Die Befreiung
"Ich werde auf meinem Zimmer sein und so tun, als würde ich nicht existieren", hörte ich Harry sagen. Verärgert kniff ich meine Augen zusammen. Wieso konnte er sich nicht einfach mal gegen seine Pflegefamilie wehren? Ich war schon das zweite Mal hier, und ich hasse sie immer noch so sehr. Sie erlaubten mir nicht, einen kurzen Rundflug zu machen und verboten Harry das Hausaufgaben machen. Dabei luden sie ihm noch mehr Arbeit auf, indem sie meinten, er solle die Küche aufräumen, die Treppen wischen oder den Rasen mähen. Die Leute regten mich mit ihrem magiephoben Verhalten dermaßen auf, dass ich in der Nacht öfters so einen Lärm veranstaltete, dass selbst Harry fast nicht schlafen konnte. Doch zum Glück lernte er in Hogwarts schon, meine Geräusche oder auch andere zu überschlafen. Den diesen Schlaf brauchte er dringend, da er meistens bis spät in der Nacht für das kommende Jahr lernte. Darauf war ich schon ziemlich stolz, da er in der Schulzeit wenig für seine Unterrichtsfächer gemacht hatte, doch es bereitete mir auch ein wenig Sorgen, da er dadurch noch weniger Schlaf bekam. Aber bald war ja wieder Schule, weswegen wir nur noch ca. 2 Wochen hier aushalten mussten. Gerade stürmte Harry in sein Zimmer, knallte die Tür hinter sich zu und ließ sich erschöpft auf sein Bett fallen. Heute war sein Geburtstag, doch er hatte keine Post bekommen. Weder von seinen Freunden, noch von Hogwarts. Ich hörte ihn leise in das Kissen weinen. Mein Herz schmerzte bei seinem Anblick und mein größter Wunsch war es ihm zu helfen. Ich wollte ihn trösten, ihm erzählen alles wird gut. Aber Harry durfte nicht wissen, dass ich die menschliche Sprache sprach. Wenn er so weiter machen würde, würde ich auch bald zum Weinen anfangen. Wieso musste er mit den Dursleys wohnen? Ich verstand Dumbledore nicht. Es gab so viele Menschen da draußen die Harry aufnehmen würden, doch sie mussten ihn an die Dursleys geben. Keinen einzigen Grund gab es, ihn in einem Heim zu hinterlassen, dass ihn hasste. Wütend über unseren Verbleib biss ich in die Metallstange und hangelte mich so am Inneren des Käfigs bis zu dem kleinen Türchen. So leise wie möglich öffnete ich es und zwängte mich hindurch um zu Harry zu gelangen. Ich flog den kurzen Weg zu Harrys Bett und klopfte ihm unbeholfen an seine Schulter. Er war so in seiner kleinen Selbstmitleidwelt, dass er meine trostspendenden Massageeinheiten auf seinem Rücken nicht bemerkte. Ich zog mit meinen Krallen irgendein Buch von dem großen Stapel neben seinem Bett und legte es vor ihn. Er sah es mit rotgeweinten Augen an und öffnete es. "Die Welt ist kein Ozean... das habe ich schon fünf Mal gelesen", lachte er auf. Zufrieden besah ich ihn. "Danke...Hedwig? Geh wieder in deinen Käfig zurück. Du weißt schon. Wenn Dudley oder Vernon dich entdecken bekomm ich Ärger und du weißt was das heißt", meinte er zerknirscht. Genervt rollte ich mit meinen Augen. Die Drusleys konnten mich mal. Aber natürlich musste ich nachgeben. Ich wollte nicht der Grund sein, weshalb Harry sich in der Nacht unruhig hin und her wälzen muss, weil jede Schlafposition wehtat. Auch hat er über die Zeit hier so sehr abgenommen, dass seine Wangenknochen schon deutlich hervortraten.
