Kapitel 4 - Für die Familie oder die Krone?
Hastig rannte Helena die Korridore entlang. Mit der Hand versuchte sie die Tränen fortzuwischen, doch waren es zu viele, die flossen. Sie schluchzte leise, hielt den Blick gesenkt und sah somit nicht den Mann, der sich ihr näherte.
Unsanft stießen die beiden gegeneinander und erschrocken stolperte das Mädchen nach hinten. Aus Reflex ergriff der Mann seine Hand und zog es wieder nach vorn, so dass es wieder sicher auf beiden Beinen stand.
"Verzeihung, ich habe Euch nicht gesehen", entschuldigte er sich und lächelte Helena freundlich an.
Sie sah ihn an und verzog vor Verwunderung das Gesicht. "Prinz Lorion?"
"Ja. Kenne ich Euch?"
Helena lachte leise. "Ihr seid meinetwegen hier. Also hoffe ich doch, dass Ihr mich kennt."
"Ich ..." Stürmisch sank der Prinz auf die Knie und senkte sein Haupt. "Verzeiht. Ich habe Euch nicht erkannt."
"Erhebt Euch." Sanft berührte das Mädchen den Mann an der Schulter und dieser erhob sich sogleich. "Es ist viel passiert. Ich kann verstehen, dass Ihr mich vergessen habt. Zumal wir nicht viel miteinander zu tun hatten. Ich stand schon immer im Schatten meiner Mutter - wie es auch nun mal üblich ist für eine Prinzessin."
Helena lächelte Lorion zu. Er erwiderte das Lächeln und eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden. Sie sahen sich nur tief in die Augen und irgendwann räusperte sich der Prinz.
"Ich habe ein Geschenk für Euch", sagte er. "Es befindet sich in meinem Zimmer. Wenn Ihr wollt, zeige ich es Euch."
"Gern."
Zusammen liefen sie zu Lorions Zimmer. Es befand sich genau schräg gegenüber Helenas, wie die Königin feststellte.
"Setzt Euch doch", sagte Lorion und deutete auf den Stuhl, der vor einem runden Kaffeetisch stand.
Mit einem Nicken ließ sich das Mädchen nieder, während der junge Prinz in seinen Koffern nach etwas suchte. Nach einer Weile fand er die hölzerne Schatulle. Er setzte sich auf den zweiten Stuhl, der ebenfalls am Tisch stand, und drehte das Kästchen, so dass Helena genau einen Blick auf den Inhalt hatte, als er es öffnete.
Helena klappte die Kinnlade hinunter und hielt ihre Hände vor den Mund. Das blutrote Rubinherz wirkte, als würde es strahlen. Der Rubin war nicht glatt geschliffen und kleine silberner Steinchen umrandeten das Herz.
"Das ist ..." Helena wusste keine rechten Worte.
"Das ist mein Geschenk an Euch, meine Königin."
Vorsichtig streckte das Mädchen ihre Hand aus und fuhr mit den Fingern übel den kalten Stein. "Es ist wunderschön", hauchte es.
Lorion stellte die Schatulle offen auf den Tisch ab und erhob sich. Er lief zu einer Kommode und goss etwas zu trinken in zwei Gläser. "Ihr könnt sie tragen, wenn Ihr wollt, doch wenn nicht, verstehe ich das."
Er reichte Helena ein Glas und trank selber aus seinem. Die Königin lugte über den Rand und begutachtete die rote Flüssigkeit.
"Trinkt nur. Das ist der köstlichste Wein in ganz Kalormen", sagte Lorion.
Helena hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Sein Blick schien drängend. Verwundert wandte sie sich wieder dem Getränk zu und roch kurz daran.
"Euer Wein hat einen eigenartigen Geruch", bemerkte die Königin.
"Das gehört dazu. Trinkt ruhig."
Helena setzte das Glas an ihre Lippen. Sie sah, dass Lorion sie erwartungsvoll anstarrte und zog abrupt den Kopf zurück. "Trinkt." Auffordernd hielt sie dem Mann das Glas entgegen.
"Verzeihung?"
"Ich sagte: "Trinkt." Normalerweise habe ich Vorkoster. Nun seid Ihr meiner."
Der Prinz lächelte verschmitzt. "Ihr denkt doch nicht ... Ihr denkt doch nicht wirklich, dass ich Euch vergiften will."
"Wenn dem nicht so ist, könnt Ihr ja den Wein ohne Probleme trinken." Helena erhob sich und lief auf den Mann zu, ohne das Glas herunterzunehmen. Dieser wich einige Meter zurück und augenblicklich rannte er zur Tür. Reflexiv hob Helena die freie Hand und verschloss mit Hilfe ihrer Kraft die Tür.
"Ich hatte Euch eigentlich anders in Erinnerung, verehrter Prinz", meinte Helena und schritt dem Mann ein weiteres Mal entgegen, der sich ängstlich an das Holz der Tür drückte.
"Ich ... Verzeihung ... Es war ..."
Helena blieb dicht vor ihm stehen und sah zu ihm hinauf.
"Dieses Getränk ...", sie hob ihr Glas vor sein Gesicht, "... ist vergiftet."
"Nein ... Ich meine, ja ..."
"Warum tut Ihr so etwas?" Helena blieb ruhig - sie war sich sicher, dass der Prinz nicht aus freien Stücken gehandelt hatte.
"Bitte tötet mich nicht", flehte er.
"Nein." Helena stellte das Glas auf den Schrank links von ihr ab. "Nein, das werde ich nicht." Sie sah ihm in die Augen, während er nervös versuchte ihren Blicken auszuweichen. "Warum wolltet Ihr mich töten?"
"Ich wollte es nicht!", gestand Lorion sofort mit zittriger Stimme. "Ich musste es tun. Ich hatte keine andere Wahl."
"Man hat immer eine Wahl", erwiderte Helena.
"Auch wenn Euer eigener Vater droht, Eure Familie auszulöschen?", gab der Prinz zurück.
Helena schwieg.
"Euer Gnaden, ich würde Euch niemals freiwillig töten, aber mein Vater wollte, dass ich es tue, sonst würde er meine Schwester und meine Mutter umbringen. In Kalormen sind die Frauen weniger wert als die Männer und haben kaum Rechte. Es würde ihn nicht kümmern. Es würde nicht einmal das Volk kümmern."
Helena trat einen Schritt zurück und musterte den Prinzen. Er schien die Wahrheit zu sagen, wie sie anhand seiner Augen und seiner Stimme erkannte.
Augen lügen nie.
"Ich weiß nicht, was ich tun soll."
"Wir werden Eure Familie retten", sagte Helena nach einer Pause bestimmt.
"Worte gehen leicht zu sprechen, Taten hingegen sind etwas Anderes", erwiderte Lorion.
"Ich werde das meist Mögliche versuchen."
"Ihr versucht es, aber seid Ihr Euch sicher, dass es funktioniert. Was, wenn nicht?"
"Ihr könnt mich töten, doch dann wüsste man, dass Ihr es gewesen seid."
Nun schwieg der Prinz. Verzweifelt wandte er seinen Blick von ihr ab und atmete tief durch.
Ich habe meinen Uploadplan ein wenig geändert, da ich meine Iron Man Ff beendet habe. D.h. dass jetzt montags oder freitags ein Kapitel kommt, wenn nicht sogar an beiden Tagen.
Wie gefällt euch die Geschichte bis jetzt? Schreibt eure Meinung in die Kommis ;)
Noch einen tollen Abend <3
PS: Die Kette von Helena ist oben zu sehen.
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