8. Kapitel - Auszug Richtung Auenland
Fast zwei ganze Wochen hatten die Zwerge und ich in Elronds gastlichem Haus verbracht. Es war ein Ort, wo die Zeit beinahe unbemerkt an einem vorbeistrich, genau wie in Aiwendils Hütte, und wären die Zwerge nicht gewesen, die sich nicht so wirklich wohl fühlten in der Gegenwart der Elben, hätte ich die Zeit wohl wirklich nicht bemerkt und wäre noch lange hiergeblieben. Vielleicht sogar für immer. Es schien mir jedenfalls kein schlechter Ort zu sein, um die Ewigkeit zu verbringen. Aber die Zwerge drängten zum Aufbruch und ich erinnerte mich, dass ich mit einer Aufgabe nach Eriador gekommen war. Es war Zeit, sie fortzuführen.
Die Zwerge hatten es tatsächlich geschafft zwei Ponys für ihr Gepäck aufzutreiben, mussten aber versprechen, sie auf ihrem Rückweg wieder hier abzugeben. Ich hatte von den Elben einen Bogen und einen Dolch bekommen, als ich darum bat. Bogen, Köcher und auch mein Schwert trug ich jetzt auf meinem Rücken, darüber den Rucksack. Ich hatte ziemlich lange gebraucht, bis ich das Ganze so arrangiert hatte, dass ich jederzeit an die Waffen kam, ohne dass der Rucksack mich dabei behinderte, aber jetzt klappte es hervorragend. In Zukunft würde mir mein Schwert nicht mehr um die Beine schlackern, wenn ich rennen musste. Auch meinen Stab konnte ich jetzt in solchen Fällen ohne Mühe auf meinem Rücken festbinden und genauso mühelos wieder hervorholen. Nur den Dolch trug ich an meinem Gürtel.
Korak flatterte im Innenhof umher und setzte sich abwechselnd immer wieder auf die Rücken der beiden Ponys, wie um auszuprobieren welches von ihnen ihm das Liebere war – wegen meines neuen Aufzugs, hatte er jetzt keinen Platz mehr auf meiner Schulter, worüber er sich ausgiebig beschwert hatte. Die Zwerge beobachteten den Raben mit einiger Erheiterung und Dwalin redete auf Korak ein, dass er die Tiere nicht zu sehr ärgern solle, denn wenn sie seinetwegen durchgingen, würde er kein Reittier mehr haben. Elrond kam, um uns zu verabschieden und mir bei meiner Suche Glück zu wünschen. Einige Male hatte er noch versucht, aus mir herauszulocken, weshalb ich auf der Suche nach Olórin – Gandalf, Mithrandir – war, hatte es dann aber aufgegeben. Trotzdem schien er mir deswegen nicht böse zu sein. «Ihr seid fast so starrsinnig und verschlossen wie er», beschied er mir schlussendlich und liess das Thema ruhen.
«Viel Glück auf Eurer Reise», wünschte Elrond uns. Die Zwerge und ich erwiderten die Glückwünsche und dankten dem Hausherrn nochmals ausgiebig für seine Gastfreundschaft, bevor wir uns auf den Weg durch das Tor und den Weg hinab zur Bruinenfurt machten.
Bald vergingen die Tage wieder im mir so vertrauten Schema: Frühmorgens mit der Sonne aufstehen, einige Happen essen und losmarschieren. Bei Höchststand der Sonne eine kurze Mittagsrast. Danach wieder Marschieren bis die Nacht heraufdämmerte. Der einzige Unterschied zu sonst war die Gesellschaft der Zwerge, die die ganze Reise etwas abwechslungreicher gestaltete.
«Wegen dir werden wir den Weg von Bruchtal nach Beutelsend so schnell zurückgelegt haben wie noch nie», sagte Ori, als er sich an einem Abend fix und fertig ins Gras sinken liess. «Wir brechen bestimmt einen Rekord.»
