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Das laute Treiben auf den Markt war unerträglich. Die Händler feilten um ihre ausgewählte Ware und Künstler ließen Kinderaugen durch Feuerspeien und Tanz groß werden. Männer zerrten Frauen von Ständen mit Schmuck, die wiederum ihre Jungen ermahnten, nichts zu stehlen. Die Gardisten in ihren roten Umhängen und silbernen Kopfschmuck lachten über Scherze der wohlgesinnten Bäckerinnen und Schmieden. Die Luft war schwer von Schweißgestank und der Boden beschmutzt. Aus den kleinen, runden Häusern mit ihren flachen Dächern hingen bunte Fahnen und Girlanden von Haus zu Haus, von Lampe zu Lampe und von Tür zu Tür. Auf den Dächern pflanzten Diennerinnen Gemüse, Obst und Gewächs. Von irgendwo ertönte das himmlische Spiel einiger Harfen.
Und am Rande dieses gigantischen Schauspiels stand ein Lädchen zwischen zwei verfeindeten Schneidereien: das Gistena für magische Gegenstände. Ein Laden, voll mit Kräuter, Gewürzen, Gläsern mit bunten Substanzen und widerlichen, körperlichen Einzelteilen - von Mensch oder Tier, das konnte nur ein Expert wissen -, tausenden Büchern und einigen brodelnden Töpfen. Hier und da ein Tischen mit ausgewählten Tränken und Elixieren. Der Laden platze gerade zu an Angeboten. Doch die wahrhaftig gefährlichen Dingen, wie ein totes Buch oder die scharfe Zunge der Magnolienschlange, waren in einer durchsichtigen, mit Zauber verstärkten Vitrine hinter einer Theke aufbewahrt. An dieser Theke stand ein dicker, bärtiger, alter Mann. Sein Kopf zierte ein spitzer Hut. Sein langes Gewand knitterte und raschelte, als er einer Kundin ihren Beutel wieder zurückgab.
Seine Stimme, langsam und von einem warmen Ton, erfüllte selbst die kleinste Ecke im Raum.
"Ich finde, sie tragen ein ungemein hübsches Kleid heute, Miss Torn. Falls der Liebestrank heute nicht auf ihren Liebhaber wirkt, so wissen sie, wo sie mich finden", scherzte der Mann. Bei seinem Worten kicherte die Dame, die wunderschöne Miss Torn aus dem Reichenviertel, deren Wangen ganz rot wurden. Charmant legte der Mann eine gelbe Blume, gleich der Farbe des gefutterten Kleides, das Miss Torn trug, in ihren Beutel.
"Willow Pendragon, ich finde sie weiterhin viel zu alt. Ihre Enkelin könnte glatt meine Tochter sein."
"Und doch fällt mein Auge auf sie, Miss Torn", erwiederte Willow und stütze sein Kopf verliebt auf seine Hände ab. Melancholisch betrachtete er die blonde Schönheit, wie sie den Laden verließ. Die Tür schnarrte und das Läuten der kleinen Ladenglocke verschluckten seine Gedanken an die Dame.
"Sie hat recht, Großvater", ertönte es hinter dem Vorhang. Vier Kisten, eine auf der anderen, kamen hervor. Aus der oberen Kiste lugten trockene Sonnenblumen heraus. Die Kisten bewegten sich an Willow vorbei und blieben stehen. Man könnte meinen, sie schwebten, dabei trug der Rücken eines Salamanders die Last auf sich. Eine Frau folgte ihm.
Während Willow angesichts der Wahrheit mürrisch die Kisten ausräumte, tadelte er seine Enkelin May sogleich. "Deine Mutter hat dir doch unzählige Male gesagt, dass du Daisy nicht als Schubkarre nutzen sollst."
Seufzend widmete sich May den verschiedenen Kräutern, die von der Decke hingen. Ungeschickt fiel ihr ein Bund Melisse in einem Topf blauen Schleimes. Die Melisse versank darin, mit den letzten Blatt löste dies die erste Katastrophe am Tag aus. Der Schleim verzerrte sich nach der Melisse, nahm sie ganz an sich und erdrückte sie. Er färbte sich nach und nach grün, brodelte und kochte, bis der Topf überquollte. Ein Beben sorgte dafür, dass Kerzen und Bücher umfielen, Bilder an den Wänden zitterten. Das grüne Etwas schäumte. May hatte nicht viel Fantasie übrig, aber sie könnte beim König schwören, dass das grüne Etwas zwei Arme bildete und einen runden Kopf. Vor Schreck schnappte sie sich den einen flachen Gegenstand - ein Bild, das umgekippt war -, um damit auf das Etwas zu schlagen.
Ihr Großvater zog seine Mütze zurecht, "Bei meinen Pfifferlingen, May! Hör auf, auf dem Ketterling zu schlagen!"
Aber May konnte nicht anders. Der Schaum lief über den Topf, die Arme streckten sich nach dem Bild. Das Ding stank nun widerlich und die Arme bekamen Finger.
Ihr Großvater bemerkte, dass sie nicht auf ihn reagierte, also riss er ihr das Bild aus den Fingern und guckte in den Topf. Er wies seine Enkelin an, ein paar Bücher zu holen. Mit einem Wachstuch bedeckte der Alte den Ketterling.
Zusammen blätterten sie, bis sie einen Eintrag über einen Ketterling fanden.
Großvater Willow konnte May nicht zustimmen, dass es nicht schlimm war, einen Ketterling erschaffen zu haben. Er versuchte ihr vergebens zu erklären, dass das nicht nur gegen die allgemeine Moral sei, ein Ketterling war auch äußerst gefährlich und eigentlich im bekannten Zauberkreis der Stadt Londs verboten. Er konnte Gold fälschen und Monster anlocken.
May hatte letztendlich die Diskussion verloren und musste den Ketterling in einen Fluss am Markt schütten. Sie hofften, dass der Ketterling mit dem Wasser davon fließen würde und hatten die Sache stillschweigend unter dem Teppich gekehrt. Sie wollten auf keinen Fall im Zauberkreis Missbilligung hervorrufen, denn das könnte ihren Laden schaden.
Außer eine Ladung verschiedener magischer Gegenstände, wie ein Becher, der die Farbe des Getränkes ändern konnte oder ein Fernglas, mit den man unglaublich weit sehen konnte, war nichts mehr geschehen. Keine Gardisten in rot-silber, die den Schleim wieder an die Tür setzten. Oder eine Ansammlung in weißen Kutten gehüllter Menschen, die ihren Laden ausrauben und ihrer Magie schaden wollen würden. Wobei May diesen Gedanken beim Betreten des Ladens abschüttelte, den sie hatte noch nie gehört, was der Zauberkreis wirklich ist und tat.
"Das ist der zweite Ketterling diesen Mondmonat, meine Kleine. Ich denke-"
"Ich denke, du solltest wirklich nicht mehr die Töpfe befüllen", beendete die Frau seinen Satz, den sie schon tausende Mal hören musste. Sie band ihre Haare zu einem Zopf und verstärkte das Band durch einen äußerst leichten Zauber. Großvater Willow nickte zustimmend, doch seine Haltung hatte sich verändert. Sein Rücken krümmte sich, einzelne schweißnasse Strähnen fielen ihn auf die Stirn.
Willow gab ihr mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er sich im hinteren Teil des Ladens auf das Sofa legte. Hinter dem Vorhang verbargen sich zwei kleine Räume, eine Toilette und ein Pausenraum, sowie ein Treppenhaus. Großvater Willow, und dafür war May so unglaublich dankbar, hatte mit seinem ganzen Hab und Gut das Häusschen gekauft. Oben war eine kleine, feine Wohnung, unter dem Lädchen ein Lagerraum. Wobei langsam der Platz nicht mehr reichte; nicht nur der Laden war voll mit Ware, auch der Keller quollte über mit merkwürdigen Gegenständen und äußerst besonderen Zutaten.
May blieb nichts anderes übrig als ihren Großvater einen Trank zu mischen, der seine Schmerzen lindern wird. Sie konnte seine langsamen Schritte hören, wie er sich stöhnend auf das quietschende Sofa niederließ. Eine Angst umklammerte Mays Herz. Denn ihr Großvater war ihre Familie: er schenkte ihr den Laden, er lehrte sie die Magie und das Leben und ganz nebenbei war Willows Wärme und Gutherzigkeit manchmal das einzige, was einen grauen Tag zu einem guten Tag machen kann. Gerade als sie das minzgrüne Fläschen in die Hand nahm, um es den Alten zu geben, erregte eine Bewegung vor dem Laden ihre Aufmerksamkeit.
Sie sah durch das Schaufenster Miss Torn, wie sie eifrig ihren Freundinnen den Inhalt aus der Tasche zeigte. Sie saßen an einem Brunnen und lachten, wobei Miss Torns goldene Löckchen um ihr Gesicht fielen. Ein kleines Mädchen saß nebenihr, wobei ihre Lumpen im Vergleich zu den festlichen Kleidern der Damen traurig und verzweifelt wirkten. Doch das Mädchen strahlte übers ganze Gesicht, in ihren Händen eine süße Leckerei.
Doch nicht dieses fröhliche Teilen - was natürlich nur wieder darauf aufmerksam machte, wie schön Miss Torn wirklich ist und wie sehr sie sich von May unterschied - war es gewesen. Es stand direkt vor der Tür und wippte auf und ab. Dahinter war ein Mensch, so stark verkleidet in unterschiedlichen Lagen von roten Stoff, dass man weder Statur noch Mimik erkennen konnte. Gebräunte Hände ergriffen den Knauf der Tür und der Schleim, giftgrün, hüpfte herein. Der Rote-Stoff-Mensch begleitete das Ding. Der Ketterling.
Gardist? Zauberkreis? Unheimlicher Bürger? Wer war dieser Mann?
Ein eiskalter Schauer lief May über ihre ganze Haut, ihre Gänsehäut legte sich auch dann nicht, als das Klingeln der Ladenglocke verstummte.
Der Rote-Stoff-Mensch setzte sich auf einen Stuh, der am Tresen stand. Mit einem Plitschen und Platschen hüpfte der Ketterling in seiner runden Form den Rote-Stoff-Mensch auf dem Schoß. Welch merkwürdiges Verhalten für einen Ketterling, der normalerweise weder Seele noch Verstand besaß.
Eine Eidechse kletterte unter der Kasse hervor und musterte mit kritischen Blick die zwei Gestalten. "Wer seid ihr? Wie kann ich euch helfen?", stotterte May. Innerlich fluchte sie sich für ihre Angst, doch es half ihr nichts. Sie konnte nicht Großvater holen, das musste sie nun alleine schaffen.
Der Rote-Stoff-Mensch zog die Kaputze nach hinten, danach wickelte sich der Stoff wie von Zauberhand - May konnte erkennen, dass der Stoff wohl animiert war - aus dem Gesicht und von Hals ab. Der überdrüssige Stoffe legte sich auf den Tresen nieder. Hervor kam das Gesicht eines jungen Mannes, bestimmt in seinen besten Jahren. Er richtete sich auf und musterte May eindringlich. Er konnte Zaubern und äußerst Geschick musste er darin sein, denn Animismus war mehr als eine Taschenspielerei.
"Mein Name ist Sir Leandro. Der Ketterling war im Fluss nähe des Anwesens des Lords Edoardo gestranted. Ich hoffe, sie sind sich dessen bewusst, welche Nachwirkungen dies haben kann. Glücklicherweise gebar heute seine Frau ein Kind - noch dazu einen Sohn - und verschonte sie und", hier legte er eine unheimliche Pause ein, um sich in ihrem kleinen Lädchen umzusehen, "ihr dämlicher Versuch, kleine Tricksereien als Magie zu verkaufen."
May hatte keinen blassen Schimmer wer dieser Edoardo sein sollte. Er könnte der Kaiser der Stadt sein, ihr wäre es egal. Für sie zählte im Moment nur, ob er dem Kreis angehörte oder nicht. Denn dann wären die Auswirkungen fatal. Die Eidechse schien dasselbe zu denken, den ihr Kopf zuckte umher, um mehr hinter dem roten Stoff erkennen zu können. Zischend enttäuscht verschwand sie unter dem Stoff, der sich auf dem Tresen genüsslich gestreckt hatte.
"Der Ketterling gehört mir nicht."
"Nicht mehr. Ich bin kein Narr, ihr seid der nächstgelegene Anlaufpunkt für Magie, der in der Lage wäre, einen Ketterling zu zaubern", mit einem missbilligenden Blick schniefte Leandro. Dabei klimperte unter den roten Laken Glocken und etwas metallisches, die den grünen Klops erschreckten. Beruhigend streichelte der Sir ihn. Obwohl May nicht die Klügste war, ging ihr ein Licht auf.
"Und wer hat diesem Ketterling Leben eingehaucht? Ihr wisst sicherlich, dass die Macht eines seelenlosen Schleims wie diesen Ding unglaublich anziehender und stärker wird, wenn man ihn animiert. Und das kann keine kleine Trickserei hier", sagte May, "folglich müsst ihr das gewesen sein, nicht wahr?"
"Wie könnt ihr es wagen, mich derart zu beleidigen!"
Mit einem Ruck stand Leandro, der Schleim rutschte zu Boden. Auch der Stoff schreckte auf, worauf die Eidechse sich ein wenig verwirrt um sich selbst drehte.
Ohne ein Zögern packte der Mann May am Kragen und zog sie über die Theke, nah genug, dass May seinen Atem riechen konnte. Er hatte wohl einige Lischken geraucht. Die letzte Rasur musste auch schon lange her sein. Seine Adern pulsierten. So laut er gerade geschrien hatte, so leise flüsterte er, dass er niemals die Ehre seines Herren derart beschmutzen würde. Es war schon anmaßend genug, daran nur zu denken. Mal abgesehen davon, was der Zauberkreis mit einem solchen Verbrecher anfingen würde, der einen Ketterling in der blühenden Hauptstadt animierte.
Und Köpfen vor der eignen Sitte wäre die gnädige Version.
Die Frau erkannte, dass Leandro ein tükischer Herr war. Selbst eine Eidechse erkannte, dass der Ketterling lebte. Nicht nur vor sich hin. Er hatte sich erschrocken. Er fühlte.
Nach einer tödlichen Warnung ließ Leandro May los, die sich unbeholfen auf den Tresen abstützte. Irgendwann wird Leandro das bitter bereuen, aber er konnte das nicht wissen.
Gerade als sich der Mann zum Gehen gewendet hatte, blieb er stocksteif stehen. Niemand anderes als die wunderschöne Miss Torn und ein paar ihrer Freundinnen standen in der Tür, ihre gepuderten Gesichter hinter dem Fächer versteckt. May's Herz setzte ein paar Schläge aus, denn sie erwischte sich dabei, wie May wie immer Miss Torn und ihr Gefolg als oberflächlich und dumm betrachtet hatte, in den Moment, in dem May die Damen sah. Unnötigerweise hatten ein paar der Damen ihre mit Spitze gezierten Sonnenschirme noch offen, die das Läuten der Glocke wohl gestoppt hatten. Sie hatten sich hereingeschlichen, wenn auch nicht gewollt.
Der rote Stoff legte sich wieder ganz um das Gesicht von Leandro, schmiegte sich an die Wangen seines Herren. Nun war er wieder der Rote-Stoff-Mensch. Wie aufgeregte Hühner verteilten sich die Damen im Raum, als der Rote-Stoff-Mensch sich seinen Weg durch den Laden bahnte und aus der Tür in den regen Trubel verschwand. Miss Torn scheuchte ihre Freundinnen nach draußen. Als nur noch May und sie im vorderen Teil alleine waren, fiel ihr ein Stein vom Herzen.
Der Schwarm ihres Großvaters hatte einen kleinen, kugelförmigen Glasbehälter bei sich, gefüllt mit einer pinken Flüssigkeit. Hätte sie die Augen eines magiebegabten Menschen, könnte Miss Torn die tanzenden Partikel erkennen, die darin umherwirrten. Drängelnd übergab die Frau May den Liebestrank mit hochroten Backen. Als sich ihre Hände berührten, stoppte die Blonde ihre Bewegungen.
"Ich verstehe euer fragendens Gesicht", dabei hüpften Miss Torns leichte Augenbrauen durch ihre aufgeregte Mimik, "aber mein Herz fürchtet sich vor der Wahrheit. Nimmt ihn wieder, bitte."
May schüttelte ihre sanften Hände ab, um den Liebestrank in ihrer Tasche verschwinden zu lassen. Ihre gerunzelte Stirn, die gehoben Schultern - sie hatte wirklich keine Ahnung, was Miss Torn damit bezwecken wollte. Auch nachdem Miss Torn informiert worden war, dass man ihr das Geld nicht zurückerstatten konnte, war sie noch immer rastlos im Laden gestanden, von einem Bein zum anderen ihr Gewicht verlagert und hat sich pausenlos umgesehen.
Miss Torn wurde schlagartig ruhig, als der Vorhang raschelte. Zuerst sah man seinen spitzen Hut und den weiten Umhang, dann erkannte man Großvater Willows dicke Nase und breite Schultern, auf den Daisy, die Eidechse, sich ausruhte. Sie war ein wirklich faules Ding.
Großvater Willows Lächeln war so breit, das seine Augen Lachfalten frei ließen. Er war sichtlich überrascht, Miss Torn zu sehen, aber die Freude war größer. Wahre Freude, denn seine Enkelin war sich eines sicher: Er hatte noch nie gelogen oder etwas verheimlicht. Willow trug sein Herz auf der Zunge, besonders dann, wenn er Miss Torn sah. Behutsam ging er auf die Frau zu, um nicht mit seiner langen Robe ihr ausladendes Kleid zu beschmutzen. "Miss Torn, es ist schön, sie wieder zu sehen."
Vor Aufregung liefen seine Bäckchen rot an. Ganz beschämt nahm er seine Zipfelmütze ab, um irgendetwas in der Hand halten zu können, um seine Nervösität nicht durch zitternde Hände preiszugeben.
May hätte wirklich nur zu gerne den beiden Turteltauben zugesehen und zugehört, doch etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit. Es roch nach Rauch und Ruß. Nicht nach Lischkas, die Pfeife, die so gerne geraucht wurde oder unter den Wohlhabenden als Rauschmittel blank eingenommen wurde. Wahrscheinlich war eine Kerze umgefallen. Um sicherzugehen, dass der Laden nicht urplötzlich in Feuer aufgehen würde, nahm sie eine kleine Flasche von dem Regal hinter der Theke und ließ den Feuerschatten heraus.
Der kleine Schatten huschte davon, sein dunkles Lila funkelte in der Abendsonne. Mays Schritte knarzten unter dem alten Holz, die Dielen bogen sich unter ihrem Gewicht. Sie verschwand zwischen den Regalen, ein paar Kräuter verfingen sich in ihrem Haaren, Äste hinterließen Dreck auf ihrer Kleidung. Sie folgte dem Feuerschatten immer tiefer in das Wirrwarr und das Chaos des Lädchens. In der hintersten Ecke zwischen einem bunten Bücherregal und einer Vitrine mit freundlichen Würmern blieb der Kleine stehen. Der Gestank war schlimmer geworden, aber es brannte nicht. Dann musste das Feuer außerhalb des Gistenas sein.
Erleichtert seuftze May auf. Mit Vorsicht achtete sie darauf, dass der Schatten ihrer Finger den Feuerschatten an der Spitze festhielt und wieder zurück in das Fläschen zog. Unachtsam stoß sie an das Bücherregal und im perfekten Timing krachte es ohrenbetäubend. Der Boden bebte und ließ May am ganzen Körper erzittern. Der Schreck ließ sie aufkeuchen, unbeholfen hielt sie sich an den Brettern fest. Der Knall klingelte ihr in den Ohren, mit wackeligen Füßen versuchte sie, ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Das Beben erstarb genauso schnell wie es gekommen war.
Die Zauberin war sich nicht ganz sicher, ob sie es nicht vielleicht ausgelöst haben könnte oder es nur eine kleine Erschütterung in ihrem Kopf war. Aber mit dem lauten Glockenschall und panischen Schreien war dieser Gedanke sofort verworfen. Etwas schlimmes war passiert, sie konnte es mit jeder Faser ihres Körpers spühren. Es war nicht das Gefühl eines normalen Sterblichen, das auf einen Wetterumschwung oder eine Flut deutete. Es war ein Gefühl, das man mit den Jahren der Zauberei entwickelte. Und in den Moment, als May wieder zur Theke des Ladens stürmte, beide Hände auf ihre schmerzenden Ohren gelegt, fühlte sie die schlimmste Art dieses Gefühls. Etwas grausames passierte.
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