Geschockt riss ich meine Augen auf. Irgendetwas in diesem Zimmer verursachte einen unglaublichen Lärm. Schnell verschaffte ich mir Überblick. Harry saß neben seinem Nachtkästen und versuchte einen Hauselfen davon abzuhalten, sich mit der Leselampe den Kopf einzuschlagen. Was zur Hölle machte ein Hauself in LitteWinging? Der Krach hörte auf und ich beobachtete die Szene gespannt. Die zwei schienen zu diskutieren, aber ich bekam in meinem schlaftrunkenen Zustand nicht viel von der Konversation mit. Ich bekam nur noch mit, wie der Elf die Zimmertüre aufriss und die Treppe hinuntereilte. Harry stürmte ihm verzweifelt hinterher. Hilfsbereit wie ich nun mal war öffnete ich zum Zweiten Mal heute meine Käfigstür und stapelte langsam aber bedächtig die Bücher, welche bei der Diskussion umgefallen sind, auf. Ich besah das Zimmer und entschied, die Klamotten von Harry, die im ganzen Zimmer verstreut waren und faltete sie ordentlich auf in einen Stapel. Von unten hörte ich Vernon schreien, ignorierte dies aber geflissentlich und machte weiter. Erst als Harry mit einem gehetzten und tränennahem Gesichtsausdruck in das Zimmer stürmte und die Tür gewaltvoll verschloss. Mit tränenverschleiertem Blick starrte er mich einige Sekunden an. Ich starrte zurück, mit einem seiner T-Shirts in meinem Schnabel, bereit gefaltet zu werden. Schließlich fiel Harry schluchzend auf den Boden und bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. Prompt ließ ich das T-Shirt fallen und bedeckte ihn schützend mit meinen Flügeln in einer Art Umarmung. Von außerhalb klopfte jemand energisch an die Tür. Doch wieder ignorierte ich Vernon Dursley für seine unhöfliche Umgehensweise mit Harry. Währenddessen weinte Harry still in meine Brustfedern und obwohl ich es hasste, wenn diese nass wurden ließ ich es zu. Zögerlich bewegte ich ihn dazu auf sein Bett zu gehen. Dort legte er sich flach nieder und ich zog seine Bettdecke bis zu seinem Kinn hoch. Leise Tränen liefen aus seinen geschlossenen Augen über seine Wangen. Ich kuschelte mich neben ihn, stand aber dennoch aufrecht und wachte über ihn.
Anscheinend war ich wieder eingeschlafen, denn als ich aufwachte war es stockdunkel und jemand rüttelte an den Gitterstäben vor Harrys Fenster (die natürlich (wer hätte es erahnen können) unser "geliebter" Onkel Vernon angebracht hatte). Energisch zog ich an Harrys Haaren bis er aufwachte und sich schließlich aufsetzte. Seine Augen waren überraschenderweise abgeschwollen und nicht mehr sehr rot, doch an seinen Wangen klebten noch Tränenspuren. Er rannte an das Fenster und öffnete es. Davor stand oder eher schwebte ein blauer Ford. Aus dem Fahrer Fenster lehnte sich Ron heraus und befestigte ein Seil an den Gitterstäben. Harry und Ron redeten aufgeregt miteinander und ein weiterer Rotschopf beteiligte sich am Gespräch. Es war offensichtlich, dass sie Harry mitnehmen wollten. Also öffnete ich geschwind den Schrank und trug so gut wie möglich Harrys Klamotten und Habseligkeiten heraus und stapelte sie wiederrum auf das Bett. Als das erledigt war, hatten die Jungen schon das Gitter entfernt und zwei von ihnen kletterten in das Zimmer. Harry erklärte ihnen wo sein Besen und sein Koffer waren. Die Zwei öffneten leise seine Zimmertür und schlichen nach unten. Derweil räumte ich das Nachtkästchen aus und legte den gesamten Inhalt auf das Bett, sodass es leichter in den Koffer gelegt werden konnte. Ich umkreiste das Zimmer und hielt dabei Ausschau nach weiteren Habseligkeiten von Harry. Als meiner Meinung nach alles da war begab ich mich in meinen Käfig. Die Jungen hatten angefangen alles in die Koffer zu packen. Als sie endlich fertig waren, konnte ich schon Vernon im angrenzenden Zimmer murmeln hören. Harry war dabei in das fliegende Auto zu steigen als ein lautes Klopfen an der Tür seine Aufmerksamkeit stahl. Auch ich schrie jetzt. Er konnte mich doch nicht zurücklassen. Ich beobachtete ihn dabei, wie er mich endlich bemerkte. Mit flinken Schritten war er bei mir angekommen, nahm meinen Käfig und rannte zurück zum Fenster. Der Käfig mit mir innen wurde in den Kofferraum geschoben, wo ich leider nichts mehr sehen konnte. Ich konnte nur die Schreie von Vernon hören und das Rumpeln des Motors. Plötzlich setzte sich das alterschwache Gerät in Bewegung. Zufrieden, aus dem Höllenloch entkommen zu sein lehnte ich mich zurück und lauschte den Stimmen von Harry und Ron. Aufmerksam sah ich in die Nacht, als ich erst das offene Fenster bemerkte. Flugs zwängte ich mich aus meinem Käfig und flog ohne weitere Umstände in die laue Nachtluft. Nach der langen Zeit ohne viel Bewegung war es sehr befreiend durch den sternenbedeckten Himmel zu fliegen. Ich musste nur aufpassen, das Auto nicht aus den Augen zu verlieren.
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