Kapitel 21
Reolan und Seolan dicht an seiner Seite betrat Naoki den Raum, in dem einer der Infizierten eingesperrt war. Er war an einen Stuhl gefesselt und knurrte sie wütend an, als sie den Raum betraten.
Der Gestank war unangenehm, sodass Naoki ihren Arm hob, um damit ihre Nase zu bedecken. Trotzdem lief sie näher. Wer hatte ihn gefesselt? Hoffentlich war derjenige nicht infiziert worden. Sie wollte nicht noch mehr Verletzte haben.
„Ein Test", sagte Reolan ernst.
Naoki nickte. „Ja." Obwohl sie gern wollte, konnte sie nicht alles auf eine Karte setzen. Wenn sie ihn heilte und danach zusammenbrach, würden die anderen darunter leiden. Dennoch wollte sie wissen, ob es überhaupt möglich war. Wenn ja, dann konnten sie die stark Infizierten sammeln und nach und nach heilen, sobald andere geheilt waren. Immerhin konnten die Menschen nicht sterben. Zumindest nicht, wenn sie diese nicht zum Teil heilte oder man sie verbrannte.
„Bitte geh nicht zu nah heran", bat Seolan besorgt, der nicht von ihrer Seite wich.
Reolan hingegen blieb an der Tür stehen, ließ sie aber nicht aus den Augen.
Naoki verzog ein wenig den Mund. „Ich würde gern probier-", bevor sie jedoch zu Ende sprechen konnte, zischten beide Männer sie an.
„Auf gar keinen Fall", sagte Reolan sofort ernst. „Wir haben dir schon erlaubt es zu versuchen, aber so weit wirst du nicht gehen." Seine Worte waren harsch, doch es sprach Sorge aus ihm. Trotzdem bereute er sie, als er sah, wie Naoki zusammenzuckte und die Schultern hängen ließ.
Reolan zögerte, entschied sich dann aber dagegen, sie zu trösten. Es war besser, wenn sie lernte, dass ihr eigenes Leben wichtiger war. Selbsterhaltungstrieb hatte sie seiner Meinung nach nicht. Daher würde er dafür sorgen, dass sie am Leben blieb.
Naoki atmete aus und machte einen weiteren Schritt auf den ehemaligen Mensch zu. Dieser sah aus, als würde er bei jeder Bewegung zerfallen. Sie konnte sogar Sehnen und Knochen erkennen. Es war widerlich, doch sie hielt durch. Wenn sie die Dinge vom letzte Mal richtig einschätzte, dann war sie auf der richtigen Spur, musste sich aber beeilen. Es brachte nichts, nur einen Teil von ihm zu heilen. Dazu saß die Krankheit zu tief.
„Oh Mutter Erde", murmelte sie und ließ ihre Magie wirken. Sie drang dieses Mal direkt in den Mann ein und sofort begann Naoki mit der Heilung, während sie nebenbei weiterhin die Kraft der Erde und Sterne anrief.
Dieses Mal war sie weniger perfekt und dafür schneller. Kleine Fehler würde sie später beheben können. Zumindest hoffte sie das.
Ihre Magie heilte die Innereien, Adlern, Knochen, Sehnen und schließlich das Fleisch und die Haut.
Naoki spürte bereits das Zittern ihrer Beine, da sie ihr Körper seine eigene Magie nutzte, um die Heilung zu beschleunigen. Ihr fiel jedoch nicht auf, dass dieser dabei rapide abmagerte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, in denen sie mehrere Kilo abnahm. Dann erfüllte sie die Kraft der Natur und sie nahm wieder zu.
