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21. Kapitel - Die Akzeptanz eines Volkes

Was gab es Peinlicheres, als vom Vater des Mannes, den man gerade küsste, beim Knutschen erwischt zu werden? Vielleicht, wenn es sich bei diesem zufällig um den König eines Reiches handelte und bei dem Mann, den man küsste, um den Kronprinzen? Und wenn man genau wusste, dass dieser nicht mit einer Beziehung zwischen seinem Sohn und einem selbst einverstanden war? So oder so, ich nahm schnellstens Abstand vom Prinzen und rammte dabei ausversehen Hessa meinen Ellbogen in die Seite, die empört schnaubte und zu Théodred und mir schaute. Für die aktuelle Situation standen wir meiner Meinung nach immer noch viel zu nahe beisammen, aber in Hessas Box gab es schlicht nicht mehr Platz. Und Théodred hatte bisher keinen Versuch gemacht, die Box zu verlassen.

«Théodred, komm sofort hierher», sagte der König mahnend.

Murrend tat der Prinz wie geheissen und baute sich mit verschränkten Armen vor seinem Vater auf. Ich folgte ihm, froh endlich aus der Box zu entkommen.

Kurz sah Théoden zu mir. «Lasst uns bitte allein, Calenna», sagte er und nickte zum Ausgang des Stalles hin, der abgesehen von den Pferden, dem König, dem Prinzen und mir leer war. Offenbar hatte Théoden alle anderen bereits weggeschickt. Ich ergriff die Gelegenheit zur Flucht, doch Théodred hielt mich am Handgelenk zurück.

«Sie soll bleiben!», verlangte er von seinem Vater.

Dieser presste die Lippen zusammen, nickte dann aber. «Nun gut, vielleicht ist es ganz gut, wenn sie ebenfalls hört, was ich dir zu sagen habe.» Der König nahm seinen Sohn fest ins Visier. «Ich habe es dir schon einmal gesagt, Théodred, Calenna ist keine Frau für dich. Du kannst keine Beziehung mit ihr eingehen. Sie taugt nicht als Königin von Rohan», erklärte Théoden streng und sah kurz entschuldigend zu mir.

«Weshalb nicht? Weil sie keine Eorlinga ist?», fragte Théodred bockig. «Das war Grossmutter auch nicht.»

«Das ist richtig. Und manche störten sich bis zum Tod meines Vaters daran, dass ihretwegen die Sprache Gondors in Meduseld gesprochen wurde und nicht die Sprache Rohans. Meine Mutter kannte weder unsere Sprache noch unsere Gebräuche, als sie mit meinem Vater nach Edoras kam», sagte Théoden.

«Calenna spricht Rohirrisch und unsere Gebräuche kann sie lernen!», widersprach Théodred uneinsichtig.

«Trotzdem ist Calenna keine Dame–»

«Sie kann lernen, sich wie eine zu verhalten!», fiel Théodred seinem Vater ins Wort.

«Glaubst du wirklich, das Calenna das will, Théodred?», gab der König zurück.

Die beiden blickten zu mir, die ich mit finsterem Gesicht neben ihnen stand, meine Hände vor der Brust verschränkt.

«Calenna ist keine Dame. Sie ist eine Kriegerin; sie versteht mehr vom Leben in der Wildnis denn von dem in der vornehmen Gesellschaft! Und mehr noch: Sie ist eine Zauberin. Junge, sie ist nicht einmal ein Mensch!», scholt Théoden seinen Sohn.

Théodred zuckte zusammen. Offenbar war ihm der letzte Punkt wieder einmal entfallen – wie es viel zu oft der Fall zu sein schien. «Das ist mir egal», sagte er leise.

«Dir ist es egal – aber deinem Volk nicht, Théodred. Als Prinz ist es deine Pflicht, auch an dein Volk zu denken. Und erst recht wird es das sein, wenn du einmal König von Rohan bist», erwiderte Théoden eindringlich.

Verärgert schnaubend zog Théodred ab.

Théoden blickte seinem Sohn nach und seufzte tief, bevor er zu mir sah. «Bitte entschuldigt, wenn ich Euch beleidigt haben sollte», sagte er.

«Das habt Ihr nicht. Ich weiss, dass ich nicht zur Königin von Rohan tauge und es ist eine Tatsache, dass ich kein Mensch bin.»