«Mindestens», meinte Dwalin, der immer erstaunlich gut gelaunt war, wenn er in irgendeiner Weise sein Können beweisen konnte. Er hatte mich an diesem Morgen herausgefordert mit ihm um die Wette zu laufen, einige hundert Meter voraus und dann wieder zu den anderen zurück. Eigentlich hätten wir einfach die Strasse auskundschaften sollen, ob sie sicher war, aber Dwalin hatte daraus einen Wettbewerb gemacht – und ihn gewonnen. Ich hatte ihm das Versprechen auf eine Revange abgenommen und mir vorgenommen, das Wettrennen so lange zu wiederholen, bis ich entweder gewann oder wir an unserem Ziel ankamen.
«Und wenn schon», meinte Dori, «ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn wir die Wildnis schneller als sonst hinter uns bringen. Letztes Mal haben uns hier in der Gegend ein paar üble Burschen aufgelauert. Es hat sich einiges verändert. Nach dem Smaug getötet wurde, kehrte überall für eine Weile Frieden ein, aber seither sind viele Jahre vergangen und die Orks und andere Halunken sind wieder aufsässiger geworden. Du hast es ja selbst erlebte auf dem Pass.»
«Keine Schwarzmalerei, Dori», meinte Bifur heiter wie immer. «Wir haben schliesslich Dwalin und Cal. Und wir selbst wissen ja auch, wie man eine Axt anständig schwingt. Sollen diese Halunken nur versuchen, es mit uns aufzunehmen. Die sind nichts gegen einen Drachen und machen mir keine Angst.»
«Trotzdem, je schneller wir hier durch sind, desto besser», murmelte Dori vor sich hin.
Die beiden jungen Zwerge, Glori und Borin, waren da anderer Meinung, sie wären nur zu gern auf diese Halunken getroffen, von denen die älteren erzählten, und hätten ihnen gerne mal gezeigt, was ein Hammer war, wie Glori sagte und dabei liebevoll über seinen Streithammer strich. Wieso er sich für diese unhandliche, schwere Waffe entschieden hatte, war mir schleierhaft.
Zu unser aller Bedauern wurde den beiden ihr Wunsch erfüllt. Wir passierten ein kleines Wäldchen und stiessen auf einen Baum, der quer zur Strasse lag. Dwalin und Ori stritten sich, ob sie lieber das Wäldchen umgehen oder den Stamm zur Seite schieben sollten. Da die Zwerge meine Stimme mittlerweile mitzählten, wenn sie Entscheidungen trafen, war es unentschieden und das Debattieren begann von Neuem.
«Guten Tag die Herren Zwerge», erklang eine Stimme und ein Mann schlenderte ganz gemütlich aus dem Gebüsch. «Wir können Euch mit dem Baum gerne helfen», bot er an. Er sah zerlumpt und abgerissen aus und hatte zweifellos schon bessere Tage gesehen. An seiner Seite hing ein Schwert.
«Sehr gerne», sagte Bifur und lächelte dem Fremden entgegen.
«Natürlich», das Gesicht des Fremden verzog sich zu einem Grinsen, wobei er eine Reihe schräger Zähne entblösste, «kostet das etwas.» Er kam näher und schritt dann vor dem Baumstamm auf und ab, wobei er unsere Gruppe nicht aus den Augen liess. «Aber da ihr Zwerge seid, werdet Ihr Euch das sicher leisten können. Tragt Ihr nicht immer Gold und Schmuck oder Edelsteine mit euch herum?»
Die Mienen meiner Begleiter verfinsterten sich bei diesen Worten. Zwerge waren hoffnungslose Geizkragen, doch in diesem Fall bezweifelte ich, dass etwas Offenheit weitergeholfen hätte. Die nächsten Worte des Fremden bestätigten meine Vermutung.
«Oder aber, wir nehmen Euch Eure Habe ab ohne Gegenleistung.»
