Neues Heim
Ich stellte meine Tasche im Flur ab und betrachtete die Eingangshalle.
»Eine Villa. Ernsthaft?«, fragte ich leicht misstrauisch. Mr. Pevensie lächelte leicht.
Wir waren knapp zwei Stunden gefahren. Durch London. Zwei Stunden. Ich wusste nicht, wo ich war, nicht, wie ich mich verhalten sollte und nicht, wie ich diesen Mann ansprechen konnte/durfte/sollte.
Bei allen anderen Pflegefamilien konnte ich mich sofort richtig einleben. Ich hatte mich sofort wohl gefühlt. Aber dieser Mann! Dieser Mann machte mir leicht Angst. Er war kaum älter als ich. Vielleicht 19, höchstens 20. Wie der mich aufnehmen konnte, war mir ein Rätsel.
»Dein Zimmer befindet sich ganz oben«, sagte er plötzlich. «Soll ich's dir zeigen?«
»Glauben Sie ja nicht, dass ich Sie als Dad akzeptieren werde!«, fauchte ich und nahm selber meinen Koffer und rannte nach oben.
Ich will hier weg!, schoss es mir durch den Kopf.
Oben fand ich mein Zimmer sofort - keine Ahnung, wie ich das geschafft hatte - und ließ mich erst einmal auf das Bett fallen.
Das Zimmer war weiß und ich musste beinahe kotzen, wenn ich die ganzen hellen Möbel sah.
Zum Glück kein pink...
Auf einmal klopfte es und ich antwortete nicht. Dennoch wurde die Tür geöffnet.
»Und wie findest du es?«
Ohne mich zu erheben, antwortete ich: »Scheiße. Ich hasse weiß.«
»Weiß war immer Belles Lieblingsfarbe …«
»Das ist schön für Belle. Ich mag weiß nicht. Lieber schwarz oder grau.«
»Das sind sehr trostlose Farben …«
Nun erhob ich mich doch und lief auf den Mann zu. Mit der einen Hand hielt ich die Tür fest, mit der anderen die Wand.
»Nun passen sie mal auf, Mr. Erstens ist schwarz keine Farbe, ebenso wie weiß. Zweitens kenne ich diese Belle nicht und möchte auch nie wieder irgendetwas über sie hören. Und drittens: Sie können mich mal!«
Mit diesen Worten schmiss ich die Tür zu und ließ den Mann davor alleine stehen.
Wütend hämmerte ich gegen die Tür und schlug dann meinen Kopf dagegen. Ich bekam eine Heulattacke und rutschte an dem Holz hinunter auf den Boden.
Man kann mich ruhig als Psychopathen bezeichnen, doch ich glaube nicht, dass man solch ein Leben mit einem strahlenden Lächeln übermalen kann.
Mr. Pevensie rief, ich antwortete nicht. Er rief noch einmal, ich antwortete wieder nicht. Irgendwann kam er hoch und klopfte.
Ich hockte immer noch vor der Tür und hatte meinen Kopf auf den Knien aufgelegt.
»Sally?«, hörte ich die Stimme des Mannes. »Kommst du essen?«
Aus dem Sitzen öffnete ich die Tür und bejahte. Ich bemerkte, wie er die Treppen hinunter ging und ich folgte ihm nach einer Weile.
Das Esszimmer sah noch krasser aus, als die Eingangshalle. Ein langer edler Tisch, wie bei Adligen. Am Tischende und am Tischanfang waren die Plätze gedeckt. Eine Frau goss Mr. Pevensie etwas zu trinken ein und ich setzte mich verwundert. In der Mitte stand ein riesiger Blumenstrauß, so dass ich den Mann kaum sah.
Nie waren meine Pflegefamilien arm gewesen, aber auch nie so reich.
»Wo soll ich zur Schule gehen?«, fragte ich, nachdem ich mit dem Essen begonnen hatte.
»Nirgendwo«, antwortete Mr. Pevensie zu meiner Überraschung.
»Aber …«
»Du hattest normalerweise jeden Mittwoch einen Termin beim Psychologen, oder?«
Ich nickte.
»Gut, von heute an nicht mehr. Mary?« Der Mann rief die Haushälterin herbei. »Könntest du bitte die Termine abmelden?«
»Aber natürlich, Sir.«
»Danke sehr.«
Mary rannte hastig in einen anderen Raum. Sie war schon etwas älter, aber ich fand sie an sich ganz niedlich.
»Warum machen Sie das?«, wollte ich wissen.
»Weil ich Zeit brauche.«
»Aber es geht doch um mich!« Jetzt mal ehrlich. Mich nervte dieser Strauß!
»Mr., könnten wir ... ich meine die Blumen ... also wegmachen«, versuchte ich zu erklären. Dabei bewegte ich meine Arme so bescheuert, dass ich wahrscheinlich wie ein Vogel aussah.
»Natürlich. Mary -«
»Nein, ich mach das!«, rief ich und sprang hastig auf. Ich hob die Vase an und trug sie zum kalten Kaminsims.
Darüber hing ein Spiegel, von welchem ich heimlich den Mann, welcher noch aß, beobachtete.
Er kam mir unglaublich bekannt vor, aber ich konnte ihn nirgends einordnen.
»Wie hieß Ihr Vater noch mal?«
»Peter Pevensie. Wieso fragst du?« Nun hob er seinen Kopf und seinen Augen blickte in mein Spiegelbild.
Ich ignorierte die Frage und setzte mich wieder. »Und wieso haben Sie mich heute Belle genannt?«
»Mein Vater war mit ihr zusammen. Und du siehst ihr ähnlich«, sagte er, als ob er es schon hundertmal gesagt hätte.
Ich aß weiter und nach dem Essen ging ich wieder in mein Zimmer. Ich hatte zu nichts mehr Lust und deswegen legte ich mich schlafen.
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