Die Rückkehr
Lucy pov.
»Susan! Susan!«, rief ich. Hastig rannte ich zu meiner Schwester, die vor einem Kiosk stand und sich mit einem Jungen unterhielt. Mit meinem kurzen grauen Rock kam ich relativ schnell voran, und das war auch gut so, denn ich durfte keine Zeit verlieren.
»Susan!« Nun stand ich direkt vor ihr. Meine braunen langen Haare fielen zu zwei Zöpfen geflochten knapp über meine Schulter.
»Was ist?«, verlangte meine große Schwester zu wissen. Sie war vier Jahre älter als ich und wunderschön, wie ich fand. Auch sie hatte braune Haare, die sie nach hinten zusammengebunden trug.
»Du musst mitkommen. Schnell!«
Ohne zu zögern folgte Susan mir, wofür ich ihr sehr dankbar war. Ich führte sie zur U-Bahnstation, wo eine Schlägerei an den Gleisen stattfand. Und wer befand sich mittendrin? Natürlich - mein Bruder, Peter. Wie sollte es auch anders sein. Eine riesige Menschenmenge stand um die Jungen herum und jubelte und spornte diese an. Ich sah, wie Peter von einem großen Jungen, der viele Jahre älter als er war, an den Rand der Station gedrückt wurde, so dass sein Kopf über den Gleisen schwebte.
Plötzlich tauchte Edmund, mein 11-jähriger Bruder, auf, drängte sich zwischen die Menschen und stand Peter ohne Skrupel bei. Bevor es schlimm enden konnte, tauchten Polizisten auf. Sie pfiffen, zogen die Jungs von meinen Brüdern weg und verscheuchten die Gaffenden.
Peter und Edmund kamen auf Susan und mich zugelaufen.
»Kommt. Lasst uns gehen«, wies meine ältere Schwester an und drehte sich um, Peter aber bewegte sich nicht.
»Was ist?«, fragte ich.
»Ich dachte ... ich dachte, ich hätte etwas gesehen«, meinte er.
»Was hast du denn gesehen?«, wollte Edmund wissen. »Einen Zug vielleicht?« Spöttisch sah er Peter an.
»Nein. Ich dachte, es wäre Belle ...« Er flüsterte es fast, und ich wusste auch warum: Er hat bereits seit einem Jahr nicht mehr ihren Namen gesagt. Nicht seit dem Tag, an dem wir wieder in unsere Welt zurückgekehrt waren. Nicht, dass wir das beabsichtigt hatten. Es war eher Zufall gewesen – oder ein Versehen.
»Kommt schon«, sagte ich, um ein wenig abzulenken. »Wir müssen zur Schule.« Ich lief los, neben mir meine Geschwister. Ich setzte mich auf eine Bank und wartete auf unseren Zug. Susan links daneben, Peter und Edmund rechts von mir.
»Was war es diesmal?« Susan sah Peter auffordernd und leicht entzürnt an.
Wütend erhob er sich und stellte sich vor uns. »Er hat mich angerempelt.«
»Ist es denn so schwer weiterzugehen?«
»Nein. Erst hat er mich angerempelt und dann sollte ich mich bei ihm entschuldigen!«
Susan verdrehte genervt die Augen. Sie verstand es nicht: diese sinnlosen Prügeleien, Wutausbrüche und Streitereien - es war nicht das erste Mal gewesen, dass Peter sich mit jemanden geprügelt hatte.
»Ich bin es leid, wie ein Kind behandelt zu werden.«
Edmund zog eine Augenbraue hoch. »Aber wir sind Kinder.«
»Nicht immer. Es ist nun genau ein Jahr her. Wie lange, gedenkt er, sollen wir noch warten?« Peter setzte sich wieder zwischen uns.
Ich blickte nach links und sah den Jungen, mit dem Susan zuvor am Kiosk gesprochen hatte.
»Tut so, als ob ihr mit mir reden würdet«, sagte sie schnell, die ihn ebenfalls entdeckt hatte.