Im Gebüsch beiderseits der Strassen raschelte es und weitere Strolche kamen hervor und immer mehr, bewaffnet mit langen Messern, Bogen und Speeren und einige auch mit Schwertern. Die Zwerge hoben nun ihrerseits ihre Äxte und Borin seinen Streithammer, ich zog mein Schwert und griff dann nach meinem Stab. Wenn diese Banditen sich trauten, eine Gruppe von acht Leuten, darunter sieben Zwerge, von denen mindestens die Hälfte von weitem bereits den Eindruck machte, kampferprobt zu sein, anzugreifen, dann waren sie entweder sehr dumm oder aber sehr gut.
«Ich verstehe das als Weigerung, unsere Bedinung zu erfüllen», stellte der Anführer kühl fest. «Bogenschützen!»
Die Bogenschützen traten aus den Reihen der Wegelagerer vor. Die Pfeile hatten sie angelegt und der einzige Grund, weshalb wir noch nicht alle tot waren, war, dass sie auf den Befehl ihres Anführers warteten.
«Wollt Ihr es Euch vielleicht doch nochmals überlegen?», fragte er hämisch grinsend, während er dabei zusah, wie wir uns – ohne grosse Hoffnung auf Erfolg – zu einem lockeren Kreis formierten, um uns gegenseitig Rückendeckung zu geben. Natürlich würde uns das im Angesicht der Bogenschützen nicht viel bringen.
«Ha! Pfeilen wird es nicht gelingen, unsere Kettenpanzer zu durchdringen. Dieser Stahl wurde im Erebor geschmiedet!», prahlte Borin und hob mutig seinen Hammer.
«Dann werden wir eben auf Kopf und Beine schiessen», sagte der Anführer gleichgültig und ich hätte Borin dafür verfluchen können, dass er den grössten Vorteil der Zwerge – das Einzige, was ihnen vielleicht das Leben hätte retten können – ausposaunt hatte.
«Ich wünschte, Gandalf wäre hier», murmelte Ori leise und hob wie die anderen seine Axt. Kampflos würden sich die Zwerge niemals ergeben, vor allem nicht diesen Banditen, bei denen man nicht sicher sein konnte, ob sie uns nicht doch erschlügen, wenn wir ihre Forderungen erfüllten.
«Nun, wenn das so ist ...», meinte der Anführer, nachdem er vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte und hob die Hand. Sobald er sie sinken liesse, würden die Bogenschützen ihre Pfeile abfeuern, bis dahin blieb uns noch eine kurze Frist, um uns zu ergeben. Oder uns etwas einfallen zu lassen. Die Zwerge nahmen Kampfhaltung an. Ich schloss meine Hand fester um den dunklen Wanderstab und machte mich bereit.
Die Hand des Anführers senkte sich und die Pfeile schnellten von den Sehen. Die Zwerge hoben ihre Äxte, um zu versuchen, sie abzuwehren. Ich hob meinen Stab an und schrie Worte der Macht, die allen Anwesenden in den Ohren klingelten und sie taumeln liessen. Die Runen in meinem Stab glühten hell und die Pfeile schwirrten nutzlos an uns vorbei und ehe die Strolche die Wirkung der Worte ganz abschütteln konnte, hob ich mein Schwert und griff an. Die Zwerge, die sich etwas schneller erholten als die Menschen, taten es mir nach.
Es war ein Gemetzel. Worte der Macht sollten nie laut in Anwesenheit derer gesprochen werden, die ihrer nicht mächtig sind. Es ist ihnen unmöglich, sie zu verstehen, sie verwirren ihre Gedanken, machen sie orientierungslos, weshalb sich diese Gauner hier auch kaum wehren konnten, als ich zwischen ihnen wütete. Ich hatte noch nie gern gegen Menschen gekämpft, anders als die Orks waren sie nicht von vornherein verdorben und diese Banditen hier waren Sauron vermutlich nicht einmal hörig. Sie hatten einfach nur das Pech, sich mit sieben Zwergen und einer jungen Magkylir anzulegen.
Als es endlich vorbei war, spuckte Dwalin vor dem toten Anführer zu Boden und lachte dann. «Man sollte sich eben nicht mit Zwergen anlegen!»
Den anderen Zwergen schien das Geschehene näher zu gehen. Bifur wandte den Blick von den Toten ab, Borin war grün um die Nase und bei Glori blieb es nicht bei dem Grün. Nori und Dori schüttelten traurig die Köpfe und Ori, sah immer noch etwas verwirrt aus und schielte leicht. Er hatte direkt neben mir gestanden, als ich die Worte der Macht gerufen hatte und hatte ihre Wirkung wohl nicht ganz abschütteln können. Trotzdem wandte er sich jetzt an mich.
«Danke Cal. Ohne dich wären wir hier nicht lebend rausgekommen.»
Ich nickte nur und strich über Koraks Gefieder, der gleich nach dem Kampf angeflattert gekommen war und sich auf meine Schulter gesetzt hatte, wo ihm sonst das Heft meines Schwerts den Platz verwehrte. Scheinbar hatte der kluge Vogel meinen inneren Aufruhr gespührt, denn er schmiegte sich nah an mich. Ich hasste es, zu töten, wann immer möglich, begnügte ich mich damit, die Leute ausser Gefecht zu setzen, wie ich es damals mit den Wachen am Erebor gemacht hatte, doch das Töten liess sich nicht immer vermeiden, wenn ich selbst überleben wollte.
«Cal», mein Name aus Dwalins Mund klang wie ein Knurren. Er baute sich vor mir auf. Für einen Zwerg hatte er eine beeindruckende Grösse, auch wenn er damit immer noch kleiner war als ich, doch sein wütender Gesichtsausdruck machte das allemal wett. «Was. War. Das?» Er betonte jedes einzelne Wort als wäre es ein Hammerschlag.
Borin, der sich wieder etwas gefangen hatte, antwortete an meiner Stelle: «Das muss Zauberei gewesen sein. Cal ist ein Zauberer.»
«Nein», widersprach Dwalin und klang dabei gefährlich ruhig. «Er ist ein Gefangener. Ein entflohener Gefangener.» Seine dunklen Augen waren zu Schlitzen zusammengekniffen und er nagelte mich mit seinem wütenden Blick fest. «Vor vier Jahren ist er aus den Zellen des Erebors geflohen, zusammem mit einem Dieb und Mörder, wie die hier es waren», er deutete auf die toten Banditen. Mir wurde schlecht. Noch nie war mir ganz wohl dabei gewesen, Langfinger ebenfalls zu befreien.
«Ich bin kein Dieb und Mörder», verteidigte ich mich.
«Du bist ein Ostling, das kommt auf das gleiche raus.» Dwalin kam mir langsam näher und drängte mich in Richtung des Baumstamms zurück.
«Nein, tut es nicht! Du weisst nichts über die Menschen im Osten, rein gar nichts! Viele von ihnen mögen an Saurons Seite kämpfen ja, aber manche kämpfen auch gegen ihn, genau wie ihr hier. Sogar noch mehr, denn Sauron überzieht uns bereits mit Krieg. Das solltest du wissen, Dwalin, bevor du versuchst, dir ein Bild über Ostlinge zu machen. Korak, jetzt!» Ich schob meine Schulter, auf der Korak sass nach vorn und er verstand. Er stiess sich von mir ab und flatterte geradewegs auf Dwalins bärtiges Gesicht zu, wobei er laut krächzte. Währenddessen liess ich mich nach hinten fallen, rollte mich über den Baumstamm ab und hechtete in seiner Deckung ins Gebüsch, aus dem eben noch die Banditen gekommen waren.
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