Théoden nickte mir zu. «Ich würde ihm den Umgang mit Euch verbieten, wenn ich glauben würde, dass es etwas brächte. Aber ich befürchte, es würde ihn nur noch mehr aufstacheln. Ich will nicht, dass er Euch ... zu Nahe tritt.»

Ich lachte auf und der König sah mich fragend an. «Manche der Gebräuche der Menschen hier im Westen erscheinen mir manchmal geradezu absurd», erklärte ich kopfschüttelnd.

Die Stirn des Königs runzelte sich. «Vielleicht sollte ich Euch den Umgang mit meinem Sohn verbieten anstatt umgekehrt. Macht ihm bitte keine falschen Hoffnungen, Calenna. Er wird nur umso enttäuschter sein, wenn er am Ende einsehen muss, dass eine Beziehung zwischen ihm und Euch unmöglich ist.»


Nach diesem Zusammenstoss in den Ställen sah ich Théodred mehrere Tage lang nicht. Hatte sein Vater ihm doch noch verboten, sich mir abzugeben? Ich fragte nicht nach, sondern konzentrierte mich stattdessen auf den Unterricht mit Éowyn. Ihre Kenntnisse der Gemeinsprache waren mittlerweile gut genug, dass sie diese flüssig und einigermassen fehlerfrei sprach. Meine Kenntnisse des Rohirrisch waren verglichen damit immer noch eher bruchstückhaft, doch ich kam gut durch den Alltag. Wie bis anhin behielten wir unsere Abmachung von Tag zu Tag die Sprache zu wechseln bei. In der Kräuterkunde und der Heilkunst hatte Éowyn ebenfalls gute Fortschritte gemacht, aber lange nicht so beeindruckende wie im Bogenschiessen und im Kampf mit dem Schwert.

Wenn die Zeit gekommen war und ich gehen musste, beschloss ich, würde ich ihr ein eigenes Schwert schenken. Der König würde vermutlich nicht damit einverstanden sein, und viele andere noch sehr viel weniger, doch ich wollte, das Éowyn etwas hatte, dass sie an mich erinnerte. Und es amüsierte mich, dass es Éomer furchtbar ärgern würde. Der Bengel begegnete mir immer noch mit wütenden Blicken jedes Mal, wenn er mich sah. Verächtlich verzog ich den Mund, während ich in meiner Kammer auf dem Bett lag und an die Decke starrte. Éomer konnte mir gestohlen bleiben. Vielleicht hatte Théoden recht und der Junge würde sich irgendwann eingestehen, dass ich ihm das Leben gerettet hatte – vielleicht war er aber auch zu stur und verbohrt dazu vor lauter Eifersucht.

Meine Gedanken schweiften weiter zu Théodred und – wie so oft, wenn ich abends im Bett lag und auf den Schlaf wartete, der nicht kommen wollte – zu dem Kuss. Théodred hatte ein Feuer in mir entfacht, ein Feuer, dass schon so lange erloschen war. Leidenschaft. Begehren. Einen Hunger, der schon so lange nicht mehr gestillt worden war und der mich nun von innen her aufzufressen drohte. Dieser Kuss ... Allein die Erinnerung daran genügte, meinen Körper nach Befriedigung schreien zu lassen. Es war schon viel zu lange her. Seit ... seit ich ihn verloren hatte. Miro. Den Mann, den ich mehr geliebt hatte, als ich in Worten ausdrücken konnte. Stumme Tränen rannen mir übers Gesicht – Trauer um einen geliebten Menschen, der gestorben war, Schuld, weil ich Théodred geküsst hatte –, während ich an ihn dachte. Wie lange war das nun her? Über vierzig Jahre ... so lange schon .... Ich seufzte tief. Wenn dieser Ork ihn damals nicht erschlagen hätte, würde Miro dann heute noch leben? Er war ein Mensch gewesen, ich unsterblich. Als wir uns ineinander verliebten, hatte das keine Rolle gespielt. Ich war nur wenige Jahre älter gewesen als er, Unsterblichkeit war ein Begriff, den ich mir damals nicht einmal Ansatzweise hatte vorstellen können, auch wenn ich wusste, dass meine Eltern mein Volk bereits seit Jahrhunderten anführten und auch einige meiner älteren Brüder waren um Jahrzehnte älter als ich und sahen dennoch aus wie die blühende Jugend. Ich hatte mich in einen Menschen verliebt, der alterte und sterben würde.

