59. Wir sind, wer wir sind
Clouds by Elias, einer meiner Lieblings Songs. Und meiner Meinung nach, passt er wirklich gut zu Felice und Remus.
Bitte, hasst mich nicht...
———
Tage vergingen ohne eine Besserung auf irgendeiner Seite. Felice schwieg stur, beruhigte ihr im größer werdendes, schlechtes Gewissen damit, dass sie mit ihrem tun nicht nur Astor schützte sondern auch ihre Freundinnen.
Wenn Corvus auch nur die geringste Ahnung davon bekam, dass Astors Existenz kein Geheimnis mehr war, würde er jeden beseitigen, der davon wusste. Die Existenz eines weiteren Erbens musste mit aller Macht Totgeschwiegen werden.
Tagsüber vermied es Felice allzu viel Kontakt mit den Mädchen zu haben, denn wenn sie sauer auf Felice waren, kamen sie gar nicht auf die Idee ihr zu nah zu kommen. Das sorgte zwar dafür, dass Felice sich mit jedem Tag der verging, unter den Hunderten von Schülern immer einsamer fühlte, aber gleichzeitig wusste sie, dass selbst wenn sie die ganze Wahrheit gesagt hätte, es nicht anders gekommen wäre.
Rat, was die nächsten Schritte hätten sein können, um Astor aus dieser Hölle zu holen, hätte sie sich gern bei Professor Dumbledore geholt. Doch jedesmal wenn sie sich bei Professor McGonagall nach dem Schulleiter erkundigte hieß es, er sei entweder außer Haus oder wünsche nicht gestört zu werden.
Felice beschlich die Angst, dass der Professor es wegen des Vorfalls auf dem Friedhof mied, dem Grindelwald Sprössling zu begegnen. Wenn es denn so war, hätte sie es ihm nicht einmal verübeln können.
Dem Unterricht wohnte Felice meist nur noch Körperlich bei, in Gedanken war sie in Elder Hall oder in Grindelwald Manor. Immer wieder fragte sie sich, in welchem der Anwesen sich Astor zurzeit befand. Die Tage zogen sich endlos in die Länge und die Nächte wurden viel zu kurz.
Es war spät, doch Felice war hell wach. Schlaf konnte sie keinen finden, denn kaum hatten ihre Augen sich geschlossen, hörte sie Astors Schreie, spürte die Schmerzen die er litt und jedesmal sah sie dieses Unheilbringende rote Glühen.
Mit leerem Blick starrte sie hoch an den mit Sternen übersäten roten Vorhang, der ihr Bett umgab. Lily, Alice und Gwenog machten sich währenddessen, nichts ahnend, fertig fürs Bett. Tauschten nur hin und wieder leise kurze Sätze miteinander aus, gerade laut genug damit sie es untereinander verstanden und Felice deutlich wurde, dass sie davon nichts hören sollte. Aber mit ihr sprachen sie kein Wort, vermieden es sogar sie direkt anzusehen. Und Felice tat nichts, um etwas daran zu ändern. Es wurde Zeit das unvermeidliche zu akzeptieren.
Sie war eine Grindelwald und wenn sie ihren Bruder retten wollte, musste sie eben den Preis dafür zahlen, dass sie die Menschen, die als allererstes nicht nur den Namen in ihr sahen, verlieren würde.
Deutlicher, als mit ihrem Verhalten Felice gegenüber, hätten die drei ihr auch gar nicht zeigen können, wie wenig sie mit dem einverstanden waren was Felice tat und wie wenig sie ihnen zu vertrauen schien. Ihre anfängliche Sorge um sie war dem Unverständnis und der Wut gewichen, dass Felice keinerlei Hilfe annahm, die sie jedoch so offensichtlich brauchte.
Kaum, dass Felice die ruhigen gleichmäßigen Atemzüge ihrer Freundinnen vernahm, trieb es sie bereits wieder aus dem Bett.
Barfuß und nur im Pyjama wanderte sie durch das nächtliche Hogwarts. Jede Vorsicht hatte sie dabei über Bord geworfen. Sollte doch kommen wer wollte und sie dabei erwischen wie sie die Schulregeln brach. Filch, Mrs. Norris, Professor McGonagall, Peeves oder wer auch immer zu dieser Zeit noch durch die Schule geisterte. Nächtelang war sie schon so durch die Schule gewandert ohne jemals entdeckt zu werden, was beinahe schon an ein Wunder grenzte. Tagsüber quälte sie die Anwesenheit ihrer Freunde und nachts kamen die Geister die in ihr schlummerten.
