Remus blieb noch bei ihr. Suchte in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen, dass Felice, seine Felice noch irgendwo da drin war, das sie noch da war. Doch nichts. Das was Felice zu Felice machte, war verschwunden.
Langsam, quälend langsam wandte er sich ab und verließ ebenfalls das Haus. So konnte Remus nicht mehr sehen, wie eine letzte Träne Felice feurige Augen verließ und auf den Aschebedeckten Boden tropfte.
Nicht nur er war nun gebrochen.
Ihr Ende in des Feuers Hitze, für jene die sie liebt.
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