Kapitel 1 - Wie die Mutter
Umringt von bekannten und unbekannten Männern schritt die Königin durch die Korridore des telmarischen Schlosses. Ein "Ja", ein "Nein", da eine Unterschrift, dort eine Unterschrift, wenige Worte an die Berater - sie verstand kaum selbst, was sie sprach, bei so vielen Stimmen.
Die Wachen öffneten die Tür zum Thronsaal und Helena betrat mit fliegenden Haaren den Raum. Ihre Schuhe klackerte auf dem gebonerten Boden und ihr langes rotes Kleid wehte leicht bei jeder Bewegung umher. Zielstrebig lief sie auf den einen der zwei Throne zu, die auf einer erhöhten Plattform standen. Schwungvoll wandte sie sich um und ließ sich in dem Stuhl nieder.
"Baumeister?", fragte sie und der aufgerufene Mann trat hervor. "Wie sieht es aus mit meinem Schloss?"
"Wir hatten versäumt, zu klären, wo wir es bauen wollen, Eure Majestät", antwortete der Mann und senkte erfürchtig sein Haupt.
"Ich habe es versäumt", verbesserte die Königin und nickte. "Wir sprechen uns nach der Audienz. Wartet im Kartenraum, Ser."
"Wie es Euer Gnaden wünscht." In gebeugter Haltung lief der Mann rückwärts und erst nach wenigen Metern wandte er sich um und ging.
"Schatzmeister?"
"Majestät?" Der aufgerufene ältere Mann mit dem schlurfenden Gang und der schwarzen Robe verbeugte sich knapp.
"Schatzmeister, Euch möchte ich ebenso bei der Versammlung anwesend sehen."
"Wie Eure Majestät befehlt", gab der Mann zurück und nickte erfürchtig.
"Schickt die Ersten hinein!", rief die Königin durch den Saal und augenblicklich wurde die Tür geöffnet und eine mitgenommene Familie trat herein.
"Eure Majestät ...", sagte der Mann, augenscheinlich der Vater der beiden Kinder, mit leiser Stimme.
Die vier Menschen neigten das Haupt und nach einer Handbewegung der Königin blickten sie wieder auf.
"Wir danken Euch von ganzem Herzen, dass Ihr uns anhört."
"Sprecht, mein guter Herr. Wieso sucht Ihr mich auf?", fragte Helena.
"Vor wenigen Monaten haben die edlen Könige Narnias und Telmars versucht, uns von unseren Inseln zu retten", begann der Mann. "Doch das Unglück war weiterhin mit uns und wir erlitten Schiffsbruch. Die wenigen, die das Meer überlebt hatten, hatten sich an Land angesiedelt. Wir versuchten uns wieder ein Leben zu schaffen, doch leiden die meisten von uns Hunger. Wir frieren, wenn die Nacht anbricht, wir erleiden Hitze, wenn die Sonne hoch am Horizont steht, wir sterben, wenn der Tod uns einholt. Wir sind weniger als die Hälfte, als die, die das Ufer erreicht hatten. Nun bitten wir Euch um Schutz und Hilfe, Euer Gnaden. Ich flehe Euch an."
Helena musterte die Kinder des Mannes. Ihre Kleider hingen wie Lumpen an ihrer schmutzigen Haut. Die Haare waren fettig und fielen in Strähnen über ihre Augen.
Sie nickte. "Ich werde Euch Hilfe zukommen lassen, guter Mann. So schnell wie es nun möglich ist."
Tränen stiegen dem Mann in die Augen und er fiel auf die Knie. "Danke, danke, Eure Majestät." Er hatte die Hände ineinander gefaltet, als würde er beten, und wippte immer wieder vor und zurück. "Danke ..."
Die Wachen zogen den Mann auf die Knie und zerrten ihn und seine Familie aus den Saal.
"Schickt die Nächsten!", verlangte Helena.
"Es gibt keine Nächsten", sagte der Diener.
Das Mädchen atmete leise erleichtert aus und erhob sich. "Dann werde ich mich nun zurückziehen."
Die Berater und anderen anwesenden Männer verließen den Saal, bis auf der Schatzmeister.
"Euer Gnaden, Ihr wolltet mit mir und dem Herrn Baumeister sprechen", erinnerte er.
"Ach, ja."
Die Königin raffte ihren Rock und begab sich auf den Weg zum Kartenraum. Der Baumeister wartete bereits ungeduldig, doch als die Königin den Raum betrat, straffte er seine Halterung und breitete seine Papierrollen aus.
"Ich hatte mir schon einige wenige Gedanken gemacht, Euer Gnaden", erklärte er und beugte sich über die Karten. Mit dem Finger fuhr er über die Zeichnungen und das Mädchen verfolgte alles aufmerksam.
"Mir fehlt der geeignete Ort", sagte es und richtete sich auf.
Langsam schritt Helena zu der großen Karte an der Wand von Narnia und ließ ihre Blicke schweifen. Sie blieb an dem kleinen Land Narnia hängen und letztendlich erfassten ihre Augen das kleine gezeichnete Schloss.
"Wie wäre es hier?", fragte sie und deutete darauf.
Die beiden Männer traten näher und der Schatzmeister richtete seine Brille mit einem Finger. "Das ist das ehemalige Schloss der Hexe, Majestät. Wollt Ihr das wirklich?"
"Warum nicht?", gab das Mädchen zurück. "Ich bin die Königin. Jadis ist besiegt sowie ihre Familie."
Die beiden Männer wechselten vielsagende Blicke, doch wagten sie es nicht, etwas zu erwidern.
"Also soll das Schloss dort gebaut werden?", fragte der Baumeister nach.
"Ja."
"Ich weiß nicht, ob wir die Kosten aufbringen können ...", sagte der Schatzmeister vorsichtig. "Nach all dem Übel, was vor wenigen Montan passierte ..."
"Wir bauen das Schloss", gab Helena ernst bekannt. "Meine Mutter hatte es nicht geschafft, sich einen Sitz zu schaffen. Nun tue ich das, was sie hätte machen sollen."
Die Männer nickten und Helena verließ den Raum. Langsam schritt sie den Korridor entlang, die Finger vor dem Bauch verschränkt. Ihr Vater und ihre Tante Lucy war in Cair Paravel, während ihr Onkel Edmund und seine Freundin in Narnia umherritten, um sich nach dem Rechten umzusehen. Susan, Kaspian und Eustachius befanden sich hier, in Telmar. Ihre Tante war weiterhin schwanger und glücklicherweise ging es ihr gut. Es würden nur noch wenige Monate sein, dann würde sie gebähren.
Helena erreichte ihr Zimmer und öffnete die Tür. Es war dunkel, der Mond schien durch die großen Fenster. Das Mädchen zündete eine Kerze an und blickte hinaus. Es verlor sich in seinen Gedanken. Ihre Mutter war seid fünf Monaten tot und Helena versuchte so gut wie möglich zu regieren. Sie leugnete nicht, dass sie sich ihre Mutter als Vorbild nahm, denn sie war eine gütige Herrscherin gewesen, auch wenn sie Fehler gemacht hatte. Doch Fehler gehörten im Leben dazu und ohne diese wäre sie nicht eine halb so gute Königin.
Nach dem kurzen Prolog kommt nun ein mittellanges Kapitel ^^
Es ist noch nicht viel passiert, bis auf dass die Bewohner der Inseln um Hilfe gebeten hatten. Ob das gut wird, wenn Helena sich auf dem ehemaligen Sitz des Schlosses der Hexe niederlässt?
Wie fandet ihr das Kapitel?
Danke für das Feedback <3 und noch einen tollen Samstag :*
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