13. Teil: der nächste Morgen
Ich wachte auf, als mich jemand vorsichtig auf die Arme hob und irgendwo hinging.
„Russell?", murmelte ich schlaftrunken, drückte mich fester gegen seinen warmen Körper und inhalierte seinen betörenden Duft. Der Alpha trug mich im Brautstil durch meine Wohnung und öffnete mit dem Ellenbogen gekonnt die Tür zu meinem Schlafzimmer.
„Ich bringe dich ins Bett", ließ er mich mit sanfter Stimmlage wissen und legte mich im nächsten Moment auf meiner Matratze ab, gleich danach zog er die Bettdecke zurecht, sodass ich mich fest darin einkuscheln konnte. Es war stockdunkel draußen, wodurch ich schätze, dass es mitten in der Nacht war. Auch Russell klang müde und hatte seiner rauen Stimme nach zu urteilen wohl ebenfalls ein wenig geschlafen.
„Gute Nacht, Mathis", lächelte er und platzierte einen sanften Kuss auf meiner Stirn. Dann drehte er sich weg und wollte mein Schlafzimmer verlassen.
„Russell?", murmelte ich leise und drehte mich etwas zurecht. Mein Körper ächzte und ich wollte nichts lieber als weiterschlafen, aber ich musste auf Nummer sicher gehen, dass Russell nicht einfach verschwand. Der Alpha kam sofort wieder an meine Seite. „Ja?"
„Bitte geh nicht weg." Ich wollte nicht alleine sein. Ich fühlte mich bei dem Alpha so wohl, dass ich mich am liebsten auf seinen Rücken schnallen würde, um ihn auf Schritt und Tritt begleiten zu können.
„Ich werde nicht gehen", antwortete er und strich mir sanft über die Wange. „Ich bin im Wohnzimmer auf dem Sofa", ließ er mich wissen, „Wenn etwas ist, dann rufe einfach nach mir, ja?" Ich nickte und zufrieden damit, dass er bleiben würde, driftete ich wieder in den Schlaf.
Auch an diesem Morgen wurde ich von einem starken Würgereiz geweckt.
Und obwohl ich die ganze Nacht geschlafen hatte, stolperte ich mit den letzten Kraftreserven zu meiner Toilette und entleerte mich in der Schüssel. Die von der Schokolade vom Vorabend braune Suppe war alles andere als appetitlich, doch meine Kraft reichte nicht aus, um die Toilettenspülung zu betätigen. Stattdessen versuchte mein Körper abermals durch einen Würgereiz meinen Körper weiter zu leeren.
Ich war dankbar, als ich Russells Präsenz neben mir spürte. Er betätigte die Toilettenspülung, was mich erleichtert aufatmen ließ, ehe mein Körper ein weiteres Mal geschüttelt wurde.
Russell legte eine Decke, die ich als meine Sofadecke identifizierte, über meine Schultern und wickelte meinen Oberkörper darin ein. Er strich mir beruhigend über den Rücken und gab mir den nötigen Halt, während mein Körper mich weiterhin quälte.
Erst als mein Körper sich langsam beruhigte und aufhörte nur Galle herauszupressen, realisierte ich, dass ich lediglich eine Boxershorts trug. Ich konnte mich wage daran erinnern, dass mir heute Nacht irgendwann viel zu warm geworden war, wodurch ich mich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte.
Das bereute ich nun.
Russell hatte meinen zierlichen Omegakörper diesmal komplett entblößt gesehen. Wahrscheinlich konnte er sogar einen Blick auf meinen Bauch erhaschen.
Ich schämte mich dafür. Barg deswegen mein Gesicht in meinen Armen, die ich Halt suchend auf der Toilettenbrille abgelegt hatte, und versuchte angestrengt gegen die Tränen zu kämpfen.
