♥ 01 - Ein Sturm kommt auf ♥
Im Viktorianischen Zeitalter um 1846, nachdem der Planet Neptun vom Deutschen Johann Gottfried Galle entdeckt wurde und der englische Schriftsteller Charles Dickens in die Schweiz gereist war, um sein neues Werk Dombey and Son zu verfassen, spielte sich in den Straßen von London ein kleiner Aufruhr ab, der nicht nur die Polizisten der Stadt aus der Fassung brachte, sondern auch Kenneth, der gerade dabei war mit seiner Freundin über die neuen Vorhänge zu diskutieren.
Das Fenster war weit geöffnet und die lauten Rufe drangen in das viktorianische Wohnzimmer, das durch einen großen prunkvollen Kronleuchter erhellt wurde. Die Nacht wechselte mit dem Tag die Schicht und füllte die Straßen mit riesigen Schatten, die in der Stille gruseliger erschienen, als bei lautem Lärm. Immer noch versuchten die Polizisten den Rumor zu bändigen, dabei verloren sie jegliche Hoffnung, wieder Ruhe schaffen zu können. Die menschlichen Gestalten begannen sich zu prügeln, als Scharen von Gesetzeshütern eintraf und endgültig die Masse entzweiriss.
„Warum mussten wir ausgerechnet blaue Vorhänge nähen lassen?", ärgerte sich Scarlet, die Freundin von Kenneth. „Weiß hätte dem Raum eine gewisse Aura geboten."
Kenneth hasste Diskussionen mit seiner Freundin, vor allem, weil er eher ein ruhiger Mensch war, der nicht schnell aus der Haut fuhr. Wenn dies der Fall war, dann eher selten.
„Jetzt schau mich nicht so an", schmollte Scarlet.
Ihre braunen Haare waren zu einem unordentlichen Dutt hochgesteckt, damit sie nicht in ihr Gesicht fielen. Über ihren dünnen Körper fiel sanft ein schwarzer Unterrock mit Rüschen in das ein gleichfarbiges Oberteil gestopft war. Sie wirkte trotzdem wie eine wohlhabende Frau, die auf ein gepflegtes Äußeres achtete.
Viel zu oft hatte er sich seinen Teil gedacht, aber es nie ausgesprochen, was wohl weiterhin so bleiben würde. Er hatte kein gutes Selbstvertrauen, was es ihm schwerer machte sich zu verteidigen, wenn es für einen Moment brenzlig wurde und er einen schlagfertigen Spruch benötigte, um seine Ruhe für sich zu gewinnen. Stattdessen nickte er nur und sah Scarlet unschuldig an, wie ein Welpe, der noch nicht stubenrein war und soeben in die Wohnung sein Geschäft erledigt hatte.
Auf den Straßen war es schon ruhiger geworden und in den Gassen kehrte wieder die gewohnte Stille ein. Laternen erhellten die steinigen Straßen und prachtvollen Gebäude der Stadt London und ein Straßenjunge lief pfeifend den Weg entlang, ohne sich an den wütenden Rufen einer älteren Dame stören zu lassen.
Kenneths Blick fiel aus dem Fenster, während Scarlet weiterhin über die blauen Vorhänge wütete. Er liebte die Natur und die frische Luft, die durch das offene Fenster strömte. Eines fehlte dem jungen Knaben jedoch noch: Musik. Beethoven war schon lange tot, was Kenneth sehr bedauerte. So gerne hätte er diesen großen Künstler dirigieren sehen und seiner Musik lauschen wollen. Damals, als Kenneth noch ein Kind war, lud seine Mutter immer wieder Gäste ein, die an einem Musizierkreis teilnahmen. Musik im gesamten Hause Bent, doch er selbst konnte kein Instrument spielen, so sehr er es versuchte. Schon damals verlangte sein Vater von ihm, dass er ein großer Musiker wie Beethoven und Mozart werden hätte sollen. Doch kaum bekam Kenneth ein Instrument in die Hände, war es, als stellte man einem Ungelehrten eine Schreibmaschine vor die Finger von dem man verlangte einen Beststeller Roman zu verfassen. Das war etwas, das Kenneth gut konnte: Schreiben.
„Wärst du so gut und würdest du mir einen Augenblick helfen?"
Scarlet, die ihm den samtigen Stoff entgegenhielt, riss ihn unsanft aus seinen Gedanken und sah ihn genervt in die Augen.
Kenneth nahm die Gardinen und befestigte sie am Fenster. Dabei versuchte er alles richtig zu machen ohne einen falschen Griff zu wagen oder von seiner Freundin eingeschüchtert zu werden. Er empfand seine Freundin als ziemlich dominant und rechthaberisch, da sie kaum Rücksicht auf ihn nahm und mit ihm redete wie ihr der Mund gewachsen war. Seine Eltern waren sicher, dass diese Frau für ihn die beste Wahl gewesen wäre. Da war Kenneth anderer Meinung, aber es wurde nie danach gefragt.
„Wundervoll", sagte Scarlet wie aus dem Nichts, als sie das Werk ihres Freundes von einer größeren Entfernung betrachtete. „Die Farbe passt doch zu diesem hellen Raum. Eine sehr gute Wahl, Kenneth." Ein Lächeln spielte sich auf ihren Lippen, das für ihn eher unehrlich und hinterlistig wirkte. „Für heute sind wir dann so gut wie fertig. Morgen möchte ich gerne die Teppiche im Flur legen."
Erschöpft von dem Tag ließ sich Kenneth auf einen Stuhl fallen, wobei sein Blick auf ein Gemälde fiel, das über dem Kamin im Wohnzimmer hing. Darauf war ein Blumenstrauß in einer Vase abgebildet. Er war sich nicht sicher wer dieses Kunstwerk gemalt hatte, aber er wusste, dass es sehr günstig zu kaufen war. Das laute Gähnen von Scarlet erregte Kenneths Aufmerksamkeit.
„Ich bin müde. Wollen wir zu Bett gehen?"
Kenneth nickte und stand auf, schloss das Fenster, um daraufhin ins Schlafzimmer zu gehen und sich umzuziehen. Im Bad wusch er sich, dann war er auch schon bettfertig und ließ sich mit einem Ruck ins Bett fallen. Es fühlte sich an, als würde er auf Wolken liegen. So weich und samtig war das Schlafgemach. Scarlet folgte ihm auf Schritt und Tritt bis sie sich ebenfalls in die Federn warf, um kurz darauf einzuschlafen.
Die kühle Nachtluft wühlte einige Laubblätter auf, die langsam von den Bäumen fielen, denn es war Ende Herbst. Bald würde der bitterkalte Winter eintreffen und es kam wieder die Zeit, wo es schwer war sich warm zu halten.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro