Kapitel 43 - Machtlos
„Steckst du dem General etwa auch deine Zunge in den Hals?" fuhr Kylo misstrauisch fort. Ich wusste nicht was mich bei dieser Unterstellung mehr ärgerte. Dass Kylo wirklich in Betracht zog, dass ich freiwillig den General berühren würde und dann noch mit meiner Zunge! Oder, dass er damit andeutete, dass ich besonders scharf drauf gewesen war ihn selbst zu küssen. Ich entschied mich trotzdem dazu, die Bemerkung unkommentiert zu lassen.
„Das steht dir nicht, Kylo!" fuhr ich stattdessen fort. „Was?" „Eifersucht! Es war selbst deine Idee mich hier beim General abzustellen, während du was weiß ich gemacht hast!" „Aber.." wollte Kylo ansetzten. „Es ist dein Problem, wenn du dachtest, einen von uns blutüberströmt in einer Ecke vorzufinden. Ich weiß eigentlich auch nicht auf wen du besser verzichten könntest. Auf deinen einzigsten General oder auf mich!" fuhr ich ihm über den Mund.
„Also ich hätte da schon eine Idee...!" mischte sich der General überflüssigerweise ein. „Klappe!" herrschte ich Hux an. „Also sei froh, dass wir uns nur wie üblich angekeift und uns sonst zivilisiert verhalten haben!" wendete ich mich wieder Kylo zu.
„Das erklärt noch nicht die Besenkammer!" protestierte dieser weiter. „Ren, dachten Sie wirklich ich lasse Widerstandspack hier frei auf der Brücke rum laufen? Bestimmt nicht. Ich stelle Ihnen übrigens liebend gerne eine meiner Kadettinnen ab, damit die sich um Ihren Hals und was auch immer kümmern kann. Aber die hier muss endlich weg!"
Jetzt wusste ich auch nicht mehr, ob Hux nur überzeugend ablenken wollte oder jeden Satz tatsächlich so gemeint hatte. Wahrscheinlich beides. Eine Weile sagte keiner von uns Dreien etwas, wir waren alle auf 180.
Kylo war der erste der sich räusperte und tonlos den kleinen Archivraum endlich verließ. Sodann sprach er: „General, irgendwelche Vorkommnisse in meiner Abwesenheit?" Hux und ich tauschten kurz einen Blick aus, bevor wir Kylo hinterher kamen. „Nein, oberster Anführer. Ich bin gerade am Rechnungen Prüfen..." schlug Hux einen offizielleren Tonfall an, da wir uns wieder auf der Brücke befanden. „Was auch immer Ihnen Spaß macht!" würgte Kylo ihn ab.
„Irgendwelche Vorkommnisse bei dir?" fragte ich Kylo in gespielter Plauderlaune. Es interessierte mich tatsächlich sehr, wo er eigentlich gewesen war. Und so wie der General Kylo ebenfalls interessiert anblickte, hatte dieser auch keine Ahnung gehabt, wo sich sein oberster Anführer rumgetrieben hatte. „Ich wüsste nicht, warum ich DIR hier Rede und Antwort stehen müsste...!" kam völlig uncharmant und übertrieben grob über seine Lippen.
Obwohl die handvoll Kadetten und Offiziere auf der Brücke beschäftig und hoch konzentriert auf ihre Bildschirme blickten, hatte ich trotzdem immer das Gefühl, dass sie mich alle insgeheim anstarrten bzw. jedes gesprochene Wort mithören. Daher war mir eine Unterredung in dem Archivraum lieber, als hier offen auf der Brücke rumzustehen. Trotzdem hatte ich keine Lust, mich hier von Kylo vor den anderen dumm anmachen zu lassen.
Ich hatte die ganze Zeit mein Zopfgummi, aus dem ich vorhin den Draht heraus gelöst hatte, unbewusst in meiner Handfläche angespannt hin und her gedrückt. Spontan kam mir eine bessere Verwendung in den Sinn und ich schleuderte zornig Kylo einfach das Zopfgummi entgegen.
