Kapitel 4
„Wie Ihr auf meine Tochter hereinfallen konntet, wundert mich immer wieder. Asa ist eine Schlampe und das wird sie auch immer bleiben."
Faköle hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und hob nun eine Augenbraue. Dass gerade die eigene Mutter das von ihrer Tochter sagte, verwunderte ihn doch sehr. Diese Frau hielt nicht einmal inne, um sich mit ihm zu unterhalten, sondern tauchte Wäsche in einen Bottich und schruppte diese dann auf einem Waschbrett, während sie mit ihm sprach.
„Aber was soll ich da sagen. Asa sieht gut aus und sie hat schnell bemerkt, dass die Männer ihr Geschenke machten, wenn sie ihnen zu Willen war." Sie zuckte mit den Schultern. „Der Einzige, von dem sie sich mehr versprach und nicht so reagierte, wie sie wollte, wart Ihr, Prinz Faköle."
Die Augenbraue hob sich noch höher.
„Ihr wollt damit sagen, dass Asa eine Hure war?"
Die Mutter lachte bitter.
„Manchmal ist das eben erforderlich und es ist keine schlechte Tätigkeit gewesen. Für Asa war es das zumindest, bevor sie schwanger wurde."
Faköle schnaubte leise.
„Da sind wir beim Thema. Wieso hat sie mir ihren Sohn vor die Tür gelegt?"
Die Verbitterung der Mutter zeigte Faköle, dass Asa wohl wirklich sehr verzweifelt war. Zumindest ließ sie kein gutes Haar an ihrer eigenen Tochter.
„Ach, es ist ein Junge? Ich habe Asa rausgeworfen, als sie mir erzählte, sie habe einen Balg in ihrem Bauch. Sie heulte, weil Ihr sie durchschaut habt. Das Mädchen ist nicht gerade schlau. Um Euch eifersüchtig zu machen, hat sie sich mehreren Seemännern genommen, die vor einiger Zeit mit dem großen Handelsschiff ankamen. Sie weiß nicht einmal, wer der Vater des Balgs ist. Nun, es wäre sowieso zu spät gewesen, denn die Männer waren längst schon wieder weg und ich bezweifle, dass sich einer dazu bereit erklärt hätte, die Vaterschaft anzuerkennen."
Faköle stieß seinen Atem aus.
„Du hättest sie aufnehmen können. Immerhin ist sie deine Tochter."
Die Mutter schnaubte und lockte ihn mit einem Finger an die Tür in einen kleinen Wohnraum. Was Faköle in dem Raum sah, ließ ihn einige Momente die Augen schließen. Zwei kleine Kinder rannten herum. Ein Mädchen, dass schon beinahe eine Frau war, stand am Kamin und rührte in einem großen Topf. Es roch scharf nach Seifenlauge, wie auch in der Küche. Eine jüngere wickelte gerade ein Kleinkind und ermahnte die anderen doch endlich ruhig zu sein.
„Mein Mann ist ebenfalls Seemann. Er kommt zweimal im Jahr nach Hause, schwängert mich und haut wieder ab, sobald es ihm zu viel wird. Und was Ihr hier seht, sind nicht alle Kinder. Meine großen Jungs arbeiten am Dock, weil niemand sonst ihnen Arbeit geben will. Sie konnten nicht in die Schule, wie andere Kinder. Sie arbeiten hart und mehr als Jungs in ihrem Alter arbeiten sollten. Ich verdiene mein Geld durch Wäsche waschen und Asas Schwestern nähen günstig Kleider des niederen Adels. Wir kommen schon so kaum über die Runden. Wenn ich nun noch Asas Balg aufziehen soll, müsste ich ein anderes Kind aus dem Haus werfen, dass uns jetzt noch Geld nach Hause bringt. Asa selbst ist als Hure nicht mehr gefragt, seid ihr Körper nicht mehr so straff ist. Das ist die Realität, der ihr Prinzen nie ausgesetzt seid."
Faköle atmete tief ein und aus.
So etwas hatte er nicht geahnt.
Nun wunderte es ihn nicht, dass Asa den Jungen vor seinem Gemach ausgesetzt hatte. Sie war wirklich so verzweifelt, wie Kala es annahm.
„Wo ist Asa jetzt?"
Die Mutter zuckte mit den Schultern.
„Was interessiert es mich? Jetzt, da ich weiß, dass sie nicht nur so dumm ist und versucht hat, ihr Kind einem anderen Mann unterzujubeln, sondern mich vor der Königsfamilie blamierte, bin ich froh, dass sie weg ist. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben, wenn sie solche Schande über unsere Familie bringt."
Faköle nickte ihr zu und drehte sich dann um.
„Steckt den Jungen in ein Waisenhaus, Prinz. Asa will ihn nicht mehr haben. Er hat ihr nicht das gebracht, was sie wollte, also warf sie ihn weg. So einfach ist das."
Faköle wollte das nicht glauben. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Mutter sich gar nichts aus ihrem Kind machte. Aber auf der anderen Seite hatte er ja nun gesehen, wie Asa aufgewachsen war. Sie erfuhr niemals Mutterliebe, von ihren Männergeschichten ganz zu schweigen. Er vermutete, dass Asa bei den Männern immer Liebe suchte, sie aber nie fand. Faköle selbst hatte sie auch nicht gerade respektvoll behandelt. Er hatte sie benutzt und auch dafür bezahlt. War ihr Wunsch oder ihre Hoffnung, dass sie aufsteigen könnte, nicht auch etwas nachvollziehbar?
Während er durch dieses Viertel der Drachenstadt lief, in dem er zuvor nie gewesen war, fiel ihm auf, dass Asas Familie kein Einzelfall war.
Verflucht, wo war das Gold hin verschwunden, dass beinahe monatlich für Renovierungen oder Aufbau für solche Viertel von Calarion zur Verfügung gestellt wurde? Er selbst verwaltete die Finanzen des Reiches und hatte genau im Kopf, wieviel die jeweiligen Bürgermeister forderten.
Wo war das Geld, für das angeblich Schulen gebaut wurden? Wo waren die Instandhaltungen, die angeblich ausgeführt werden sollten? Es stank bestialisch hier und die Hütten waren eher Ruinen oder Bretterbuden. Hier konnte man doch nicht leben.
Verflixt, Calarion und er sollten sich einmal genauer ansehen, was mit dem Geld geschah. Mit rechten Dingen ging es hier nicht zu.
„Herr?"
Faköle blieb stehen und sah auf das Mädchen herunter, dass noch vor einiger Zeit ein Kind gewickelt hatte.
„Du bist Asas Schwester. Was willst du?"
Sie blieb vor ihm stehen und senkte den Kopf.
„Asa ist nach Halmund gegangen. Sie meint, dort hätte sie vielleicht die Möglichkeit einen Mann zu finden, der nichts von ihrer Vergangenheit weiß."
Faköle stieß seinen Atem aus. Die Mutter hatte wohl Recht. Ein Sohn würde Asa nur behindern auf der Suche nach einem Mann. Halmund war eine Stadt in den Bergen. Die Menschen lebten dort vom Bergbau. Die meisten hatten ihr Auskommen, aber man wurde nicht reich dort.
Er senkte den Kopf.
„Ich danke dir."
Die Kleine sah ihn mit großen Augen an.
„Wenn ihr ein Kindermädchen braucht, Herr..."
Den Rest des Satzes ließ sie offen. Er lächelte sie an. Offenbar sah sie eine Möglichkeit, der Armut zu entkommen und wollte sie nun ergreifen.
„Komm morgen früh ins Schloss. Richte dich aber darauf ein, dass du nicht so schnell hierher zurückkehrst."
Ein Strahlen erhellte das schmutzige Gesicht. Nein, das machte ihr wohl gar nichts aus.
„Melde dich bei Meister Fewin. Er ist für das Personal im Schloss zuständig."
Sie nickte heftig.
„Ja, Herr. Das werde ich machen. Gleich morgen früh."
Er lächelte sie an.
„Wie ist dein Name?"
Sie senkte den Kopf.
„Meriwan, Herr."
Er nickte.
„Gut, Meriwan. Dann wirst du ab morgen im Schloss arbeiten."
Kala summte leise und wiegte das Kind in ihren Armen.
Heute Morgen war sie aufgewacht und hatte erst eine Weile gebraucht, bis sie realisiert hatte, dass sie in Faköles Bett lag. Allerdings war der Kleine nicht mehr neben ihr und voller Panik war sie aus dem Schlafgemach gestürzt, nur um mit einem Faköle zusammenzustoßen, der lediglich seine Hose trug und den Jungen an seine nackte Brust drückte.
Er hatte den Kleinen aus dem Schlafgemach geholt, um sie noch etwas schlafen zu lassen. Das war wieder eine Geste, die sie beinahe dahinschmelzen ließ. Aber sie wollte nicht so schnell nachgeben. Vor allem, weil er grinsend zugab, dass er sie im Schlaf betrachtet hatte und dabei noch mit den Augenbrauen wackelte. Was fiel ihm nur ein?
Nach dem Frühstück war Faköle gegangen, weil er nach Asa suchen wollte.
Irgendwie hatte Kala ein schlechtes Gefühl dabei. Sie sah auf das kleine Wesen in ihren Armen und lächelte. Hoffentlich würde Asa ihn nicht wieder zurückfordern. Zwar nahm sie an, dass Asa verzweifelt war, aber tief in ihrem Herzen, nahm sie ihr das übel, dass sie ihren Sohn einfach aussetzte.
Die Tür ging auf und Faköle kam herein. Er sah nicht gerade sehr erfreut aus.
„Was ist geschehen? Will Asa den Jungen wiederholen?", fragte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme sehr ängstlich klang.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein! Sie ist nach Halmund gegangen. Laut ihrer Mutter will sie sich dort einen Mann aussuchen und der Junge ist ihr dabei nur im Weg. Ich werde morgen aber nach Halmund fliegen und sie zur Rede stellen."
Kala nickte und senkte dabei ihren Kopf, um Faköle nicht zu zeigen, dass sie erleichtert darüber war, dass er sie noch nicht gefunden hatte.
„Wenn du sie in Halmund findest und sie will den Jungen nicht mehr, was machst du dann?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Eigentlich wollte ich ihm Asas Mutter geben, aber nachdem ich gesehen habe, wie die Familie leben muss, kann ich das nicht mehr."
Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
„Ich wusste nicht, was für Zustände im hinteren Teil des Hafenviertels herrschen. Es ist dreckig, es stinkt und die Menschen haben nicht einmal einen Brunnen, um sich frisches Wasser zu schöpfen. Ich habe Kinder auf der Straße gesehen, bei denen ich erst dachte, ihre Haut wäre durch Dreck verkrustet. Aber es waren Hautkrankheiten, die sie immer wieder aufkratzen. Jedes Kind war zu dünn und Asas Mutter erzählte mir, dass keines ihrer Kinder Lesen oder Schreiben könnte."
Kala legte das Kind in die Wiege, die ihr ein Diener gebracht hatte und deckte es zu.
„Das verstehe ich nicht, Faköle. Calarion hat doch ein Programm ins Leben gerufen, dass eben genau solche Zustände verhindern soll."
Er lachte bitter.
„Seltsamerweise lassen wir eben für diesen Zweck dem Bürgermeister dieses Viertels auch jeden Monat einen Beutel mit Münzen bringen. Und er verlangt dennoch immer mehr."
Sie riss die Augen auf.
„Er veruntreut dieses Geld?"
Faköle nickte.
„Ja. Anders kann ich es mir sonst nicht erklären. Ich muss mit Calarion reden."
Sie hörte, wie er leise brummte und danach zur Tür ging. Doch kurz vorher hielt er an und reichte ihr seine Hand.
„Kommst du, Kala?"
Sie runzelte die Stirn.
„Wohin?"
Er seufzte.
„Ich vergesse immer, dass ihr Menschen die Drachensprache nicht beherrscht. Calarion will uns alle sehen. Auch den Jungen."
Sie runzelte die Stirn.
„Wieso mich und den Jungen? Hat er etwa vor..."
Faköle hob die Hand.
„Wenn du meinst, dass Calarion den Jungen weggeben will, so kann ich dich beruhigen. Er überlässt es mir, wie ich mit dem Kind weiter verfahre."
Erleichtert nahm Kala den Jungen aus seiner Wiege und folgte Faköle, der seine Schritte den ihren anpasste und neben ihr lief.
Nach einer Weile räusperte er sich.
„Wenn ich Asa finde und sie will den Knaben nicht, was soll ich dann tun?", fragte er leise.
Sie hob erstaunt den Kopf.
„Du fragst mich?"
Er schnaubte leise.
„Ich weiß, dass du meine Braut bist und du weißt das auch. Ich kann dir meine Entscheidung nicht einfach aufzwingen."
Sie nickte verwundert. So offen hatte er noch nie mit ihr geredet.
„Was wäre denn deine Entscheidung?"
Er holte tief Luft.
„Ich würde ihn gerne behalten, Kala. Es ist nicht mein Kind und eigentlich bräuchte ich keine Verantwortung übernehmen. Aber schaue ihn dir an. Er ist so klein und hilflos. Seine Mutter hat ihn einfach einem Fremden anvertraut und seine Großmutter ist hart und herzlos. Ich will ihn eigentlich zu keinem der beiden schicken."
Kala lächelte ihn an.
„Das möchte ich auch nicht. Aber noch liegt die Entscheidung bei dir, Faköle."
Er runzelte die Stirn.
„Warum? Weil wir noch nicht ineinander verliebt sind?"
Sie lachte bitter.
„Noch nicht? Du bist dir ja sehr sicher, dass ich mich in dich verlieben könnte. Im Moment bist du zwar auf einem guten Weg, aber ich kenne auch andere Seiten von dir und ich muss dir sagen, dass ich diese nicht gutheiße."
Er zog den Kopf ein, als ob er einen Schlag darauf bekommen hätte.
„Ich weiß, ich habe nicht den besten Ruf, Kala. Aber seit der Zeremonie habe ich keine Frau mehr berührt oder angeschaut."
Sie hob eine Augenbraue.
„Und Asa?"
Er schnaubte leise.
„Das war etwas anderes. Die Sache an sich war schon lange beendet, aber sie versuchte mich herein zu legen. Zuerst habe ich es ihr auch geglaubt. Stell mich deswegen an den Pranger, aber ich wusste nichts davon, dass wir Drachen unfruchtbar sind, bevor nicht alle ihre Braut gefunden haben. Asa wusste es auch nicht und dachte wohl, wenn sie ein Kind präsentiert, wird sie eine Drachenbraut werden."
Kala schüttelte ungläubig den Kopf.
„Sie wollte dir also ein Kind unterschieben? Meinst du, sie hat es darauf angelegt schwanger zu werden?"
Er nickte.
„Das meine ich. Aber nun frage ich dich, welche Eigenschaften von mir du ebenfalls nicht magst."
Sei stöhnte genervt.
„Es sind nicht die Eigenschaften, sondern eher deine Untaten. Du säufst und spielst."
Faköle lachte.
„Das letzte Mal, als ich gezecht habe, ist schon eine Weile her. Ich war etwas verzweifelt, weil Asa mir noch einmal von der Schwangerschaft erzählte und forderte, dass ich sie zur Frau nehmen sollte. Ich nahm es immer noch sehr ernst, da ich es nicht besser wusste. Wenn ich ehrlich sein soll, erinnere ich mich nicht an diese Nacht, aber so schlimm kann es nicht gewesen sein, denn ich erwachte in meinem Bett."
Kala schloss einen Moment die Augen, dann starrte sie stur geradeaus.
Er konnte sich wirklich nicht daran erinnern, dass sie es gewesen war, die ihn ins Bett gebracht hatte.
Und er erinnerte sich nicht...
„Moment mal." Er blieb abrupt stehen und hielt sie fest. „Ich habe in der Nacht gesoffen, daran kann ich mich noch erinnern. Wenn ich so gesoffen habe, wie ich annehme, warum war ich in meinem Bett? Meine Stiefel standen auch ordentlich an der Wand. Meine Tunika lag allerdings im Unrat Eimer und war völlig zerrissen." Er bewegte seinen Zeigefinger zwischen sich und Kala hin und her. „Und du hast mich in deinem Kopf gehört. Das passiert nur, wenn der Drache eine Verbindung zu seiner Braut aufgebaut hat."
Er wischte sich über das Gesicht.
„Was ist passiert, Kala? Wie kommt die Verbindung zwischen uns zustande?"
Sie hob ihre Schultern.
„Sag du es mir. Du bist der Drachenprinz."
Noch bevor er etwas erwidern konnte, ging sie weiter und drehte sich auch nicht mehr um, als er sie rief.
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