64. Teil: Eli
Noch am selben Abend, um genau zu sein drei Uhr morgens, bekam ich einen Anruf von William. Ich war zufällig wach und hatte Mick und Esther gerade erfolgreich dazu gebracht fast zeitgleich einzuschlafen und machte mir noch einen Tee, bevor ich eigentlich wieder ins Bett gehen wollte, weshalb ich nicht zögerte das Telefonat entgegen zu nehmen.
Bei Paul hatten die Wehen eingesetzt, woraufhin die Vitalwerte ihres gemeinsamen Sohnes rapide gefallen waren. Die Ärzte waren auf so etwas schon vorbereitet gewesen, da Pauls Schwangerschaft durch unzählige seiner Vorerkrankungen bereits von Anfang an mit einem hohen Risiko gewertet wurde, weshalb er auch im zwei Wochentakt zur Untersuchung musste. Die Ärzte wollten für jeden Fall bereit sein und hatten deswegen im Vorhinein schon alles genau geplant.
Schlussendlich waren die Abläufe wie prognostiziert und alles verlief nach Plan.
Um ein Uhr zwölf wurde ihr Sohn Eli geboren. Ein kleiner Omega mit schwarzem Flaum und strahlend blauen Augen und einem lauten Schreiorgan. Die Ärzte waren begeistert von seinen Werten und trotz der zahlreichen Komplikationen während der Schwangerschaft schien das kleine Kerlchen vor Gesundheit zu strotzen. William und Paul waren heilfroh und unglaublich glücklich.
Paul war von der Geburt so erschöpft, dass er recht schnell eingeschlafen war und William konnte sich nicht von seinem Sohn losreißen, bis ihn seine Emotionen so überwältig hatten, dass er mich angerufen hatte. Wir hatten fast zwei Stunden telefoniert, bis man Eli im Hintergrund leise quengeln hörte und William sich gleich überstürzt von mir verabschiedete.
Ich legte mein Handy mit einem zufriedenen Lächeln zur Seite und nippte an meinem zweiten Tee. Nur einen Moment später kam ein verschlafener Russell herein und schlang seine Arme brummend von hinten um meinen Körper.
„Warum bist du noch wach? Ich bin so alleine im Bett", murmelte der Alpha mit kratziger Stimme und schmiegte sein Gesicht in meine Halsbeuge. Sein warmer Atem traf dabei auf meine empfindliche Haut und verführte mich dazu, mich fest in Russells Arme zu schmiegen. Sein Duft umgab mich gleich und ließ mich glücklich seufzen.
„William hat angerufen. Ihr Sohn ist auf die Welt gekommen. Er heißt Eli", erzählte ich weiterhin mit einem zufriedenen Lächeln.
Ich freute mich wirklich sehr für William. Trotz seinem Seitensprung lief seine Beziehung relativ gut und ich war mir sicher, dass es von nun an mit Eli nur besser werden konnte. William liebte seinen Gefährten und wusste, dass sie das früher oder später miteinander überwinden konnten.
Russell brummte zustimmend und festigte nur seinen Griff um mich.
Er schlief fast im Stehen ein, weshalb ich mich über die wenige Reaktion nicht wunderte und leise kichern musste. Ein verschlafener Russell war unglaublich süß.
„Lass uns ins Bett gehen."
Russell nickte gleich und hob mich ohne zu zögern auf seine Arme, um mich gleich ins Schlafzimmer zu befördern. Dort warf er mich vorsichtig auf die Matratze, ließ sich neben mich fallen und zog mich gegen seine Brust. Kaum berührte Russells Kopf das Kopfkissen, war der Alphas schon eingeschlafen.
Russell und sein Vater übernahmen in den letzten Wochen immer zusammen den Einkauf, während ich mit unseren Jungen zuhause blieb. Meine Eltern waren mittlerweile wieder nach Hause zurückgekehrt und obwohl ich wusste, dass wir uns bald wieder sehen würden und sowieso in Kontakt standen, war der Abschied wirklich schwer. Ich wollte nie wieder mit einer so langen Funkstille leben müssen, wie wir sie die letzten Jahre hatten und obwohl ich wusste, dass es diesmal nicht so sein würde, fürchtete ich mich dennoch ein wenig.
