3. In omnia paratus
Alle neuen Schüler wurden von den Mitgliedern ihres Hauses stürmisch in Empfang genommen. Nachdem die Auswahlzeremonie zu Ende war, richtete Dumbledore das Wort an die Schüler. Er schien uralt zu sein, aber trotzdem strahlte er immer noch eine unglaubliche Kraft aus. Dumbledore hatte fast meterlanges silbernes Haar und einen fast genauso langen Bart. Auf seiner Nase, die schien als sei sie zweimal gebrochen worden, trug er eine Brille mit Halbmondförmigen Brillengläsern. Jeder der ihn sah kam nicht darum herum ihm zu vertrauen.
Felice starrte auf ihren Teller, sie wollte ihn nicht ansehen.
>>Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts. Ich begrüße die neuen und auch die alten. Ich bin mir sicher, dass dieses Jahr etwas ganz besonderes wird. Für jeden einzelnen von euch.<< jetzt hob Felice doch den Kopf. Hatte sie sich das nur eingebildet oder hatte bis gerade eben Dumbledores Blick auf ihr geruht? Hatte er damit etwa sie angesprochen?
Geistesabwesend strich sie sich über den rechten Ärmel ihres Schulumhangs. Nein, das war nicht möglich.
Dumbledore zuckte leicht mit dem Kopf. Hatte er es gesehen? Er fuhr fort. >>Außerdem bat mich Mr Flich erneut auf das Verbot von Zauberei auf den Gängen zu erinnern. Wie immer ist das betreten des verbotenen Waldes für absolut jeden Schüler verboten.<< jetzt warf er definitiv einen Blick zu dem Gryffindor Tisch, der sich allerdings an die Rumtreiber richtete, die einer Schuld vollkommen unbewusst, auf einmal großes Interesse an dem Silberbesteck zeigten und es ganz genau untersuchten. Peter pfiff unschuldig vor sich hin.
>>Noch unschuldiger und ihre Heiligenscheine kriegen einen Kurzschluss.<< wisperte Lily und grinste. Felice verstand nicht wirklich was sie damit meinte. Lily war Muggelgeborene und Felice hatte keine Ahnung von der Technik der Muggel.
>>Aber jetzt erst mal, guten Appetit.<< Sofort schwollen die Gespräche an und die Schüler stürzten sich auf die Köstlichkeiten, die sich jetzt auf den Tischen stapelten, sodass die Tischmitte ein wenig durchhing.
Lustlos stocherte Felice in ihrem Kartoffelpüree herum. Den Hunger den sie vorhin im Zug gehabt hatte, hatte sich verflüchtigt. Mit ihren Gedanken war sie jetzt schon wieder ganz woanders. Ab morgen würde der Unterricht fürs erste all ihre Konzentration beanspruchen, aber bis dahin... Vorsichtig sah sie sich um.
Überall lachten die Schüler und tauschten sich über ihre Erlebnisse in ihren Sommerferien aus. Die Erstklässler knüpften schon ihre ersten Kontakte und sahen sich immer wieder staunend um, überwältigt von der ganzen Umgebung die Hogwarts bot. Felice saß am Haustisch der Gryffindors, zusammen mit ihren Freunden.
Vorhin hatte sie mit Lily darüber gescherzt, aber entsprach nicht das, was McGonagall jedem neuen Jahrgang mit auf den Weg gab, trotzdem der Wahrheit? Stimmte es nicht, dass das eigene Haus für die Zeit die man in Hogwarts verbrachte, zu einer Familie wurde?
Felice sah den Tisch entlang. Lily saß direkt neben ihr, nicht weit von ihnen saßen Gwenog und Alice, mit denen sie sich den Schlafsaal teilten, und sogar dieser arrogante Idiot Potter und seine Freunde, gehörten die nicht alle zu ihrer Familie in Hogwarts?
Alle die an diesem Tisch saßen, kannte Felice sie jetzt persönlich oder nicht, waren für sie von unschätzbarem Wert und sie würde auf keinen von ihnen verzichten wollen. Sie sah hoch zum Lehrertisch. Professor McGonagall war die Hauslehrerin der Gryffindors und somit doch so etwas wie ein Familienoberhaupt. Felice hatte nie das erfahren dürfen, was eine glückliche Familie bedeutete. Sie hatte nur das hier. Hogwarts, ihre Freunde und ihr Haus. Und wenn Astor hätte hier sein können, wäre alles perfekt.