»Aber wir reden doch mit dir«, meinte Edmund verwundert.
Auf einmal kniff mich jemand und erschrocken sprang ich auf. »Au! Hör auf damit!« Ich blickte meine Geschwister an. Irgendjemand von ihnen musste es gewesen sein.
»Lucy, setz dich wieder«, sagte Edmund, doch da sprang auch er auf.
Plötzlich kam ein starker Wind auf. Die Leute liefen noch weiter, als ob nichts wäre. Doch da war etwas. Die ganze U-Bahnstation fiel auseinander. Die Steine brachen ab und die Schilder krachten zu Boden.
»Schnell! Fasst euch an den Händen!« Wir gingen Susans Befehl nach und ich schloss meine Augen.
Edmund pov.
Als ich sie wieder öffnete, sah ich einen Strand, und die U-Bahnstation war verschwunden. Ich blickte zu Peter, Susan und Lucy und wir lächelten vielwissend. Die Mädchen rannten vor, Peter und ich folgten ihnen. Wir zogen unsere Jacken, Schuhe und Schals aus und ließen unsere Sachen am Strand liegen, um dann ins Wasser zu rennen und uns nasszuspritzen.
Ich sah nach oben und entdeckte eine Ruine. Ich wusste, dass wir in Narnia waren, doch an Ruinen konnte ich mich nicht erinnern. Das erzählte ich auch meinen Geschwistern. Wir stiegen den Berg hoch und erkundeten die zerfallenen Reste eines Schlosses. Überall wucherte Gras, man konnte kaum noch die Umrisse erkennen.
»Wer hier wohl gelebt hat?«, fragte Lucy.
Susan hob aus dem Gras eine Schachbrettfigur aus Gold hoch.
»Ich glaube wir«, meinte ich, als ich den goldenen Zentaur musterte. »Die gehört nämlich zu meinem Schachbrett.«
Peter tauchte zwischen den Steinen auf und rief etwas Unverständliches.
»Was hast du gesagt?« Ich lief ihm entgegen.
»Ich denke, dass ist Cair Paravel«, wiederholte mein Bruder. »Kommt mit.«
Er führte uns zu unserer verborgenen Schatzkammer. Wir schoben die Steintür zur Seite und stiegen mit Hilfe meiner Taschenlampe (sie hatte sich in meiner Tasche befunden, die ich trug) die steinernen Stufen hinunter. Unten standen fünf große Steintruhen. Lucy ging zu der ersten, von rechts aus gesehen. Susans stand links daneben. Peter öffnete die erste von links und ich die zweite.
»Es ist alles noch hier«, sagte Peter und holte sein Schwert heraus. Er hielt die Schneide vor sein Gesicht und las die Gravur laut vor: »Wenn Aslan seine Zähne entblößt, sind wir vom Winter erlöst -«
»- und leuchtet seine Mähne weit, bricht wieder an die Frühlingszeit«, beendete Lucy. »Alle, die wir kannten, Herr Tumnus und die Biber, sind verschwunden ...«
Ich blickte zu Peter. »Wir müssen erfahren, was hier passiert ist«, beschloss er.
Er ging zu der Truhe, die in der Mitte stand. Mit seiner Hand wischte er den Staub zur Seite, dann öffnete er sie. Der goldene Deckel fiel mit einem Krachen auf den Boden. Ich sah die Juwelen und Edelsteine, die Waffen jedoch waren verschwunden. Aber mittendrin lag das schönste Schmuckstück, was ich je gesehen hatte: Eine Herzkette aus einem Diamanten - so hell und rein wie kein anderer. Und ich wusste von wem er war und wem er gehörte.
»Sie hat ihn hier gelassen«, flüsterte Peter. Er griff danach und umklammerte die Kette fest. »Ich werde mich rächen, wer auch immer das hier veranlasst hat«, schwor mein Bruder mit Tränen in den Augen.
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