Die Begegnung mit ihrem Großvater und dem Ereignis auf dem Friedhof, hatten sie in ein tiefes dunkles Loch fallen lassen, aus dem sie es aus eigener Kraft nicht mehr heraus kam.
Sie hatte mehr als nur einmal die Gelegenheit gehabt den Menschen die sie liebte die Wahrheit zu sagen, doch sie hatte sie jedesmal verstreichen lassen.
Die Namen Ariana und Astor waren in jedem ihrer Gedanken präsent und letzten Endes auch der Grund, warum es sie nachts nicht mehr in ihrem Bett hielt.
Dass ihre Füße bereits taub vor Kälte waren, spürte Felice kaum, so sehr war sie von ihren Inneren Dämonen betäubt. So bemerkte sie auch nicht, wie ihre Beine sie, wie von selbst zum Astronomie-Turm trugen. Erst als Felice den ersten Treppenabsatz empor gestiegen war, erwachte sie aus ihrer Starre. Ab da gab es kein Halt mehr. So schnell sie konnte, rannte Felice die steilen Treppen nach oben. Ihre nackten Füße klatschten auf dem steinernen Untergrund und nicht einmal nach der Hälfte brannte es in ihren Lungen und stach in ihrer Seite. Genau so ein Stechen, wie als sie die Stufen zu seiner Gefängniszelle empor geklettert war. Aber langsamer wurde sie dadurch nicht, Felice schöpfte aus dem Schmerz in Lunge und Seite neue Kraft.
Mit einem lauten Krachen, das unheimlich über die Stille des Schlosses hinweg donnerte, stieß Felice oben angekommen die Türe auf. Ein eisiger Wind schlug ihr entgegen, sodass sie sofort in ihrem dünnen Pyjama zu zittern begann. Beinahe schmerzhaft schlugen Felice Zähne aufeinander, als die Kälte tief in ihre Knochen kroch und voll und ganz Besitz von ihr ergriff. An Rückzug dachte Felice jedoch keine Sekunde. Im Gegenteil!
Der Wind zerrte an ihrer Kleidung und an ihrem Haar, als Felice an das metallene Geländer trat und es mit eisigen Fingern umschloss. Tief atmete sie ein und aus, bemühte sich nicht die Fassung zu verlieren, auch wenn es hier oben keinen gab, der sie hätte schreien, weinen und zusammenbrechen hätte hören können.
Felice Hände verkrampften sich um das Geländer, als aus ihrer Kehle ein verzweifelter Laut drang. Ihr Blick glitt in die Tiefe. Der Innenhof unterhalb des Turmes erschien ihr so entsetzlich weit weg.
Felice konnte alle dem hier nicht entkommen, denn jede Flucht wäre feige und egoistisch gewesen. Wie viele Menschen würde sie dann im Stich lassen, hintergehen und betrügen? Aber auch ihre Belastbarkeit hatte Grenzen.
Felice ertrug es nicht mehr, ertrug sich nicht mehr. All die Lügen, all die Angst und all den Zorn, vor dem sie fürchtete ihn nicht kontrollieren zu können oder zu wollen. Erneut entfuhr ihr ein verzweifeltes Aufschluchzen. Erschöpft beugte Felice sich nach vorne und lehnte ihre Stirn gegen das kühle Metall, das sie immer noch festumklammert hielt.
Ihre Schultern bebten unter den stummen Schluchzern, die denen aber keine einzige Träne mehr floss. Und ein weiteres Mal wurde sie sich ihrer eigenen Schwäche bewusst und hasste sich noch einmal mehr dafür. Niemals würde sie es schaffen Astor aus dieser Hölle zu befreien. Wie lange sie bereits dort nun schon stand, konnte sie nicht sagen.
Ihr Körper fühlte sich taub an, was nicht nur an der Kälte lag. Von Osten her zogen dunkle Sturmwolken her und der Wind frischte merklich auf. Immer wieder wurde die Düsternis durch helles Gewitterleuchten durchbrochen.
Doch Felice Verzweiflung wich, mit der tröstenden Wärme die sie zu umhüllen begann. Überrascht schnellte ihr Kopf in die Höhe und ihr entgegen blickten ein paar sanfter brauner Augen.
>>Remus<<, wisperte Felice mit aufeinanderschlagenden Zähnen.
Jetzt erkannte sie auch woher die Wärme kam. Der Gryffindor hatte ihr seinen Umhang über die Schultern gelegt und stand nun selbst nur noch im Pyjama vor ihr.
>>Hey, du.<<, flüsterte Remus schwach lächelnd und fuhr sich etwas verlegen durch das Haar.
