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18. Kapitel - Herausforderer

Nach fast einem Jahr kommt endlich wieder ein neues Kapitel. Es hat wirklich schrecklich lange gedauert. Ich schäme mich wirklich. Jedenfalls ... ich hoffe, es wird wieder um einiges regelmässiger neue Kapitel in diesem Buch geben.
Und nun wünsche ich euch viel Spass beim Lesen und nachträglich ein gutes, neues Jahr.
Lg eure Daydream-Fantasy

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Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass die junge Istari des Königs Nichte im Schwertkampf unterwies und es brachte mir mehr Aufmerksamkeit ein, als mir lieb war. Damit, dass ich Éowyn das Jagen beibrachte, hatten die Bewohner Edoras sich noch halbwegs abfinden können, aber den Kampf mit dem Schwert – nein, das ging zu weit. Und überhaupt, was war das für eine verrückte Idee, die Nichte des Königs von einer Frau in dieser Disziplin ausbilden zu lassen.

«Eine absolut schlüssige Idee», sagte König Théoden verärgert, als er an diesem Audienztag bereits das vierte Mal darauf angesprochen wurde. Vermutlich bereute er bereits, mir erlaubt zu haben, Éowyn zu unterweisen. Ganz sicher sogar. Dennoch hoffte ich, der König würde seine Erlaubnis nicht zurückziehen. Éowyn, immer schon ein Bündel an Energie, war geradezu aufgeblüht, seit ich ihr das Kämpfen mit dem Schwert beibrachte. Dabei liess sie sich auch nicht von der auffällig grossen Zahl von Zuschauern aus der Fassung bringen, die während unserer Übungsstunden ganz zufällig am Waffenplatz vorbeikamen. Ich fand diese Neugierigen äusserst lästig, doch Éowyn schienen sie anzuspornen, ihre Sache möglichst gut zu machen. Entweder dass, oder sie war von Natur aus talentiert, was den Schwertkampf anging. Für eine Zehnjährige, die gerade erst zu üben begonnen hatte, stellte sie sich sehr geschickt an.

Meine Aufmerksamkeit wurde wieder in die Gegenwart gelenkt. Der König sass auf seinem Thron in der goldenen Halle Meduseld und empfing Bittsteller. Jeder, egal ob reich oder arm, durfte am Audienztag einmal im Monat vor den König treten und sein Anliegen vorbringen. An diesem Tag war die Erziehung der Nichte des Königs vielen offenbar ein besonderes Anliegen.

Der verärgerte Blick des Königs wanderte vom Bittsteller, einem einfachen Soldaten, zu mir, die ich gemeinsam mit anderen Mitgliedern des königlichen Haushalts an einer Seite der Halle stand. Prinz Théodred war ebenfalls da – natürlich – sein Stellvertreter Halef, Éowyn und Éomer, Nichte und Neffe des Königs, sowie verschiedene Berater & Mitglieder der königlichen Leibwache.

Der Blick des Bittstellers folgte dem des Königs und seine Augen verengten sich, als er meiner ansichtig wurde. So gross war der Einfluss der fremden jungen Frau auf den König also schon.

«Gerade weil sie eine Frau ist, ist Calenna Rabenfrau eine gute Wahl, um meine Nichte zu unterrichten. Sie weiss, worauf eine Frau im Kampf achten muss und kennt deren Stärken und Schwächen. Ihr vergesst, dass Calenna Rabenfrau nicht einfach irgendeine Frau ist, sondern eine junge Istari. Sie hat Erfahrung auf diesem Gebiet.»

«Erfahrung!», knurrte der Bittsteller empört. «Erfahrung!»

König Théoden sah ihn scharf an. «Nun gut, folgendes soll gelten – Odred, schreibt mit», wies der König einen seiner Berater an. «Ab morgen Sonnenaufgang darf jeden Tag ein Krieger Calenna Rabenfrau auf dem Kampfplatz zum Zweikampf fordern. Siegt der Herausforderer, werden die Kampfstunden meiner Nichte Éowyn mit sofortiger Wirkung eingestellt. Der Zweikampf soll jeweils eine Stunde vor Mittag stattfinden. Ich werde persönlich als Schiedsrichter fungieren oder einen Stellvertreter bestimmen. Kein Kämpfer darf Calenna Rabenfrau mehrmals herausfordern.»

