Böse Vorahnung
Zu meinem Glück ist alles ruhig und nichts ist verändert worden. Ich lüfte erst einmal und putze ein wenig. Das Haus ist hier und dort eingestaubt und ich hätte es hier gern wieder sauber. Auch die dreckige Wäsche, die ich von Undertaker als Übergangskleidung bekommen habe, wasche ich und hänge sie in der kleinen Waschküche auf. Die Stiefel werden geputzt und ich ziehe mich wieder um, ehe ich auch die neu abgeworfene Kleidung wasche. Ich starte einen kleinen Hausputz. Staube auch alles ab, schmeiße alles weg, was Nahrungsmitteltechnisch verdorben ist und behalte mir ein bisschen was an Brot. Als Alibi.
Bis zum Abend arbeite ich durch, habe auch alle Fenster geputzt und alles auf Hochglanz poliert. Es ist wirklich interessant zu sehen, was ich als Teufel alles in so kurzer Zeit hinbekomme! Normalerweise würde ich wahrscheinlich zwei Tage dafür brauchen. Ich habe das in wenigen Stunden geschafft. Zufrieden mit dem Tagewerk, setze ich mich in den Sessel unten im Wohnzimmer, habe mir ein gutes Buch geholt und das Licht angeschalten. Wir haben nur in der Küche und im Wohnzimmer Strom. Oben leider noch nicht. Aber das werde ich später vielleicht einmal installieren. Oder installieren lassen, denn ich habe keine Ahnung von dem Handwerk.
Unsicher, ob ich alle Fenster auch wirklich wieder geschlossen habe, stehe ich noch einmal ein wenig unruhig auf und überprüfe alles. Diese innere Unruhe die ich verspüre... sie setzt sich auch nicht wirklich als ich sicher weiß, dass alle Fenster zu sind. Habe ich etwas anderes übersehen? Ist noch etwas, was ich machen muss, das mir aber nicht in mein Gedächtnis kommen will? Ich bleibe erschrocken kurz vor dem Eingang zum Wohnzimmer stehen. Ist etwas mit Undertaker? Nie könnte ich mir verzeihen, wenn ihm etwas zustößt. Nie. Was würde ich ohne ihn machen? Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum.
Kurz entschlossen ziehe ich mir eine Jacke über das Hemd und ein paar Stiefeln an und lösche das Licht im Wohnzimmer. Irgendwas stimmt nicht. Aber ich weiß nicht was! Und wenn es bei Undertaker ist... Mit dem Schlüssel in meinem kleinen Münzbeutel, gehe ich in die kalte Nacht und sperre hinter mir zu. Das Gefühl wird immer bedrückender. Ein innerlicher Drang, etwas zu tun. Aber ich weiß nicht, was! Steht das im Zusammenhang mit dem Teufelsdasein? So einen Drang etwas zu tun, habe ich noch nie verspürt. Wenn ich wenigstens wüsste, WAS ich denn tun will oder soll. Das würde es erleichtern.
Von meinen eigenen Gedanken ein wenig verwirrt, streife ich durch die Nacht und durch die Gassen. Ich sehe vieles. Höre vieles. Aber es dringt nicht wirklich bis in mein Bewusstsein vor. Ich bleibe erst stehen, als ich vor dem Bestattungsinstitut bin. Erleichtert stelle ich fest, dass alles in Ordnung zu sein scheint. Keine Einbruchsspuren. Nichts. Ich will mich schon zum umdrehen bewegen, als mir ein Gedanke kommt. Ich könnte dem Hengst ja noch Hallo sagen, nicht wahr? Also schleiche ich mich zur Hinterseite des Gebäudes und passe auf, nicht allzu viele Geräusche zu machen. Leise mache ich die Stalltüre auf und sehe hinein.