„Shhh", säuselte Russell mir zu und strich weiterhin über meinen Rücken. Er hatte offenbar bemerkt, dass ich kurz vor dem Zusammenbruch stand und wollte mir etwas Komfort geben. Das ließ mich jedoch gleich noch schlimmer fühlen. Ich konnte meine Gefühle einfach nicht kontrollieren. Ich war ein schwacher Omega.
Warum hatte Russell mich überhaupt für den Stellvertreterposten in Betracht gezogen?
„Komm her", murmelte der Alpha und hob mich mit Leichtigkeit auf seine Arme. Ich klammerte mich sofort an ihn und barg mein Gesicht in seiner wohlriechenden Halsbeuge.
Russell roch einfach nur verboten gut.
Er brachte mich in die Küche, wo ich mit einem Glas Wasser meinen Mund ein wenig ausspülte, ehe Russell mir Teewasser aufsetzte.
Ich lehnte angestrengt gegen die Arbeitsplatte, klammerte mich an die Decke, die meinen Körper vor Russell verdeckte, und achtete penibel darauf, dass man nie zu viel Haut sah.
Es gab einen Grund dafür, warum auch meine One Night Stands nie meinen entblößten Körper gesehen hatten.
Mein Körper machte nichts her. Man fand kaum ein Haar daran, ich hatte keine Rundungen und auch keinen Hintern. Mein Körper war wie ein Brett. Dünn und gerade.
Ich wusste, dass andere männliche Omegas oft einen zierlichen Körperbau, wie den einer Frau hatten, wodurch sie auch Rundungen hatten. Ich dagegen sah einfach aus wie ein kleiner Schuljunge mit der Körpergröße eines sechsunddreißig Jährigen.
Dafür schämte ich mich.
Während der Wasserkocher seine Arbeit erledigte, kam Russell mit einem Lächeln auf mich zu und hob mich erneut auf seine Arme. Dabei konnte ich nicht anders als mich wieder an ihn zu klammern.
Statt mich einfach auf dem Sofa abzusetzen und zu gehen, setzte er sich, lehnte er sich gegen die Rückenlehne und behielt mich auf seinem Schoß. Er kraulte mir sanft durch die Haare, als ich meinen Kopf auf seiner Brust bettete und mich gleichzeitig unter der Decke so klein wie möglich machte, damit mein gesamter Körper bedeckt war.
„Warum machst du dich so klein?", fragte Russell hörbar verwirrt und zog mich noch einmal etwas näher an sich. „Ist dir kalt?", fragte er im nächsten Moment besorgt und holte eine zweite Decke, die nicht weit von uns auf dem Sofa lag, zu uns, die er auch noch über mich legte.
Das ließ mich ein wenig entspannen, da mein nackter Körper von zwei Decken deutlich besser verdeckt wurde, als von nur einer.
„Hey", murmelte Russell leise und legte seine Hand auf meine Wange, „Ist alles in Ordnung?"
Sein besorgter Tonfall lockte erneut die Tränen in meine Augen und diesmal konnte ich nichts dagegen tun. Sie quollen in Sekundenschnelle über und benetzten meine Wangen, die heiß brannten.
Russells Augen wurden groß, als er meine Tränen sah und zog mich im nächsten Moment fest an seinen Körper. Seine Hand kraulte weiterhin durch meine Haare, während er meinen Kopf sanft gegen seine Brust drückte.
Man hörte den Wasserkocher im Hintergrund, der anzeigte, dass er fertig war, aber keiner machte Anstalten aufzustehen.
„I-ich schäme mich", wimmerte ich und konnte das leise Winseln, das mir entkam, nicht stoppen.
„Wieso? Wofür?", fragte Russell besorgt nach. „Dafür, dass du dich übergeben hast? Dafür kannst du nichts, Mathis. Dein Körper reagiert auf deine Welpen. Das ist ganz normal. Dafür brauchst du dich nicht schämen", sprach er mir gut zu und hauchte einen kleinen Kuss auf meine Haare.
