Kapitel 12
Kala betrachtete staunend die Eingangshalle ihres neuen Heimes.
Ja, sie stand tatsächlich in einer Eingangshalle, den es war eine große Villa, in der sie Calarion unterbrachte.
Kala hatte keine Ahnung, was sie mit diesem riesigen Haus anfangen sollte, denn sie lebte ja alleine. Aber es war wirklich hübsch. Mitten in der Eingangshalle befand sich ein flaches Becken, in dem ein Springbrunnen eingebaut war, der fröhlich vor sich hin plätscherte. Wenn man weiter ging, kam man in einen Innenhof mit einem Garten, der zwar kleiner als der Schlossgarten war, aber dennoch so viel Fläche bot, dass einige Kinder spielen konnten.
Sie lächelte traurig, wenn sie an Tamohan dachte, der hier bestimmt seine Freude hätte.
Eine Frau kam ihr entgegen. Sie war in ein langes Gewand gehüllt, dass bei jedem Schritt raschelte und so leicht aussah, dass Kala schon neidisch wurde, wenn sie an den schweren Stoff ihres Kleides dachte. In ihrer Nase steckte ein kleiner Ring und ihre Augen waren schwarz umrandet. Sie lächelte Kala entgegen und sobald sie vor ihr stand, ging sie auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden.
"Ich grüße die neue Herrin und Drachenbraut in dieser bescheidenen Behausung. Möge der Segen der alten und neuen Götter über uns kommen und uns beschützen."
Kala riss die Augen auf. Auf so eine Begrüßung, die eines Königs gebührte, war sie absolut nicht vorbereitet gewesen.
Sie räusperte sich einige Male, was ihr einen besorgten Blick der Frau einbrachte.
"Habe ich den König falsch verstanden? Er meinte, die Dame Kala würde hier leben und ich denke doch, ihr seid die Dame Kala."
Kala räusperte sich erneut.
"Ich bin Kala, aber weder eine Dame noch eine Herrin. Ich werde wahrscheinlich auch nicht mehr lange eine Drachenbraut sein."
Die Frau lächelte gütig.
"Da ihr nun in diesem Haus lebt, werdet ihr auch die Herrin dieses Hauses sein und ich werde euch dementsprechend behandeln."
Sie zeigte in einer eleganten Handbewegung auf eine steinerne Bank in der Nähe des Gartens und Kala folgte ihr.
"Mein Name ist Maloria, Herrin. Ich komme aus einem fernen Land und war zum Tode verurteilt worden, weil ich dem dortigen Herrscher nicht zu Willen sein wollte. Calarion gaukelte dem Herrscher vor, dass er Gefallen an mir finden würde und brachte mich hierher."
Kala starrte sie an.
"Aber...Lana..."
Maloria lachte.
"Er hegt nur freundschaftliche Gefühle für mich und hat sich mir nie in einer unkeuschen Weise genähert. Die Braut des Königs kennt mich selbstverständlich. Sie hat mich auch schon besucht, was eine sehr große Ehre für mich ist. Leider muss ich zugeben, dass ich oft einsam bin und ich froh war, als der König euch ankündigte." Sie machte eine kurze Pause. "Nun, wenn ich richtig verstanden habe, habt ihr Streit mit Prinz Faköle und wollt aus Eurer Pflicht entlassen werden?"
Kala nickte und senkte traurig den Kopf.
Maloria hob ihr Kinn mit zwei Fingern an.
"Oh, ich sehe, dass es noch viel Unausgesprochenes gibt, aber das werden wir schon hinbekommen. Im Moment braucht ihr Beschäftigung und der König hat mir schon eine Tätigkeit verraten, der ihr gerne nachgeht."
Sie stand auf und sofort strahlte sie fröhlich.
"Prinz Nielema. Was für eine Überraschung."
Kala sprang auf.
Nielema war hier?
Wurde er von Faköle geschickt?
Nielema grinste sie an.
"Ja und nein."
Kala runzelte die Stirn.
"Bitte was?"
Nielema lachte laut.
"Ich kann deine Fragen regelrecht in deinem hübschen Gesicht ansehen. Ja, ich bin hier, allerdings schickte mich nicht Faköle. Er weiß gar nicht, dass ich bei dir bin. Mein Bruder weiß überhaupt sehr wenig. Aber ich werde nicht mehr von ihm sprechen, denn ich sehe, dass es dir unangenehm ist." Er warf ihr ein Schwert entgegen.
"Ich finde, du hast schon zu lange deine Übungen vernachlässigt und da meine Wache unabkömmlich ist, werde ich die Übungsstunden übernehmen."
Sie fing das Schwert auf und verzog misstrauisch das Gesicht.
"Das ist aber kein Trick, um mich wieder mit Faköle zusammen zu bringen? Man kann nämlich nichts zusammenbringen, was nie zusammen war."
Nielema seufzte.
"Es ist kein Trick. Aber es könnte vielleicht auch sein, dass wir dich einfach mögen und dich, auf freundschaftliche Art natürlich, vermissen."
Wieder runzelte sie die Stirn.
"Wir?"
Er lachte.
"Morgen wird Kanoran dich besuchen. Natürlich nur, weil er dir einige Schriften vorbeibringen will. Die Frauen werden ebenfalls erscheinen und zwar alle. Anuwe hat auch schon zu verstehen gegeben, dass er mal in ein Haus will, in dem nicht andauernd gelogen wird und er seine Sinne ausruhen kann. Sehe es ein, Kala. Wir vermissen dich alle. Besonders einer, aber über ihn reden wir ja nicht."
Er schwang sein Schwert und Kala hatte Schwierigkeiten, den Schlag zu parieren, weil Nielema einfach sehr stark war.
"Jetzt trödel hier nicht herum und kämpfe gegen mich."
Und das taten sie dann auch, vor allem, weil Kala etwas ins Leben rief, bei dem sie alle Hilfe brauchen konnte.
Faköle lief durch das Hafenviertel, bei dem man endlich notwendige Änderungen sah. Der stinkende Abwasserkanal, der sich durch das komplette Viertel zog, war gesäubert worden und dank einer Pumpe floss nun sauberes Wasser bis in die unterirdische Kanalisation.
Die Menschen hier sahen nicht mehr verwahrlost aus, sondern sie schienen sich wieder bewusst zu werden, dass sie eben Menschen und keine Untiere waren, die nichts von Hygiene verstanden.
Man hörte überall Lachen, aber auch Fluchen, denn die Männer, die noch hier waren, halfen tatkräftig mit und achteten nicht immer darauf, was sie von sich gaben.
Faköle legte seine Hand über Tamohan, der in seinen Armen eingeschlafen war. Eigentlich blieb der Junge immer im Schloss, doch heute hatte Faköle Meriwan einen freien Tag gegönnt und seinen Sohn mit hierher gebracht.
Wenn er ehrlich sein sollte, wollte er auch die Reaktion der Hafenbewohner auf Tamohan beobachten, denn er konnte sich immer noch nicht sicher sein, ob sich Asas Mutter sich an die Vereinbarung hielt. Doch niemand schien sich darum zu kümmern, dass er mit einem kleinen Kind in den Armen in ihrem Viertel herum lief.
Er schlenderte umher und kam irgendwann zu dem kleinen Marktplatz, der aber im Moment eher als Treffpunkt genutzt wurde. Irgendjemand hatte eine Feuerstelle errichtet und die Frauen hatten große Kessel herbei getragen, um gemeinsam Suppe für die Arbeiter und die Bewohner zu kochen. Es roch so herrlich nach Eintopf, dass Faköle das Wasser im Mund zusammen lief.
Auch wenn er ein Prinz war, hatte er nichts gegen einen guten Eintopf einzuwenden.
Er näherte sich den Frauen, die kicherten und sich auf einmal ganz anders gaben, als noch vor seinem Auftauchen. Doch Faköle wollte nicht auf die Annäherungsversuche der Frauen eingehen. Ihm schwirrte nur eine Frau im Kopf herum und die war schon seit Wochen wie vom Erdboden verschluckt.
"Prinz Faköle! Was können wir für Euch tun?"
Eine sehr betagte Frau, die das Verhalten der anderen jungen Frauen offenbar missbilligte, stellte sich vor die anderen und sah ihn fragend an.
Faköle lächelte.
"Wenn ich ehrlich sein soll, dann zog mich der Geruch des Eintopfes magisch an."
Wie zur Bestätigung knurrte sein Magen und die alte Frau lachte.
"Ich verstehe. Ein junger Mann, wie Ihr es seid, braucht anständiges Essen. Besonders, wenn er so hart arbeitet, wie Ihr es tut."
Er winkte ab, aber die Frauen nickten bestätigend. Es war schon zu jedem Bewohner vorgedrungen, dass Faköle selbst mit anpackte. Dass er heute nur umherlief und nur kontrollierte, war eine Ausnahme.
"Setzt euch an den Tisch. Ich bringe Euch gleich eine Schüssel Eintopf. In einer Stunde wird es hier voll von ungehobelten Kerlen sein und Euer Sohn soll das Fluchen nicht schon jetzt lernen."
Sie strich Tamohan zart über den Kopf und zeigte auf die grob gezimmerten Tische und Bänke.
Es dauerte nicht lange, bis die Alte wieder mit einer Schüssel und Brot zu ihm kam. Wie selbstverständlich nahm sie ihm Tamohan ab und drückte dem Kleinen ein Stück Brotrinde in die Hand, die Tamohan sofort in den Mund steckte und daran herum lutschte.
Faköle riss erstaunt die Augen auf.
"Ich wusste gar nicht, dass er das schon darf.", entfuhr es ihm.
Die Alte lachte.
"Ihr seid noch ein junger Vater, Prinz. Beim zweiten Kind wird es schon besser werden und nicht alles wird euch erstaunen."
Faköle sagte lieber nichts dazu. Ohne Kala wird er wohl kein anderes Kind zeugen können. Wenn Calarion ihm versicherte, dass er Faköle bald eine passende Braut präsentieren würde, schüttelte er immer den Kopf. Er brauchte keine andere Braut. Die Natur der Drachen hatte immer alles geregelt. Wenn Kala nicht mehr zu ihm zurückkehrte, würde wohl eine Drachenbraut wieder Zwillinge bekommen.
Er löffelte den Eintopf aus, der wirklich sehr schmackhaft war. Es schwammen sogar Fleischstücke darin herum, doch Faköle wollte lieber nicht wissen, ob es Rattenfleisch war, was er gerade zu sich nahm.
"Ich hoffe, ich nehme niemanden das Essen weg, aber es schmeckt einfach zu gut."
Die Alte lachte krächzend.
"Nein, wir haben reichlich Eintopf. Euer Bruder, der schwarze Drache, hat uns gestern Wild gebracht, das er erlegt hat. Der blaue Drache schenkte uns letzte Woche Fische, die er aus dem Meer zog. Ihr nehmt niemand etwas weg, Prinz Faköle. Ihr Drachenprinzen versorgt uns sehr gut."
Er nickte und freute sich, dass auch seine Brüder den Ernst der Lage hier entdeckt hatten und die Menschen tatkräftig unterstützten.
Doch eines wunderte ihn.
"Als ich vor langer Zeit hier war, bemerkte ich viele Kinder, die wohl auf der Straße lebten, doch heute ist keines mehr hier. Helfen sie bei der Arbeit für Suppe?"
Das Gesicht der Alten wurde sehr sanft.
"Nicht alle, Prinz Faköle. Aber wir achten darauf, dass die Älteren in die Schule gehen, die ihr erbauen ließt. Sie kommen zum Mittagsmahl und helfen danach bei der Arbeit. Einige wurden schon von Familien aufgenommen, die es sich leisten können. Andere schlafen im Tempel bei den heiligen Frauen, die ihnen auch Milch und Brot morgens geben, damit sie nicht hungrig zum Unterricht müssen."
Faköle nickte zufrieden.
"Und die Jüngeren?"
Wieder diese sanfte Ausdruck auf dem Gesicht der Alten, als ob er doch genau wüsste, was geschah.
"Nun, die Jüngeren wurden verteilt. Es waren nicht mehr so viel, aber die heiligen Frauen haben Familien im Kern der Stadt gefunden, die gerne ein Kind aufnahmen. Wir mussten erstaunt feststellen, dass es diese Straßenkinder nur bei uns gab. Die meisten sind nicht einmal elternlos, sondern sie sind einfach eine zu große Belastung für die Familie gewesen. Erschreckend war, dass wir Kleinkinder gefunden haben, kaum drei Jahre alt, die den Großen immer hinterher liefen."
Faköle nickte.
"Die reicheren Familien werden sie gerne aufgenommen haben."
Die Alte holte tief Luft.
"Bis auf fünf Kinder, ja. Doch es ergab sich eine Lösung. Eine sehr wohlhabende Frau nahm sich der Kinder an und gab ihnen ein Heim. Was sie auf sich nimmt, ist uns allen bewusst, denn diese fünf Kinder haben verschiedene Gebrechen. Ein Junge ist blind. Die Beine eines Mädchens sind verkümmert und gekrümmt. Zwei sind von einer Krankheit im Kopf befallen. Sie lachen die ganze Zeit, aber es sieht, mit Verlaub, schrecklich aus, wenn sie es tun. Wir nehmen an, es sind Geschwister, denn sie gleichen sich. Nur einem Jungen konnte der Heildrachen noch helfen, aber es wird lange Zeit brauchen, bis er vollständig erholt ist. Doch die Frau hat sich auch seiner angenommen."
Faköle war froh, dass Velion wenigstens für ein Kind etwas tun konnte.
"Wer ist die Frau? Wo lebt sie?"
Die Alte zuckte mit den Schultern.
"Wir wissen nur ihren Namen. Sie kommt mit einer Gehilfin, um uns sogar jetzt noch zu helfen. Beide verschleiern immer ihr Gesicht, so dass wir nicht wissen, wie sie aussehen. Es fiel nur einmal ein Name. Maloria."
Faköle runzelte die Stirn. Er kannte eine Maloria, hätte sie allerdings nie so eingeschätzt, dass sie selbstlos Kinder mit Gebrechen bei sich aufnahm.
"Nun, ich bin nicht sicher, aber es könnte sein, dass ich die Dame kenne. Ich werde sie besuchen und ihr Unterstützung anbieten."
Die Alte lachte.
"Das braucht ihr nicht. Sie und ihre Gehilfin stehen unter dem Schutz des Königs und er sicherte den beiden auch schon Unterstützung zu."
Faköle wurde hellhörig.
Calarion nahm eine Frau unter seinen Schutz, die er zwar vor Jahren rettete, aber danach mit keiner Silbe mehr erwähnte? Das war wirklich seltsam. Er sollte mit Calarion reden. War Maloria seine heimliche Geliebte? Das würde Lana nicht gefallen und er traute es seinem Bruder auch nicht zu. Aber was war das für ein Geheimnis, denn bisher hatte Faköle nichts davon gehört.
Er musste mit Calarion in Ruhe darüber reden und herausfinden, ob es wirklich diese eine Frau war, die er im Kopf hatte.
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