Aber... da ist nichts. Kein Pferd. Ich sehe an die Seiten des kleinen Stalles. Das Sattel- und Zaumzeug ist ebenfalls weg. Stirnrunzelnd richte ich mich auf. Undertaker würde nie einfach so in der Nacht wegreiten. Oder so lange irgendwo anders bleiben. Außer... eine böse Vorahnung beschleicht mich und vermischt sich mit dem Drang, irgendetwas machen zu müssen. Phantomhive. Mein Vater. Undertaker wird doch nicht... Oder? Er wird ihm nichts von meinem Plan und meiner Situation sagen, oder? Leichte Panik kommt auf und ich trete Rückwärts wieder aus dem Stall. Mein Körper leicht zitternd. Ich muss dahin.
Ich lasse die Tür zum Stall einfach offen und laufe um das Gebäude herum. Und bevor ich irgendetwas überstürztes mache, gehe ich zur Tür des Instituts. Verschlossen. Misstrauisch sehe ich mich um und knie mich vor das Schloss. Keine Fenster sind offen. Das weiß ich. Teufel sollen doch gut im Umgang mit Materialien und Baustoffen sein. Wie gut können sie Schlösser knacken? Doch das wird schwieriger als gedacht. Ich habe weder Dietrich, noch sonst irgendetwas längliches und dünnes, um dieses dann... Warte. Ich fummle an meinem Münzbeutel herum und reiße diesen schon fast auf. Das war der Münzbeutel meiner Mutter. Und sie hatte immer Haarklammern dabei!
Den Inhalt schütte auf meiner Hand aus und sehe mir alles an. Münzen... Münzen... Der Schlüssel... Münzen... DA! Grinsend packe ich den Rest wieder in den Beutel und verstaue diesen, ehe ich mir das Schloss genauer ansehe und dann einfach nur so handle, wie ich es für richtig empfinde. Und wirklich bewusst mache ich hier nichts. Ist das die andere Seite von mir? Die teuflische? Ich weiß es nicht. Aber nach ein paar Minuten habe ich es geschafft und ziehe die verbogene Klammer wieder heraus. Überrascht sehe ich auf das Hilfsmittel und ziehe meine Augenbrauen hoch.
"Ich brauche auch ein paar von den Dingern.", murmle ich und stehe auf, ehe ich die Tür aufmache und diese hinter mir schließe. Im Hauptraum ist alles in einem Dämmerzustand für mich und meine Augen. Aber hier ist Undertaker nicht. Ich suche wirklich jeden Raum ab. Die Küche. Die Leichenkammer. Sein eigenes Zimmer, wobei ich mich hier irgendwie NICHT über den Sarg als Bett wundere. Das Bad. Das Gästezimmer. Nirgends ist er und wieder wird der Drang riesengroß. Und das Gefühl, dass Undertaker bei den Phantomhives ist, wird übermächtig. Gezogen von diesen Gefühlen, gehe ich raus und gehe zum Stadttor.
Dort begrüße ich die Nachtwache und gehe langsam durch das Tor. Die Männer sehen mir Misstrauisch hinterher, halten mich aber nicht auf. Als ich ein wenig auf Abstand zur Stadt bin, fange ich zu laufen an. Und zwar so schnell mich meine Füße tragen. Der Wind fegt mir durch meine Haare und zerrt an meiner Kleidung. Die nächtliche Umgebung fliegt an mir vorbei. Waldstücke, offene Wiesen. Ich laufe durch die Wälder und Teilstücken davon. Alles aus meiner Erinnerung heraus. Ich folge dem Weg, den Undertaker mir gegeben hat, bevor ich von Claude vom Pferd gerissen wurde. An jener Stelle komme ich auch vorbei und ignoriere die Erinnerungen an meinen Vater. Stattdessen laufe ich so lange, bis ich in der Entfernung ein Anwesen ausmachen kann, dass nach den Beschreibungen der Leute im Otter und Undertaker wohl das Phantomhive-Anwesen ist. Kurz bleibe ich stehen und betrachte es, ehe ich direkt darauf zu steuere.
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