Ich konnte nur den Kopf schütteln und leise aufschluchzen. Ich wollte es ihm nicht sagen. Ich wollte nicht, dass er von meiner Abneigung gegen meinen eigenen Körper erfuhr.
„Mathis?", fragte Russell auf mein Kopfschütteln hin besorgt nach.
Ich spürte plötzlich, wie sich seine freie Hand ihren Weg unter die Decken suchte und dann sanft über meinen nackten Rücken strich.
Ich konnte trotz dem Kribbeln, das seine Haut auf meiner auslöste, nur daran denken, dass er meine Wirbelsäule spüren musste, weil mein Körper so schmächtig war, und dieser Gedanke versetzte mich so in Panik, dass ich nur noch von Russell wegrutschen und die Decken fester um meinen Körper ziehen konnte.
Russell zog überrascht die Augenbrauen zusammen und wollte sich in meine Richtung lehnen, streckte seine Hände nach mir aus, doch ich zuckte nur weiter zurück.
„Bitte fass mich nicht an", wimmerte ich. Russells verletzen Blick entging mir dabei nicht, weshalb ich mein Gesicht schuldbewusst in meinen angezogenen Knien barg.
Trotz meiner geschlossenen Augen konnte ich Russells verletzten Blick noch sehen. Und das Wissen, den Alpha, der sich so liebevoll um mich kümmerte, verletzt zu haben, entlockte mir ein schmerzhaftes Schluchzen.
„I-ich schäme m-mich", wiederholte ich wimmernd und klammerte mich an meinen Beinen fest. Ich wollte es ihm erklären, wollte ich sagen, dass es nichts mit ihm zu tun hatte, aber gleichzeitig war das Schamgefühl zu groß.
Ich spürte, dass Russell zu mir gerutscht war, aber er berührte mich nicht, sondern hielt genügend Abstand, dass ich mich nicht eingeengt fühlte. Wobei ich einfach nur von ihm in den Arm genommen werden möchte.
„B-bitte nimm m-mich in den Arm", schluchzte ich und entspannte mich ein wenig, als Russell mich ohne zu zögern wieder auf seinen Schoß zog und seine Arme fest um mich legte.
„E-es tut mir l-leid", wimmerte ich und krallte meine Hände in sein Oberteil, während ich mein verheultes Gesicht wieder gegen seine Brust drückte.
„Willst du mir sagen, wofür du dich schämst?", fragte er mit sanftem Tonfall nach und schmiegte seine Wange gegen meine Kopf in meine Haare.
Ich konnte nur wieder den Kopf schütteln.
Russell seufzte leise, sprach mir jedoch dennoch gut zu und versichert mir, dass ich jederzeit zu ihm kommen konnte, wenn ich jemandem zum sprechen brauchte.
„Danke Russell", flüsterte ich und spürte wie meine Mundwinkel sich zu einem kleinen Lächeln zogen.
„Für dich immer, Mathis." Er küsste erneut meinen Schopf und hielt mich weiterhin fest in seinen Armen.
Es kam eine angenehme Ruhe zwischen uns auf. Meine Tränen versiegten langsam, während Russell mich weiter in seinen Armen hielt. Ich genoss die Zweisamkeit und die Nähe und während der Drang seine nackte Haut auf meiner zu spüren immer präsenter wurde, nahm ich mir vor ihm irgendwann davon zu erzählen.
„Möchtest du zuhause bleiben oder in die Firma gehen?", fragte Russell irgendwann und hauchte einen Kuss auf meinen Schopf, ehe wir uns soweit lösten, dass wir uns ansehen konnten.
„In die Firma", antwortete ich sofort und schenkte ihm ein kleines Lächeln, das er gleich erwiderte.
„Kannst du aufstehen? Oder brauchst du Hilfe?"
Ich rutschte auf seine Frage hin vorsichtig von seinem Schoß und erhob mich in die Senkrechte, während meine Finger sich fest in seine Hand bohrten, die meine hielt.