Ohne darüber nachzudenken flüchtete Felice sich in seine Arme. Remus, erst überrascht, zögerte daraufhin nicht einen Moment und zog sie eng an sich. Schützend legte er die Arme um sie und strich ihr tröstend sanft durch das, vom Wind zerzauste, Haar. Er konnte gar nicht anders, denn Felice wirkte in diesem Moment so klein und zerbrechlich, wie sie frierend nur in ihrem gestreiften Pyjama vor ihm stand. Vorsichtig zog er seinen Umhang fester um sie, damit sie hoffentlich aufhörte zu zittern.
>>Du frierst.<<, stellte Felice, die ihren Kopf gegen seine Brust gelehnt hatte, leise fest. >>Du auch.<<, war seine Antwort. Auch wenn sie es nicht sehen konnte, wusste Felice, dass seine Mundwinkel bei seiner Antwort gezuckt hatten.
>>Was tust du hier?<<, stellte sie wieder eine Frage, aber so leise, dass sie nicht wusste ob er gehört hatte. >>Remus?<<
Felice konnte spüren, wie er tief Luft holte, bevor er zu einer Antwort ansetzte. >>Ich musste wissen wie es dir geht.<<, war seine zitternde Antwort.
>>Tagsüber warst du immer so in dich gekehrt und Nachts—<<, Remus ließ den Satz unausgesprochen, weil er es nicht aussprechen konnte, dass die Sorge um sie, ihn jeden Tag aufs Neue beinahe in Stücke riss und er sie deshalb Nacht für Nacht auf der Karte des Rumtreibers beobachtet hatte. Remus schluckte schwer, dass das hier weit über eine Freundschaft hinausging war ihm bewusst. Aber egal wie sehr er sich dagegen sträubte, es war richtig Felice in diesem Augenblick in den Armen zu halten und das nicht, weil sein Herz ihm dabei bis zum Hals schlug sondern, weil Felice das jetzt brauchte. Einen Freund, aber dieser Freund konnte und wollte er nicht mehr länger sein.
>>Felice.<<, wisperte er mit rauer Stimme ihren Namen und schluckte erneut. Felice Wange ruhte immer noch auf seiner Brust und sie lauschte seinem wilden Herzschlag. Ihr eigenes Herz zog sich schmerzhaft zusammen, nicht nur, weil sie diejenige war, die auf eine bloße Freundschaft bestanden hatte, sondern auch, weil sie wusste, dass es an der Zeit war, ihm die Wahrheit über sich zu erzählen. Denn, dass das hier alles andere, als eine rein freundschaftliche Geste war, wusste sogar sie.
Nervös biss sich Felice auf die Unterlippe und suchte fieberhaft nach den richtigen Worten, während Remus bereits zum sprechen ansetzte.
>>Felice, ich war ein verdammter Idiot dieser Freundschaft zu zustimmen. Ich will und kann das nicht länger!<<
Jetzt, wo er endlich den Mut gefunden hatte, seine Empfindungen auszusprechen, konnte er nicht mehr damit aufhören. Währenddessen liefen bei Felice stumm die ersehnten Tränen über ihre Wangen.
>>Egal, was du jetzt sagst, egal was Dumbledore oder McGonagall sagen, egal was James, Sirius und Peter sagen, es wird sich nie etwas an meinem Problem ändern. Ich bin und bleibe ein Werwolf. Eine Gefahr für dich und alle anderen. Ein—<<, Remus brach ab und rang kurz um Fassung. >>—ein Monster.<<
Felice riss sich von ihm los und trat einige Schritte zurück. Feucht glänzten ihre geröteten Wangen und ihre Augen waren glasig. >>Nein.<<, sagte sie mit erschreckend fester Stimme.
>>Doch, Felice. Es ist so, also wieso sollte ich es nicht aussprechen? Es ist wie es ist, ich bin weiterhin eine Bedrohung für alles, was ich liebe. Genau das zeigt nur diese Erkenntnis, dass ich auch lieben kann! Dich—<<
>>Nein!<<, unterbrach Felice ihn nun wesentlich lauter als zuvor. >>Du bist hier nicht das Monster!<<, hauchte sie mit erstickter Stimme. >>Du nicht.<<
Remus schloss kurz die Augen, um sich nicht von ihren Worten beirren zu lassen. Er musste ihr sagen, es er ihr sagen wollte, schon so lange sagen wollte.
