Der Weg zurück
Die Tatsache, dass sie ihren Vater ermordet hatte, wollte einfach nicht in ihren Kopf gehen. Sarah starrte verloren in den Raum. Er war kalt eingerichtet, nicht so gemütlich wie ihr gemeinsames Zimmer mit Seva. Natürlich war es dort immer ein wenig unordentlich gewesen, zumindest auf Sarah's Seite. Doch hier beim Neuen Imperium protzte jedes Zimmer nur vor steriler Ordnung.
Der Raum um sie wurde immer kleiner. Es war als wollte er sie verschlucken, erdrücken.
Wie ferngesteuert taumelte Sarah zum großen Panoramafenster, welches einen freien Blick in die Galaxie ermöglichte. Sonst liebte sie den Ausblick und die unendliche Weite. Doch im Moment fühlte sie sich kalt und alleine. Das All erschien wie ein Sog in die ewige Verdammnis, in den ewigen Tod. Ihre Hand zuckte schon zum Lichtschwert an ihrer Hüfte.
Wenn sie doch nur die Scheibe mit ihrem Lichtschwert zerstören könnte. Allein der Gedanke an ihren möglichen Tod fühlte sich seltsam befreiend an.
Weinend, von ihren Gefühlen überwältigt brach Sarah zusammen.
Sie flehte die Macht an, ihren Vater leben zu lassen oder ihr den Tod zu gewähren. Doch seine Stimme hallte weiter in ihrem Kopf. Er lachte. Der Bilderzug vor ihrem Auge wollte auch nicht enden.
Ihr Vater, der seine Kinder immer alle auf einmal in die Arme geschlossen hatte, wenn er auf Mission gewesen war. Ihr Vater, der ihr alles über die Macht beigebracht hatte, was er wusste. Ihr Vater, der sie und ihre Geschwister immer mit seinem Leben beschützt hatte. Ihr Vater, der seine Familie aufrichtig geliebt hatte. Er hatte immer ein verschmitztes Grinsen im Gesicht gehabt, zumindest fast immer. Ihre Mutter hatte es geliebt, das wusste sie.
Ihr Vater, der durch seine Vergangenheit gezeichnet gewesen war. Auch er hatte seinen Vater ermordet, aber er hatte es sofort bereut.
Sarah fühlte sich schlecht. Sie würde nie zurückkehren können. Man würde sie sofort hinrichten lassen. Allein der Gedanke, dass Seva sie so hasserfüllt anstarren würde, wie sie es auf Corellia getan hatte, ließ ihr Blut erstarren.
Plötzlich öffnete sich die Tür und Darth Tires torkelte herein.
„Skyla Süße, geht es dir nicht gut?" Sarah drehte sich der Magen um. Nur Lean hatte sie so nennen dürfen. Ihr süßer, schüchterner Lean, der von seinem eigenen Bruder ermordet worden war, weil sie ihm nicht hatte helfen können.
Tires nahm ihre kalte Hand in die seine.
Auch das fühlte sich wahnsinnig falsch an. Lean hatte bei den Machtspielen am Lagerfeuer auch ihre Hand genommen und sie näher zu sich gezogen als sie zusammen Stockbrot gegrillt hatten. Er hatte ein wenig nach dem Bier gerochen, dass sie sich teilten, aber keineswegs schlecht. Es war schon früher Morgen gewesen, als er sich mit einem sanften Kuss auf die Wange von ihr verabschiedete und sie mit einem ungewohnten Kribbeln im Bauch zurückgelassen hatte.
„Nein, mir geht es nicht gut, Tires. Und jetzt verschwinde und schlaf deinen Rausch aus, du bist nicht ganz bei Sinnen!"
ARSCHLOCH, dachte sie sich.
Sarah wusste, dass sie sich bei ihrer Mutter melden sollte. Sie wusste, dass sie das brauchte, aber sie traute sich einfach nicht. Sie war zu unsicher und ängstlich.