Kylo zuckte nicht mal mit einer Wimper als mein Zopfgummi ihn an der Brust traf und schlaff zu Boden fiel. Kurz blickte er irritiert hinterher und sprach dann völlig belustigt: „Du wirfst wie ein Mädchen!"
„Pah... Und du trägst dafür Klamotten wie eines!" entgegnete ich ihm gerade raus. Gerade wenn Kylo wie heute offensichtlich irgendwo außerhalb unterwegs gewesen war, trug er über seinen üblichen dunklen Klamotten eine Art schwarze bodenlange Kutte, die durch den Gürtel tatsächlich wie die Silhouette eines Kleides aussah.
„WAS hast du gerade zum obersten Anführer gesagt?" brüllte er zurück und man konnte ihm leicht ansehen, dass er sauer war. „Oh man, sprichst du jetzt auch schon von dir in der dritten Person. Ist das hier irgendwie ansteckend? Neigen hier alle zur Selbstüberschätzung?" fuhr ich unbeeindruckt fort. „Was denkst du mit wem du hier redest? Mit meinen Fähigkeiten ist das keine Selbstüberschätzung, sondern die Wahrheit! Ich bin so viel mehr!" „Woha... wir haben es alle kapiert. Du bist der Jedi hier und wir nicht!"
„Na, na! Sith-Lord!" korrigierte Kylo mich mal wieder prompt. „Oh, Entschuldigung Ihre Durchlaucht!" sprach ich um machte passend einen kleinen Knicks dazu. „Ich meinte natürlich ein Sith-Lord... mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung!"
Okay, ob das nun so clever war, den Anführer der ersten Ordnung vor rund einem Dutzend Offizieren als eine Art Psychopathen zu bezeichnen? Anders als beim General, der überraschender Weise über eine recht hohe Toleranz bezüglich meiner Äußerungen verfügte, war Kylos Selbstbeherrschung bekanntlich nicht so stark ausgeprägt.
Insoweit war es um so überraschender, als Kylo gespenstig ruhig zu Hux sprach „General!" und ihm zunickte und meine Bemerkung völlig ignorierte. Hux antwortete etwas unschlüssig „Ren!" zurück. Dann trat Kylo schnellen Schrittes auf mich zu. Er schüttelte nur den Kopf und ohne weitere Worte hob er mich mühelos hoch und „warf" mich mehr oder weniger über seine Schulter, wie ein totgeschossenes Tier. Das ging alles so schnell, sodass ich nur ein „He!" über meine Lippen bekam. Daraufhin verließ er und damit zwangsweise auch ich die Brücke. Hux schaute uns belustigt hinterher, verkniff sich aber jede weitere Äußerung.
Im Fahrstuhl protestierte ich weiter. „Lass mich runter, Kylo!" und trommelte Kylo auf den Rücken. Es war zum einen unbequem, so über seiner Schulter zu hängen und zweitens, war es einfach albern. Erst als er aus dem Fahrstuhl getreten war, antwortete er mir. „Oh, ich hatte vorhin gerade große Lust zu meinem Allheilmittel zu greifen und dich mundtot zu machen, aber aus Respekt vor dir, habe ich drauf verzichtet!" „Was hat das jetzt hier mit Respekt zu tun?" echauffierte ich mich weiter. „Das wolltest du doch so!" „Ich will, dass du mich jetzt runter lässt! Ich kann selber gehen!" forderte ich weiter zappelnd ein. „Ich habe dich auch ohne die Macht im Griff. Dann halt eben so. Und wenn du jetzt nicht endlich ruhig hälst, versohle ich dir auch noch gleich deinen Arsch auf dem Weg!" „Äh.. was?" setzte ich gerade an, bevor seine Hand tatsächlich auf meinen Po durchaus schmerzhaft knallte. „Autsch!" entfuhr es mir.