Mit einem Kopfschütteln stand ich auf und zog meinen blauen Umhang über. Wenn ich in Gedanken bereits bei Miro verweilte, würde ich nie einschlafen, da konnte ich genauso gut aufstehen und mir etwas die Beine vertreten. Ich griff nach meinem Stab und verliess auf leisen Sohlen meine Kammer und machte mich auf den Weg an die frische Luft.

Auf dem Söller vor der Goldenen Halle blieb ich stehen und reckte meine Nase in die kühle Brise, die mit meinem Haar und Umhang spielte. Die Stadt breitete sich ruhig unter mir aus, nur hie und da erhellte eine Laterne oder ein flackerndes Herdfeuer ein Fenster. Tief atmete ich ein und aus, nahm die kühle Nachtluft in mich auf, den Geruch der Herdfeuer und der Pferde aus den Ställen in der Nähe. Die Ruhe und die vertrauten Gerüche hatten etwas beruhigendes. Ich liess meinen Blick in die Ferne schweifen. Da war etwas. Eine Schar bewegte sich auf Edoras zu. Reiter mit Fackeln. Ich kniff meine Augen zusammen, um meinen Blick zu schärfen und erkannte eines der Banner. Reiter Rohans. Um diese Uhrzeit? Die Stadttore waren schon längst geschlossen worden. Ich konnte mir eigentlich nur einen Grund vorstellen, weshalb sie mitten in der Nacht noch unterwegs waren, anstatt irgendwo zu lagern: ein Notfall.

«Calenna Rabenfrau?», sprach mich jemand an und ich zuckte zusammen. «Was tut Ihr hier?», fragte ein Wachmann.

«Ich brauchte frische Luft», erklärte ich abgelenkt und zeigte dann in die Ferne. «Da nähert sich ein Reitertrupp. Sie tragen das Wappen Rohans.»

«Um diese Zeit?», fragte der Wächter verblüfft und blinzelte in die Nacht hinaus.

«Sie kommen schnell näher. Ich glaube ...», ich strengte mich stärker an. «Sie haben Verletzte bei sich!» Kaum hatte ich das erkannt, wirbelte ich herum und stürmte zurück nach drinnen.

«Wohin geht Ihr?», rief der Wachmann mir nach, doch ich blieb ihm die Antwort schuldig.

Stattdessen rief ich über meine Schulter zurück: «Los, öffnet Ihnen das Tor! Wir müssen ihnen helfen!»

Kaum in meiner Kammer angekommen packte ich meine Vorräte an Heilkräutern, Salben und Verbänden und rannte wieder nach draussen. Auf dem Weg rannte ich beinahe der König um, der in nicht viel mehr als Nachthemd und einem warmen Umhang ebenfalls auf dem Weg nach draussen war.

«Calenna! Háma berichtet, Ihr hättet eine sich nähernde Patrouille erspäht, die Verletzte bei sich hat?», fragte Théoden und deutete dabei auf den Wächter neben sich, den gleichen, der mich vorhin draussen aufgestöbert hatte.

«Ja, richtig», erklärte ich kurz und wollte weiterhasten, doch der König hielt mich auf.

«Ihr seid Euch sicher, dass es Eorlingas sind und anderen Menschen oder gar Orks?», fragte er.

«Es sind keine Orks und sie trugen die Standarte Rohans. Wir müssen ihnen helfen!», erklärte ich eindringlich.

«Nun gut», sagte der König nach einer schieren Ewigkeit. «Háma, führt einen Trupp hinab zum Tor. Und nehmt einen Heiler mit.»

«Ich gehe mit», bot ich an und hielt meine Ausrüstung hoch. «Ich habe bereits alles da.»

Théoden nickte mir zu. «Dann brechen wir gleich auf.»

Es dauerte noch etwas – meiner Meinung nach viel zu lange – bis alle bereit waren, dann eilte der kleine Wächter Trupp um Théoden und mich die Hauptstrasse hinab zum Haupttor, wo uns bereits einige Soldaten erwarteten. Sie wirkten verunsichert.

Von ausserhalb des Tores war eine Stimme zu hören: «Verdammt nochmal, lasst uns endlich herein! Wir haben Verletzte bei uns, die dringend versorgt werden müssen! Jetzt öffnet dieses verdammte Tor, ich bin Euer Prinz!» Théodred.

«Öffnet das Tor!», befahl der König noch einige Meter vom Tor entfernt.

Die Soldaten kamen Théodens Befehl augenblicklich nach und Théodred und seine Männer ritten in die Stadt ein. Rasch liess ich meinen Blick über die Reiter schweifen. Mehrere Pferde waren unbesetzt, einige Männer waren an ihre Sättel gebunden, damit sie nicht vom Rücken der Pferde fielen und auch von denen, die noch aufrecht sassen, waren nur die wenigsten unverletzt.

«Háma, schickt nach mehr Heilern!», befahl der König und eilte dann Théodred entgegen. «Was ist geschehen, mein Sohn?»

«Vater», grüsste der Prinz erschöpft. «Es waren Wargreiter. Sie haben uns aufgelauert, als wir bereits wieder auf dem Rückweg waren. Müde und erschöpft. Sie erwischten uns aus dem Hinterhalt.»

Nur mit einem Ohr hörte ich zu, wie Théodred berichtete. Ich war bereits unterwegs zum ersten Verwundeten, einem von denen, die die Reiter an seinem Sattel festgebunden hatten. Mit meinem Dolch durchschnitt ich die Seile, die den Mann oben hielten und hob ihn dann mit Hilfe der Kraft meines elbischen Erbes aus dem Sattel und legte ihn zu Boden. Er war übel zugerichtet: Krallenspuren zogen sich über seine ganze rechte Seite. Einige der Wunden gingen tief, aber ich konnte nicht sehen, ob irgendwelche inneren Organe verletzt worden waren. Wenn die Warge oder Orks seine Eingeweide zerfetzt hatte, würde er wenig Chancen haben.

«Ich brauche Licht, um diesen Mann zu behandeln!», rief ich und einer der Soldaten der Torwache kam mit einer Laterne zu mir geeilt. Ich nahm sie ihm ab und hielt sie näher an die Wunde, um diese eingehender zu untersuchen. Nein, der Mann schien Glück gehabt zu haben. «Hier, haltet die Laterne so», erklärte ich dem Soldaten, der mir die Laterne gebracht hatte, und griff dann in einen meiner Beutel und zog ein Fläschchen mit Flüssigkeit heraus. «Das wird jetzt weh tun, aber ihr müsst stillhalten, also beisst die Zähne zusammen», wies ich den Verletzten an.

Dieser lachte verkrampft. «Schlimmer kann es wohl kaum werden», brachte er mühsam hervor.

«Es kann immer schlimmer werden», prophezeite ich düster und schraubte dann den Deckel vom Fläschchen. Mit einer Pipette saugte ich Flüssigkeit aus und liess diese in die Wunden fallen.

Der Mann zischte. «Was bei allen Höllen ist das für Zeugs?!»

«Ringelblumentinktur», erklärte ich kurzangebunden. «Alkoholhaltig – deshalb brennt es so, unterstützt jedoch auch die entzündungshemmende Wirkung. Ich muss das hier nähern, zumindest die tiefsten Kratzer.» Ich schraubte das Fläschchen mit der Ringelblumentinktur wieder zu und verstaute es zusammen mit der Pipette wieder in einem meiner Beutel, bevor ich nach einer Dose griff, in der ich Nadel und Faden verwahrte, eingelegt in einer Salbe aus Silberweidenrinde, die schmerzstillend und entzündungshemmend wirkte und das ganze sterilisierte.

«Erzählt mir etwas von Euch», forderte ich den Mann auf, während ich den Faden abmass.

«Weshalb?», fragte er und beobachtete mich misstrauisch. «Seid Ihr nicht die Lehrerin der Nichte des Königs? Ich wusste nicht, dass Ihr Heilerin seid?»

«Ich kenne mich in vielen Fachgebieten aus. Erzählt mir etwas, um Euch vom Schmerz abzulenken. Irgendetwas. Ihr müsst auch nicht von Euch erzählen. Erzählt mir von Eurem Einsatz oder irgendeine Kindergeschichte – Hauptsache es lenkt Euch ab.»

«Nun gut ... also, wir sind vor gut zwei Wochen losgeritten, um – autsch!» Zischend sog der Mann Luft ein und sah mich empört an. Ich hatte gerade den ersten Stich gemacht.

«Redet weiter, konzentriert euch aufs Erzählen», wies ich ihn streng an.

«Ist ja schon gut», murrte er. «Also, wir sind losgeritten, um es mit einigen Orks aufzunehmen, die in der Westfold für Ärger gesorgt haben ...»

Mit einem halben Ohr hörte ich dem Mann zu, während ich mich darauf konzentrierte, die Wunden zu nähen. Zwar interessierte es mich brennend, was Théodred gemacht hatte, doch im Augenblick gab es wichtigeres.

«Gut, das war's», sagte ich schliesslich.

«Schon fertig?», fragte der Verwundete, der noch nicht mal in der Hälfte seiner Erzählung angelangt war. Er hatte sie extra detailliert gehalten. «Alle Wunden genäht?»

«Die schlimmsten», erklärte ich. «Ich habe nicht genug Faden, um sie alle zu nähen und das ist auch nicht unbedingt nötig. Es reicht die restlichen zu verbinden.» Ich holte Verbandsmaterial aus einer grossen Tasche und tat wie angekündigt. Danach unterwies ich den Mann, wie er die Wunden behandeln sollte – darauf achten, dass die Verbände nicht nass wurden und kein Dreck hineinkam, bei Anzeichen von Verschlimmerung sofort einen Heiler aufsuchen, und so weiter – und wandte mich dann meinem nächsten Patienten zu.


Der Morgen dämmerte bereits, als schliesslich der letzte Verwundete versorgt war. Die Beutel mit meinen Kräutern, Tinkturen und Salben waren um einiges leerer als noch am Vortag und selbst meine Magie hatte ich das eine oder andere Mal verstohlen zum Einsatz gebracht. Aber glücklicherweise war ich nie ausversehen in die Gedanken eines der Reiter eingedrungen, wie es mir bei Iliane in Bree und davor bei dieser Frau in Bruchtal passiert war. Müde drückte ich meinen Rücken durch und blinzelte dem Sonnenaufgang entgegen. Auch der Soldat der Torwache, der mir die ganze Zeit über mit der Laterne zu Hand gegangen war, gähnte.

«Vielen Dank, Herrin», sagte er, sah mich dabei kurz an und liess seinen Blick dann über die vielen Feldbetten und provisorischen Liegen gleiten, die im Haus des Heilers aufgebaut worden waren. Irgendwann hatten wir die Verletzten vom Tor hierher verlegt.

«Weshalb das?», fragte ich überrascht.

Der Soldat schluckte verlegen. «Nun ja, ich hätte nicht gedacht, dass Euch einfache Soldaten so viel bedeuten, dass Ihr Euch so aufopferungsvoll um sie kümmert. Einige der Verletzten zählen zu meinen engsten Freunden ...»

«Ich hätte das für jeden getan, der sich gegen den Feind stellt. Ich bin froh, dass ich helfen konnte», erklärte ich ehrlich.

«Wir stehen dennoch in Eurer Schuld», sagte der Soldat leise. «Ich habe die anderen Heiler darüber sprechen hören – ich glaube, Ihr habt nicht darauf geachtet. Sie sagten, ohne Euch hätten wir einige der Verletzten heute Nacht verloren. Ihr seid sehr begabt.» Er lief rot an bei diesen Worten und sah beschämt zu Boden.

«Nun, ich hatte einen grossartigen Lehrer, der sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet vorzuweisen hat. Es freut mich, dass ich helfen konnte. Aber bitte entschuldigt mich jetzt. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und bin schrecklich müde.»

«Natürlich, Herrin. Ruht Euch aus. Und ... ich danke Euch von ganzem Herzen», sagte er und trat respektvoll einen Schritt zurück.

Ich verliess das Haus des Heilers und machte mich auf den Weg hoch zur Goldenen Halle, deren Dacht bereits in den ersten Sonnenstrahlen glänzte. Dabei gingen mir immer wieder die Worte des Soldaten durch den Kopf. Sollte wirklich das der Weg sein, sich den Respekt eines Volkes zu erarbeiten? Als gütige Heilerin?


Auf dem Weg zurück zu meiner Kammer kam ich am Thronsaal vorbei. Die Tür stand leicht offen und ich konnte aufgebrachte Stimmen hören.

«Diese vermehrten Überfälle können kein Zufall sein, Vater!», sagte Théodred wutentbrannt.

Ein Seufzen, vermutlich von Théoden.

