Schlammige Fußabdrücke
Die Zentrale der Shinigamis. Wie beim letzten mal, lande ich wieder in dieser riesen großen Halle. Die Decken so hoch, dass man hier locker ein Haus hinein stellen könnte. Mir ist kalt. Meine Gefühle sind heruntergefahren worden. Trauer ist nicht mehr da. Wut nicht vorhanden. Keine Freude. Kein Hass. Nur reine Rationalität. Das wars. Ich bin Tod. Ich habe meinen Vater gefunden. Einen armseligen kleinen... Dieses Wort will ich nicht einmal in meinen Gedanken aussprechen. Ich lege meine rechte Hand auf meinen linken Oberarm und sehe erst auf die Seite, ehe ich auf den Boden blicke.
Dieser ist so sauber, dass ich mich darin spiegle. Und was ich sehe, ist nicht sonderlich aufmunternd. Ich bin komplett verschlammt. Mein Gesicht ist bis zur Unkenntlichkeit beschmiert. Meine braunen Haare werden zwar farbtechnisch nicht anders, aber sie haben ein komisches Aussehen. Sie hängen nach unten und tropfen den Boden voll, während der Schlamm sich wie eine Schicht auf ihnen befindet. Ich sehe aus wie ein Monster. Alles Leben ist aus meinen Augen gewichen. Meine Kleidung ist nicht mehr zu sehen. Was einst ein Hemd und eine Hose waren, sind jetzt... nicht mehr als Dreckklumpen, die an meinem Körper kleben. Und von den Schuhen fangen wir erst gar nicht an.
"Ach herrje... da wird der Putzdienst ja heute einiges zu tun haben!", ruft Grell ein wenig schrill und ich hebe meinen Kopf. Er soll einfach nur die Klappe halten. Er soll mich nur zum Geschäftsführer bringen. Und dann in die Hölle. Mehr erwarte ich gar nicht. Der rothaarige verzieht sein Gesicht und hebt warnend eine Hand. "Komm mir nicht zu nah. Ich will diesen Dreck nicht auf dieser Kleidung haben!" Um seine Worte zu unterstreichen, tritt er einen Schritt zurück und ich verdrehe die Augen. "Halt die Schnauze und bring mich endlich um. Länger halt ich das bei dir ja nicht aus."
Empört und entrüstet, holt Grell tief Luft, hat seinen Mund weit offen und seine rechte Hand auf seine Brust gelegt. "Das hast du jetzt nicht-" "Doch, hab ich.", unterbreche ich seinen Satz und gehe an ihm vorbei. Meine Stiefel quietschen und machen leichte platschende Geräusche, während ich Spuren von Matsch und Schlamm hinterlasse, die der Putzdienst wegmachen wird. Traurig wenn dass das einzige ist, woran man sich wahrscheinlich erinnern wird. Die dreckigen Spuren auf dem Boden. Ich lasse meine Arme wieder hängen und gehe in die Richtung der riesigen Tür, hinter der das Büro des Geschäftsführers ist.
"Alexandra! Warte! Du kannst da nicht einfach so rein!", ruft Grell und schließt zu mir auf, nachdem er sich ein wenig eingekriegt hat. Ich bleibe stehen und sehe ihn von unten an. "Was ich kann und was ich nicht kann... Das redest du mir nicht ein. Also sei ein braver Todesgott und warte draußen. Lange werde ich nicht mehr am Leben sein." Meine Stimme ist monoton und ich habe ein Stadium erreicht, dass ich schon kaum im Leben hingekriegt habe. Völlige Emotionslosigkeit. Gleichgültigkeit. Ich sterbe in wenigen Minuten. Was soll ich mich jetzt auch noch nett aufführen? Das wäre Verschwendung meiner absolut grottigen Stimmung.
Meine Beine setzen sich wieder in Bewegung und ich gehe an Leuten in Anzügen und Kleidern vorbei. Jene mustern mich halb abschätzig und halb erschrocken. Ich führe es darauf zurück, dass ich als Mensch in der Welt der Todesgötter schlammbeschmiert und meinen Aufpasser ignorierend, durch die Hallen dieser Piekfeinen Leute marschiere. Mit einem Blick, der kaum zu deuten ist. Nur die Richtung ist vorhersehbar. Auf die Tür zu, die sonst nur für bestimme Leute geöffnet wird. Aber nun bin ich eine dieser bestimmten Personen. Und ich werde jetzt einfach mal forsch sein.
Kurz vor der Tür bleibe ich stehen und darf mir von Grell noch einmal anhören, wie unmoralisch und wie dumm ich doch bin. Man wartet bei seinem Vorgesetzten, bis ER die Tür aufmacht. Doch wieder sehe ich ihn ein wenig kalt an. "Er ist DEIN Vorgesetzter. Nicht meiner. Für mich ist er ein alter netter Mann mit einem Geschäft, dass die Welt braucht. Aber ich bin nicht mehr lange auf dieser Welt. Von dem her... kann es mir egal sein, nicht wahr?" Der rothaarige erkennt, dass er mir nicht wirklich etwas anderes einreden kann und legt sich nur theatralisch eine Hand auf sein Gesicht.
Ich hingegen lege meine dreckigen Hände auf den doppeltürigen Eingang und lehne mich gegen diesen. Es braucht alles, was ich an Kraft habe, um die Tür auf zu bekommen. Es quietscht leise und knarzend geht die Tür langsam auf. Ich drücke, so stark ich kann und bleibe dann mit einem schnelleren Atem stehen, als die Türen weiter auf gehen. Ohne meine Hilfe. Mein Blick fällt durch den bekannten Raum auf den Mann im Stuhl. Dieser sieht von seinen Blättern auf und rückt sich seine Brille zurecht, ehe er ein wenig lächelt. "Kommt herein, Miss Kindred. Schön, dass Ihr zu mir gefunden habt."
Ein warnender Blick von mir zu Grell folgt, ehe ich der Aufforderung folge und auf dem Weg zu den Stühlen weitere Schlammabdrücke hinterlasse. Ein leises Klicken ist zu hören und mein Kopf geht automatisch in die Richtung! Doch es ist nur die Tür, die zugegangen ist. Ein wenig beruhigter, drehe ich mich wieder nach vorn und sehe, wie der alte Mann auf den Stuhl deutet, sodass ich mich hinsetze. Nickend setze ich mich und lehne mich ein wenig nach hinten, ehe sich auch Grell setzt. Es herrscht eine Stille, die ziemlich bedrückend ist. Einzig das Tropfen meiner Haare und der Kleidung ist zu hören.
"Miss Kindred. Wenn ich es so formulieren dürfte, hattet Ihr bei unserem letzten Treffen eine andere Wahl an Kleidung, nicht wahr?", fängt der Geschäftsführer an und ich ziehe eine Augenbraue hoch, spiele aber mit. Nickend bestätige ich das gesagte. "In der Tat. Aber hin und wieder das innere Kind heraus lassen, gehört eben zu meinem Charakter und zu meinem Wesen." Ich streiche mir durch meine Haare und ignoriere Grell, der nur den Kopf schüttelt. Währenddessen sehen der alte Mann und ich uns nur an. Sagen kein Wort. Will er bei so einem Thema wirklich um den heißen Brei herum reden? Das passt nicht so wirklich.
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