Das hatte er gerade extra gesagt, da uns in dem Moment eine Gruppe Sturmtruppler mit zwei Offiziere entgegen kamen, die unser „Schauspiel" aufmerksam verfolgten. Das ganze ärgerte mich, aber ich ich unterließ trotzdem weitere Zappeleien. Glücklicherweise dauerte es nicht mehr lange bis Kylo vor einer Tür anhielt und wir sein Quartier betraten.
Unsanft setzte er mich dort auf einem der Stühle ab und beugte sich gefährlich nahe zu mir herunter. Dabei stützte er sich auf den Armlehnen ab, sodass ich mich nicht herauswinden konnte.
„Narzisstische Persönlichkeitsstörung?" wiederholte er nochmal meine Äußerung von vorhin. „Schaue es doch in einer deiner vielen Bücher nach, wenn du nicht weißt was das ist!" erwiderte ich ebenso aggressiv. „Du bist doch mein Lieblingsbuch!" Hätte er mich nicht gerade wie ein Sack durch die Gänge getragen, wäre ich vielleicht für diese versteckte Liebeserklärung empfänglich gewesen. „Mangel an Empathie, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und gesteigertes Verlangen nach Anerkennung. Klingelt da was bei dir?" Eine Weile sagte Kylo nichts, sondern kaute lieber eine Runde auf seiner Lippe herum. „Siehst du mich wirklich so?" fragte er schlussendlich. Dabei war jegliche Aggressivität aus seiner Stimme verflogen.
Auch ich entspannte mich etwas. „Ja, schon. Vielleicht. Keine Ahnung... Wenn ich mit einem Fingerschnipp Leute an die Wand klatschen könnte, würde ich vielleicht auch ein anderes Selbstverständnis an den Tag legen..." relativierte ich etwas meine vorherige Äußerung. „Geht es denn immer nur um das... die Macht?" „Ich glaube schon. Wärst du denn hier oberster Anführer, wenn du sie nicht hättest? Hätte sich dann Snoke für dich interessiert?" sprach ich und legte teils bewusst und unbewusst meine Hand auf seine. „Hmmm.." atmete er nachdenklich aus.
„Wann wusstest du, dass du die Macht hast?" versuchte ich etwas abzulenken. „Schon immer glaube ich." Kam achselzuckend von Kylo. „Ich fand es jedenfalls schon immer ungerecht, warum manche sie haben und andere nicht. Ich meine wer entscheidet das denn? Weißt du ich bin früher gerne in Gebäuden mit elektronischen Türen rumgelaufen und immer wenn ich zu einer Tür kam habe ich mein Hand erhoben. Wenn man das richtige Timing hat, dann öffnet sie sich, wie als hätte man sie mit Hilfe der Macht geöffnet!" „Wieso sollte man das machen?" erwiderte Kylo unsensibel. „Oh man, vergiss es einfach Kylo!" zischte ich zurück. „Warum hast DU das gemacht?" formulierte er seine Frage um.
„Keine Ahnung, vielleicht wollte ich einfach wie du sein... Ich meine, du warst weg bei Luke und ich musste jetzt wieder alleine auf Hosnian Prime zurecht kommen. Und diese langweiligen Senatorentreffen ertragen...!" sprudelte es einfach aus mir heraus. „Du bist einfach gegangen... Ohne dich zu verabschieden!" fuhr ich weiter aufgewühlt fort. Ich war selbst überrascht, warum mich das nach all den Jahren noch so aufregte. Kylos Gesicht war schwer zu deuten, aber am ehesten hatte er ein großes Fragezeichen im Gesicht. Meine Vermutung wurde sogleich bestätigt: „Wieso hätte ich mich von dir verabschieden sollen?" „Oh man, vielleicht weil wir... sowas wie Freunde waren... ! Das tut man. Soviel zum Thema Empathie!" Ich spürte Tränen in meinen Augenwinkeln aufsteigen, aber ich wusste nicht, ob sie mir oder Kylo galten...
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