«Was wollt Ihr damit sagen, mein Prinz?», erklang eine fremde Stimme.

«Wir müssen etwas dagegen unternehmen!», erklärte Théodred.

«Natürlich, so viel ist uns allen bewusst», sagte der Fremde. «Aber was? Habt Ihr auch darauf eine Antwort, mein Prinz?»

Ein Rascheln ertönte, als jemand neben mich trat und ich sah auf. Es war ein Wächter. Háma.

«Wenn Ihr möchtet, Calenna Rabenfrau, dann dürft Ihr gerne hineingehen. Der König hat seine Erlaubnis gegeben», erklärte der Wachmann.

Ich musste nicht lange überlegen. Zwar war ich müde von der durcharbeiteten Nacht, aber es interessierte mich zu sehr, was die Männer im Thronsaal besprachen, um diese Gelegenheit verstreichen zu lassen. Entschlossen nickte ich Háma zu, der die Tür aufschob. Ohne eine weitere Aufforderung abzuwarten trat ich ein.

Im Raum waren mehrere Männer versammelt. Offiziere, den Helmbüschen nach zu urteilen. Allerdings trugen die meisten ihre Helme unter dem Arm oder hatten ihn irgendwo abgelegt. Sie standen alle um einen Tisch herum und beugten sich über eine Karte, auf der verschiedene Figuren aufgestellt waren. Es waren Pferde, Wölfe und Orks und sie symbolisierten offenbar Truppen.

Die Männer sahen hoch, als ich nähertrat und die Karte begutachtete. Die meisten von ihnen wirkten abweisend, aber ich beachtete sie nicht. Stattdessen studierte ich aufmerksam die Aufstellung auf der Karte.

«Calenna. Wie steht es um die Verletzten?», grüsste mich der König.

«Sie sind nun alle versorgt und die meisten werden durchkommen, Théoden, König», antwortete ich Théoden.

Erleichtertes aufatmen ging durch die Reihen der Männer.

Einer wandte sich an Théodred: «Dann kann es ja nicht so schlimm gewesen sein, wie Ihr behauptet habt, Prinz.»

Théodred funkelte ihn verärgert an.

«Die Verletzungen waren sehr ernst», entgegnete ich ruhig. «Nur weil die Wunden versorgt sind und die Verletzten nicht mehr in unmittelbarer Todesgefahr schweben, heisst das nicht, dass sich die Wunden nicht trotz aller Sorgfalt noch entzünden könnten.»

«Aber selbst ein oberflächlicher Schnitt mit einem Messer kann bei fehlender oder falscher Behandlung zu Wundbrand führen. Es braucht keine Kompanie Wargreiter dazu», warf ein junger Offizier ein.

Ich ignorierte den Einwurf und sah stattdessen stirnrunzelnd auf die Karte. Etwas daran irritierte mich. Die Aufstellung ... Ich machte einige Schritte um den Tisch mit der Karte herum, aber nein, ich hatte mich nicht geirrt. Die feindlichen Truppen waren nicht östlich von Edoras postiert, sondern westlich.

«Versteht Ihr überhaupt etwas von Karten und Truppenbewegungen?», sagte der junge Offizier zweifelnd.

Ungehalten sah ich auf. «Tu ich. Genug um mich zu fragen, wie es kommt, dass die feindlichen Truppen im Westen lauern und nicht im Osten, wo doch der Feind sich dort niedergelassen hat.»

«Der Feind?», fragte der Offizier irritiert.

«Der Feind», wiederholte ich, nahm eine noch nicht gesetzte Ork-Figur und setzte sie nach Mordor.

«Sauron ist nicht der Gegner, der uns derzeit beschäftigt, Calenna Rabenfrau», sagte ein älterer, bereits etwas in die Jahre gekommener Offizier und ergriff eine weitere Figur. «Gondor kümmert sich um seine Streitkräfte.» Mit diesen Worten setzte er die Figur, ein Soldat in Rüstung und mit Flügelhelm, wie ich sie bereits auf den Wandreliefs in Meduseld gesehen hatte, auf die Karte – genau auf eine befestigte Siedlung namens Minas Tirith.

Nun gut, aber das erklärte noch nicht ... «Wie sind die Orks in die westlichen Gebiete gelangt?»