Wie konnte sie nur daran denken, all das hier aufzugeben und diese Menschen, die ihr wirklich einer Familie gleichkamen, zu verraten und zu hintergehen? Aber tat sie das nicht schon seit Jahren? Nutzte sie nicht seit Jahren das Vertrauen dieser Menschen aus und spielte ihnen vor etwas zu sein, was sie nicht war?
Ein Ausdruck des Schmerzes lag auf ihrem Gesicht. Felice kannte die Antwort. Würde sie es nicht tun, würde sie das Todesurteil ihres Bruders unterzeichnen, was quasi mit ihrem eigenen gleichkäme. Felice kniff die Lippen zusammen. Was würden diese Menschen von ihr denken, wenn sie erführen was sie in Begriff war zu tun?
Sie würden sie verabscheuen.
Sie würden sagen, dass sie immer recht gehabt hätten, mit ihren Vermutungen Felice würde sich irgendwann dem Ruf ihres Namens anpassen. Sie, eine weitere Grindelwald! Würde Felice nicht auch, früher oder später, den Weg ihres Großvaters einschlagen?
Sie alle würden sie hassen.
Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete sie wie Lily gerade mit Miranda Wilcons sprach, die letztes Jahr direkt neben ihr und Felice in Zauberkünste gesessen hatte. Lily hatte klare Prinzipien, weswegen sie auch Severus Verhalten nicht immer tolerieren konnte. Sie war ihre beste Freundin, die erste Freundin die sie je gehabt hatte. Lily hatte ihr damals im Zug, als sie elf Jahre alt waren, einfach so die Hand geboten und sich ihr vorgestellt. Ihr war es damals egal gewesen was die anderen darüber dachten, dass Felice eine Grindelwald war. Sie hatte immer bloß das Gute in Felice gesehen und nichts andres, hatte Lily damals gesagt. Deswegen hatte Felice auch so große Angst davor, was Lily irgendwann von ihr denken würde, wenn sie das tat wofür sie nach Hogwarts geschickt wurde. Gerade wegen Lilys Prinzipien würde sie es niemals gutheißen...
Felice drehte den Kopf zu den anderen Haustischen. Ravenclaw, Hufflepuff und Slytherin. Felice erinnerte sich an ihre Auswahlzeremonie als sie hier her kam, wie geschockt alle waren als Professor McGonagall ihren Namen verlas. Und sie erinnerte sich daran wie sie damals den sprechenden Hut aufgesetzt bekommen hatte.
Sie war einer der berüchtigten Hutklemmer gewesen. Der Hut hatte viereinhalb Minuten gebraucht um zu entscheiden, in welches Haus er sie schicken sollte.
Lange hatte Felice mit ihm diskutiert. Sie war damals der festen Überzeugung nach Slytherin geschickt zu werden, aber der sprechende Hut hatte ihr gesagt:
>>Aha. Wer hätte das gedacht? Eine Grindelwald... Wichtigen Namen hast du da. Mal sehen wo ich dich hinschicke. Slytherin? Tja, bei deiner Familiengeschichte wäre das auch nicht verwunderlich. Aber deine Geschichte, Felice Grindelwald, ist älter, viel älter. Du bist klug, hast was im Köpfchen. Loyal denen gegenüber die du liebst. Gewissenhaft in dem was du tust und, ja, auch gerissen wenn es darum geht deinen Willen durchzusetzen. Aber ich sehe auch deine Ängste. In der Vergangenheit hast du großen Mut bewiesen und auch in Zukunft wirst du ihn immer wieder unter Beweis stellen müssen.
Du, Felice Grindelwald, hast ein wirklich außergewöhnliches Talent, nahezu einzigartig. Ich habe über eintausend Jahre darauf gewartet, wieder auf dem Kopf von jemandem wie dir gesetzt zu werden. Nein, allein wegen deines Namens werde ich dich ganz bestimmt nicht nach Slytherin schicken. Du gehörst ganz eindeutig und ohne Zweifel nach Gryffindor. Geschockt? Die Tatsache, dass du nach Gryffindor gehörst, ist so klar, wie die Tatsache, dass morgen wieder ein neuer Tag anbrechen wird. Es ist Zeit die alten Traditionen, die die Familie deines Vaters dir auferlegt, zu brechen... Gryffindor!<<
Felice hatte nie verstanden was der Hut eigentlich damit gemeint hatte. Aber vielleicht wäre sie mit ihrem Vorhaben tatsächlich bei den Slytherins besser aufgehoben gewesen...
In diesem Moment fühlte sie sich so einsam, wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Wieder glitt ihr Blick auf den Lehrertisch.
Felice hatte es nicht bemerkt, aber Dumbledore hatte sie die ganze Zeit über beobachtet. Erschrocken sah sie ihn an, doch er hob bloß sein Glas und prostet ihr ernstblickend mit einem Kopfnicken zu.
Seine Hellblauen Augen schienen sie zu durchleuchten, als wolle er in ihren Kopf hineinsehen. Diese Augen ähnelten viel zu sehr denen ihres Vaters, auch wenn sie nicht so kalt waren wie seine. Aber dennoch konnte Felice Dumbledores Blick nicht länger standhalten und starrte wieder auf ihren Teller.
>>Felice alles okay mit dir?<< fragte Lily und warf ihr einen besorgten Blick zu. >>Du bist irgendwie seltsam seit wir aus dem Zug raus sind. Du hast fast nichts gegessen. Hast du keinen Hunger?<<
>>Hm? Ach so. Nein. Bei mir ist alles in Ordnung. Ich bin nur sehr müde und würd am liebsten sofort ins Bett. Entschuldige mich mal, aber ich frag Remus mal nach dem neuen Passwort und geh dann schon hoch, in Ordnung?<< Lily nickte stumm. Als Felice aufstand konnte sie Lilys besorgten Blick in ihrem Rücken spüren. Doch sie schritt zielstrebig auf die vier Jungs zu.
>>Darf ich kurz stören?<< >>Was verschafft uns die Ehre?<< fragte Sirius neugierig.
>>Sehnsucht nach deiner unfassbar prickelnden Persönlichkeit, Black.<< sagte Felice sarkastisch.
>>Die hat es dir aber gegeben, Tatze. Scheinbar verfällt dir doch nicht jede gleich auf Anhieb.<< lachte Peter.
>>Abwarten.<< gab Sirius zurück und musterte Felice interessiert von oben bis unten.
>>Remus, wie ist das neue Passwort für den Gemeinschaftsraum?<< >>Willst du uns schon etwa verlassen?<<
>>Kümmer dich um deinen eigenen Kram, Potter. Also?<< fragte sie ungeduldig.
>>In omnia paratus.<<sagte Remus. Er sah sie durchdringend an. Aber da war noch irgendetwas anderes, dass Felice nicht richtig einordnen konnte. Wieso hatte Felice bloß das Gefühl, dass irgendwie jeder heute so schien, als wolle er wissen was in ihrem Kopf vor sich ging?
Ohne ein Wort des Dankes drehte Felice sich um und machte sich über die richtungswechselnden Treppen auf den Weg hoch in den Gemeinschaftsraum. Vor dem Porträt der fetten Dame blieb sie stehen.
>>Du bist aber ganz schön früh dran. Solltest du nicht noch unten in der großen Halle sein?<< >>Und sollten Sie nicht einfach nur nach dem Passwort fragen? Übrigens es ist In omnia paratus.<< Leise vor sich hin schimpfend schwang das Porträt auf und ließ Felice rein. >>Kein Respekt mehr! Eine Unverschämtheit! Wieso habe ich-<<
Ohne Umwege stieg Felice die gewundene Treppe hinauf in ihren Schlafsaal. Die Koffer waren bereits nach oben gebracht worden und standen neben den Betten. Erschöpft ließ Felice sich ihr Bett fallen und betrachtete den scharlachroten Baldachin über ihrem Bett.
In omnia paratus.
Ihr Latein war noch nie besonders gut, aber so viel sie wusste hieß das so viel wie Zu allem bereit.
War das nur ein Zufall? Aber andererseits war das hier Hogwarts! Hier war absolut nichts normal oder zufällig!
Über eines war Felice sich im Klaren: Sie war zu allem bereit. Auch wenn das bedeutete ihre eigene Seele in Stücke reißen zu müssen. Aber für Astor würde sie es ohne zu zögern tun, er würde an ihrer Stelle genauso handeln. Sie hatte keine andere Wahl...
Um das Leben ihre Zwillingsbruders zu retten, würde sie Dumbledore töten müssen.
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