50. Teil: endlich Zuhause
Mir war schwindlig und übel. Mein Puls war viel zu schnell und mein gesamter Körper schmerzte. Ich wollte nur noch schlafen, mich richtig hinlegen und einem heißen Tee, denn mittlerweile reichte mir die Decke, die Mum mir gegeben hatte, und die Heizung im Auto nicht mehr aus.
Mir ging es miserabel, aber ich wollte nichts sagen. Ich wollte zuhause ankommen und in unserem Bett schlafen und nicht irgendwo in einem Hotel. Es war auch gar nicht mehr weit. Nur noch eine Dreiviertelstunde und dann wären wir endlich zuhause.
Ich spürte Russells besorgten Blicke auf mir. Bei jeder seiner Fragen nach meinem Wohlbefinden, tischte ich ihm eine Lüge auf. Mein schlechtes Gewissen stieg von Mal zu Mal, aber ich wollte nicht riskieren, dass wir einfach irgendwo übernachteten. Russell musste spüren, dass es mir nicht gut ging, aber er respektierte meine Meinung so weit, dass er meine Lügen nicht aufdeckte.
Seine Hand strich versucht beruhigend über meinen Bauch, was leider nicht sehr viel brachte.
Als dann einen Moment später auch noch Radau in meinem Bauch losging und sich die zwei offenbar gegenseitig versuchten weg zu schieben, konnte ich mich nur angestrengt in die Decke klammern.
„Mathis, das kann ich nicht länger mitansehen", schnaubte Russell einen Moment später und nahm seine Hand von meinem Bauch. „Bitte Russell", wisperte ich verängstigt, als ich bemerkte, dass er das Auto langsam abbremste und sich darauf vorbereitete die nächste Ausfahrt zu nehmen.
Der Alpha seufzte leise. „Lukes wohnt in seiner Siedlung vielleicht zehn Minuten von hier. Sie lassen uns sicher übernachten."
Ich schüttelte sofort vehement den Kopf. Ich würde ganz sicher keine Nacht bei Lucy verbringen. Der eine Abend hatte mir bereits gereicht und noch dazu genügend Schaden angerichtet. Wie kam er überhaupt auf diese absurde Idee? Egal, wie schlecht es mir ging, ihm müsste bewusst sein, dass ich dazu nicht ja sagen würde.
„Nein", brachte ich überraschend energisch heraus und schüttelte erneut kräftig den Kopf. „Dort komme ich erst recht nicht zur Ruhe, Russell. Bring mich nach Hause!" Die Endgültigkeit meiner Worte konnte Russell nicht leugnen, auch, wenn er mir sichtbar gerne widersprechen wollte. Er seufzte erneut, nickte aber und einen Moment später spürte ich seine Hand wieder an meiner und wie er unsere Finger miteinander verschränkte.
Ich drückte seine Hand und schloss gequält die Augen, während ich spürte, wie Russell das Fahrzeug wieder deutlich beschleunigte. Der restliche Weg bis nach Hause war nicht mehr allzu weit, aber mit jeder Unebenheit auf der Straße oder jeder etwas stärkeren Kurve ging es mir schlechter.
Erst als Russell das Fahrzeug dann in die Tiefgarage seines Appartementkomplexes lenkte, konnte ich etwas aufatmen.
Russell hob mich vorsichtig im Braustil auf seine Arme, ließ das Gepäck im abgesperrten Auto und trug mich den ganzen Weg bis zu unserer Wohnung hinauf. Ich klammerte mich fest an ihn, versuchte mich auf seinen Geruch zu konzentrieren und meine Beschwerden allesamt auszublenden.
„Magst du gleich ins Bett?", fragte mich der Alpha und drückte die Tür mit seiner Schulter hinter uns ins Schloss, ehe er sich die Schuhe von den Füßen strich und mich mit zügigen Schritten ins Schlafzimmer brachte, nachdem ich genickt hatte.
Ich seufzte zufrieden auf, als mein Rücken unsere Matratze berührte. Meine Augen flatterten zufrieden zu und ich konnte mir das Lächeln auf meinen Lippen kaum verkneifen, als mir der bekannte Duft unseres Bettes in die Nase stieg. Russell half mir mich zu entkleiden und zog dann die Decke über meinen Körper, ehe er sich selbst auszog und zu mir unter die Bettdecke rutschte. Er zog mich in seine kräftigen Arme, wo ich mich gleich gegen seine nackte Brust schmiegte und erleichtert aufatmen konnte.
Genau das hatte ich mir die ganze Zeit über schon gewünscht.
„Gehts?", fragte er besorgt und strich sanft über meinen Bauch. Unsere Welpen kämpften darin noch immer munter, was dem Alpha zu gefallen schien. Ein kleines Lächeln umspielte seine Gesichtszüge, während er meine Wange küsste und mit dem Daumen sanft über meinen Bauch strich.
„Mir ist nicht mehr so übel und langsam wird mir etwas wärmer", antwortete ich Russell ehrlich und rutschte noch näher zu ihm. In seinen Armen zu liegen, sicher in unserem Bett, erfüllte mich mit so einer tiefen Zufriedenheit, dass ich vor Freude sogar zu weinen anfangen könnte. Ich fühlte mich so wohl bei ihm und konnte nur von Glück sprechen, dass es ihm genauso ging.
„Sie brauchen noch Patentanten oder -onkel", wisperte ich leise und drückte mein Gesicht in seine Halsbeuge. Sein Duft umspielte meine Sinne direkt und entlockte mir ein leises Seufzen, ehe ich einen sanften Kuss auf seiner nackten Haut platzierte.
„Denkst du wirklich, dass es nicht mehr lange dauert?", fragte Russell mit weiterhin besorgtem Ton und strich mir mit seiner anderen Hand durch die Haare. Ich konnte nur zufrieden summen, ehe ich ihm seine Frage bestätigte.
„Ich habe da so ein Gefühl", murmelte ich ausgelaugt und obwohl ich vor wenigen Wochen noch furchtbare Angst vor der Geburt hatte, erfüllte mich das Wissen, dass es nicht mehr lange dauerte, mit noch mehr Zufriedenheit. Ich konnte sogar lächeln. Dass Russell sich noch dazu so sehr darauf freute, machte mich auch glücklich.
„Ich habe mir darüber schon Gedanken gemacht", fing Russell leise an. „Ich hätte gerne Lukes als Patenonkel." Seine Unsicherheit war deutlich zu hören. Dachte er, dass ich damit ein Problem hatte?
Ich nickte verstehend. Ich wusste, wie nah sich die Beiden standen, deswegen kam das für mich auch gar nicht überraschend. Und schlimm fand ich es auch nicht. Ich mochte seine Gefährtin Lucy nicht, aber Lukes selbst war eigentlich ganz in Ordnung. Ja, er hatte seine fragwürdigen Momente, doch im Großen und Ganzen war er wirklich in Ordnung.
„Dann frag ihn", murmelte ich schlaftrunken und nickte fast weg. Russell summte nur bestätigend.
„Ich werde Papa Bescheid sagen, dass er erst nächsten Sonntag kommen soll, ja?" Russell strich mir nochmals sanft durch die Haare und wartete auf eine Antwort von mir, die lediglich ein leises Brummen war. Zu mehr war ich gerade nicht mehr in der Lage. Andernfalls hätte ich darauf bestanden, dass er morgen kam.
Ich wurde in einem leeren Bett wach. Ein unzufriedenes Knurren kam aus meiner Kehle, ehe ich die Bettdecke zur Seite schlug und nur in meiner Boxershorts aus dem Bett rutschte.
Meine schlechte Verfassung von gestern war wie weggeblasen. Ich fühle mich sehr gut, fit und bereit in den Tag zu starten. Nur ein gewisser Jemand fehlte mir dafür.
Mit einer Hand auf meinem Bauch trat ich ins Wohnzimmer, wo mir im selben Moment der Alpha mit einem sanften Lächeln entgegen kam.
„Ich wollte dich gerade wecken", lächelte er und lehnte sich zu mir hinunter, als wir uns nah genug waren, und küsste meine Stirn. „Wie geht es dir? Fühlst du dich wieder etwas besser?"
Ich antwortete ihm nicht, sondern zog ihn stattdessen mit einer Hand in seinem Genick zu mir hinunter und drückte meine Lippen gleich verlangend auf seine. Das sollte ihm Antwort genug sein. Der Alpha erwiderte meinen Kuss jedoch nur zaghaft und löste sich einen Moment später wieder von mir.
„Also geht es dir besser?"
Ich nickte nur, nicht gewillt ein Gespräch mit ihm zu führen. Ich zog ihn wieder zu mir, presste mich an seinen Körper und verband unsere Lippen zu einem weiteren Kuss, den Russell diesmal mit etwas mehr Elan erwiderte, aber auf meine Avancen dennoch kaum einging.
Frustriert von seiner fehlenden Initiative, zwängte ich meine Zunge zwischen seine Lippen und ließ meine Hand unter sein Oberteil fahren. Meine Fingern fanden schnell seinen Nippel, der sich weich meinen Fingerkuppen hingab.
Wenn der Alpha schon nicht die Führung übernahm, dann musste das wohl der Omega in die Hand nehmen.
„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist", murmelte Russell, als er mich ein zweites Mal von sich schob. Seine Hände lagen dabei sanft auf meiner Hüfte, berührten mich aber nur dort, wo der Stoff meiner Unterhose meine Haut verdeckte. Auch seine ganze Körperhaltung war eher abwehrend.
Ich schnaubte nur verärgert.
„Und warum nicht?", platzte es patzig aus mir heraus. Meine Hände stemmten sich automatisch in meine Seiten, während ich verärgert zu dem Alpha hinauf starrte. Konnte er nicht sehen, dass es mir deutlich besser ging? Er spürte doch mein Wohlbefinden genauso wie ich seines. Er müsste wissen, dass ich wieder fit genug war.
Russell sah mir jedoch mit einem undefinierbaren Blick entgegen, ehe er leise seufzte. „Gestern ist es dir echt nicht gut gegangen, Mathis."
„Gestern war gestern und heute ist heute. Mir geht es gut, Russell. Keine Sorge", murmelte ich einerseits erfreut von seiner Sorge, andererseits einfach nur frustriert. Ich wollte mit dem Alpha schlafen. Ihn spüren und ihm nah sein.
Ich wollte wissen, wie es sich anfühlte mit ihm zu schlafen, jetzt wo wir fest aneinander gebunden waren. Der Sex musste sich jetzt noch besser anfühlen, als vorher.
„Nicht, dass es dir danach wieder schlechter geht."
Diesmal konnte nur mit den Augen rollen. Wenn er keine Lust hatte, dann sollte er es mir doch einfach sagen.
„Wird es nicht", versuchte ich es erneut und versuchte dann meine aufkommende schlechte Laune in den Hintergrund zu schieben. Ich wollte mir meine Lust auf den Alpha nicht mit meinem Ärger auf ihn selber kaputt machen.
„Mir wird es nur besser gehen", wisperte ich ihm lasziv entgegen und lehnte mich gegen seinen kräftigen Oberkörper, eine Hand auf seiner Brust, die andere glitt wieder in seinen Nacken, damit ich ihn zu mir ziehen konnte. Doch der Alpha kam meiner Aufforderung nicht nach, sondern blieb eisern stehen. Sein Blick hatte sich mittlerweile auch verfinstert, aber nicht wie gewollt vor Lust, sondern auch er war deutlich verärgert.
„Das sehe ich anders", kam es mit einem tiefen Grollen von dem Alpha, ehe er mich erneut von sich schob und damit etwas Abstand zwischen uns brachte. Die Schlussendlichkeit in seiner Stimme war deutlich zu hören und ärgerte mich zutiefst. Was sprach denn bitte dagegen? Wir sollten viel mehr die Chance nutzen, dass es mir gerade gut ging. Es war so oder so nur eine Frage der Zeit, bis es wieder schlechter wurde und ich wollte sicherlich nicht bis nach der Geburt warten, um mit ihm zu schlafen. So viel Freizeit wie momentan würden wir mit zwei Baby so schnell nicht mehr haben, deswegen wollte ich es nutzen.
„Wieso müssen wir denn darüber überhaupt diskutieren?", murrte ich verärgert und schüttelte den Kopf. Für Russell war das Gespräch vielleicht beendet, aber ich war noch lange nicht fertig.
„Nur du diskutierst", kam die plumpe Antwort von Russell, während er mir ernst entgegen sah.
Ich wusste, dass ich meinen Willen nicht mehr bekommen würde und während mein Inneres nur so vor Erregung und Lust prickelte, konnte ich lediglich Russells Unmut spüren. Das machte auch meine eigene Lust zunichte.
„Ich habe dir Frühstück gemacht. Du musst etwas essen." Diesmal schenkte mir der Alpha ein kleines Lächeln und zeigte mit seiner großen Hand in Richtung Küche, ehe er einfach an mir vorbei ging und im Büro verschwand. Ich konnte ihm nur ungläubig hinterher sehen.
War das jetzt sein Ernst? Wieso suchte er denn jetzt das Weite? Wollte er nicht mal mit mir zusammen frühstücken?
Offenbar nicht, obwohl der Küchentisch sogar für zwei gedeckt war. Ich ignorierte den üppig gedeckten Tisch jedoch und machte mir stattdessen nur einen Tee. Wenn Russell mir schon nicht nahe kommen wollte, dann musste ich mir meine Wärme anderswo herholen. Mit einem Seufzen sackte ich auf dem Sofa zusammen, zog eine Decke über meine nackten Schultern und wärmte meine Hände an dem warmen Porzellan.
Ich war verärgert und auch irgendwie enttäuscht. Und obwohl er sich nur Sorgen um mich machte, fühlte ich mich dennoch abgewiesen. Ohne es zu wollen, machte sich die Angst, ihm nicht genug zu sein, in mir breit und brachte meinen Körper zum Erzittern. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme gekuschelt und seine Wärme genossen, mich damit davon überzeugt, dass ich ihm genug war, aber ich wollte ihm nicht ins Büro folgen.
Wenn, dann sollte er schon zu mir kommen.
Außerdem spürte ich seine Gefühle und obwohl momentan sein Ärger überwog, spürte ich dennoch seine anhaltende Zuneigung und tiergehenden Glücksgefühle. Der Alpha mochte mich. Und das beruhigte mich zumindest für den Moment.
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