4. Kapitel
Wasserstoffblonde Verarsche
Debbie strahlte sie beide an, als wären sie allesamt alte Schulfreunde, die sich nur ganz zufällig in einem Nachtclub getroffen hätten. Sherlock fiel auf, dass sie Kontaktlinsen trug, denn ihre Augen leucheten genauso weiß wie ihre Lippen. „Kommt, ich lade euch auf einen Drink ein!"
An der Bar schielte der Barkeeper mistrauisch zu Debbies Begleitung. „Kennst du die beiden Typen, Gloria?", fragte er.
„Na, und ob ich die kenne! Das sind alte Bekannte von mir. Gibst du uns vier alkoholfreie Drinks aus?"
Der Barkeeper wurde etwas lockerer. „Wieso ohne Alkohol?", neckte er sie.
„Weil ich nachher noch fahren muss, Süßer. Deswegen."
Der Barkeeper grinste sie an. „Vier alkoholfreie Drinks also. Geht klar."
„Also, Leute. Wie geht es euch?", fragte Debbie überschwänglich. Sherlock setzte zu einer patzigen Antwort an, doch irgendetwas an Debbies mahnendem Blick schien ihn tatsächlich zurückzuhalten. Es schien, als wollte sie sagen: ‚Spielt lieber mit, wenn euch euer Leben lieb ist!'
„Oh, ganz gut", antwortete John und lächelte sie schief an. „Und bei dir so?"
„Naja, kann ich jetzt nicht so ganz sagen", sagte Debbie wahrheitsgemäß und nahm den Drink entgegen, den der Barkeeper ihr reichte.
„Wieso eigentlich?", fragte Blade neugierig und stützte sich an der Theke ab.
„Ach, weißt du, Blade, es hat seine Vor- und Nachteile, hier zu arbeiten. Einerseits hast du Spaß beim Singen, lernst neue Leute kennen und genießt kostenlose Drinks", grinsend nippte sie an ihrem Glas, „andererseits wirst du aber auch von allen Seiten angebaggert und du kommst erst so spät nach Hause, dass du den halben Tag verschläfst. Mein Schlafrhythmus ist eine einzige Katastrophe."
„Wie sieht er denn aus?", fragte John. „Ich könnte dir vielleicht ein paar Tipps geben, ich habe nämlich seit ein paar Jahren hier eine eigene Praxis."
„Oh, ein paar Tipps wären wirklich nicht schlecht", bedankte Debbie sich und trank erneut einen Schluck. „Ich bin immer so circa um halb eins im Bett, einschlafen tue ich meistens sofort, und aufstehen ist bei mir in der Regel so um zehn oder elf Uhr morgens."
„Also schläfst du im Durchschnitt neun Stunden am Tag. Nun, das ist eigentlich gar nicht mal so schlecht. Musst du tagsüber arbeiten?"
„Nein, eigentlich nicht. Das Einzige, was ich tagsüber erledige, ist Besorgungen machen."
Sherlock wusste sofort, dass sie log. Er hatte von Anfang an erkannt, dass sie sich nebenbei als Autorin betätigte und an ihrem Laptop verschiedene Bücher schrieb. Grund für diese Vermutung waren Debbies schlanke Finger, die ständig in Bewegung waren, was darauf zurückführte, dass sie oft über die Tastatur ihres Laptops flogen. Noch dazu waren ihre Finger ungewöhnlich gelenkig und kräftig, was zeigte, dass sie Hobbypianistin und somit geübt im schnellen Tippen war.
„Hey, warum starrst du so auf meine Finger?", fragte Debbie in einem Tonfall, in dem sie eigentlich nur mit Freunden sprach. Doch jetzt galt es, Blade weiszumachen, sie würden sich alle schon ewig kennen.
„Eine Frage, Jungs. Könnt ihr mir irgendetwas über Gloria erzählen? Sie hat noch nichts von sich preisgegeben, mal abgesehen von ihrem Vornamen."
Debbie lachte. "Kannst du vergessen, Schätzchen. Ich bleibe verschlossen."
"Sie hat wasserstoffblonde Haare, pechschwarze Augen und eine Vorliebe für Jogginghosen."
Debbie starrte ihn empört an. "Sherlock! Halt gefälligst den Mund!"
Sherlock hob einen Mundwinkel. "Tja, Gloria."
Blade grinste und musterte Debbies Gesicht. "Hm, wenn ich mir das so vorstelle, dann siehst du eigentlich nur noch heißer aus. Glatte oder lockige Haare?"
"Glatt", erwiderte John. Debbie legte ihren Kopf schief und sah ihn mahnend an. "John, was soll das?"
Doch da war etwas in ihrem Blick, ein kleiner, dankbarer Funke.
„Also, dann erzählt doch mal. Was habt ihr in letzter Zeit so getrieben?"
Oo.oO
Als Debbie hinter den beiden Jungs in die Wohnung trat, nahm sie sich einen Moment und blickte sich um. Durch ihre leicht verrutschten Kontaktlinsen war alles etwas schummrig, aber das war momentan ihr kleineres Problem. Die Leichen in ihrer Wohnung ließen sie nicht los.
„Nun denn, Miss Johnson", sagte John und deutete auf einen Stuhl in der Mitte des Raumes. „Setzen sie sich doch."
Debbie nickte ihm dankend zu und ließ sich auf dem Klientenstuhl nieder. Sie trug immernoch ihre Verkleidung als Gloria, weshalb ihr schwarz-weißes Erscheinungsbild grotesk wirkte im Vergleich zu der eher in Brauntönen gehaltenen Wohnung.
„Also", fing Sherlock an.
„Eine Sekunde" unterbrach Debbie ihn, nahm den Hut ab und zog sich die Perrücke vom Kopf. Dunkelblonde Strähnen standen im alle Richtungen ab, doch sie bändigte diese mit einer Haarbürste. Danach kramte sie einen Spiegel aus ihrer Handtasche, entfernte vorsichtig die Kontaktlinsen und schminkte sich die Lippen ab. Zu guter Letzt setzte sie ihren schwarzen Hut wieder auf, überschlug ihre Beine und strahlte die beiden Jungs an.
„Also, was steht jetzt an?"
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