Seolan musste Reolan zurückhalten, denn dieser wollte jedes Mal, wenn ihre Arme aussehen wie Stöckchen, vorstürmen und die Heilung stören. Allerdings hatte Seolan versprechen müssen, dass er nicht zuließ, dass sie gestört wurde. „Denk daran", flüsterte er Reolan zu. „Die Heilung zu stören kann ihren eigenen Körper sehr stark schädigen." Diese Warnung hatte Naoki ihnen auf den Weg gegeben. Sie verstand ihre Soge, doch sie wollte ihnen nicht noch mehr Ärger machen, indem sie durch eine Störung ausfiel. Denn dann konnte es passieren, dass die Magie ihren Körper füllte und nicht austreten konnte, um zu heilen. Dann würde es ihren Körper zerreißen. Etwas, was sie überlebte, aber nicht in gutem Zustand. Danach wäre sie mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen unfähig zu heilen.
Reolan knurrte. „Sieh sie dir doch an", sagte er und ballte seine Hand zur Faust. Es schmerzte ihn, sie so zu sehen, doch er wusste, dass er nichts dagegen tun konnte.
„So sind Heiler nun einmal", sagte Seolan beruhigend. „Sie setzen immer ihr eigenes Leben ein." Auch ihm passte der Anblick nicht, doch er wollte nicht riskieren, noch mehr Schaden anzurichten. Er vertraute darauf, dass Naoki wusste, was sie tat.
Schließlich erlosch das Licht und Naoki rutschte zu Boden.
Sofort riss sich Reolan los und kam zu ihr, um sie vorsichtig, wärmend, in den Arm zu nehmen.
Erschöpft lehnte sich Naoki an diesen, bevor sie den Mann auf dem Stuhl betrachtete. Seine Haut war wieder normal und er sah menschlich aus, wenn man davon absah, dass er dürr war und seine Haare alle ausgefallen waren, bis auf eine einzelne, fingerbreite Strähne. Obwohl er sich nicht rührte, konnte Naoki spüren, dass da Leben war.
Reolan packte Naokis Hand und streichelte diese mit dem Daumen sanft. „Du solltest dich ausruhen", sagte er ernst.
„Ich muss die Heilung beobachten", murmelte Naoki erschöpft.
„Ich hole ihr etwas zu Trinken", bemerkte Seolan, der den Raum verließ und draußen ein Dienstmädchen anzuweisen, etwas zu besorgen.
Als er wiederkam, bemerkte er, dass Reolan Naoki dazu gebracht hatte, sich etwas hinzulegen. Ihr Kopf ruhte auf seinen Oberschenkeln, doch ihre Augen waren offen und auf den Mann gerichtet. „Denkst Ihr, dass er überlebt?", fragte sie leise.
„Ich würde es mir wünschen", erwiderte Seolan, während Reolan schwieg. In diesem Moment war er egoistisch, denn erwünschte sich, dass der Mann starb. Dann würde Naoki nicht noch einmal eine solche Heilung vollziehen. Ihr Anblick dabei machte ihn wahnsinnig, denn davor konnte er sie nicht bewahren. Zudem hörte er an ihrer schwachen Stimme, dass sie Schmerzen hatte.
„Kann jemand ihn beobachten?", fragte Naoki, die wusste, dass sie nichts mehr für ihn tun konnte.
„Ich werde jemanden abstellen", versprach Seolan, als die Tür geöffnet wurde und Terna eintrat. Sie trug ein Tablett mit warmen Tee.
„Eure Hoheit", sagte sie und stellte das Tablett bei diesem ab, bevor sie leicht knickste.
„Danke Terna. Bringe mir jemanden, der auf diesen Mann aufpasst", wies Seolan sie an und deutete mit dem Kopf auf den Gefesselten.
Terna hob kurz ihren Blick, weil sie befürchtete, sich zu ekeln, doch dann erkannte sie, dass er gar nicht mehr verfaulte. Ihre Augen weiteten sich und für einen Moment vergaß sie ihre Aufgabe und starrte den Mann nur an. Allerdings fing sich Terna schnell wieder, knickste und eilte hinaus, um jemanden zu finden. Dabei klopfte ihr Herz aufgeregt und Hoffnung machte sich in ihr breit. Der Mann, der vorher noch todkrank gewesen war, sah aus, als wäre er geheilt.
Hatten sie vielleicht doch noch eine Chance, diese Seuche zu überleben? Diese Frau musste der Himmel geschickt haben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro