Kapitel 7
Um Immi herum flüsterten verschiedene Stimmen, dass es sich beinahe wie das Brummen eines Bienenstocks anhörte. Zu den dunklen Stimmen der Drachenprinzen mischten sich auch die Stimmen von Lana, Doro und Enne. Obwohl sie wirklich leise waren, wäre es Immi lieber gewesen, wenn sie nur eine Stimme gehört hätte, doch Nielema war nicht bei ihr, was sie nciht verstand. Warum war er nicht hier?
Ihr Kopf und ihr Arm schmerzten und es dauerte einen Augenblick, bis sie sich bewusst wurde, was geschehen war.
Stöhnend richtete sie sich auf.
"Nielema!"
Irgendjemand drückte sie sanft an der Schulter wieder zurück.
"Keine Sorge, Immi. Calarion sucht Nielema schon. Er wird bald bei dir sein."
Sie öffnete die Augen und sah, wie sich Jefrandt über sie beugte. Er versuchte sogar ein Lächeln, das aber sehr ungewohnt wirkte.
"Ist er denn fort?", fragte sie.
Neben ihr saß Lana und hielt ihre Hand.
"Er schämt sich, Liebes und er will sich von dir fernhalten."
Immi runzelte die Stirn, was ihr wieder entsetzliche Kopfschmerzen einbrachte.
"Warum denn?"
Sie hielt sich stöhnend eine Hand an die Stirn.
Sie konnte sich noch daran erinnern, dass sie irgendwie bemerkt hatte, dass Nielema wütend wurde. Es war seltsam, denn sie war nicht einmal in seiner Nähe.
Langsam hatte es sich angekündigt und auf einmal hatte sie seinen unbändigen Zorn spüren können, als ob es ihr eigener war. So schnell sie konnte, war sie zum Übungsplatz gelaufen, aber es war schon zu spät gewesen. Fu stand statt Nielema dort und brüllte seine Wut heraus.
Sie wollte ihn rufen, aber sie bekam kein Wort heraus. Seine Wut war auch ihre Wut gewesen und schnürte ihr den Hals zu. Am liebsten wäre sie Töfur an den Hals gesprungen, der vor Fu stand und ihn weiter verhöhnte. Es war so eine enge Verbindung gewesen und es hatte sie auch gewundert, dass sie fähig war, solche Wut zu empfinden.
Es war eine ungeschickte Bewegung von Fu und sie hatte nicht aufgepasst.
"Er konnte nichts dafür. Das muss Calarion ihm sagen. Es war meine Schuld. Ich hätte nicht so dicht hinter ihm..."
Sie stöhnte, als ein stechender Schmerz durch ihren Kopf raste. Jefrandt legte ihr erneut eine Hand auf die Schulter.
"Im Moment würde er das nicht glauben, Immi. Er schämt sich und macht sich die größten Vorwürfe, weil er dich verletzt hat."
Immi schnaubte.
"Das war nicht seine Schuld, sondern die von Töfur. Ich denke, Töfur wollte, dass Nielema sich verwandelt und er hat auch gesehen, dass ich angerannt kam."
Jefrandt richtete sich abrupt auf.
"Bist du dir da sicher?"
Sie nickte.
"Natürlich. Er hat mir direkt ins Gesicht geschaut, als ich ankam und er wirkte, als ob er das erwartet hatte. Er hat sogar gelacht. Ob ihr mir glaubt oder nicht, er hat gewollt, dass Nielema mich verletzt. Calarion muss das wissen. Es war nicht Nielemas Schuld."
Jefrandt nickte, schien aber nichts weiter tun zu wollen.
Immi richtete sich auf.
"Ich muss zu Nielema."
Lana hielt sie auf.
"Du kannst nicht zu ihm. Er ist fortgeflogen."
Immi schaute zu Jefrandt.
"Du weißt, wo er ist. Ihr Drachen wisst immer, wo die anderen sind."
Jefrandt verzog sein Gesicht.
"Ich werde dich nicht fliegen, Immi. Nicht in diesem Zustand. Du hast dir heftig den Kopf gestoßen und dein Arm ist gebrochen. Ich habe keine Ahnung, was das Fliegen mit deinem Körper macht."
Immi seufzte verzweifelt.
"Ich muss zu ihm, Jefrandt. Er macht irgendetwas Dummes, wenn ich nicht davon abhalte. Er hat es doch schon getan und ist verschwunden."
Jefrandt schüttelte den Kopf.
"Was glaubst du, was er anstellt, wenn dein Zustand noch schlimmer wird? Nein, ich mache das nicht."
"Ich mache das."
Alle starrten zur Tür. Velion, der bisher kaum mit jemand geredet hatte, lehnte sich gegen den Türrahmen und nickte Immi zu.
"Bist du wahnsinnig? Ich weiß nicht, was geschieht, wenn sie mit dir fliegt."
Velion nickte.
"Das ist mir klar. Aber ich weiß auch, dass nicht mal Calarion fähig sein wird, Nielema davon zu überzeugen, dass es Immi gut geht und dass sie ihn bei sich haben will. Er wird von hier fernbleiben, nur weil er Angst um Immi hat. Sie muss zu ihm, verstehst du das, Jefrandt? Wenn Nielema nicht mehr hier ist, zerbricht unsere Einheit, die nun endlich vorhanden ist. Er ist wichtig für die Verteidigung. Und er ist wichtig für Immi. Ich habe so ein Gefühl, dass die Drachenjäger nicht aufgeben werden und deswegen brauchen wir Nielema hier."
Er ging zu Immi und reichte ihr die Hand.
"Ich werde vorsichtig fliegen und sie sollen dich an mich binden. Du hast vollkommen Recht. Du musst zu Nielema."
Immi nickte und nahm seine angebotene Hand.
"Ich werde schon nicht in Ohnmacht fallen, denn ich bin stärker als ich aussehe."
Velion lächelte leicht.
"Natürlich bist du das. Du bist die Braut des roten Drachen!"
Nielema hörte das Flügelschlagen, sah aber nicht hinter sich. Er blieb lieber auf dem Fels sitzen, auf dem er schon vor Stunden gelandet war.
Der Wind zerrte an seinem Körper und seine Fingerspitzen waren schon blau angelaufen und schmerzten, aber das war die gerechte Strafe dafür, dass er Immi verletzt hatte.
In seinem Kopf hörte er seine Brüder immer wieder nach ihm rufen, aber irgendwann hatte er nicht mehr hingehört. Eine Stimme nach der anderen verstummte. Sogar Fu konnte nicht mehr mit ihm sprechen.
Er war alleine und wollte es auch bleiben.
"Hau ab, Calarion!"
Sein Bruder legte ihm eine Decke über die Schulter, aber Nielema wischte sie wütend fort.
"Ich brauche keine Decke."
Wieder lag das Stück Stoff über seinen Schultern.
"Ich habe das Ding mitgeschleift, also behältst du es gefälligst auf deinen Schultern."
Calarion setzte sich neben Nielema und seufzte. Auch er hatte sich in eine Decke eingewickelt.
"Es tut mir leid, Nielema."
Nielema schaute Calarion fragend an.
"Was meinst du?"
Wieder ein Seufzen.
"Ich war nicht schnell genug am Schloss, um dich vor Töfur zu schützen. Ich muss zugeben, dass ich schon viel früher hätte eingreifen müssen, doch ich ahnte nicht, dass Töfur so einen Hass gegen uns hegt. Bisher dachte ich immer, er wäre einfach nur neidisch, weil er nicht als Drache geboren wurde."
Nielema senkte den Kopf.
"Das war es am Anfang bestimmt auch. Ich ahnte selbst nicht, dass er so einen Hass auf unseren Vater und alle Drachen hat. Selbst meine Mutter..."
Er erschauerte, als er an die sanfte Frau dachte, die ihn zur Welt gebracht hatte. Seine Mutter war in Nielemas Augen immer etwas Besonderes gewesen. Während sein Vater einfach nicht die Zeit hatte, sich immer um seine Kinder zu kümmern, war sie es, die sich die Sorgen und Ängste immer ruhig anhörte und auch meist eine Antwort darauf wusste. Sie war es auch gewesen, die den großen Garten hatte anlegen lassen, so dass die Drachenkinder mit den anderen spielen konnten, während sie sich mit den anderen Drachenbräuten zusammensetzte und Probleme besprach.
