Die Bestrafung
Verblüfft und empört blieben die Zwei vor dem verschlossenen, sich ebenfalls in Wohlgefallen auflösenden, Tor zurück. Der junge Novize trat näher und klopfte die Umgebung des Tores ab, wohingegen die Novizin sich umsah.
„Ist das nicht so ein Ginkabaum?", fragte Anisa, während Tobian sie nur kopfschüttelnd ansah. Sie trat näher heran und deutete auf einen blütenförmigen Harzaustritt. Dann brach sie sich zwei Blüten ab, um sie in eine kleine Dose zu stecken. „Man kann nie wissen", erklärte sie.
„Was hältst du von dem Überwacher?", erkundigte sich der junge Bibliotheksanwärter, um das Thema zu wechseln. Achselzuckend antwortete sie: „Wir werden schon noch mehr erfahren. Darum scheint es ja zu gehen."
In dem Moment hörten sie Stimmen näher kommen. „Sie müssen doch irgendwo hier sein. Bantea hätte ruhig etwas genauer sein können", vernahmen sie die genervte Tarja.
„Warum sollen wir eigentlich nach diesen Versagern suchen?", erkundigte sich eine der Begleiterinnen. Eine Antwort hörten sie nicht, aber plötzlich krachte es im Unterholz und kurz darauf stand eine von Zornesröte erfasste Kameradin vor ihnen. Ihre drei Freundinnen traten gleich danach ebenfalls auf die Lichtung. Tarja hatte ihren Zauberstab gezückt, der sie offensichtlich geortet hatte.
„Da sind die Waldschrate. Ihr sollt in die Mensa kommen. Nächstes Mal wäre es nett, wenn ihr euch an zivilisierten Orten versteckt", zischte sie und machte auf dem Absatz kehrt.
„Solche Dumpfbacken", murmelte sie im Gehen und Anisa antwortete laut in Tobians Richtung: „Leute, die über andere lästern, sind unzufrieden mit dem eigenen Leben. Also denk dir nichts dabei." Während sie das formulierte, glitzerten ihre Augen belustigt. Tobian prustete los und sie hörten einen empörten Laut aus dem Unterholz. Jedoch sagte ihre Widersacherin kein Sterbenswörtchen mehr und sah nur zu, dass sie Land gewann.
Als Tobian sich beruhigt hatte, meinte er: „Du weißt schon, dass sie jetzt vollends gegen dich sein wird, oder?"
Anisa nickte: „Lass die Kämpfe beginnen." Dabei blinzelte sie vergnügt in seine Richtung. Dann setzten auch sie sich in Bewegung. Einen Bibliothekar ließ man lieber nicht warten.
In der Mensa schwebte Bantea vor dem Küchenpersonal auf und ab und gab knappe Befehle und Anweisungen für einen reibungsloseren Ablauf. Ihre orangene Schärpe stach dabei deutlich von der ansonsten weiß-grauen Kleidung hervor, was ziemlich aggressiv wirkte. Orange war die seltenste Farbe, die ein Bibliothekar für seine Arbeit wählte, was sie zu etwas Besonderem unter den Angestellten machte.
Sie tat so, als ob sie die Neuankömmlinge, die sich an der Tür herumdrückten, nicht bemerkte und fuhr noch eine Weile fort, bevor sie sich ihnen zuwandte. Ihr brünettes, halblanges, streng zurückgekämmtes Haar bewegte sich dabei nicht einen Millimeter. Verwundert richtete Anisa ihre Aufmerksamkeit genau darauf und hörte kaum zu bei ihrer Rede über Anstand und Lehrlingen, die sich herausnahmen, die Scheinautoren aufzusuchen.
„In den Regeln steht aber nichts darüber, dass wir das Gelände nicht verlassen dürfen", bemerkte Anisa irgendwann. Tobian duckte sich daraufhin instinktiv, während Banteas Augen ruhig auf ihr ruhten.
„Stimmt, da steht, dass ihr die Bibliothek und die Bücher kennenlernen sollt. Eine Anweisung, die genau so zu befolgen ist. Die Wachen am Tor kennen jetzt euer Gesicht, also versucht es erst gar nicht mehr. Den Wenigsten muss ich das erklären", versetzte sie spitz.
„Aber, wie sonst soll ich einen Autor finden, um meinem ungeschriebenen Buch zu helfen?", erkundigte sich Anisa verzweifelt.
Die Bibliothekarin antwortete nicht und schaute die Novizin nur durchdringend an, fast spöttisch wirkte ihr Blick.
Dann drehte sie sich ohne Vorwarnung weg und befahl im Weggehen: „Ihr beide habt Mensadienst für 2 Wochen unter Aufsicht von Tarja."
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