Russell hatte für Williams Sohn Eli ein kleines Geschenk eingekauft und ich hatte die Geschenke, die wir bekommen hatten, etwas aussortiert, weil darunter einige Klamotten waren, die unseren Jungen von Geburt an schon zu klein waren. Da Eli jedoch ein wirklich kleines Baby war, würden ihm die Sachen passen oder er konnte zumindest noch hinein wachsen.
Wir hatten uns heute zu einem gemeinsamen Spaziergang verabredet. Paul musste aufgrund seinen Vorerkrankungen mit Eli etwas länger im Krankenhaus bleiben als ich damals, aber nun waren sie schon eine Weile zuhause und hatten sich ein wenig an das Leben mit Kind gewöhnt.
Das Wetter war heute einigermaßen gut und Paul war froh wieder etwas aus dem Haus zu kommen. Die Zeit im Krankenhaus hatte den Omega ganz schön mitgenommen.
Ich hatte mich bei Russell eingehakt, der den Doppelkinderwagen vor uns herschob, während wir gerade auf dem Weg zu unserem Treffpunkt waren. Mick war gleich nach den ersten Metern eingeschlafen, Esther dagegen lugte mit aufmerksamen Blick zu uns hinauf und strahlte jedesmal übers ganze Gesicht, wenn wir zu ihr hinunter sahen.
Während Russell uns also sicher durch den Park brachte, schmiegte ich mich näher an seine Seite und konnte meinen Blick kaum von unserer Tochter nehmen.
Ein fröhliches „Hallo" riss mich aus dem glücklichen Blickduell mit unserer Tochter und ließ mich aufsehen. Nur wenige Meter vor uns an einer Parkbank waren Paul und William mit einem Kinderwagen. William schaukelte den Kinderwagen ein wenig hin und her und lächelte uns zu, während Paul uns mit einem strahlenden Lächeln entgegen kam.
„Hallo", erwiderten Russell und ich fast gleichzeitig, was den Omega leise kichern ließ. Einen Moment später zog er mich schon in eine enge Umarmung und drückte sich dabei fest an mich. Erst war ich viel zu überrascht, um die plötzlich Umarmung zu erwidern, doch dann konnte ich mit einem zufriedenen Lächeln meine Arme um seinen schmalen Körper legen.
Im Gegensatz zu Paul war ich fast schon bullig und breit gebaut und dass obwohl ich kaum Muskeln vorzuweisen hatte. Aber Paul war wirklich einfach nur klein und dünn, aber im Gegensatz zu mir schien er damit kein Problem zu haben und wirkte viel mehr so, als würde er sich in seinem Körper wirklich wohl fühlen.
„Du siehst so gut aus", strahlte Paul, als wir uns wieder löste und legte seine Hände für einen kurzen Moment an meine Wangen, bevor er wieder grinsend von mir abließ.
Ich hatte Paul vorher erst einmal getroffen und damals war er alles andere als fröhlich. Jetzt im Nachhinein wusste ich jedoch, dass sein Verhalten damals aus einer Mischung aus Komplikationen bei der Schwangerschaft und dem Fakt, dass sein Gefährte ihm untreu war, gerührt hatte. Deswegen konnte ich ihm das auch gar nicht verübeln. Vor allem nicht, wenn ich Williams Seitensprung war.
Es zog mich ein weniger runter, dass ich dazu beitrug, dass Paul nicht auch während seiner Schwangerschaft so freudestrahlend sein konnte. Dass es ihm nun aber umso besser zu gehen schien, stimmte mich wieder etwas positiver.
„Sind die süß", quietschte Paul und lugte vorsichtig in die Kinderwägen hinein. Mick schlief noch immer tief und fest und Esther begutachtete den Fremden mit einem recht skeptischen Blick. „Die habt ihr gut hinbekommen. Esther und Mick oder? So heißen sie?" Paul sah mit strahlenden Augen zu Russell auf, der wieder ein stolzes Papagrinsen auf den Lippen hatte und mit geschwollener Brust nickte.
