Keiner da
Klitschnass, gehe ich zu Undertakers Tür und lege meine Hand auf den Türknauf. Als ich diesen drehe, geht die Tür allerdings nicht auf! Ich runzle die Stirn und trete rückwärts wieder auf die Straße. Wieso ist da zu? Ist er... Ist er vielleicht doch ein klein wenig traurig, dass ich sterben soll? Naja. Ein klein wenig Hoffnung kann ich haben, nicht wahr? Aber trotzdem möchte ich da gern rein. Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum und starre das Gebäude an, ehe mein Blick auf die Fenster im ersten Stock fallen. Meine Mundwinkel gehen ein wenig hoch. Wenn ich nicht durch die Tür komme...
Suchend, ob er ein Fenster offen gelassen hat, quetsche ich mich auch seitlich an dem Gebäude vorbei, zur Rückseite. Zumindest habe ich den Stall gefunden. Und ein wiehern zeigt mir deutlich, dass sich darin auch leben befindet. Wahrscheinlich der Hengst. Kurz entschlossen schleiche ich mich in den Stall, bei dem ich eigentlich nur eine Tür aufmachen muss, um in den trockenen Unterstand zu kommen. Die Tür mache ich dann wieder zu und stehe direkt auf Stroh. Der Geruch von Pferdeäpfeln und Heu kommt mir entgegen und ich drehe mich zum inneren um.
Der Hengst beäugt mich erst misstrauisch und brummt ein wenig nervös. Die Ohren gehen in die verschiedensten Richtungen und der Schweif peitscht herum. "Hey, mein Junge.", flüstere ich und strecke eine Hand aus. Sofort gehen die Ohren nach vorn und er scheint mich wieder zu erkennen. Langsam gehe ich zu ihm und bleibe kurz vor dem schwarzen Tier stehen. "Dir geht es gut, ja?" Meine Stimme ist leise. Sanft. Und der Hengst beschnuppert meine Hand. Der warme Atem streift über meine kalten Finger und seine Schnauze geht zu meinem Kopf. Ich grinse und kraule seinen Hals. "Danke... Ohne dich wäre ich... Nun ja. Nicht Tod, aber zumindest um einiges schwerer verletzt und entführt."
Das Fell ist warm und auch hier drin ist die Temperatur vielleicht nicht unbedingt kuschelig warm, aber angenehmer als draußen. Erschöpft lehne ich mich gegen ihn und schließe meine Augen. Er bleibt still stehen. Rührt sich nicht. Ich bin froh, jetzt einfach nur etwas lebendiges bei mir zu haben. Wenn ich schon nicht mehr lebe... Langsam aber sicher wärmt sich mein Körper wieder auf. Nur die nasse Kleidung ist etwas hinderlich. Aber dagegen werde ich etwas tun, wenn ich Undertaker bescheid gegeben habe, dass ich ihm doch noch auf die Nerven gehen kann.
Zögerlich löse ich mich von dem Tier und kraule ihn noch ein letztes mal an seinem Kopf, ehe ich mich umdrehe und wieder aus dem Stall gehe. Die Tür schließend, empfängt mich der Regen und die kalte Luft. Meine Augen gehen hoch und ich schmunzle. Ein offenes Fenster. Und relativ gut zu erreichen! Entschlossen trete ich in den Regen und sehe auf meine Hände. Mal sehen, was ich als Mischling so alles anstellen kann. Mit den Augen suche ich mir vorher einen kletterbaren Weg und lege meine Hand auf den ersten Vorsprung, der sich mir bietet. Und jetzt heißt es nur noch: Klettern.
Ich merke zwar, dass ich irgendwie... schneller und auch gewandter bin, aber... viel Veränderung ist das nicht. Kurz vor dem Fenster stoppe ich und denke darüber nach, wie ich das Undertaker am besten beibringen kann... Doch das werde ich wohl besser spontan entscheiden. Das sind eh die Entscheidungen, die immer am besten verlaufen. Ich kralle mich am Fensterbrett fest und hänge mich daran, ehe ich mich ein wenig hochziehe und hinein sehe. Es ist das Gästezimmer. Schnell ziehe ich mich komplett hoch und schaffe es um einiges eleganter, nun in das Zimmer zu steigen. Jetzt bin ich gespannt.
Aus dem Augenwinkel sehe ich ein paar Schuhe. Oder eher ziemlich hochgeschlossene Stiefel. Ich blicke auf meine Schuhe hinab, die vor lauter Schlamm nur so strotzen und ziehe diese aus. Die neuen Stiefel sind zwar ein bisschen größer als meine normale Größe, aber das werde ich nachher eh wieder umändern. So leise wie nur irgend möglich, schleiche ich aus dem Zimmer und mache die Tür auch wieder zu. Ich habe keine Ahnung, wo Undertaker sich befindet. Ich will ihn überraschen. Da kommt es doof, wenn er MICH überrascht. In sein Zimmer gehe ich nicht. Also gehe ich leise die Treppe runter.
Unten angekommen, bleibe ich erst einmal still. Vielleicht höre ich ja irgendwas. Doch es ist still. Kann es sein, dass Undertaker ausgeschwärmt ist? Egal. Langsam lege ich meine Hand auf die Klinke der Tür, die zum Hauptraum führt. Meine Augen dürften auch etwas von der Teufelssicht haben. Als ich die Tür einen Spalt aufmache, kommt mir zuerst gähnende Dunkelheit und leere entgegen, ehe sich meine Augen an die schwärze gewöhnen. Ganz schwach kann ich alles erkennen. Mit den Augen eines Vollblutteufels würde man hier wahrscheinlich so sehen, als wäre es Tag. Aber beschweren sollte ich mich nicht. Gibt sonst Probleme.
Undertaker ist nicht hier, also schließe ich die Tür vorsichtig wieder. Ich richte mich auf und sehe den Gang entlang. In der Küche? Einen Augenblick lang, bewege ich mich nicht, ehe ich langsam einen Fuß vor den anderen setze und so wenig Geräusche wie möglich mache. An der Leichenkammer vorbei, die einen Schauer meinen Rücken hinunter gleiten lässt. Immerhin war ich da drin. Ich habe nichts gegen Leichen. Ist besser so, das manche sterben. Aber meine Erfahrung MUSS man jetzt nicht unbedingt haben. Dennoch gehe ich weiter in Richtung Küche und will sehen, ob der grauhaarige Bestatter sich vielleicht dahin zurückgezogen hat.
Kurz vor dem Türstock bleibe ich stehen und luke vorsichtig hinein. Doch auch hier ist er nicht. Seufzend entspanne ich mich und gehe einfach in die Küche, nachdem ich das Licht angemacht habe. Strom hat er hier ja zumindest. Wieso er das nicht in den Verkaufsräumen hat... wer weiß. Nicht wissend, was ich mit mir anstellen soll, setze ich mich auf den Platz, auf dem ich saß, ehe ich von Grell in die Zentrale gebracht wurde. Mit dem Rücken an der Wand lehnend, mein Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt und mein Kopf auf meiner Hand liegend. Die sauberen Schuhe über den Tisch hängend. So. Und was jetzt?
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