22. Teil: der Abend danach
„Dieses verdammte Arschloch", knurrte jemand, als ich blinzelnd meine Augen öffnete. Sie schmerzten ungemein und mein Kehle war trocken und fühlte sich rau an.
Ich realisierte schnell, dass ich in Russells Büro lag, eine schwere Decke lag über mir und hielt mich warm.
Russell tigerte durch den Raum, während Lukes an seinem Schreibtisch saß und Russell mit seinem Blick folgte. Sein Gesichtsausdruck war emotionslos, doch seine stürmischen Augen zeigten, wie es in seinem Inneren aussah.
„Ich würde ihm am liebsten den Kopf abreisen", knurrte Russell wütend und ballte die Fäuste.
„Ich weiß, Russell", sprach Lukes ihm gut zu. „Die Polizei kümmert sich um ihn. Er bekommt seine Strafe."
„Die Strafe ist nicht streng genug", zischte Russell und strich sich angestrengt durch die Haare. Seine Haaren sahen aus als hätte er gerade nicht zum ersten Mal hindurch gestrichen.
„Ich hätte früher zu ihm gehen sollen. Fuck, ich mache mir solche Vorwürfe."
„Russell?", krächzte ich und drehte mich ein wenig weiter in seine Richtung. Er sollte sich keine Vorwürfe machen. Er war zu meiner Rettung gekommen, das war das, was zählte.
Die Erinnerungen, die langsam wieder zurückkamen, trieben mir wieder die Tränen in die Augen.
„Mathis", keuchte der Alpha und kam sofort zu mir. Er kniete sich vor das Sofa und legte seine Hände sanft an meine Wangen. „Wie geht es dir?", fragte er besorgt und strich mit seinen Daumen über meine feuchte Haut.
„Nimm mich in den Arm", wimmerte ich leise und ignorierte dabei, dass Lukes mit im Raum war. Gerade war es mir völlig egal, wie schwach ich wirkte. Ich brauchte einfach nur Russells Nähe und die Sicherheit, die er mir gab.
Russell fackelte nicht lange, hob mich mit Leichtigkeit samt Decke vom Sofa, setzte sich selber hin und platzierte mich auf seinem Schoß. Die Decke zog er dabei gleich wieder eng um meinen Körper und barg mich dann fest in seinen Armen.
„Es tut mir so leid", flüsterte er mir zu und drückte seine Wange gegen meine Haare.
Weitere Tränen rannen über meine Wange und durchnässten sein Hemd, doch Russell störte sich daran nicht, sondern hielt mich einfach sicher in seinen Armen.
„W-wo ist er?", schluchzte ich leise und krallte meine Finger in sein Hemd.
„Die Polizei hat ihn gleich mitgenommen. Ich habe in deinem Namen Anzeige erstattet, aber du musst noch mit der Polizei reden, damit sie wirksam wird."
Ich nickte langsam.
Eine Anzeige war das einzig Richtige, das ich machen konnte.
„Okay", flüsterte ich und kletterte angestrengt von Russells Schoß. Der Alpha sah mir fragend hinterher, hielt weiterhin seine Arme für mich offen. Ich strich meine Klamotten zurecht und bemerkte dabei, dass ich wieder vollständig angezogen war, sogar mein Gürtel war geschlossen. Ich zog augenblicklich die Decke enger um meinen Körper und biss mir hart auf die Unterlippe.
Ich hoffte, dass es Russell gewesen war, der mich angezogen hatte und nicht irgendjemand anderes.
„Dann machen wir das gleich", murmelte ich, zu kraftlos um selbstbewusst zu klingen.
„Jetzt?", fragte Russell sichtbar überrascht und erhob sich ebenfalls vom Sofa. Er legte seine Hände wieder an meine Wangen und strich sanft über meine Haut. Seine grünen Augen sahen mir besorgt entgegen.
„Willst du dich nicht erst ein wenig ausruhen? Wir fahren nach Hause, dann nimmst du ein Bad und wir kuscheln uns ins Bett, ja? Und morgen früh gehen wir gleich zur Polizei."
Als Russell ein Bad vorschlug, schluchzte ich automatisch auf. Ich wollte mich unbedingt reinigen. Ich spürte Quentins Hände noch immer an meinem gesamten Körper und fühlte mich deswegen so dreckig, dass ich nur nicken konnte.
„Ich wollte das nicht", flüsterte ich und begann am ganzen Körper zu zittern. „Ich konnte mich nicht wehren. Er war zu stark", winselte ich beschämt und fiel dankbar in die Umarmung, als Russell seine Arme für mich öffnete.
„Ich weiß, Liebling", flüsterte Russell und strich über meinen Rücken.
„Ich will nach Hause", murmelte ich und klammerte mich fester an Russell, der gleich nickte.
Ich spannte mich augenblicklich an und drückte mich enger an Russell, als Lukes auf sich mit einem leisen Räuspern Aufmerksam machte.
Den anderen Alpha hatte ich kurz komplett vergessen.
„Ich fahre dann auch nach Hause."
Russell nickte. „Ich werde morgen voraussichtlich nicht in die Firma kommen."
Lukes musste nicken, denn er sagte nichts.
„Tschüss ihr zwei."
Russell verabschiedete sich von ihm und auch ich hob meinen Blick und verabschiedete mich höflicherweise von Lukes, der mich daraufhin nett anlächelte.
Als Lukes uns alleine ließ, schluchzte ich laut auf und presste mich an Russell, der mich kurzerhand auf seine Hüfte hob. Dadurch fühlte ich mich nur noch sicherer bei ihm.
Die Decke hüllte mich komplett ein, sodass ich mich einigermaßen wohl fühlte, als Russell mit mir auf seinen Armen in den Flur hinaus trat und zum Aufzug ging. Ich barg mein Gesicht in seiner Halsbeuge und versuchte das Gemurmel um uns herum einfach auszublenden. Erst im Aufzug konnte ich wieder etwas aufatmen.
Ich war unsagbar froh, als wir in meine Wohnung traten. Hier fühlte ich mich sicher und konnte mich erstmals wieder entspannen.
„Heyho", strahlte mein Bruder und kam mit schwingend Schritt aus der Küche. Es roch unglaublich gut und da fiel mir wieder ein, dass wir ein gemeinsames Abendessen ausgemacht hatten.
„Das Essen ist gleich fertig. Ihr kommt genau pünktlich", grinste er, verzog jedoch sein Gesicht, als er meine Tränen sah.
„Ist alles in Ordnung? Ist etwas passiert?", fragte er gleich alarmiert und wollte auf mich zukommen, doch ich zuckte etwas zurück und biss mir auf die Lippe.
„Alles gut", murmelte ich wenig überzeugend, aber Olsen spürte offenbar, dass ich gerade lieber alleine war und nickte.
„Magst du was Essen, Russell?", fragte Olsen mit einem kleinen Lächeln, welches nicht nur mich, sondern auch Russell überraschte.
Der Alpha nickte, ebenfalls mit einem kleinen Lächeln.
Vielleicht würde die zwei es doch noch schaffen einigermaßen miteinander klar zu kommen.
„Ich nehme ein Bad", ließ ich Russell wissen, der daraufhin nickte. „Brauchst du Hilfe?"
Bevor ich antworten konnte, begann mein Bruder zu lachen. „Er ist alt genug, der braucht deine Hilfe nicht. Du willst nur deine Chance nutzen, um ihn nackt zu sehen", scherzte mein Bruder, warf Russell jedoch einen finsteren Blick zu.
An jedem anderen Tag wäre es vielleicht sogar lustig, aber nachdem, was heute passiert war, konnten weder Russell noch ich lachen.
Ich warf Russell ein wackliges Lächeln zu und verschwand gleich ins Badezimmer, wo ich die Badewanne volllaufen ließ. Im Schrank fand ich zufällig ein Schaumbad, da ich eigentlich nie ein Bad nahm. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich in dieser Wohnung noch nie gebadet hatte. Jetzt freute ich mich aber irgendwie darauf.
Das Schaumbad schäumte wirklich extrem, was mich irgendwie gleich noch mehr freute.
Das angenehm warme Wasser empfing mich und entlockte mir ein leises Seufzen. Warum gleich nahm ich nie Bäder?
Ich rutschte tief in die Wanne, lehnte meinen Kopf entspannt zurück und genoss es, wie mein Körper sich langsam erwärmte. Dabei bemerkte ich kaum wie viel Zeit vergangen war.
Erst als Russell an der Badtür klopfte, um sich zu vergewissern, dass es mir gut ging, merkte ich, dass schon eine gute Weile vergangen sein musste.
„Du kannst ruhig reinkommen", antwortete ich, selber überrascht davon, wie müde meine Stimme klang.
Mir entging nicht, wie Russell zögerte, bevor er die Tür öffnete und ganz wie der Gentleman, der er war, mit abgewandtem Blick hereintrat.
„Du kannst mir nichts wegschauen, Russell", schmunzelte ich erfreut von seiner Rücksicht.
Die schönen Lippen des Alphas zogen sich ebenfalls zu einem Lächeln, als er zu mir sah und seinen Blick kurz über die Wanne schweifen ließ. „Das ist ganz schön viel Schaum", schmunzelte er und trat schlussendlich auch zu mir an die Wanne heran. Dort ging er in die Knie und legte seine Hand lächelnd auf meine Wange.
„Ja, ich dachte nicht, dass es gleich so viel wird", erwiderte ich lächelnd und schmiegte mich in seine warme Handfläche.
„Wie geht es dir?" Die Sorge war deutlich aus Russells Stimme zu hören und wenn ich meine Augen öffnen würde, würde ich sie auch in seinen Augen sehen.
„Besser", antwortete ich ehrlich. Zuhause zu sein, zu wissen, dass Quentin bei der Polizei war, dass Russell und mein Bruder da waren und dieses angenehme Bad, ließen mich deutlich besser fühlen.
So viel besser, dass ich ehrlich lächeln konnte.
„Da bin ich froh", erwiderte Russell, lehnte sich zu mir und küsste meine Stirn, ehe er durch meine Haare strich.
„Das Essen deines Bruders war wirklich lecker", lachte Russell plötzlich und kraulte weiterhin meine Haare. „Das hätte ich echt nicht erwartet."
Dass Russell sich darüber so amüsierte, ließ mich lachen. „Das hat er von mir gelernt", schmunzelte ich stolz.
„Mum hat mir von klein auf das Kochen beigebracht, weil naja... Omega, aber Olsen musste es nie lernen, weil er ja sowieso seine Gefährtin finden würde und dann jemand hätte, der für ihn kocht. Weil ich das Kochen aber gehasst habe und Olsen nicht, habe ich ihm immer alles gezeigt, was Mama mir gezeigt hat. Von da an hat er dann immer für mich gekocht."
Russell begann daraufhin zu lachen und küsste erneut meine Stirn. „Das hast du gut gemacht. Ich habe lange nicht mehr so gut gegessen." Er machte eine kurze Pause. „Wir haben dir etwas übrig gelassen."
„Danke", lächelte ich ehrlich, weil ich mich tatsächlich demnächst auf etwas essbares freute.
„Magst du reinkommen?"
Die Frage kam schneller als gedacht über meine Lippen und ließ mich mit glühenden, roten Wangen zurück.
Meine Frage traf auch Russell unvorbereitet, der überrascht den Kopf hob und sein Kraulen einstellte.
„In die Wanne?", fragte er und ließ seinen Blick über den Schaumberg wandern. Bevor ich mir jedoch Gedanken machen konnte, mit meiner Frage den Alpha versprengt zu haben, begann er breit zu grinsen. „Meinst du ich habe zwischen dem ganzen Schaum noch Platz?"
Seine Augen blitzten fröhlich und zeigten mir damit ehrlich, dass er meine Frage nicht böse aufgenommen hatte.
„Du hast da locker noch Platz." Ich deutete auf die andere Seite der Wanne, die meine ausgestreckten Beine kaum berührte.
Ich wollte Russell zwar in der Wanne haben, aber gleichzeitig wollte ich nicht, dass er meinen schmächtigen Körper sah, weshalb der viele Schaum eigentlich ganz praktisch war. Außerdem konnte ich den Alpha anschmachten, wenn er mir gegenüber saß.
„Ich schau dir auch nichts weg", grinste ich und hob demonstrativ meine Hand vor meine Augen, als Russell begann sein Hemd aufzuknöpfen.
Ich war sogar so gentlemanlike, dass ich meine Hand erst wegnahm, als Russell in der Wanne Platz genommen hatte. Ich konnte sogar stolz behaupten, dass ich nicht einmal gelinst hatte, obwohl ich das mehr als stark wollte.
Ich zuckte etwas zusammen, als Russell unter Wasser nach meinen Schienbeinen griff und damit meine Beine anhob, ehe er sie über seine legte. Damit hatten wir beide problemlos Platz.
Der Anblick des starken Alphas in mitten der Schaummassen machte mich ungemein glücklich und ließ mich breit lächeln.
„Lachst du mich aus?", grinste Russell frech und hob plötzlich seine Hand voller Schaum aus dem Wasser und pustete ihn mir gnadenlos ins Gesicht.
„Hey!", protestierte ich mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und griff nach seiner Hand, als er sie erneut mit Schaum füllen wollte. Russell nutzte jedoch die Chance und hob seine zweite Hand und pustete mir erneut eine Ladung Schaum ins Gesicht. Dabei grinste er keck.
„Hey!", kam es erneut über meine Lippen, als ich auch nach seiner zweiten Hand griff. Doch der Alpha gab nicht so leicht auf und pustete einfach mit voller Kraft gegen den Schaumberg zwischen uns, sodass ich schlussendlich sämtlichen Schaum im Gesicht hatte.
Wir lachten beide als ich mir durchs Gesicht strich, um den Schaum wieder los zu werden.
Es war so einfach und zwanglos hier mit ihm zu sitzen und wie kleine Kinder zu gaukeln. Es machte mir Spaß und es ließ mich gut fühlen.
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