Der Tag des Neuanfangs
Als das Gebäude zusammenkrachte, entstand ein lautes Getöse, das die Wehschreie und Koordinationsversuche zum Verstummen brachte. Angstvoll blickten die Flüchtigen zu der einst prachtvollen Bibliothek, die ihr Inneres geräuschvoll unter sich begrub. Eine Staubwolke stob in alle Richtungen und bedeckte das Gelände, so dass die Umgebung, wie mit Puderzucker bestäubt aussah. Nur eben ein etwas bräunlicherer, dreckiger Zucker.
Ein Magier hatte zumindest die Vertriebenen mit einem Schutzschild beschützt und so entstand eine Art Blase, deren Ablagerungen der Wind schließlich fortfegte, damit der Staub sie nicht doch noch, nachdem der Schild sich zurückzog, berieselte.
Anisa arbeitete an Taunilus Seite und kümmerte sich um einen Bibliothekar, der sich fürchterlich wegen einer kleinen Verbrennung aufregte und nicht verstehen konnte, dass ein Meermensch zuerst von einem Doktor versorgt wurde.
Immer wenn der Meermann dem Bibliotheksangehörigen etwas erklären wollte, fuhr der ihn an und Anisa musste eingreifen. Zunehmend irritiert, gab sie ihm geduldig Antwort und kühlte seine Wunde mit Taunilus Hilfe, der immer wütender mit den Augen rollte.
Plötzlich erklang ein Schrei und jemand stürzte sich von hinten auf den Meermann. „Hab ich es nicht gesagt, sie werden uns niemals akzeptieren", schrie derjenige und holte mit einem Messer aus, um seinem Opfer einen tödlichen Stich zu versetzen.
„Kritnos", kreischte Anisa entsetzt und die Zeit blieb stehen. Schnell lief sie hinüber und entwendete Atitus die Waffe, stattdessen steckte sie eine Blume in seine Hand. Dann nahm sie rasch einen zweiten Libros aus ihrer Tasche, öffnete ihn und bat die hellgrüne Tomina: „Kannst du das Messer unsichtbar machen?"
Schrift erschien: Leg die Waffe auf meine Seite.
Woraufhin Anisa das Kleinod hinlegte und es verschwand. Sie gab es Taunilus in die Hand und trat dann zurück. „Jetzt liegt es an ihm", flüsterte sie.
Gleich darauf lief die Zeit weiter.
Der Meermann starrte entsetzt seinen Bruder an, der ihn mit einer Lilie angriff. Zuerst konnte er nicht ganz fassen, was geschehen war, dann blickte er zu seiner Hand und schien, zu begreifen. Er sprang fort, um aus der Reichweite seines Angreifers zu gelangen.
Seine Eltern preschten heran und die Umstehenden bildeten einen Kreis, hielten aber Abstand. Immerhin hatte der unberechenbare Meermann gerade noch eine Waffe gezückt, um sie jemandem seinesgleichen in den Rücken zu rammen. Der wimmernde Bibliothekar kroch ebenfalls aus dem Gefahrenbereich, immer wieder darauf hinweisend, dass diesen Wasserwesen nicht zu trauen war.
„Wie konntest du nur?", wollte Taunilus zischend wissen.
Der Andere grinste und zückte eine weitere Waffe, die um einiges schärfer und größer war, als die Erste. „Tot ist tot", stellte er emotionslos fest, dann stürzte er sich erneut auf seinen Bruder.
Seine Eltern griffen zu Anisas Entsetzen nicht ein, sie schauten nur aufmerksam zu, woraufhin das Mädchen selbst handeln wollte, aber von Granina zurück gehalten wurde.
„Das Schicksal entscheidet", erklärte diese nur nachdenklich.
Ein Kampf entbrannte, in dem Taunilus zuerst nur der Harpune auswich, die der andere geschickt einzusetzen wusste. Gleichzeitig versuchte er seinen Kontrahenten, aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem er alles, was ihm unter die Finger kam, nach ihm warf. Steine, Schutt, aber auch Verbandszeug und herumliegende Schuhe und Textilien von Verwundeten.
Die Leute flüchteten aus der Umgebung und brachten sich in Sicherheit, während nur die Wasserkönige und Anisa mit der Meerseele zurückblieben.
Es sah nicht gut aus. Atitus blieb auf Abstand und griff kontinuierlich an, wohingegen Taunilus immer verzweifelter wurde, weil ihm die Optionen ausgingen. Ein ungleicher Kampf, wenn da nicht die unsichtbare Waffe gewesen wäre. Die jedoch nur nutzlos am Gürtel stecken musste, denn er hatte mit beiden Händen zu tun, den Anderen nicht zu nah, herankommen zu lassen.
Plötzlich stolperte er und sofort war Atitus über seinem vermeintlichen Opfer und hielt ihm die Klinge an den Hals. Er war dem Feind nun näher, als während des gesamten Kampfes.
„Ich gebe dir noch eine Chance", zischte Taunilus und blickte seinen Bruder herausfordernd an. Der lachte nur und holte aus, ohne darauf vorbereitet zu sein, dass der Andere ebenfalls eine Waffe hatte und diese benutzte, um ihm die Harpune fortzuschlagen und dann umgekehrt an den Hals zu halten.
„Und jetzt?", erkundigte sich der Meermann.
„Ich - ich – du musst es zu Ende bringen", zischte sein Bruder ergeben.
„Niemals. Verschwinde. Lebe, wie ich als Ausgestoßener und vielleicht findest du ja einen Weg, mich zu überzeugen, dass du dich geändert hast. Irgendwann. Dann und nur dann können wir reden", beschied ihm Taunilus und der Unterlegene zog sich ängstlich zurück. Die Meermenschen kamen nun alle näher und ließen ihn durch, als er davoneilte. Stoisch betrachteten sie den sich nun aufrichtenden Meermann. Das Königspaar sah einander an und dann beugten sie die Köpfe, woraufhin sich die gesamte Meeresschar auf die Brust zu trommeln begann und Glucksgeräusche von sich gab.
Taunilus sah zu Anisa und grinste. „Danke", murmelte er ihr zu, als er an ihr vorbei zu seinen Eltern trat. „Zauberei ist vielleicht manchmal doch nicht so schlecht, hmm", erwiderte sie und ließ ihn mit seinem Volk alleine.
„Ihr habt die Geschichte beeinflusst", verkündete Anisa leise und Pritana antwortete in ihrem Kopf:
Hast du etwas anderes von uns erwartet?
Anisa grinste und strich liebevoll über den Einband des Libros.
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