>>Felice, dass ist okay so. Ich bin, was ich bin. Ich habe es deinetwegen akzeptiert. Du hast mir gezeigt wie, wenn auch unbewusst. Und egal wie oft du es abstreitest, ich weiß, dass du eine Last zu tragen hast, Schwierigkeiten die dich erdrücken und Probleme, die du nicht alleine lösen kannst. Lass mich dir helfen! Ich ertrage es nicht, dich leiden zu sehen. Lass mich dir helfen, so wie du mir geholfen hast! Aber nicht als Freund, dass kann ich nicht mehr. Bitte...<<
Verzweifelt machte er einen Schritt auf sie zu, streckte die Hände nach ihr aus. Dass Felice aber zurückwich, nie sie gegen das Geländer stieß, verletzte ihn, ließ ihn aber nicht von seinem Plan abkommen. >>Bitte, Felice!<<, flehte Remus beinahe schon. >>Siehst du es denn nicht? Siehst du nicht, dass ich dich lie—<<
>>Remus, hör auf!<<, vollkommen verzweifelt begann Felice nun aufzuschluchzen. >>Bitte, sprich nicht weiter! Wir können das nicht machen... Ich kann das nicht machen!<<
Verständnislos sah Remus sie an und ließ seine Arme wieder sinken. Der Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben.
>>Du sagst so etwas und weißt doch nicht wer ich bin.<<
>>Natürlich weiß ich das! Du bist—<<
>>Nein und das ist es eben. Du siehst in mir das, was ich in den letzten Jahren wollte was du — was alle in mir sehen. Dabei laufe ich Tag für Tag wie durch eine dichte Wolke. Eine Wolke aus Lügen, die es mir immer schwerer macht noch zu sehen, was Wahrheit ist und was Lüge. Für mich gibt es da keinen Unterschied mehr. Ich weiß nicht mehr was wahr ist! Ich weiß nicht mehr, wer ich bin! Denn alles, was ich die letzten Jahre getan habe war, aus mir wohl die größte aller Lügen zu bauen. Du hast keine Ahnung wie viele Kompromisse ich gemacht habe, damit diese Wolke mir nicht vollkommen die Luft zum Atmen nimmt und ich wenigstens etwas in meinem Leben habe, dass mir wichtig ist. Und das, was du dir von uns beiden wünscht, kann ich nicht. Das ist nicht mein Weg, denn ich bin das Monster! Ich bin diejenige, die einen falschen Schritt tun muss, damit die Leben derer, die mir etwas bedeuten ausgelöscht werden!<<
Aus Felice Mund kam all die Wahrheit, vor der sie sich selbst so lange gesträubt hatte ohne es zu wissen.
>>Die, die du jetzt glaubst vor Dir zu sehen, gibt es nicht. Ich wäre es gern, ich wäre gerne die Felice ich ihr glaubt zu sehen und die du glaubst zu lieben, aber das bin ich nicht. Das war ich nie.<<
>>Nein!<<, war es nun Remus, der sie versuchte, vom Gegenteil zu überzeugen. >>Das glaube ich dir nicht. Du bist Felice, meine Felice. Ich glaube dir nicht, dass du Jahre lang vorgespielt hast etwas zu sein, was du tief in deinem Inneren nicht bist. Und egal was das für Probleme sind, ich bleibe bei dir. Ich werde dir helfen. Du musst mich nur lassen.<<, behutsam trat Remus aus sie zu und wollte sie wieder in seine Arme ziehen, damit Felice spürte, dass er es ernst meinte. Aber sie tauchte unter seinen Arm durch und brachte Abstand zwischen sich und ihm.
>>Das kann ich nicht.<< Felice zitterte am ganzen Körper.
>>Doch! Du kannst das, weil du bist, wer du bist. Du bist ein guter Mensch, auch wenn du es anscheinend gerade anders siehst und verdienst es glücklich zu sein. Und ich glaube, dass ich das kann.<<
>>Und wenn ich eine Mörderin bin?<<
Felice Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Jede Farbe wich aus dem Gesicht von Remus und seine Miene spiegelte den reinsten Unglauben wieder. >>Das ist nicht wahr. Sag mir, dass du mich anlügst! Sag es!<<
>>Es ist wahr. Ich habe es zwar nicht getan, aber Fakt ist, ich hätte es. Ohne zu zögern. Ich bin kein guter Mensch, Remus.<<
>>Wen?! Und wieso?!<< Remus Stile war nur noch ein heiseres Krächzen m. Er sah es ihr an, er konnte es in ihren Augen sehen. In ihren wunderschönen dunkelblauen Augen. Felice sprach die Wahrheit.
>>Ich kam nach Hogwarts, einzig und allein mit der Aufgabe Professor Dumbledore zu töten. Es gibt jemanden, der ist der Auffassung, dass der Elderstab, Dumbledores Zauberstab, ihm zu steht. Ich hätte ihn töten müssen, um seine Macht zu erhalten, aber ich konnte es nicht. In einer Sache hast du recht, Remus. Wir sind, was wir sind. Und ich bin eine Grindelwald.<<
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