„Na ihr zwei", grinste auch William, der einen Moment später, mit dem Kinderwagen zu uns kam. Paul hüpfte gleich energiegeladen an die Seite seines Gefährten und sah mit strahlenden Augen in den Wangen hinein.
„Hey", erwiderte Russell und hielt ihm die Faust entgegen, gegen welche William seine Faust drückte und mich dann in eine Umarmung zog.
„Paul hat Recht. Du siehst gut aus", grinste der Beta und zwinkerte mir zu, was mir augenblicklich die Schamröte ins Gesicht schießen ließ.
„Man sieht ihm nicht an, dass er erst vor Kurzem zwei Kinder zur Welt gebracht hat", stimmte Russell William zu und legte einen Arm um mich. Er lächelte stolz zu mir hinunter und küsste dann meine glühende Stirn. Ich konnte noch immer nicht mit solchen Komplimenten umgehen. Vor allem nicht, wenn ich es ganz anders sah.
Ich war froh, dass Russell nicht eifersüchtig auf William und seine Worte reagierte. Immerhin hätte man es dem Alpha bei meiner Vorgeschichte mit dem Beta nicht verübeln können. Russell wusste aber, dass ich ihn liebte und für immer bei ihm bleiben wollte, weshalb er keinen Grund hatte, um eifersüchtig zu werden.
Williams Blick wanderte schlussendlich eher zögerlich in unseren Kinderwagen. Er hatte die zwei noch nie gesehen. Weder auf einem Bild noch in echt, weshalb ich und auch Russell seine Reaktion genauestens beobachteten.
William lehnte sich ein wenig über den Kinderwagen, um besser hinein sehen zu können und sah sich die beiden genau an und auch Esther musterte den zweiten fremden Mann interessiert.
„Na du", lächelte William dann und hob seine Hand als würde er in den Kinderwagen hineingreifen wollen. Bevor er jedoch in Esthers Nähe kam, sah er fragend zu Russell und mir auf, wartete offenbar auf unsere Erlaubnis. Russell war es, der ohne zu zögern nickte und dem Beta sogar ein kleines Lächeln schenkte. William erwiderte es zaghaft und führte seine Hand dann vorsichtig in den Wagen hinein. Er wollte sie nicht erschrecken oder sich ihr aufzwingen, doch sie reagierte kaum. William strich Esther deshalb hauchzart mit der Daumenkuppe über die Wange und lächelte glücklich zu ihr hinunter.
Die kleine Dame sah ihm mit weiterhin interessiertem Blick dabei zu, ließ sich davon aber nicht stören und schien auch keine Angst vor ihm zu haben.
„Sie sind wirklich zuckersüß", schmunzelte der Beta dann und richtete sich wieder zu seiner vollen Körpergröße auf.
„Aber nichts gegen unseren Jungen", feixte Paul überglücklich und schmiegte sich dabei fest an die Seite seines Gefährten. William legte sofort einen Arm um Paul und genoß eindeutig die Nähe zu seinem Gefährten, offenbar zeigte Paula noch immer nicht allzu oft seine Gefühle gegenüber William.
Ich wartete interessiert auf Williams Antwort. Anstatt jedoch etwas zu sagen, lehnte er sich zu Paul hinunter und küsste seinen Schopf. Damit war der Omega offenbar zufrieden, denn er verschränkte seine Finger mit Williams und deutete uns dann an, dass wir losgehen konnten.
Schlussendlich spazierten wir lange durch den Park, blieben für eine Weile sogar auf einer Parkbank sitzen, weil Paul zu erschöpft zum Weitergehen war, und unterhielten uns angeregt. Wir vier verstanden uns überraschend gut und konnten viel miteinander lachen und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich so richtig mit einem anderen Omega Kontakt und dabei auch noch Spaß.
„Willi, kannst du mir etwas zu Trinken holen?", fragte Paul, der sich auf der Parkbank etwas zurückgelehnt hatte. Unweit von hier war ein kleiner Kiosks, der unter anderem Getränke verkaufte, und an dem momentan niemand anstand.
William nickte gleich und kramte etwas Kleingeld aus seinem Geldbeutel.
„Möchtest du auch etwas?", fragte Russell daraufhin lächelnd und lehnte sich zu mir hinunter da er neben unserem Kinderwagen stand, um sanft meine Stirn zu küssen.
„Wir könnten beide ein Wasser vertragen", lächelte ich und erhob mich im selben Moment wie William. „Ich begleite dich", ließ ich den Beta wissen und hauchte Russell einen kleinen Kuss auf die Lippen, der den Alpha gleich grinsen ließ.
Die hundert Meter bis zum Kiosk gingen wir stumm, erst als uns dort eine Frau zuvorkam und anfing sich mit dem Verkäufer über eine Zeitschrift zu unterhalten und wir notgedrungen warten mussten, begann William das Gespräch.
„Es tut mir leid, Mathis. Meine Reaktion damals im Park war unangebracht und ich wollte dich damit nicht verärgern." Der Beta seufzte angestrengt und strich sich durch die Haare. „Das wollte ich schon die ganze Zeit tun, aber persönlich. Ich mache mir solche Vorwürfe, dass du wegen mir so heftige Wehen bekommen hast. Ich dachte wirklich, dass jetzt alles aus ist, als ich dich da auf der Parkbank mit diesen fremden Leuten gefunden habe."
„William", kam es gleich beruhigend von mir und ohne es verhindern zu können, griff ich nach seiner Hand und drückte sie aufmunternd. „Ich kann verstehen, warum du so reagiert hast und in dem Moment habe ich es dir ehrlich gesagt echt übel genommen, aber ich kann dich wirklich verstehen. Du musst dich nicht entschuldigen und ein schlechtes Gewissen brauchst du auch nicht haben. Ich war so froh, als du da dann warst." Ich schenkte ihm ein glückliches Lächeln und drückte seine Hand erneut.
Der Beta atmete erleichtert auf und nickte lächelnd.
„Ich bin so froh, dass es dir und den Kleinen gut geht. Russell ist ein fantastischer Vater und genau das, was die Beiden brauchen." William senkte für einen Moment den Blick, bevor er wieder zu mir aufsah und mir aus traurigen Augen entgegen sah. „Ich bin so erleichtert", wisperte er dann und schien am Rande seiner Tränen zu stehen. Der Anblick weckte sofort meine Mutterinstinkte und um ihm etwas Trost zu spenden, zog ich ihn in eine feste Umarmung, die er gleich erwiderte.
Erst das Räuspern des Kioskverkäufers ließ uns voneinander lösen und endlich die Getränke einkaufen, für die wir überhaupt hergekommen waren.
„Wie kam es eigentlich dazu, dass du noch im Park unterwegs warst?", fragte ich neugierig, als William gerade bezahlte und wir uns dann gemeinsam auf den Rückweg machten.
„Ich bin dir gefolgt, weil ich auf Nummer sicher gehen wollte, dass du auch unbeschadet zuhause ankommst", gab der Beta nach kurzem zögern zu.
Das ließ mich abrupt stehen bleiben und mit großen Augen zu ihm aufsehen.
„Obwohl ich so... wie eine Furie reagiert habe, wolltest du trotzdem noch schauen, dass ich gut zuhause ankomme?", fragte ich perplex. Mein Gehirn konnte diese Information gerade nur langsam verarbeiten.
William, der ebenfalls stehen geblieben war, nickte erneut.
„Danke." Ich lächelte den Beta an. „Wirklich vielen Dank, William."
„Nicht dafür, Mathis", schmunzelte der Schwarzhaarige, legte seine Hand auf meinen Rücken und führte mich vorsichtig zur Parkbank, wo sich Russell und Paul gerade angeregt über den schwierigen Kauf von Kinderwägen unterhielten und dabei unsere beiden Modelle miteinander verglichen.
„Danke", strahlte Paul, als William ihm die Wasserflasche reichte und Russell lächelte zufrieden, als ich mich kurzerhand auf seinem Schoß niederließ und mich gegen ihn schmiegte. Der Alpha legte seine Arme um mich und bediente sich an unserem Wasser, bevor er mich sanft küsste.
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