Meine Knie zitterten ein wenig, aber alles in allem fühlte ich mich wieder ganz fit.
„Ich würde nach Hause fahren und mich umziehen und dich dann am Weg in die Firma abholen, ja?", lächelte Russell und erhob sich ebenfalls vom Sofa.
Er lächelte zu mir hinunter, als er direkt vor mir stand. Ich nickte ebenfalls mit einem kleinen Lächeln.
Mein Herz begann höher zu klopfen, als er die Decken, die schwer an meinen Schultern hingen, etwas zurecht zog, sodass sie besser fielen und somit auch meine Beine beinahe bis zum Boden verdeckten.
„Danke", lächelte ich und senkte den Blick.
Russell war so ein guter Mensch und ich hatte ihn verletzt. Hoffentlich konnte ich das wieder irgendwie gut machen.
Von meinen Schuldgefühlen übermannt, zuckte ich überrascht zusammen, als ich plötzlich Russells Finger unter meinem Kinn spürte, die sanft meinen Kopf ein wenig anhoben. Russell hatte weiterhin ein sanftes Lächeln auf den Lippen, als er sich ein wenig zu mir hinunter lehnte. Gleichzeitig spürte ich, wie sich sein Arm um meine Taille legte und mich daran an seinen Körper zog, sodass meine freie Hand, die andere hielt die Decken, sich automatisch auf seine Brust legte.
Dann überwand er den letzten Abstand zwischen uns und drückte seine Lippen auf meine.
Sie bewegten sich in einem sanften Rhythmus auf meinen und ließen mir keine anderen Möglichkeit als sofort zu erwidern. Ich spürte seinen Bart, der sanft über meine Haut kratzte, was den ganzen Kuss nur noch sinnlicher machte und ungeahnte Gefühle in mir auslöste.
Seine freie Hand fand meinen Nacken, zog mich daran enger in unseren Kuss und vertiefte ihn sogleich. Es war ein sanfter Kuss, den ich nur mit vollem Elan erwidern konnte. Selbst als unsere Zungen ins Spiel kamen und ich spürte, wie es in meinem Inneren heiß wurde, blieb der Kuss beinahe jungfräulich, aber war gleichzeitig leidenschaftlicher als alles, was ich je erlebt hatte.
Unsere Atemzüge waren ungleichmäßig und stockend als wir uns langsam lösten.
Ich wurde noch nie so geküsst. Niemand hatte mich jemals mit so viel Gefühl geküsst wie Russell gerade und von jetzt an, wollte ich nur noch solche Küsse teilen. Russell hatte die Messlatte verdammt hoch gelegt und ich wusste, dass niemand, außer ihm, sie jemals erreichen konnte.
Der Alpha ließ mich atemlos, währen ich mein Herz in meiner Brust in rasender Geschwindigkeit klopfen spürte. Russell musste es genauso spüren.
Ein breites, glückliches Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und auch Russell begann breit zu lächeln. Seine grünen Augen funkelten voller Freude und sein Arm um meine Taille festigte sich noch ein wenig, während sein Daumen meine Wange fand und sanft über die Haut strich.
„Oh Gott, ich habe mich vorhin erst übergeben!", platzte es plötzlich aus mir heraus, als ich das realisierte und schlug meine Hand sofort schützend über meinen Mund. „Das tut mir so leid!", rief ich fast panisch aus und wollte etwas Abstand zwischen uns bringen.
Ich roch wahrscheinlich bestialisch aus dem Mund.
Russell hingingen ließ mich jedoch nicht von sich weichen, sondern lachte nur leise, ehe er meine Hand bereite zog, sich erneut zu mir hinunter lehnte und einen sanften Kuss auf meine Lippen drückte.
„Ich bin in circa vierzig Minuten wieder zurück", schmunzelte er und verließ dann mit einem kleinen Lächeln und einem Winken meine Wohnung.
Ich konnte ihm nur mit Herzchenaugen hinterher sehen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro