Kapitel 23
Als Naoki auf den Hof hinaustrat, kam ihr sofort ein starker Wind entgegen und ließ sie nach oben sehen.
Dort war Shao. Seine minzfarbenen Schuppen schimmerten im Licht und Naoki staunte über seine Größe. Sie hatte angenommen, dass er kleiner war, aber da er einen großen Korb tragen musste, hatte er sich dafür entschieden, so groß wie möglich zu werden.
In seinen Krallen hielt er einen riesigen Korb aus Holz.
Naoki runzelte die Stirn, weil sie an dem Korb, der teilweise auch mit Flechtwerk gebaut war, etwas erkannte. Sie brauchte einen Augenblick, um zu bemerken, dass es eine Hand war, die durch das Flechtwerk gebrochen kam. Die Hand war kaum noch als solche zu erkennen, da die Haut abfiel und nur noch Knochen zu sehen waren.
Naoki schnappte nach Luft und ekliger, beißender Gestank füllte ihre Lunge, was für einen Moment dafür sorgte, dass ihr richtig schlecht wurde. Sie schwankte, während sie ihre Stimme suchte. „Nicht absetzen", brachte sie hervor, doch da war es schon zu spät.
Der Korb landete am Boden und in dem Moment brach der Untote heraus.
Mit weit aufgerissenen Maul rannte er direkt auf Naoki zu.
Diese erstarrte. Seolan packte sie und riss sie zur Seite. Die Zähne des Wesens streiften seinen Arm und hinterließen eine blutige Spur.
Nur wenig später erfüllte Feuer den Hof. Reolan spie es in dem Moment, in dem er erkannte, welches Ziel der Infizierte hatte. Das konnte er nicht zulassen.
Seolan schirmte Naoki mit ihren Körper ab, während Feuer sie einnahm. Er spürte an seinem Rücken ein Kratzen und dann erklangen Schreie. Der Geruch von verbranntem, vergammelten Fleisch wurde stärker und Naoki spürte, dass ihr Sichtfeld langsam schwarz wurde.
Neben dem, was um sie herum geschah, spürte sie, dass etwas aus dem Boden zu ihr vordrang. Etwas Kaltes, Dunkles.
Panisch stieß sie es zurück und krallte sich an Seolan, um ihre Verbindung zum Boden zu trennen.
Das Feuer ließ nach und Seolan sackte mit Naoki zusammen auf den Boden. „Alles in Ordnung?", fragte Reolan, der auf sie zugeeilt kam. Dann fluchte er. „Seolan, dein Rücken", brachte er hervor, als er erkannte, dass dieser bis auf die Schuppen zerkratzt war. Selbst diese hatte es erwischt und eine lag am Boden.
„Es geht", knirschte Seolan, der plötzlich von heftigen Schmerzen heimgesucht wurden. Instinktiv warf er Naoki von sich und in Seolans Richtung, bevor er sich vor Schmerzen krümmte. Seine Schuppen traten hervor und sein Körper begann, sich in den eines Drachen zu verwandeln, ohne, dass er es verhindern konnte.
Naoki krallte sich an Reolan fest, während sie zusah, wie Seolan sich in einen Drachen verwandelte.
„Irgendwas stimmt hier nicht", brachte Reolan hervor, der Naoki hinter sich schob und sich dann ebenfalls verwandelte.
Naoki stolperte rückwärts, während sie über die Asche kroch, die sie an ihren ersten Tag auf diesem Kontinent erinnerte.
Angst machte sich in ihr breit. Was geschah hier? Warum drehte Seolan so durch?
„Er ist infiziert", brachte Naoki hervor, die nicht glauben konnte, dass es so schnell ging.
„Bleib hinter mir", knurrte Reolan, doch Seolan griff nicht an. Stattdessen hob er ab und über seinen Körper zogen sich schwarze Streifen, die sich extrem schnell ausbreiteten.
„Wir müssen ihm helfen", rief Naoki, die sich aufrappelte und auf Reolan zulief. Ohne zu fragen, kletterte sie auf seinen Rücken. „Ich weiß, dass ich ihn heilen kann", sagte sie und hielt sich fest, als Reolan abhob.
Er war nicht begeistert, dass sie auf seinem Rücken saß, denn ein Kampf gegen Seolan war sehr gefährlich. Gleichzeitig konnte er ihn nicht einfach töten. Er war sein Bruder! Wenn es eine Heilung gab, dann würde er alles tun, um ihn zu retten.
Hin und hergerissen, ob er Seolan retten oder Naoki beschützen sollte, erhob er sich in den Himmel.
„Wir müssen ihn zum Landen zwingen", flüsterte Naoki zu sich selbst. Sie brauchte den Kontakt zum Land. Hier in der Luft wäre ihre Kraft nicht stark genug.
„Das könnte ein Problem werden", bemerkte Reolan, der Seolan folgte. Dieser flog schnell und zügig vom Schloss weg. Direkt in Richtung Gebirge, wo die Drachen ihr Zuhause hatten.
Naoki krallte sich an Reolan fest, während sie eine andere Lösung suchte. „Wie nah kommst du an ihn heran?", fragte sie angestrengt. Wenn sie nah genug dran war, konnte sie es vielleicht schaffen, ihn bewegungsunfähig zu machen.
„Wenn ich mit ihm kämpfe, wirst du verletzt", sagte er angespannt.
„Egal. Ich kann mich heilen. Wir müssen ihn aufhalten", rief Naoki aufgebracht. Jetzt war nicht der Moment, um an sich zu denken. Wenn Seolan das Gebirge erreichte, würde er dort alle infizieren.
Reolan wurde schneller und holte Seolan langsam ein. Dabei bemerkte er, dass die Schwärze ihn mittlerweile völlig eingenommen hatte.
Das veranlasste Reolan, sein Maul zu öffnen und einen Feuerball zu sammeln. Er würde Seolan nicht töten, doch vielleicht dazu bewegen, langsamer zu werden.
Gezielt schoss er diesen gegen Seolans Flügel, der nicht einmal auswich.
Der Feuerball krachte gegen den Flügel und sorgte dafür, dass Seolan wirklich langsamer wurde. Er drehte sich um und startete einen Gegenangriff. Den Feuerball in seinem Maul vorbereitend schwebte er fast in der Luft.
Reolan knurrte, bevor er auswich. Er durfte sich nicht treffen lassen, sonst würde Naoki verletzt werden.
Sorge, dass sich Naoki nicht halten konnte, machte sich in ihm breit, doch sehr schnell bemerkte er, dass sie saß, ohne Probleme zu haben. Sie ging sogar soweit und bereitete einen Zauber vor, den sie noch im Ausweichen in Seolans Richtung warf.
Diesen hatte Shao ihr beigebracht. Er würde nicht viel ausrichten, doch das schleimige, klebrige Material, das die Flügel von Seolan trug, konnte in der Menge hoffentlich dafür sorgen, dass seine Bewegungen eingeschränkt waren.
Allerdings kam sie nicht so weit, denn Seolan krachte gegen Reolan und beide Drachen schlugen mit ihren Krallen aufeinander ein.
Naoki überkam Panik, dass sich Reolan ebenfalls infizierte und sie leitete ihre Magie in ihn. Dort spürte sie jedoch nur ein heftiges Feuer, das dafür sorgte, dass das Gift, das in ihn eindrang, vernichtet wurde.
Ein erleichtertes Seufzen überkam Naoki, da sie sich wenigstens um Reolan keine Sorgen machen musste. Nur wie sollte sie Seolan retten?
Beide Drachen verkeilten sich regelrecht ineinander, während sie in der Luft versuchten, dich gegenseitig zu verletzen und Richtung Boden zu manövrieren.
„Versuch ihn zu heilen", rief Reolan Naoki zu, die sofort ihre sichere Position im Nacken des Drachen aufgab und über dessen Kopf kletterte, um Seolan zu erreichen.
„Oh Mutter Erde", begann sie, sodass sich Licht um sie herum sammelte. Sie konnte jedoch nur die Kraft ihres eigenen Körpers nehmen und sie in Seolan leiten. Ihr war klar, dass das nicht reichen würde. Daher versuchte sie, die Flügel zu lähmen, sodass er landen musste.
„Meine Kraft reicht nicht", keuchte sie angestrengt, denn die Infektion war zu stark. Sie kam nicht hindurch. Entweder sie heilte ihn oder aber ihre Kraft wurde immer wieder aufgefressen.
„Dann nutz meine Kraft. Zieh sie aus mir, wie du es aus dem Boden machst", wies Reolan an.
Es war das einzige, was ihm im Moment einfiel.
Naoki wusste nicht, ob die Idee gut war, doch sie hatte keinen anderen Vorschlag.
Nicht so ganz überzeugt schloss sie die Augen und spürte Reolan unter sich. Sie griff nach dem Feuer, das er in seinem Inneren hatte, bevor sie eine Verbindung zu Seolan aufbaute. Er fühlte sich kalt an, doch irgendwo war noch immer die sanfte Brise, die sie sonst mit ihn in Verbindung brachte.
Naoki hatte das Gefühl, dass sie in Seolans Innere gezogen wurde. Kälte umfing sie und um sie herum wurde alles dunkel, während sie das Gefühl hatte, schwerelos zu sein.
So etwas war ihr noch nie passiert. Wo war sie hier? Was geschah hier?
Panisch sah sich Naoki um und entdeckte etwas, das aussah wie ein riesiges, schlagendes Herz aus roten, immer wieder aufleuchtenden Schnüren.
Naoki erstarrte und betrachtete das Herz. Es fühlte sich kalt an und wenn Naoki das richtig sah, dann war dieses Herz die Krankheit in Seolan. Als sie den Mut fasste, um näher heranzugehen, entdeckte sie tatsächlich Seolan, der von den Schnüren umschlungen war und verschluckt wurde. Das konnte sie nicht zulassen!
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