Der König beobachtete seinen Berater ungeduldig, während dieser, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, hastig die letzten Zeilen niederschrieb.

«Geht, Odred, lasst dies den Wartenden und der ganzen Bevölkerung verkünden. Und wenn noch jemand deswegen hier ist, schickt sie weg», sagte König Théoden.


Nach diesem Tag wurde ich täglich zum Zweikampf gefordert. Es mangelte weder an Herausforderern noch an Zuschauern. Mir war es viel zu viel Aufmerksamkeit, aber Éowyn genoss den Trubel und verfolgte jeden Kampf aufmerksam. Sie sah nicht nur zu, sondern auch ganz genau hin: Sie analysierte jeden Kampf, jeden Angriff, jede Finte, jede Abwehr; analysierte jede einzelne Bewegung bis ins kleinste Detail. Und schon bald begann sie das so gelernte in unsere Übungskämpfe einzubringen. Wenn sie in diesem Tempo weiterlernte, könnte sie den anderen Rekruten bald das Wasser reichen.

«Sie ist wirklich gut geworden», stellte König Théoden eines Tages fest. Nach meinem Zweikampf war er noch etwas dageblieben und hatte dem Training der Soldaten und auch dem Training von Éowyn und mir zugesehen. «Ich wünschte nur, sie würde sich im Sticken, Malen und all den anderen Fertigkeiten, die von einer Dame gefordert werden, genauso geschickt anstellen.» Théoden seufzte und beobachtete, wie seine Nichte den Hang zur Goldenen Halle hochstürmte. Wie die Kleine nach unserem Training so schnell wieder zu Atem kam, war mir schleierhaft. «Es kann jedenfalls nicht daran liegen, dass sie nach diesen Trainingsstunden zu erschöpft ist», folgerte der König.

«Éowyn hat schlicht kein Interesse am Sticken und Malen und all diesen anderen Dingen, die von einer Dame gefordert werden. Ansonsten hätte sie es darin längst zur Meisterschaft gebracht», erklärte ich.

«Dem mag so sein», sagte Théoden, «aber als Nichte des Königs muss sie den Ansprüchen gerecht werden, die an eine Prinzessin gestellt werden.»

Der König verstummte und wir beobachteten, wie Éowyn die letzten Stufen zum Tor der Goldenen Halle erklomm, während wir noch immer auf dem Schwertplatz standen.

«Könnt Ihr Éowyn vielleicht dazu bringen, mehr Energie darauf zu verwenden, Calenna?», fragte der König.

«Ich kann es versuchen», entgegnete ich wenig begeistert. Wenn Éowyn mir zuhören würde, grenzte das an ein Wunder.


Éowyn hörte mir tatsächlich zu, als ich sie während eines unserer Ausflüge ausserhalb von Edoras darauf ansprach. Allerdings nur um danach entschlossen zu sagen: «Nein, das will ich nicht lernen!»

Nichts anderes hatte ich erwartet, aber ich konnte die Kleine trotzdem nicht so schnell von der Angel lassen, schliesslich hatte der König mich persönlich darum gebeten.

«Bitte, Éowyn, sonst wird dem König bald keine andere Wahl mehr bleiben, als deine Sonderrechte zu streichen. Dann wird es keine Kämpfe mehr geben mit dem Schwert und keine Ausflüge aus der Stadt. Ich bin mir sicher, dass willst du nicht – ich jedenfalls will es nicht und dem König wäre es sicher auch lieber, wenn er es nicht tun müsste.»

«Wenn mein Onkel mir diese Rechte nicht nehmen will, dann soll er es auch nicht tun. Er ist schliesslich der König», erklärte Éowyn mit verärgert vor der Brust verschränkten Armen.

«Das stimmt, aber gerade als solcher ist er auch verpflichtet, den Bräuchen und Erwartungen seines Volkes zu entsprechen. Und dazu gehört auch, dafür zu sorgen, dass du eine umfassende Erziehung erhältst in all dem, was eine Dame deines Volkes können und wissen muss», erläuterte ich.

Finster sah Éowyn mich an und schmollte für den Rest unseres Ausflugs.

Sobald wir die Stadttore von Edoras erreichten, rannte sie davon und liess mich allein am hölzernen Wall zurück. Seufzend sah ich ihr nach. Da würde ich wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen.

«Cal!», erklang plötzlich eine Stimme aus der Menge, die sich in die Stadt hinein und aus ihr heraus wälzte.

«Cal! Cal!», laut rufend und winkend versuchte sich eine schmale Gestalt durch die Menge zu schieben.

Ich kannte diese Stimme und dieses Gesicht, dass mit seinen rosigen Wangen und den freudig funkelnden Augen so gesund und lebendig aussah wie ich es noch nie gesehen hatte. Aber es gehörte nicht hierher. Es gehörte in ein früheres Leben. Hastig wandte ich mich ab und bog in eine Seitenstrasse ein, bevor noch jemand diese Frau und mich miteinander in Verbindung brachte.

«Cal! Warte! Warte!»

Die Frau folgte mir, wobei sie schon nach wenigen Schritten heftig keuchte. Ich hatte ein zügiges Tempo angeschlagen, in der Hoffnung sie abzuschütteln, doch sie gab nicht auf. Sie würde mir durch ganz Edoras nachlaufen; trotz ihrer kürzeren Beine und trotz des Kindes, dass sie auf ihrem Rücken trug.

Schliesslich gab ich auf und wartete in einer abgeschiedenen Seitenstrasse darauf, dass sie mich einholte.

«Cal! Es ist so schön dich–», begann sie keuchend.

«Sei still, Iliane!», fiel ich ihr ungehalten ins Wort. «Was machst du hier?»

Überrascht blinzelte sie mich an. «Ich ... ich dachte, es sei eine gute Idee, mit Anwin nach Edoras zu kommen. Vielleicht kann ich hier Arbeit finden ...», sagte Iliane. «Was ist denn los? Freust du dich gar nicht, mich zu sehen, Cal?»

«Nein, tu ich nicht», sagte ich scharf. Würde ich diese Frau nie loswerden?

«Oh ... ach so ... also ...», stammelte sie. «Du siehst gut aus. Lebst du nun in Edoras?» Neugierig musterte sie mich von Kopf bis Fuss, betrachtete das lange, schwarze, wallende Haar, das sie nur kurz geschoren kannte, den weiten, blauen Umhang, den ich über Hemd und Hose trug und meinen Stab, den ich auch in Bree schon immer bei mir gehabt hatte. Ihr Blick blieb am Schwert an meiner Hüfte hängen und ihre Augen weiteten sich. Auch wenn ich schon zu meiner Zeit im Breeland ein Schwert besessen hatte, so hatte ich es doch nie getragen – es hatte nicht zu der Rolle gepasst, die ich dort gespielt hatte: Cal, der fremde Heiler. Und der Krieger, der die Breeländer vor den weissen Wölfen gerettet hatte. Was sie mir kaum je gedankt hatten, jedenfalls nicht mit ihrem Verhalten mir gegenüber. Und diese Frau hier vor mir hatte dafür gesorgt, dass sie mir am Ende sogar einen Mord anhängten. Den sie verübt hatte. Zwar hatte ich seit Monaten nicht mehr an Iliane gedacht, doch jetzt, wo sie hier vor mir stand, merkte ich, dass ich immer noch furchtbar zornig auf sie war.

«Was willst du, Iliane?», fauchte ich sie an und sie zuckte zusammen.

«Nun ... wie gesagt ... ich will hier Arbeit finden ...», stotterte sie.

«Dann tu das. Aber halte dich von mir fern. Du hast schon genug in meinem Leben herumgepfuscht», erklärte ich und fixierte sie streng. «Du kennst mich nicht und ich kenne dich nicht. Wenn wir uns erneut begegnen, dann werden wir einfach aneinander vorübergehen. Verstanden?»

Iliane sah mich mit grossen Augen an, in denen eine Mischung aus Angst und Zurückgewiesenheit glänzte. Ich erwiderte ihren Blick mit harter Miene und schliesslich murmelte sie leise: «Verstanden.»

«Gut», erklärte ich und ging davon.


«Alles in Ordnung? Ich weiss, meine Cousine ist ein ziemlicher Sturkopf, das kann einen schon einmal in den Wahnsinn treiben», meinte Théodred wenig später und stellte sich zu mir an den Rand des Söllers vor den Toren Meduselds von wo aus ich über die Stadt hinausblickte. Gen Osten. In Richtung meiner Heimat. Wie es meiner Familie wohl ging? Waren sie wohlauf? Hatten sie es bislang geschafft das Tal von Cuiviénen und die angrenzenden Gebiete gegen Sauron zu verteidigen? Sie kämpften und was tat ich? Ich versuchte eine Prinzessin zu unterrichten.

«Wie bitte?», fragte ich, von Théodreds Worten aus meinen Gedanken gerissen.

«Éowyn hat sich furchtbar darüber aufgeregt, dass das alles nicht gerecht sei, dass sie keine Dame sein wolle und dass es unfair sei, sie dazu zu zwingen, all die Dinge zu lernen, die eine Dame können müsse», erklärte Théodred schmunzelnd. «Mir ist aufgefallen, dass sie ohne Euch zurückgekommen ist. Habt Ihr Euch gestritten?»

«M-hm», machte ich, was Théodred zum Lachen brachte. Doch in Gedanken war ich immer noch mehr bei meiner Familie als bei dem Gespräch mit dem Prinzen und meinem Streit mit Éowyn. Es kam mir so unbedeutend vor. Hatte Éowyn nicht im Grunde genommen recht? Was sollte es bringen, all diese Dinge zu lernen: das Sticken, das Malen, das Tanzen und so weiter. Uns stand ein Krieg bevor. Vielleicht würde es nicht gerade morgen sein oder übermorgen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis Sauron auch diese Lande mit Krieg überzog und was nützte es einem dann, sticken zu können? Mit einer Stickerei würde man keinen Ork in die Flucht schlagen können.

«Na, na, Calenna, so schlimm ist es bestimmt nicht», sagte Théodred.

«Was ist nicht so schlimm?», fragte ich, erneut überrumpelt.

«Na, der Streit», erläuterte Théodred und sah mich leicht besorgt an.

«Ach das, nein ist es nicht», pflichtete ich ihm bei. «Im Grunde kann ich es Éowyn nicht verübeln. Ich hätte in ihrem Alter auch keine Lust gehabt, mich mit Nähen, Sticken und Malen abzugeben. Da habe ich heute immer noch keine Lust drauf», fügte ich hinzu, um das Gespräch in Gang zu halten. Ich hätte den Prinzen nicht so abwesend behandeln sollen.

«Worauf hattet Ihr stattdessen Lust?», fragte Théodred neugierig.

«Ich mochte immer die Übungskämpfe mit meinen Brüdern und Freunden zuhause. Und ich war fasziniert von den Geschichten und der Geschichte, die mein Vater und meine Mutter mir beibrachten. Mein Vater lehrte mich die Magie – ein Fachgebiet, mit dem er mich selbst in meinen verbohrtesten Launen ködern konnte. Nur ein einziges anderes Thema vermochte mich je wieder so zu begeistern: die Heilkunst, die mein Onkel Aiwendil mich lehrte.»

«Dann mögt Ihr es also, jeden Tag zum Zweikampf gefordert zu werden?», fragte Théodred überrascht. «Soll ich mich in die Liste der Herausforderer eintragen?»

«Das habt Ihr noch nicht getan?», fragte ich den Prinzen lachend.

Dieser verneinte. «Bisher war ich der Ansicht, dass Ihr diese Vereinbarung eher widerwillig angenommen habt.»

«Da habt Ihr allerdings recht», gab ich zu. «Trotzdem würde es mich reizen, gegen Euch anzutreten.»

Théodred grinste spitzbübisch. «Wenn das so ist, solltet Ihr euch auf etwas gefasst machen. Ich werde euch nicht meiner Cousine zu liebe schonen.»

«Es würde mich auch sehr enttäuschen, wenn Ihr es tätet», gab ich zurück.


Es sollte allerdings noch etwas dauern, bis Théodred mit seinem Zweikampf an der Reihe war, denn die Liste der Herausforderer war immer noch sehr lang. Ich hatte sie mir vom König zeigen lassen und trotz all der Kämpfe, die ich bereits ausgefochten hatte, waren immer noch über fünfzig Mann darauf aus, Éowyns Schwertkampfunterricht zu beenden. Diese machte unterdessen weiterhin beeindruckende Fortschritte. Mittlerweile hatten wir auch ein-, zweimal den Kampf mit Schwert und Schild geübt. Es war lange her, dass ich selbst einen Schild getragen hatte, da ich im Ernstfall normalerweise mit meiner rechten Hand das Schwert führte und in meiner linken meinen Stab. In den Zweikämpfen jedoch hatten einige meiner Herausforderer einen Schild getragen und Éowyn wollte das auch lernen. Vom Waffenmeister liess ich mir zwei der hölzernen Rundschilde geben, die die Rohirrim trugen. Sie waren bemalt mit dem weissen Pferd auf grünem Grund, auch wenn die Farbe bereits abblätterte. Éowyn war begeistert über den Schild, den ich ihr fürs Training überreichte, während ich ... eher zwiespältig darüber dachte. Zuhause in Cuiviénen hatten wir ganz ähnliche Schilde benutzt: aus Holz, rund, mit Metall beschlagen, um die Schutzwirkung zu verstärken. Nur das Wappen auf dem Schild war ein anderes: es zeigte in weiss drei Sterne über zwei Bergen auf blauem Grund. Meine Mutter hatte mir einmal erzählt, dass es ursprünglich nur ein weisser Stern gewesen war, doch als sich die Elben von Cuiviénen mit den Menschen und Zwergen der Gegend zusammenschlossen, wurden zwei weitere Sterne hinzugefügt. Und nun waren Elben, Menschen und Zwerge unter einem Banner vereint.

«Was ist los, Calenna?», fragte Éowyn, der natürlich nicht entgangen war, dass ich seit einigen Minuten stumm auf den Schild in meinen Händen gestarrt hatte. «Stimmt etwas nicht mit dem Schild? Ist er kaputt? Für mich sieht er eigentlich ganz in Ordnung aus.» Sie begutachtete den Schild fachmännisch.

«Nein, alles in Ordnung», erwiderte ich etwas zu eilig und als Éowyn nicht überzeugt aussah fügte ich hinzu: «Der Schild ist nicht kaputt.»

«Aaaber ...?», wollte die Kleine wissen und stemmte die Hände in die Seiten.

«Aber ich musste nur gerade an die Schilde denken, die wir Zuhause verwendet haben», gestand ich schliesslich ein.

«Du hast Heimweh!», erkannt Éowyn überrascht.

War das so offensichtlich?

«Ich hatte auch Heimweh – am Anfang, als Éomer und ich frisch nach Edoras kamen. Und ich war traurig, weil meine Mutter und mein Vater beide kurz zuvor gestorben waren.» Éowyn verstummte kurz und fuhr dann leiser fort: «Manchmal bin ich immer noch traurig deswegen, weil ich sie niemals wiedersehen werde.»

Oh. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Auch wenn ich nun bereits zwölf Jahre von meiner Familie und meinen Freunden zuhause getrennt war, so bestand immerhin die Hoffnung, dass ich sie eines Tages wiedersehen würde. Und mochte diese Hoffnung auch noch so gering sein.

«Wie auch immer», sagte Éowyn schliesslich, als ich die tröstenden Worte schuldig blieb, die in einer solchen Situation vermutlich angemessen gewesen wären. «Sind wir nicht eigentlich zum Trainieren hier?»


An diesem Abend klopfte es an der Tür meiner Kammer – etwas, das sonst selten vorkam. Überrascht öffnete ich die Tür und war noch überraschter, als ich Théodred vor meiner Tür vorfand.

«Théodred? Was führt den Prinzen von Rohan zu dieser späten Stunde hierher?», fragte ich.

«Ich habe gehört, dass Ihr Heimweh habt und wollte mich vergewissern, ob es Euch gut geht. Darf ich hereinkommen, Calenna?», erwiderte er.

Natürlich. Éowyn hatte diese Sache offenbar nicht für sich behalten können. Mit einem Seufzen gab ich den Weg frei und Théodred trat ein und sah sich neugierig um. Obwohl ich nun schon bald ein Jahr hier war, wirkte der Raum immer noch mehr wie ein Gästezimmer. Vielleicht lag es daran, dass ich nur wenig besass: nicht mehr als ich tragen konnte. Vielleicht lag es auch daran, dass das Wenige grösstenteils in meinem Rucksack verstaut war, der in einer Ecke der Kammer an der Wand lehnte – die Schubladen der Kommode waren allesamt leer. Oder vielleicht dass es im ganzen Raum abgesehen vom Banner Rohans keinen einzigen schmückenden Gegenstand gab. Nachdem er seine Begutachtung des Raums beendet hatte, zog Théodred sich den einzigen Stuhl heran, setzte sich und musterte mich. Ich stand immer noch neben der offenen Tür, leicht überfordert mit der Anwesenheit des Prinzen in meiner kleinen Gästekammer.

«Wollt Ihr nicht die Tür schliessen?», schlug er vor.

Unsicher kam ich seinem Vorschlag nach und setze mich dann aufs Bett, Théodred gegenüber, der mich immer noch musterte.

«Geht es Euch wirklich gut hier, Calenna? Ihr wisst, Ihr müsst nicht hierbleiben. Éowyns Unterricht sollte Euch nicht von Euren eigenen Studien bei Eurem Onkel abhalten. Wenn Ihr Heimweh habt, könnt Ihr jederzeit zurückkehren nach Isengart – immerhin seid Ihr nun schon sehr lange hier», sagte Théodred leise.

«Es sind nicht meine Studien oder Isengart oder Curu-, Saruman», verbesserte ich mich. Ich sah Théodred an, sah in graue Augen und spürte, wie die Trauer und die Angst in meinem Inneren aufbegehrten und plötzlich kamen mir die Worte wie von selbst über die Lippen. «Es sind meine Familie, meine Eltern und Geschwister, und meine Freunde zuhause. Es ist schon so lange her, seit ich sie verlassen habe. Zwölf Jahre. Und jeden Tag ... jeden Tag müssen sie kämpfen ... gegen Saurons Armeen. Während der Westen bisher noch verschont geblieben ist, überzieht Sauron mein Volk nun schon seit Jahren, seit Jahrzehnten mit Krieg und ich weiss nicht, ob meine Familie und Freunde ... ob sie überhaupt noch leben. Sie könnten gerade jetzt kämpfen und sterben oder schon lange tot sein und ich habe keine Ahnung.» Meine Stimme brach und ich sah auf meine Hände hinab, die ich während des Sprechens ineinander gewunden hatte.

Plötzlich sank die Matratze neben mir ein und ein starker, warmer Arm legte sich um meine Schultern. Théodred zog mich an sich, bis mein Kopf an seiner Schulter ruhte.

«Ich kann dir nicht versichern, dass es ihnen gut geht, Calenna. Aber ich kann dir versprechen, dass ich für dich da bin, wann immer du mich brauchst», sagte er leise und strich über meinen Rücken, sanfte Kreise, die dazu führten, dass ich mich langsam entspannte. Ich liess mich gegen Théodred sinken, der kurz ins Schwanken geriet, mich dann aber mit beiden Armen umfasste und in eine feste Umarmung schloss. Es tat so gut, einfach wieder einmal loszulassen, für einige Minuten alles loszulassen und die Position des Starken einem anderen zu überlassen, für eine Weile die ganze Last der Verantwortung auf anderen Schultern abzuladen. Ich würde sie noch früh genug wieder selbst tragen müssen.

«Ich hätte eine Idee, wie Ihr Euch während Eurer freien Zeit vom Heimweh ablenken könnt», sagte Théodred schliesslich.

Langsam hob ich meinen Kopf von seiner Schulter.

«Könnt Ihr reiten?», fragte er.

«Gut genug um nicht von einem Pferd zu fallen», erklärte ich. Es war lange her, dass ich selbst auf einem Pferd gesessen hatte – abgesehen von meinem Ritt nach Edoras, bei dem ich mich an Théodred hatte festklammern können und dem kurzen Stück auf dem gestohlenen Pferd aus Bree. Meistens war ich zu Fuss unterwegs.

«Das klingt, als könntet Ihr in dieser Hinsicht noch einiges lernen», interpretierte Théodred meine Antwort. «Könnt Ihr vom Rücken eines Pferdes aus Kämpfen?»

Ich verneinte.

«Dann werde ich es Euch beibringen. Ablenkung ist das beste Mittel gegen Heimweh», sagte der Prinz entschieden, bevor er mich wieder enger in die Arme schloss.

Ich fand ja, Umarmungen waren das beste Mittel gegen jeden Kummer.




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