Lana erinnerte ihn an seine Mutter, deswegen hatte Nielema sofort gewusst, dass sie die Braut von Calarion werden würde.
"Ich verstehe nicht, wie er Mutter so beschimpfen konnte.", murmelte er leise.
Calarion nickte.
"Er ist wütend, weil sie gegangen ist."
Nielema hob seinen Kopf.
"Aber das wusste er. Jede Drachenbraut folgt dem Drachen. Das wird auch einmal bei uns so sein."
Calarion holte tief Luft.
"Wir wissen das, aber wir sind auch keine Menschen. Es gibt Dinge, die verstehen die Menschen nicht. Nicht einmal ich verstehe sie und ich bin der derzeitige Herrscher. Wir Drachen hinterfragen sie nicht. Wir nehmen sie einfach als Tatsache, oder nenne es von mir aus Tradition, hin. Dein Bruder ist nun mal ein Mensch und er kam noch nie mit den Dingen zurecht, die wir als selbstverständlich erachten."
Nielema schnaubte.
"Dennoch werde ich ihm nie verzeihen, was er Immi ...was ich Immi angetan habe."
Calarion schüttelte den Kopf.
"Du hast ihr nichts angetan. Es war ein Versehen. Ein unglücklicher Umstand. Töfur hat es provoziert und es ist dein gutes Recht, ihn deswegen zur Rechenschaft zu ziehen. Aber dafür musst du nach Hause."
Nielema senkte den Kopf.
"Das kann ich nicht. Ich kann nicht mehr zu Immi. Ich hatte solche Angst um sie, aber ich weiß, dass ich nicht gut für sie bin. Das, was heute passiert ist, könnte jederzeit wieder passieren. Sie ist so zart und ich bin...du weißt es selbst. Ich bin grob und brutal. Immi sollte sich jemand anderes suchen. Verflucht, ich hatte solche Angst, als ich sie sah. Sie lag unter dem Baum, das Blut floss aus ihrer Wunde und ihr Arm ist bestimmt gebrochen. Sie hat sich nicht bewegt und ich konnte sie nicht wecken. Ich habe ihr das angetan, Calarion!"
Sein Bruder fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
"Sie ist wieder wach, Nielema. Die Wunde blutet nicht mehr und den Arm haben wir geschient."
Nielema schnaubte.
"Du verstehst das nicht. Ich habe ihr das angetan und es kann jederzeit wieder passieren. Ich habe mir eingebildet, dass ich sie glücklich machen könnte, doch ich habe sie verletzt. Was passiert, wenn etwas Schlimmeres geschieht? Immi hatte Recht, Angst vor mir zu haben. Und auch Töfur hatte Recht. Ich bin ein Monster und werde es immer sein."
Eine Hand strich ihm sanft über die Wange und er erstarrte.
"Du bist kein Monster, mein Lieber."
Nielema sprang auf und konnte nur noch seinen beiden Brüdern hinterher schauen, die schon wieder in Richtung des Schlosses flogen.
"Verflucht! Das könnt ihr mir nicht antun!", brüllte er ihnen hinterher.
"Nielema.", hörte er Immis sanfte Stimme.
Er wollte sie nicht anschauen, denn dann würde er den Schmerz bestimmt vergessen, den er noch im Herzen trug.
Stattdessen schüttelte er seinen Kopf. Er hörte, wie Immi sich ihm wieder näherte.
"Nielema. Sieh mich an."
Immis Stimme klang immer noch sanft, obwohl sie schon einen strengeren Ton an sich hatte.
"Ich kann nicht.", flüsterte er.
Hinter ihm fluchte Immi so sehr, dass er nicht anders konnte, als sich erstaunt um zu blicken.
"Du verflucht sturer Mann! Was glaubst du wohl, wenn du vor dir hast? Ich will mit dir reden und du bewegst deinen Arsch gefälligst zu mir, damit ich dir sagen kann, wie gnadenlos dumm du dich gerade verhältst."
Er starrte sie an und ihr Zorn verflog. Wieder kam sie näher und strich ihm mit der linken Hand sanft über die Wange.
"Wir müssen dringend reden, Nielema."
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