Der junge Offizier lachte spöttisch. «Wir haben sie nicht gerade danach gefragt. Wir hatten bei unseren Aufeinandertreffen anderes zu tun.»

«Schweigt, Grimbold. Calennas Frage ist durchaus berechtigt, sie kann das schliesslich nicht wissen», sagte Théoden verärgert.

«Als Frau braucht sie es auch nicht zu wissen», brummte Grimbold, allerdings so leise, dass vermutlich nur ich ihn hörte und auch das nur wegen meines elbischen Erbes.

Théoden nickte dem älteren Offizier auffordernd zu. «Déorwine.»

«Mein König», erwiderte Déorwine und sah dann zu mir. «Nun, Calenna Rabenfrau, es gibt nicht nur die Orks aus Mordor, sondern auch Orkstämme im Nebelgebirge.» Er deutete auf einige Figuren an der Nordgrenze Rohans. «Sie fallen immer wieder in unsere Gebiete ein. Éomund, der Vater von Éomer und Eurem Schützling Éowyn, hat sie immer wieder erfolgreich aus unseren Gebieten vertrieben, aber die Orks sind dreist.» Déorwine seufzte. «Und eines Tages fiel Éomund im Gefecht. Wie dem auch sei, der jetzige dritte Marschall der Mark hat mehr Mühe mit ihnen und die Orks haben sich mittlerweile unseren Grenzen entlang ausgebreitet bis hinab nach Isengart. Vielleicht kommen sie auch aus den unbesiedelten Landen westlich der Pforte von Rohan; ebenso die Warge. Wie Grimbold bereits erwähnt hat, nehmen wir uns in der Regel nicht die Zeit, Orks zu verhören. Die meisten von ihnen sprechen ohnehin keine Sprache, die wir verstehen.»

«Also sind es unterschiedliche Orkstämme. Sie dienen nicht dem Feind», resümierte ich.

«Sie würden sicherlich nicht zögern sich ihm anzuschliessen, wenn er sie dazu aufforderte», erklärte Déorwine.

«Und jetzt? Stellt sich heraus, dass die Lehrerin der Nichte des Königs nicht nur eine Zauberin, Schwertkämpferin und Heilerin ist, sondern auch eine brillante Strategin, die einen Plan hervorzaubert, wie wir die Orks und Warge besiegen können?», fragte Grimbold spöttisch.

Nein. Ich war zwar eine gute Kämpferin, aber keine Heerführerin. Ich kannte mich durchaus mit Strategie aus, hatte aber keinerlei Erfahrung als Anführerin von Truppen und ich wollte auch nicht für Soldaten auf dem Schlachtfeld verantwortlich sein.

«Ich habe keinen fixfertigen Plan, aber es hilft immer, wenn man mehr über die Lage weiss», erwiderte ich gelassen.

«Aha, wie lautet dann der halbfertige Plan?», spottete Grimbold.

Ernst erwiderte ich seinen Blick, hielt ihn fest. «Ich kann nicht entscheiden, wie Rohan mit den Bedrohungen umgeht, die diesem Land ins Haus stehen, ich kann nur meine eigenen Schritte wählen.»

Der junge Offizier schnaubte. «Ihr wollt davonlaufen?»

«Nein. Es ist an der Zeit, dass ich endlich wieder den Kampf aufnehme», erklärte ich fest.

Empörtes Gemurmel machte sich unter den versammelten Offizieren breit.

«Ihr könnt Euch nicht den Reitern anschliessen», erklärte Théodred mit vor der Brust verschränkten Armen und sah mich eindringlich an. «Ihr seid als Reiterin nicht gut genug. Und überhaupt: Ihr habt keine Ahnung von den Gräueln einer Schlacht. Glaubt mir, Ihr könntet diese Schrecken nicht ertragen.»

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. «Ich habe in mehr Schlachten gekämpft, als Ihr Euch vorstellen könnt, Prinz Théodred», sagte ich spitz. «In wesentlich mehr. Lasst Euch nicht von meinem jugendlichen Äusseren und der Tatsache, dass ich eine Frau bin, blenden. Benutzt lieber Euren Verstand und Euer Wissen über meine Fähigkeiten im Zweikampf. Glaubt mir, ich habe diese nicht nur auf dem Übungsfeld erworben.»

Mit diesen Worten drehte ich mich um und rauschte aus dem Thronsaal. Ich wusste, dass die Zeit nun gekommen war.




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