Kapitel 14
Es hämmerte wild gegen die Tür und das mitten in der Nacht.
Kala zog sich das Schultertuch enger um ihren Körper und lief am Springbrunnen vorbei zur Tür. Wenn derjenige nicht sofort damit aufhörte, würden alle Kinder wach werden und es würde wieder schwer werden, sie zu beruhigen.
"Ich komme ja schon! Nur Geduld."
Je näher sie der Tür kam, desto wilder wurde das Klopfen und nun hörte man auch das Weinen eines kleinen Kindes.
Kala schloss kurz die Augen und seufzte resigniert.
Nicht noch ein Kind.
Schon jetzt konnte sie die Arbeit kaum bewältigen, denn mit der neuen Hilfe waren auch gleich zwei neue kleine Mitbewohner gekommen. Diese beiden hatten zwar keine Behinderung, aber sie machten eben auch Arbeit, bis sich jemand erbarmte, sich ihrer anzunehmen.
"Hören Sie. Wir haben jetzt schon kaum Kapazitäten. Bringen sie doch das Kind in den Orden."
Sie löste den Riegel und stemmte sich gegen die Tür, die für eine Frau schwer auf zu bekommen war.
"Ich will meinen Sohn nicht loswerden. Ich will nur seine unglaublich sture Mutter dazu bringen, wieder nach Hause zu kommen."
Kala erstarrte einen Moment, aber Faköle nutzte diesen, um die Tür auf zu stemmen und in die Villa hinein zu schlüpfen.
"Faköle!", rief sie atemlos.
Er schloss die Tür wieder und drehte sich zu ihr um.
"Ja. Faköle. Dein Mann!"
Wenn sie vor einem Augenblick noch sprachlos war, so wuchs nun wieder ihr Kampfgeist.
"Du bist nicht mein Mann!"
Er schnaubte und drückte ihr Tamohan in die Arme.
"Das besprechen wir, sobald unser Sohn sich beruhigt hat."
Sie sah zu Tamohan, der erbärmlich schluchzte, sie aber nun anlächelte. Seine Tränen hingen immer noch in den Wimpern und sein Gesicht war knallrot.
"Was ist mit ihm? Ist er krank?"
Noch während sie fragte, befühlte sie seine Stirn, die nun zwar durch das Weinen warm war, aber nicht so heiß, dass es als Fieber durchging.
"Ich glaube nicht, dass er krank ist. Aber heute bekam er einen deiner Schals in die Hände und seither weint er ohne Pause. Er vermisst dich und ich kann ihn nicht beruhigen."
Sie summte leise und drückte Tamohan an sich, der seine Hände in ihre Haare grub.
"Wie ist das möglich? Ich war länger weg, als ich bei ihm war.", fragte sie nach einer Weile.
Faköle zuckte mit den Schultern. Er musste wirklich die ganze Nacht wach gewesen sein, denn er sah erschöpft aus. Dunkle Augenringe zierten sein Gesicht und an den Augenwinkeln konnte man feine Fältchen erkennen. Dennoch fand Kala, dass er immer noch ein gutaussehender Mann war.
Sie machte eine Kopfbewegung zu dem Wohnbereich der Villa.
"Ich werde versuchen, ihn zum Schlafen zu bringen. Du kannst dich dann auch ausruhen, bevor du wieder ins Schloss gehst."
Faköle schnaubte, folgte ihre aber dann.
"Das hättest du wohl gerne. Ich werde nicht ins Schloss zurückkehren. Nicht, bevor wir endlich in aller Ruhe geredet haben."
Sie seufzte leise.
"Du wirst hier keine Ruhe haben, Faköle. Es ist fast Morgen und die Kinder werden aufwachen. Ich habe keine Zeit, um mit dir zu reden, denn es wartet Arbeit auf mich."
Wieder schnaubte er.
"Bei Sonnenaufgang werden fünf Frauen hier ankommen. Ich habe sie gestern freigekauft."
Sie blieb stehen und starrte ihn an.
"Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier bin? Hat Calarion mich verraten?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nein! Bis gestern Abend nahm ich an, dass du außer Landes gegangen bist. Hätte ich gewusst, dass du ganz in meiner Nähe bist, wäre ich schon längst hier gewesen."
Kala runzelte die Stirn.
"Wozu? Ich habe dich freigegeben, damit du eine Frau bekommst, die zu dir passt."
Er schnaubte erneut.
"Diese Entscheidung, wer zu mir passt, kannst du ruhig mir überlassen.", murmelte er leise.
Sie traten in ihr Schlafgemach. Den Wohnbereich hatte sie für die anderen Frauen und Kinder aufgegeben. Dass sie nun mit Faköle alleine hier war, schien ihr doch etwas zu intim, aber sie wusste auch, dass er sich nicht abwimmeln ließ. Dieses Mal nicht.
Sie drehte sich zu ihm um, um wenigstens etwas Anstand in die ganze Sache zu bringen.
"Ich werde dich in den Wohnbereich bringen und Tamohan schlafen legen. Dann komme ich zu dir."
Er schüttelte bestimmt den Kopf.
"Nein, Kala. Ich werde dir überall hin folgen bis wir beide geredet haben. Ich habe keine Ahnung, ob du wieder durch einen Hinterausgang verschwindest, nur weil du nicht mit mir reden willst."
Sie brummte unwirsch.
"Das ist lächerlich."
Er hob eine Augenbraue.
"Ach ja? So lächerlich, wie es beim letzten Mal war? Du bist einfach abgehauen, Kala. Du hast Tamohan und mich alleine gelassen. Du bist einfach verschwunden, ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich zu erklären. Obwohl ich wirklich immer noch nicht verstanden habe, was falsch an dem war, was ich tat."
Sie nahm eine Flasche mit Ziegenmilch, die sie immer parat hatte und hielt sie Tamohan hin, der sofort einen großen Schluck trank.
Kala lächelte.
"Du kannst ja schon wie ein großes Kind trinken, mein Kleiner."
Fsköle nickte und lächelte stolz.
"Er hat nicht mehr an den Tüchern saugen wollen, also mussten wir das wie Männer lernen."
Sie fütterte ihn noch eine Weile, dann merkte sie, wie Tamohans Augen immer schwerer wurden. Sie küsste sanft seine Stirn und legte ihn in die Wiege, die ebenfalls für Notfälle in ihrem Schlafgemach stand. Sie deckte das Kind zu und wiegte es. Wenn sie ehrlich sein sollte, wollte sie sich nicht zu Faköle umdrehen und versuchte daher Zeit zu schinden.
"Kala! Wenn du dich nicht bald zu mir umdrehst, dann setzte ich mich direkt neben dich. Auf das Bett. Du hast also die Wahl. Ein ruhiges Gespräch mit Abstand und zwar jetzt sofort, oder ein Gespräch in unmittelbarer Nähe. Stell dir das nur vor, Kala. Du kannst mich hören, sehen, riechen vielleicht sogar spüren. Oder ist das dein geheimer Wunsch?"
Sie stand abrupt auf und zeigte auf die Sitzkissen am anderen Ende des Zimmers. Dort konnte wenigstens Abstand gewahrt werden.
Kaum saß Faköle, klatschte er schon in die Hände.
"Was machst du denn da?"
Faköle starrte etwas verwirrt zur Tür.
"Man erzählte mir etwas von Bediensteten..."
Sie lachte leise und stellte eine metallene Kanne auf einen Kohleofen, der noch glühte.
"Ich kann dir im Moment nur Tee anbieten, denn du wirst mich nicht in die Küche lassen. Solche Bediensteten wie im Schloss haben wir hier nicht. Lass den Frauen noch etwas Schlaf. Sie arbeiten wirklich hart."
Er schüttelte verwundert den Kopf.
"Aber...die Diener...ihr habt doch Diener."
Wieder lachte sie und holte zwei Becher und das Teepulver.
"Keine Diener. Es stimmt zwar, dass Calarion uns welche schicken wollte, aber ich überzeugte ihn davon, dass ich lieber Frauen für die Kinder benötige und zwar Huren, die sonst kein anderes Auskommen haben."
Faköle nickte.
"Sehr löblich, aber du dürftest Schwierigkeiten gehabt haben, sie von den Zuhältern frei zu kaufen."
Kala senkte den Kopf und seufzte.
"Du ahnst nicht, wie groß die Schwierigkeiten waren. Ich musste meinen gesamten Schmuck geben, um wenigstens eine Frau frei zu bekommen. Urala kam heute zwar, aber sie war böse zugerichtet worden." Wieder seufzte sie. "Wieder einige Tage, die Maloria und ich alleine auf die Kinder aufpassen müssen, auch wenn Urala nichts davon hören will."
Faköle beugte sich vor und nahm ihre Hand.
Es war keine böse Absicht oder Manipulation dahinter, das spürte Kala. Er wollte sie einfach trösten.
"Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen? Ich hätte dir schon früher helfen können. Wenigstens habt ihr ab morgen Hilfe.", meinte er leise.
Sie runzelte die Stirn.
"Das war kein Gerede? Es kommt wirklich Hilfe?"
Er nickte lächelnd.
"Ich bin nicht immer nur ein Egoist, der nur an sich oder die nächste Frau denkt, die er in sein Bett zerren könnte. Wenn ich ehrlich bin, habe ich jetzt schon lange keine Frau mehr ins Bett gezerrt und meine Verführungskünste beschränkten sich auf eine sehr alte Frau, weil ich eine Schüssel Eintopf wollte. Aber das musst du mir wirklich nachsehen, denn dieser Eintopf roch wirklich verdammt lecker und ich habe herausgefunden, dass Tamohan unheimlich gerne an hartem Brot herum lutscht."
Das Wasser im Kessel blubberte und Kala löste ihre Hand aus Faköles, um den Tee aufzugießen.
"Und wie komme ich jetzt zu der Hilfe?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Irgendwie musste ich mich doch bemerkbar machen. Eigentlich war mein Plan ganz anders. Lili schickt Thekla hierher. Thekla hat ihr damals bei den Drachenjägern geholfen und sie freut sich darauf, dir unter die Arme zu greifen. Sie hat sehr viel Erfahrung. Ich hörte natürlich davon, dass du Frauen freikaufen wolltest, also habe ich etwas nachgeholfen, denn die Ablösesumme war lächerlich hoch und hätte von dir nie bezahlt werden können."
Sie schnaubte.
"Also nahmst du es in die Hand, weil du ein Mann bist."
Er schüttelte ernst den Kopf.
"Ich nahm es in die Hand, weil ich ein Drache bin, dessen Frau in unverschämter Art und Weise von diesen Zuhältern beleidigt wurde."
Kala senkte den Kopf.
"Ich bin doch nicht mehr deine Braut und deine Frau erst recht nicht."
Faköle seufzte innerlich.
Diese Frau brachte es fertig und brachte ihn so in Rage, dass er sich beinahe spontan verwandelte. Im Moment konnte Kala nur froh sein, dass Kitrinos ruhig in ihm wartete, was passierte.
Er rieb sich die Nasenwurzel.
"Kala. Ich habe keine Ahnung, wie du darauf kommst."
Sie trank einen Schluck Tee.
"Ich habe Calarion gebeten, mich von der Verpflichtung der Drachenbraut zu befreien und dir eine passende Frau zu suchen, die auch willig ist, sich dir zu beugen."
Faköle hätte seinen Ärger am liebsten heraus gebrüllt, doch er wollte weder Tamohan, noch die anderen Kinder zu wecken.
"Wann, bitteschön, habe ich versucht, dir meinen Willen aufzudrücken? Meinst du, als ich Tamohan als meinen Sohn anerkannt habe und annahm, dass du seine Mutter sein willst? Wenn das so falsch war, entschuldige ich mich und wir werden eine Lösung finden."
Wieder nahm sie einen Schluck Tee und senkte den Blick.
"Ich will nicht, dass du Tamohan aufgibst. Nicht wegen mir. Ich liebe ihn und habe ihn sehr vermisst."
Faköle hob beide Hände.
"Was war es dann? Verflucht, Kala, ich kann mich nicht an unseren Kuss erinnern, aber ich habe es dir doch erklärt, dass es Kitrinos war, der die Kontrolle über mich übernahm. An dem Abend, als du so schnell verschwunden warst, wollte ich das nachholen. Ich wollte uns beiden eine wunderschöne Erinnerung schaffen. Ja, Nielema sagte mir, dass du Jasmin magst und dass du den Duft von grünen Äpfel liebst. Du hast mir das vorgeworfen, dass ich es nicht selbst herausgefunden habe. Aber du musst auch zugeben, dass ich dich erst seit einigen Tagen kannte und davon war ich auch in einer anderen Stadt, um Asa zu sprechen. Erkläre mir also, wie ich solche Sachen über dich alleine herausfinden kann, wenn wir kaum zusammen waren."
Sie zuckte zusammen.
"Wolltest du es denn wissen?", fragte sie leise.
Er schnaubte.
"Ob ich wissen wollte, was meine Frau mag und was nicht? Natürlich wollte ich das. Verflucht, Kala, ich bin kein Romantiker. Und ja, ich habe eine Vergangenheit, die mir mittlerweile auch peinlich ist. Aber ich habe seit der Zeremonie keine Frau angerührt. Ich ahnte, dass du meine Braut bist, obwohl wir gegensätzlicher nicht sein konnten, doch ich wollte mich anstrengen und ändern, damit du mehr in mir siehst, als den Mann, der sich wohl schlimmer als jede Hure verhalten hatte. Der bin ich nicht mehr. Für mich gibt es nur noch eine Frau, aber die ist immun gegen meine Verführungskünste und verschwindet, sobald ich nur versuchte, sie zu küssen."
Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein kurzes Haar.
"Es steht ein Krieg bevor, Kala. Ich will, dass du wieder zurückkommst, damit ich dich und Tamohan beschützen kann. Ich möchte wissen, dass es dir gut geht. Vielleicht magst du mich nicht, aber ich werde dich nicht drängen, dich zu mir zu bekennen. Auch wenn es mein größter Wunsch ist, dass ich dich wirklich an mich binden kann. Ich werde zufrieden sein, mit Freundschaft, wenn es dein Wunsch ist. Ich werde dir meine Gemächer zu Verfügung stellen und mich mit der kleinen Kammer daneben zufrieden geben, nur bitte bleibe in meiner Nähe."
Sie starrte ihn an.
"Du hörst dich so an, als ob du mich lieben würdest."
Ihre Stimme klang so leise, dass es beinahe schon ein Flüstern war.
Er nickte.
"Es hört sich nicht nur so an." Zart berührte er wieder ihre Finger, wie er es schon einmal getan hatte. "Ich will keine andere Frau und wenn Calarion mir mit einer ankommt, dann jage ich ihn zum Teufel."
Sie schluckte hart und verschränkte dieses Mal ohne sein Zutun ihre Finger mit seinen.
"Aber ich kann die Kinder jetzt nicht alleine lassen."
Eine zentnerschwere Last fiel von seinem Herz.
"Aber du wirst wieder zu mir kommen?"
Sie nickte leicht.
"Ja, das will ich. Obwohl ich wütend war, habe ich dich vermisst."
Er kniete sich vor sie und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Er betrachtete ihr Gesicht und prägte sich alles ein, damit sie sich in seinem Kopf einbrannte und nie wieder ging.
Erst dann legte er seine Lippen auf ihren Mund und küsste sie.
Dieses Mal spürte er sehr wohl, dass die Verbindung zwischen ihnen existierte. Kitrinos jubelte in ihm und es schien so, als ob sein Licht, dass er sowohl als Waffe, als auch als Hilfe verwenden konnte, alles um sie herum erhellte.
"Ich höre Stimmen, Faköle. Wer ist das?"
Er lachte leise.
"Das sind meine Ahnen, Kala. Sie sind mit uns einverstanden."
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