Kapitel 7 - Schlechtes Zeichen?
"Helena?" Kaspian betrat das Zelt und sah sie besorgt an.
Erleichtert atmete das Mädchen aus. "Du bist es nur."
"Du hast geschrien", stellte der telmarische König fest und Helena nickte.
"Ja, ich habe schlecht geträumt."
"Was ist hier los?", wollte Lucy wissen, als sie das Zelt ebenso betrat.
"Ich habe schlecht geträumt", wiederholte Helena.
"Dieser Ort ist verflucht", meinte Kaspian mit seinem spanischen Akzent.
"Dieser Ort ist voll mit Erinnerungen", erwiderte Lucy und sah zu Helena. "Wovon hast du denn geträumt?"
"Von meiner Mutter und von meinem Vater", erklärte das Mädchen. "Die beiden haben sich gestritten. Ich denke, es war zu der Zeit, als ihr Kaspian kennengelernt hattet."
"Worüber haben deine Eltern denn gesprochen?", wollte der Mann wissen.
"Über Liebe und über den Untergang Cair Paravels."
"Ich war dabei gewesen. Zumindestens habe ich den Streit mit angesehen", sagte Kaspian.
Lucy nickte dem Mädchen zu. "Schlaf noch ein wenig, Hel. Du brauchst die Kraft."
Lucy und Kaspian verließen das Zelt, doch Helena konnte nicht mehr schlafen. Sie hatte viel zu sehr Angst vor weiteren Träumen.
Sie waren so real gewesen, dachte das Mädchen.
Es legte sich dennoch zurück ins Bett und ruhte, bis Lucy am Morgen hereinkam und sie aufwecken wollte. Als sie sah, dass Helena wach war, ging sie wieder, und Helena zog sich ihre Reithose und ihr Wolloberteil an und aß von dem Essen, welches ihre Tante ihr mitgebracht hatte.
Kurz darauf brachen sie wieder auf. Ihr Weg führte direkt zum Gebirge, ein gefährlicher und schmaler Weg. Die Kutsche mussten sie zurücklassen, die Reiter mussten ihre Pferde führen. Auch Helena hatte Zephir an den Zügeln genommen und lief nun den steinigen Weg entlang. Vor ihr waren einige Soldaten, die ebenfalls ihre Pferde führten.
Helena ermahnte sich jedes Mal, nicht hinunterzusehen. Sie hasste es, neben einem Abgrund zu laufen oder den ganzen Trupp hier entlang zu führen, doch war dieser Weg weitaus besser, als jener durch ganz Kalormen. Man sollte einem Feind nicht mehr als notwendig in die Arme rennen. Natürlich würde es schwierig werden, vor allem die Reise durch die Wüste, aber was blieb ihnen anderes übrig?
Helena schweifte mit den Gedanken ab, sie dachte zu sehr über den bevorstehenden Weg nach, so dass sie einen unachtsamen Schritt tat und abrutschte. Zephir wieherte und riss den Kopf hoch, als das Mädchen in den Abgrund stürzte und an den Zügeln zog. Helena schaffte es noch, sich an einem Felsvorsprung zu klammern, doch fehlte die Kraft, um sich hochzuziehen.
"Nehmt meine Hand!", befahl Lorion, der sich aufeinmal bäuchlings an den Abgrund gelegt hatte und Helena seine Hand entgegenhielt.
Die Königin ergriff sie sofort und der Prinz zog sie mit einem Mal, als wäre sie so leicht wie eine Feder, wieder hoch. Zitternd klammerte sie sich an den Schultern des jungen Mannes, der sie fest an sich drückte.
"Es ist alles gut. Ihr seid sicher", versuchte er sie zu beruhigen.
Helena nickte mechanisch und löste sich von dem Prinzen.
"Weiter!", ordnete der Kalormene an und wedelte mit den Armen, so dass die Soldaten sich sofort wieder in Bewegung setzten.
Helena ergriff die Zügel ihres Pferdes und lief ebenso weiter, ohne etwas zu erwidern. Der Schock saß ihr weiterhin tief in den Knochen.
Es war bereits dunkel, als sie den Berg überwunden hatten. Am Fuße bauten sie ihr Lager auf. Nur wenige Feuer wurden gezündet, denn, obwohl sie sich im Freundesgebiet befanden, wollten die königlichen Herrscher - und vor allem Helena - es nicht riskieren, bemerkt zu werden.
Nachdem die Königin sich selbst um Zephir gekümmert hatte, suchte sie Prinz Lorion. Sie fand ihn mit einigen telmarischen Soldaten um einem Lagerfeuer und essend.
"Verzeihung", sagte Helena und blickte auffordernd zu dem Kalormenen.
"Wartet kurz." Der Mann erhob sich und lief herüber zu der Königin. "Was kann ich für Euch tun?"
"Ihr könnt mich ein Stück begleiten, wenn es Euch beliebt", meinte diese nur.
"Natürlich beliebt es mir."
Die beiden entfernten sich ein wenig von den Soldaten und als Helena sich sicher war, nicht mehr gehört zu werden, räusperte sie sich.
"Ich wollte mich bei Euch bedanken", erklärte sie leise und schüchtern.
"Ihr müsst mir nicht danken", entgegnete Lorion.
"Ohne Euch wäre ich in die Tiefen des Tales gefallen und höchstwahrscheinlich tot."
"Dann nehme ich Euren Dank an." Lorion lächelte freundlich, ergriff die Hand der Königin und hauchte einen sanften Kuss auf ihren Handrücken. "Schlaft gut."
Der Prinz lief zurück zu den Männern, mit welchen sie zuvor gesprochen hatte, während Helena ihm verblüfft und verlegen zugleich hinterhersah. Abrupt riss sie sich los und begab sich zu ihrem Zelt. Sie ließ ihre Sachen an, falls sie überfallen werden würden, und legte sich in das aus Matten gebaute Bett. Sie wollte nicht schlafen, denn sie hatte Angst vor weiteren Träumen. Dennoch brauchte sie die Kraft und gegen ihren Willen übermannte sie der Schlaf.
"Es ist ... bewundernswert, was ihr hier geschaffen habt", erklärte Peter vorsichtig. "Aber dies ist keine Festung, sondern ein Grab."
Edmund nickte zustimmend. "Wenn wir Miraz angreifen, haben wir den Überraschungseffekt auf unserer Seite. Über die Hälfte seiner Soldaten sind am Fluss versammelt und warten darauf, dass die Brücke fertig gebaut und sie uns angreifen können."
"Ihr unterschätzt Miraz. Wir müssen hier bleiben", entgegnete Kaspian.
"Für euch existieren nur zwei Möglichkeiten: Entweder hier sterben oder dort", mischte Lucy sich ein.
Peter wandte sich zu seiner kleinen Schwester um. "Ich glaube, du hast nicht richtig zugehört ..."
"Ich glaube, du hast nicht richtig zugehört. Oder hast du etwa vergessen, wer die Weiße Hexe getötet hat? Es war Aslan."
"Aslan ist aber nicht hier." Peters Stimme klang abweisend.
"Peter hat recht." Belle, die an der Wand gelehnt hatte, richtete sich auf. "Ausnahmsweise." Langsam schritt sie durch den Raum auf Helenas Vater zu. Sie blieb kurz vor ihm stehen, sah ihm tief in die Augen und wandte sich dann wieder um. "Von hier aus erreichen wir nichts. Miraz erwartet uns nicht. Er weiß, dass wir in der Unterzahl sind und das müssen wir ausnutzen. Wenn wir nach dem Plan gehen, kann nichts schief gehen." Abrupt drehte Belle sich um. "Du hast doch einen Plan, oder?"
Helena schrak schwer atmend aus dem Traum. Wieder hatten sich Erinnerungen in ihren Kopf geschlichen, die nicht zu ihr gehörten, aber dennoch so passend waren.
Das war die Besprechung vor dem Angriff auf Miraz' Schloss, schoss es dem Mädchen durch den Kopf. Sie haben versagt. Helena fuhr sich mit der Hand über die Schweiß besetzte Stirn. Das war ein Zeichen, ein schlechtes Zeichen - sie würden ebenso versagen.
1072 Wörter
Endlich habe ich es geschafft, das Kapitel zu schreiben. Ich hoffe, es gefällt euch ;)
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