Die nächsten zwei Wochen quälte sie sich durch ihre Aufgaben. Die Basis auf Hoth war ganz anders, als sie erwartet hätte. Sie war groß, nein eher riesig, luxuriös eingerichtet. Das Heizsystem erzeugte eine angenehme Temperatur, trotz der harschen Außenbedingungen, und die Menge der dort stationierten Truppen wollte ihr kaum in den Kopf gehen. Es war beängstigend.
Hunderttausende perfekt gedrillte Hochleistungskrieger, jeder von ihnen in der Lage, Menschen ohne Reue zu töten.
Die Jedi wären verloren, wenn diese Truppen Hoth jemals verlassen würden. Ein minimalster Teil von ihnen hatte schon in Mos Eisley so verheerende Spuren hinterlassen, trotz Eingreifen der Jedi. So viele Kämpfer, Soldaten und Zivilisten, sogar Kinder, waren während dieses Massakers beinahe gestorben. Ihre Eltern ebenfalls.
Und genau in diesem Moment machte es bei Sarah „Klick". Sie wusste, was mit ihr passiert war, dass sie zur Dunklen Seite gewechselt war, sie wusste, wie Tires sie hatte manipulieren können.
Zitternd schritt Sarah hoch erhobenen Hauptes durch die Gänge der Basis zu ihren persönlichen Gemächern. Hier konnte sie niemand stören. Niemand kam herein, wenn sie es nicht wollte. Hier konnte sie vorerst halbwegs sicher kommunizieren.
Obwohl sie nach außen dieselbe kalte und erbarmungslose Maske trug wie immer, war sie innerlich ein Wrack. Seit Tagen hatte Sarah kaum noch geschlafen und wenn, dann wurde sie von Albträumen geplagt. Jedes Mal sah sie, wie sie ihrem Vater das Lichtschwert durch den Bauch rammte. Wie seine dunklen Augen, die auch ihre Augen waren, sie entsetzt, verletzt und schmerzerfüllt ansahen. Sein regloser Körper auf dem steinigen, schmutzigen Boden.
Sarah wurde zerrissen von der Angst und der Unsicherheit, was das Gespräch mit sich bringen würde. Ihr war schlecht - wohl eher speiübel. Sie könnte sich auf der Stelle übergeben, wenn sie ihre Gefühle zulassen würde
Sobald sich die Panzertür hinter ihr schloss rollten wieder Tränen über ihre Wangen.
Sarah hatte das ungute Gefühl, dass ihr Kopf einfach platzen würde, wenn sie sich noch eine weitere Frage stellte. Die Zeit, während der geheime Holokommunikator hochfuhr, verstrich quälend langsam. Als würde etwas Höhergestelltes sie durch pures warten und Unwissen foltern wollen. Aber nur zu, sie hatte wirklich verdient. Sie war ein kaltblütiges Monster, erfüllt von Selbsthass und Scham.
Das grüne Lämpchen sagte ihr, dass das Gerät bereit für eine Übertragung sei. Nur, war auch Sarah bereit? Tausend Fragen überrannten ihren Verstand.
Würde ihre Mutter ihr jemals vergeben können oder die Anderen in der Familie?
Könnte ihre Beziehung zu Seva so werden, wie sie vielleicht früher war? Eher nicht, dass wusste sie jetzt schon. Sie hatten sich verändert, waren erwachsen geworden und begannen, ihre eigenen Wege zu gehen. Es war zu viel zwischen ihnen passiert.
Würde sie sich je wieder unter zivilisierten Leuten blicken lassen können?
Könnten ihre Tempelkammeraden ihre Taten verzeihen?
Sarah gab sich endgültig einen Ruck und begann die Übertragung.
Rey saß im Krankenzimmer auf der Lazarettstation und betrachtete ihren Mann - wie so oft in den letzten Tagen - beim Schlafen. Gestern hatten die Ärzte beschlossen, dass er den Bactatank verlassen konnte. Sanqui hatte schon eine Woche vorher das Glück gehabt und war schon fast wieder der Alte.
Ben hingegen hatte die ersten zwei Wochen weiterhin um sein Leben gekämpft. Sah es an einem Tag gut aus, hatte das nicht zu heißen, dass es am nächsten genauso sein würde. Es hatte von allen einen hohen Tribut gefordert. Besonders litten natürlich die Kinder darunter, obwohl sie versuchten den Alltag im Tempel möglichst aufrecht zu erhalten.
Rey betrachtete die volle Lockenpracht ihres Mannes, die sich auf dem schneeweißen Bettbezug stark abhob. Ein paar ergraute Strähnen zogen sich durch sein Haar. Seit seinem „Fast-Tod" waren es deutlich mehr geworden und auch ein paar Falten in seinem ansonsten junggebliebenen Gesicht waren dazugekommen. Ben sah mitgenommen aus von den Ereignissen der letzten Wochen, aber er lebte und das war Rey am wichtigsten. Ihr war egal, ob man jetzt deutlich die zehn Jahre Altersunterschied zwischen ihr und Ben erkennen konnte, oder ob ein metallener Roboterarm seinen rechten Arm ersetzte. Ihr war wieder bewusstgeworden, dass alles, was sie wirklich brauchte war, Ben an ihrer Seite zu haben.
Hätte sie jetzt noch alle vier Kinder wohl auf um sich, wäre das Leben trotz des Krieges wieder nahezu perfekt. Aber das war es nicht. Sarah fehlte und das merkten alle, egal was sie gerade taten. Bei den Mahlzeiten war es merkwürdig still, niemand riss freche Witze. Seva verbrachte fast ihre ganze Zeit bei Jace und Luke sah man auch nur noch im Tempel zum Unterrichten oder eben gar nicht.
Rey fragte sich ernsthaft, ob ihre Tochter wieder zur Vernunft kommen würde, denn wenn nicht... Das mochte sie sich nicht ausmalen. Fest stand nur, dass Sarah stärker geworden war, als sie und Ben es sich je erträumt hatten. Seva hatte in letzter Zeit einen ganz neuen Zugang zur Macht entwickelt. Manchmal brach sie unvermittelt zusammen, nur um ein paar Minuten später putzmunter wieder aufzustehen. Dann erzählte sie von den Visionen, die sie bei ihren Ohnmachtsanfällen hatte.
Diese Art von Machtnutzung war Rey gänzlich unbekannt und würde ihr vermutlich auch ein Rätsel bleiben.
Plötzlich flog die Tür zum Krankenzimmer so heftig auf, dass Rey zusammenzuckte. Sie wollte sich schon beschweren, als sie Leia entdeckte, die heftig schnaufend einen kleinen Holokommunikator in der Hand hielt.
Rey ahnte bereits, was das zu bedeuten hatte und Leia nickte eifrig, als sie den erleichtert fragenden Blick ihrer „Tante" sah.
„Ich hole noch Seva." Mit diesen Worten drückte das Mädchen Rey den Kommunikator in die Hand und verschwand.
Sarah zitterte vor ihrem Schreibtisch. Würde ihre Mutter antworten?
Als sich das bläulich flackernde Bild ihrer Mutter vor Sarah aufbaute, raubte es ihr kurz den Atem. Der jungen Solo fiel ein Fels vom Herzen und rollte laut rumpelnd in das zerklüftete Tal ihrer Emotionen. Sie fühlte so viel Schuld und Scham, aber gleichzeitig war da diese endlose Erleichterung, dass ihre Kontaktaufnahme geklappt hatte. Ihre Mutter war da und wollte tatsächlich, all Befürchtungen zum Trotz mit ihr Sprechen. Es gab noch einen Funken Hoffnung.
„Mum?"
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So, nach einer gefühlten Ewigkeit ein neues Kapitel. Ich hoffe sehr, dass euch die Entwicklung noch immer gefällt. Lasst mich gerne eure Meinung und Verbesserungsvorschläge wissen.
Möge die Macht mit euch sein - und bleibt gesund!
Feuerherz05
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